In einem vielbeachteten Urteil hat der Bundesgerichtshof vor wenigen Wochen die Rechte „biologischer“ Väter weiter gestärkt. Aus den Informationen der Pressemitteilung des BGH lebten der Kläger und die Mutter des Kindes beide jeweils mit ihren Partner_innen in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Der Kläger hatte der Mutter ein Gefäß mit seinem Sperma zur Verfügung gestellt und sie hatte die Insemination vorgenommen. Später war man sich offenbar uneins, ob der Spender über seine Rolle hinaus Vaterpflichten übernehmen sollte. Um eine Vaterschaftsanerkennung des Spenders zu verhindern, hatte ein anderer Mann als sogenannter Sperrvater das Kind als seines anerkannt.
Dagegen wendete sich nun der Kläger erfolgreich. Nach geltendem Recht ist das alles keine größere Überraschung, denn der biologischen Vaterschaft wird ein hoher Wert beigemessen und die Regeln im BGB dazu sind relativ klar. Einzige Frage hier war, ob ein Spender, der der Mutter nicht, wie es der Gesetzestext charmant formuliert „während der Empfängniszeit beigewohnt“ hat (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB), die Vaterschaft anfechten kann. Natürlich kann er das, entschied nun der BGH. Der einzige Fall, in dem das anders sein könnte, ist der Fall einer Spermaspende, wenn ein hetero lebendes Paar Sperma eines Dritten nutzt und von Anfang an alle darüber einig sind, dass der Partner der Frau und nicht der Spender Vater sein soll (§ 1600 Abs. 5 BGB).
Schade nur, dass es im Gesetz keine solche Regelung für lesbische Paare gibt. Die Anfechtung der Vaterschaft setzt voraus, dass zwischen dem „Sperrvater“ und dem Kind keine sozial-familiäre Beziehung besteht und der Anfechtende leiblicher Vater ist (§ 1600 Abs. 2 BGB). Weil es allein um die Vaterschaft geht, spielt die sozial-familiäre Beziehung der Partnerin der Mutter zum Kind hier keine Rolle. Um das lesbische Paar ging es also nie wirklich.
Eine Elternschaftsanerkennung der Partnerin der Mutter ist nicht möglich, sie bleibt auf die Adoption des Kindes ihrer Partnerin (sogenannte Stiefkindadoption) verwiesen. Dafür braucht es in der Regel aber die Einwilligung des Vaters. Laut Frankfurter Rundschau will er die allerdings nicht geben.
Frage: Ist es nicht eigentlich schon Usus, dass man bei solchen Zeugungsmodellen vorher vertraglich festlegt, inwieweit es Kontakt zum Kind geben soll?
So klar war die Rechtslage nicht, die Kommentarliteratur ist vielmehr bisher verbreitet davon ausgegangen, dass der bloße Samenspender der Mutter gerade nicht „beigewohnt“ hat und ihm darum auch kein Anfechtungsrecht zusteht. Das hat im Gesetzgebungsverfahren zu § 1600 Abs. 5 BGB auch der Rechtsausschuss des Bundestags angenommen (BT-Drs. 15/2492, S. 9).
Andererseits schließt § 1600 Abs. 5 BGB nach seinem Wortlaut den Samenspender nicht von der Anfechtung aus, sondern nur die Mutter und „den Mann“ (also den rechtlichen Vater). Von daher ist es juristisch nicht sehr überzeugend, das einmal angenommene Anfechtungsrecht des Samenspenders in den Fällen des § 1600 Abs. 5 BGB scheitern zu lassen, wie es der BGH laut Pressemitteilung anscheinend will.
Nach meinem Eindruck steht hinter der Entscheidung insgesamt weniger eine klare Gesetzeslage, sondern ein klarer Gestaltungswille des BGH.
@furly
sicherlich ist das usus, auch bei diesem fall ist davon auszugehen, dass es erst eine einigung gab, die später keinen bestand mehr hatte, weil sich die beteiligten umentschieden haben, allen voran der kläger. aus diesem grund wurde schließlich ein „sperrvater“ überhaupt erst notwendig. allerdings schützen auch verträge letztendlich vor gericht nicht 100%, solange die gesetzeslage spender als biologische väter fasst, die recht am kind haben, egal in welcher beziehung sie zu diesem stehen und auch gegen den willen der mutter.
@gerd
wo siehst du denn im vorliegenden paragraphen interpretationsspielraum? hätte der bgh anders entscheiden können und wenn ja, mit welcher begründung? würde mich interessieren.
Anfechtungsberechtigt ist jemand, der glaubhaft macht, der Mutter „beigewohnt“ zu haben. Ich verstehe Beiwohnung erst einmal als Geschlechtsverkehr. Wenn der Samenspender der Mutter gar nicht „beigewohnt“ hat, dann hat er auch kein Anfechtungsrecht. Damit bleibt der „Sperrvater“ rechtlich Vater des Kindes, und der Samenspender kann daran nichts ändern. Alle weiteren Probleme stellen sich nicht.
Wie gesagt, das war bisher eine verbreitete Auffassung gerade im Hinblick auf die heterologe Insemination, der sich auch ein Ausschuss des Bundestags angeschlossen hat. Ich halte das auch für eine recht naheliegende Lösung, gegen die aus meiner Sicht zudem keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Es stimmt zwar, dass die biologische Vaterschaft in der Rechtsprechung gerade auch des BVerfG hochgehalten wird. Bislang ging es aber zumindest um eine Vaterschaft qua Geschlechtsverkehr. Ich habe Zweifel, ob diese Rechtsprechung auf die heterologe Insemination übertragbar ist.
Dass die Rechtslage bzgl. des Kinderwunschs homosexueller Paare in vieler Hinsicht unbefriedigend ist und bleibt, steht auf einem anderen Blatt.
@gerd
hier stellt sich für mich über diesen fall hinaus allerdings die frage, warum „kinder zeugen“ mit geschlechtsverkehr in verbindung stehen muss. dass „beiwohnen“ in diesem fall heißt vater=sperma, ist freilich biologistisch argumentiert und unsinnig, dennoch wird hier eher offensichtlich, dass der rechtliche rahmen unzureichend ist und ein klassisches familienmodell forciert, dass eindeutige rollen verteilt und festlegt, nach dem alles nicht als familie gefasst wird, was mit dieser vorstellung und diesem modell bricht. und da finde bestehende gesetze und die rechtssprechung des bgh gleichsam skandalös. hier hat die in das gesetz zementierte vorstellung davon, wie kommen kinder in die welt kommen (immer über „ausgeübte“ sexualität) und was als familie gilt (bzw. wer rechte an einem kind geltend machen kann), weitreichende konsequenzen.
soll heißen, ich habe nichts dagegen, dass insemination bzw. spermaspende (oder auch sex) rechtliche und praktische konsequenzen in bezug auf familiäre rechte und pflichten hat, sondern dass das der einzige grund sein dafür sein soll, was als familie anerkannt ist. der bgh hätte auch anders entscheiden können. nämlich, dass die anerkennung keine grundlage hat, weil der kläger in einen bestehenden familienzusammenhang eingreift, was allerdings schwierig ist, da im gesetz der vater (biologisch oder sozial) immer eine rolle spielt und damit lediglich heteropaare mit familie in verbindung gebracht werden. andere familienmodelle sieht das gesetz in diesem paragraphen nicht vor.
Na toll. Der letzte Absatz freut mich ungemein…nicht.
Und wegen dem letzten Absatz stellt sich für mich die Frage- gehts da wirklich ums Kind?
Klingt eher nach „Macht“ausübung.
Das Problem, dass das Gesetz als „bestehenden Familienzusammenhang“, der durch die Anfechtung gestört werden könnte, nur das Dreieck (rechtlicher) Vater – Mutter – Kind anerkennt, ist aus richterlicher Sicht nicht zu beheben (es sei denn, darin liegt ein Verstoß gegen Art. 6 GG, aber so weit sind wir wohl noch nicht). Da bin ich sofort dabei, dass das ätzend ist.
Meine Kritik konkret am BGH ist, dass er mit einer extremen Aufwertung der (rein) biologischen Vaterschaft eine vielleicht unbefriedigende, aber pragmatische Lösung des Falls (Sperrvater hält den Samenspender draußen) ohne eindeutigen Anhaltspunkt im Gesetz und ohne zwingenden verfassungsrechtlichen Grund verhindert.