Oder sind es die Wissenschaften? Oder die Medien?
Frauen glauben gerne, dass Männer Freundlichkeit und sexuelles Interesse oft nicht auseinander halten können – im Gegensatz zu ihnen, natürlich. US-ForscherInnen haben dieses Problem in einer psychologischen Studie mit 280 StudentInnen untersucht. Die Seite wissenschaft.de berichtet davon und fragt nach dem Ursprung dieses Phänomens:
„Entweder liegt bei Männern die Schwelle, ab der eine Verhaltensweise als eindeutig sexuell eingestuft wird, tatsächlich niedriger als bei Frauen, oder aber Männer sind grundsätzlich nicht so sensibel für die Art der Signale, die eine Frau aussendet und können demnach sexuelle Hinweise nicht gut von anderen unterscheiden.“
Das Thema an sich ist ganz interessant und spannend, doch so richtig gefallen will mir der Artikel von Ilka Lehnen-Beyel nicht. JedeR der/die sich ein bisschen mit empirischer Sozialforschung auskennt, weiß, dass 280 Personen noch keine Basis für eine repräsentative Studie bilden können, zudem handelte es sich nur um StudentInnen – ein ausgewählter Personenkreis. Über die Rückschlüsse auf alle Menschen kann (muss) man wirklich streiten. Außerdem liegen die Unterschiede bei den verschiedenen Tests sehr nah beieinander:
So
„interpretierten die Männer eine freundliche Frau in 12,1 Prozent der Fälle fälschlich als sexuell interessiert, während die weiblichen Probanden nur bei 8,6 Prozent falsch lagen.“
Und
„umgekehrt übersahen die Männer auch immerhin in 38 Prozent der Fälle ein echtes sexuelles Interesse, wohingegen die Frauen nur etwa 32 Prozent fehlinterpretierten“
Bei so einer kleinen Zahl von untersuchten Personen sind Unterschiede von 4-6 Prozent kein eindeutiger Hinweis auf einen signifikanten Trend. Das sollte vielleicht erwähnt und dann noch einmal gründlich über den Titel: „Warum Männer Frauen so häufig missverstehen“ nachgedacht werden. Der Einleitende Teaser ist auch nicht gerade nett:
„Männer seien schlicht und einfach weniger sensibel gegenüber Gefühlen und können sie schlechter allein anhand der Körpersprache unterscheiden als Frauen.“
Volle Kanne Zustimmung!
Wie hast Du berechnet, dass 4-6 Prozentpunkte Unterschied bei einer Stichprobe von 280 Versuchspersonen keinen statistisch signifikanten Unterschied ausmachen?
Ich find’s schwierig empirische Untersuchungen auf Reliabilität, Validität oder gar Objektivität hin zu überprüfen, wenn ich noch nicht mal ein ordentliches Abstract davon gelesen hab. Das mein ich im Positiven wie im Negativen. So ein intuitives „klingt nach wenig“ ist natürlich nicht verboten. ;-)
Ich finde eher interessant, warum sich die Medien überhaupt immer auf diesen Scheiß stürzen. Vielleicht beruhigt das im Privaten auch manche Menschen, wenn sie sich nicht eingestehen müssen, dass sie bei der Partnerwahl einen Griff ins Klo gemacht haben, sondern sich ein „Männer/Frauen sind halt so“ einreden können.
Ach ja. Eine schöne Untersuchung zu der (statistisch!) doch sehr dürftigen Beweislage zu Geschlechterdifferenzen bezüglich psychologischer Variablen gibt’s von J.S. Hyde. Kennt Ihr „Mädchen“ sicher schon. „ the gender similarities hypothesis“. Eine review von J. S. Hyde über 46 Metaanalysen. Sehr interessant –methodisch und theoretisch.
http://www.apa.org/journals/releases/amp606581.pdf
ich sagte nur, es ist kein eindeutiger Hinweis auf einen signifikanten Unterschied. Oder anders gesagt: da sind die Unterschiede ja innerhalb der beiden Geschlechtsgruppen größer. und natürlich steht der Artikel hier symbolisch für eine von den Medien aufgebauschte Studie, die letztendlich (meiner Meinung nach) ziemlich aussagenlos ist. ich finds auch schade, dass man nichts zu der Studie findet, ich habe länger gesucht, denn ich hätte das auch gerne noch ein bisschen genauer zerpflückt.
zum Link: „Thorndike (1914), for example, believed that psychological gender differences were too small, compared with within-gender variation, to be important.“ 1914!
wichtig finde ich darin auch: „There are serious costs of overinflated claims of gender differences (for an extended discussion of this point, see Barnett
& Rivers, 2004; see also White & Kowalski, 1994). These costs occur in many areas, including work, parenting, and relationships.“
wirklich sehr interessanter Link – danke dafür, Judith
vertippt, nochmal:
http://www.psychologicalscience.org/journals/ps/19_4_inpress/Farris.pdf
Huch? Spam-Filter..
Also, das ist ein Link zu der Studie.
danke, Nils!
..sehr gerne.
So wie ich die Studie verstehe, bewerten Männer und Frauen – um ein paar Prozentpunkte unterschiedlich – Fotos von Frauen anders, als dies eine gemischte Gruppe mehrheitlich tut. Aber vielleicht bin ich einfach nur zu Faul die Studie durchzuarbeiten.
Haarstäubend, was wissenschaft.de daraus macht..
Es gibt eine Studie von 2005 mit 15000 Probanden, die beurteilen sollten ob ein Lächeln echt oder unecht ist, da schneiden dann Männer um ein paar Prozentpunkte besser ab.
..ach so: Da ging es auch um Fotos.
ich frag mich, wie die den test durchgeführt haben??!^^
..indem sie 19-Jährigen Studenten aus dem Bible Belt Fotos von ebenso alten Laiendarstellerinnen vorgelegt haben. *lol*
„ich frag mich, wie die den test durchgeführt haben??!^^“
sie haben „Two hundred eighty heterosexual undergraduate men (63.6%) and women (36.4%)“ ausgesucht (mensch beachte die unterschiedliche Prozentzahl! nur halb so viele Frauen), „Seated in a private computer room, participants categorized each of a series of photo images of women into one of four categories: friendly, sexually interested, sad, or rejecting.“ Die Fotos waren zuvor aus einer großen Fülle von Fotos von je 80 männlichen und 80 weiblichen undergratuates nach den vier Kriterien bewertet und wenn eine große Mehrheit dieser 160 fand, dass ein Attribut besonders passte, dann wurde es diesem Foto zugeschrieben. So entstanden 70 Fotos je Kategorie, die gezeigt wurden. ach so: auf den Fotos waren nur Frauen.
@Nils: nachdem ich mir die Studie durchgelesen habe, ist vor allem haarsträubend, was diese Wissenschaftler dort gemacht und geschrieben haben. Denn Wissenschaft.de hat wohl nur abgeschrieben, alle Sätze stehen genau so in der Studie drin! (ach so: danke für den Link, warum auch immer ich ihn nicht gefunden habe)
oh, das war ein cross-post. du hast es aber tatsächlich sehr gut geschafft, in Kürze das wichtigste zu sagen ^^
@Katrin: Klar, aber als Journalist sollte man doch darüber nachdenken, was man so abschreibt. Daß Wissenschaftler Ergebnisse liefern müssen, insbesondere wenn eine Studie gesponsort ist, das müsste doch bei „wissenschaft.de“ bekannt sein.
P.S.: Studie gefunden: Manchmal findet halt auch ein intuitionsblinder Mann intuitiv ein Korn ;)
Nils, naja, du kannst Journalisten auch einfach einen fertigen Text schicken und dieser wird (vielleicht sogar vorher nicht gelesen) publiziert.
..ja, stimmt schon. Und die Zeischrift „Psychological Science“ klingt ja ziemlich vertrauenswürdig.
ich habs übrigens mal mit dem X²-Test nachgerechnet: Die Zahlen dieser Studie sind in der Tat nicht signifikant. ich bekomme einen X²-Wert von 1,034 heraus (wenn ich als Vergleichswerte bei der Frage, wo Männer 38 und Frauen 32 Prozent daneben lagen immer 35 % Prozent als Erwartungswert eingebe, also einfach den Mittelwert). wollt ich nur mal so anmerken – und jetzt lern ich mal weiter für meine Prüfung in Empi Soz ^^
((Dieser Beitrag wurde gelöscht.))
Schön das du dir deine Antwort schon selber gibst.
Hi, habe über den Zoomer-Artikel hergefunden… Zur unterschiedlichen Interpretationsleistung von Männern und Frauen bzgl. der vom anderen Geschlecht ausgesandten verbalen und nicht-verbalen Signale gibt es ja eine ganze Reihe von Untersuchungen, und der Tenor ist eigentlich immer der gleiche – wir verstehen uns irgendwie nicht so wie wir wollen würden, aber immer noch ausreichend gut um die Arterhaltung sicherzustellen (außer vielleicht in Deutschland ;)).
An dieser in den meisten Fällen ja auch von der eigenen Lebenswirklichkeit gedeckten Beobachtung ist wohl kaum zu rütteln – aber Sie sagt natürlich beileibe nichts oder wenn, dann nur sehr wenig über die Ursachen aus, ob nun psychologisch oder neurologisch, biologisch oder kulturell. Auch wenn der Ablauf von Paarungsritualen nach Meinung nicht weniger Psychologen zu den „lehrbuchmäßigsten“ psychologischen Vorgängen gehört, menschliche Sexualität ist schon biologisch überaus komplex, und kulturelle Praktiken verkomplizieren das „human mating“ darüber hinaus obwohl sie eigentlich zur Reduktion von Komplexität im Angesicht unserer begrenzten Rationalität beitragen sollten.
In diesem Zusammenhang besonders interessant scheinen mir Untersuchungen wie die von Helen Fisher (http://de.wikipedia.org/wiki/Helen_Fisher) oder auch Dr. Timothy Perper (Perper, T. (1985), Sex Signals, The Biology of Love, Philadelphia, ISI Press). Perper verbrachte offenbar 9000 Stunden in Bars und Clubs und erforschte für seine Dissertation die verbalen und non-verbalen Signale von Frauen und Männern, versuchte sie zu systematisieren, einzuordnen, seine Klassifizierung per ex-post Umfrage zu verifizieren, und kam zu dem Ergebnis, daß Männer Frauen schlicht nicht lesen können, und Frauen keine Möglichkeit finden, sich Männern verständlich zu machen. Seiner Studie zufolge versteht nur 1/31 aller Männer, was Frauen ihnen sagen wollen, während die Frauen der Meinung waren, daß ihre Signale „unmißverständlich“ waren. Sucks to be us ;).
Zitat (habe ich mal aus einer Sekundärquelle notiert, daher ohne Seitenangabe, sorry) –
„Women have vested nearly all their actions with symbolic meaning. Physical distance, topic of conversation, degree and intensity of eye contact … Women employ their total environment symbolically: everything and every act in it consciously expresses how they feel about the man. We cannot conclude, however, that women actually succeed in communicating with men through these symbolic meanings. … Profound chasms of misunderstanding can exist between men and women concerning these meanings. … The skilled objective observer, therefore, has little trouble understanding the woman’s intentions, even if her male partner can’t.“
Macht das Männer „ein bißchen beschränkt“?
Kommt sicher drauf an, was man als Norm betrachtet.
Und eine größere Anzahl von Frauen versteht, was Männer ihnen sagen, da Männer dies eher offener verbalisieren (sollen, müssen)
Am Paarungsverhalten kann man aufgrund dieser (kulturell, oder wie auch immer vorgegebenen) Asymetrie die geschlechtspezifische Fähigkeit, nonverbale Kommunikation zu lesen, wohl kaum messen. Meine persönliche Erfahrung ist die, daß es generell sehr große Unterschiede gibt.
Ich habe leider auch nur eine Sekundärquelle , aber die Wiseman Studie mit 15000 Probanden macht eher bei Männern eine größere Fähigkeit aus, ein falsches von einem richtigen Lächeln zu unterscheiden.
Nils,
>Fähigkeit
wie ich ja geschrieben habe, kann man von Beobachtungen des Unvermögens nicht wirklich auf das Fehlen oder Vorhandensein von Fähigkeiten (als theoretisches Vermögen) zur nonverbalen Kommunikation schließen. Nur eben darauf, daß sie unter den gegebenen Bedingungen nicht so funktioniert, wie vom Kommunikator intendiert (wobei ich jetzt mal unterbewußte Körpersprache mit „intendierter“ Körpersprache in einen Topf werfe).
„Und eine größere Anzahl von Frauen versteht, was Männer ihnen sagen, da Männer dies eher offener verbalisieren (sollen, müssen)“
Wäre ja nicht schlecht, wenn mehr Frauen das auch tun würden, wie in diesem Song aus den 90ern… „Hey, I find you very attractive. Would you like to go to bed with me?“ ;). Würde das Leben deutlich vereinfachen. Aber da schlägt dann oft die „slut“-Falle zu. Auch so ein Bereich, in dem unterschiedliche Standards allen das Leben schwer machen.
Ich meinte mit Fähigkeit eigentlich das praktische Vermögen. Es ging ja darum, ob Männer beschränkt (weniger sensibel – bei der Interpretationsleistung der Wahrnehmung machen Farris et al keinen Unterschied aus) als Frauen seien.
Ich glaube, es geht um Mehr als um die „slut – Falle“, und deshalb wird sich da so schnell leider nichts ändern.
P.S.: Man kann natürlich die Frage stellen, warum Männer nicht so funktionieren, wie Männer funktionieren sollen.
Da erscheint es mir nur allzu logisch, daß ein „skilled objektive observer“ weniger Probleme hat, die nonverbale Kommunikation zu lesen.
Also ich war an einer Schule mit über 70Prozent Frauen/Mädchen.
Und ich war völlig normal mit einigen befreundet.
Natürlich schut man auch mal denen hinterher, aber das wird wohl gegenseitig so sein.