Naekubi bloggt bei Danger! Bananas über das Leben von Asiat_innen in Deutschland, Kultur und Alltag, Rassismus und Feminismus, Selbstbewusstsein und Selbstverständnis. Wir freuen uns sehr, dass sie nun auch eine Kolumne bei der Mädchenmannschaft schreibt.
Es ist heiß. Ich fahre Rad und schwitze. Ich sitze im Büro und schwitze. Zu Hause am Schreibtisch schwitze ich. Unter meiner Schädeldecke sammelt sich schon das Kondenswasser. Die paar Tage, die es in Deutschland warm ist, will ich mich aber nicht beschweren. So habe ich wenigstens Gelegenheit, in Shorts rauszugehen. Das Thema Hotpants/Shorts kam hier bereits auf.
Das denken sich derzeit viele Menschen – zum Vorschein kommen Körper. Körper in allen Formen, Größen und Farben. So unterschiedlich sie sind, so bestaunenswert sind sie. Jede Ausführung ist einzigartig, ein Wunderwerk. Doch ich ertappe mich im Sommer regelmäßig dabei, wie ich andere Körper bewerte und mit meinem eigenen abgleiche. Das Vergleichen – ich kann es nicht lassen. Ist jemand größer, kleiner, dicker, dünner, fitter, wabbliger als ich? Wie schneide ich selbst ab in Sachen Attraktivität und Wohlgeformtheit? Je nachdem, wie mein Urteil ausfällt, bin ich besser oder schlechter gelaunt. Das mache nicht nur ich: Ganze Industrien beschäftigen sich damit, Körper, allen voran Frauenkörper zu bewerten. Und ich mache im Alltag fleißig mit. Ich müsste es besser wissen. Warum mache ich das?
Gerade als Frauen* erleben wir von klein auf die Beurteilung unseres Äußeren: Bemerkungen von Eltern, Geschwistern, Verwandten und Bekannten, aber auch Bilder in den Medien erklären uns genau, was akzeptabel ist oder nicht. Oberstes Ziel: Möglichst hübsch oder optisch angenehm zu sein. In asiatischen Communitys scheint das umso ausgeprägter zu sein: Gerade meine vietnamesischen Tanten und Cousinen sagen nach der ersten Begrüßung schon etwas wie „Bist du aber X geworden!“ Es ist manchmal verletzend, manchmal peinlich, immer maximal unangenehm. Jede und jeder fühlt sich bemüßigt, Körper, allen voran Frauen*körper, zu kommentieren. Dazu können alle etwas sagen. Oft genug reden wir über unseren eigenen Körper, und unsere Bewertung fällt nicht netter aus als bei fremden.
Wir alle haben eins gemeinsam: einen Körper. Wir können nun mal nicht aus unserer Haut, wir sind diese eine physische Existenz. Ohne Körper gibt es uns nicht. Wir sind unser Körper, der Körper sind wir. Und obwohl unser Körper so elementar für unser Dasein ist, fühlen wir uns so selten wohl in unserer Haut. Selbsthass und Abscheu kommen häufiger vor als wir zugeben wollen. Woher also der Hass für etwas so Grundsätzliches?
Dass etwas mit unserer Gesellschaft im Großen nicht stimmt, sieht man daran, wie viele Menschen wegen irgendetwas an ihrem Körper heruntergemacht werden. Dabei gibt es deutliche Abstufungen in den Schnittmengen – wer eine kleine, dicke Frau of Color ist, hat den Kürzeren gezogen. Es ist Teil des Systems. Generell gilt aber: Sobald man Mensch ist, kriegt man deutlich gesagt, dass etwas mit einem nicht stimmt. Das passiert, wenn man eine 1,90m Frau, ein 1,60m Mann ist, ein paar Kilo mehr oder weniger hat, Falten, ein breites Kreuz oder Dehnungsstreifen besitzt. Dabei sind wir alle nicht geformt wie der vitruvianische Mensch.
Frauen standen da seit jeher unter besonderer Beobachtung, weil der Wert Schönheit der femininen Wertsphäre von alters her zugewiesen wurde. Schön sein, das schreibt eine Art Gesellschaftsvertrag vor, ist Aufgabe von Frauen. Welche sich dem nicht beugt, mit der stimmt etwas nicht.
Es ist, als ob wir diesen absurden Vertrag unterschrieben haben, sodass niemand ein gesundes Verhältnis zu sich selbst und seinem Körper haben darf: „Wenn ich mich schon nicht OK mit mir fühle, darf das auch niemand sonst.“ Vor allem diejenigen nicht, die noch mehr abweichen. Das erklärt unter anderem, warum die Fat Acceptance Bewegung so viel Gegenwind bekommt. Weil solchen Menschen nicht das Recht gegeben wird, sich gut zu fühlen. Damit machen wir uns gegenseitig das Leben zur Hölle aufgrund einer irgendwie gearteten, empfundenen Normvorstellung.
Ich weiß das alles und doch stehe ich bei den sommerlichen Temperaturen vor dem Spiegel, kneife mir in den Bauch und frage mich, ob wegen meiner bläulich durchschimmernden Venen Shorts trotzdem in Ordnung gehen. Alte Glaubenssätze sind schwer zu durchbrechen, das wissen wir alle. Deswegen hat jeder Akt von „Treat Yo‘ Self“ oder „Sei gut zu dir“ etwas Subversives.
Inzwischen übe ich regelmäßig, mir selbst etwas Nettes zu sagen – treat yo‘ self eben. Ich mag meine Haare und mein Gesicht, meine Hände und meine Kurven. Und, mal ehrlich, es gibt noch andere Dinge im Leben als hübsch zu sein. Zum Beispiel im Sommer nicht so sehr zu schwitzen und den lauen Wind an den Beinen zu spüren, wenn man in Shorts Fahrrad fährt.
Tolle Kolumne :) – vielen Dank, Naekubi! #TreatYoSelf
Super Artikel. Und ganz ohne Polemik und Angriffe, das gefällt mir sehr. Danke und bitte bitte weiter so.