Nachdem im letzten Jahr drei Frauen aus Irland vor den Europäischen Gerichtshof zogen, um gegen das Abtreibungsverbot in ihrem Staat zu klagen (das Urteil wird voraussichtlich im Herbst gefällt), steht Irlands strikte Behandlung ungewollt schwangerer Frauen wieder unter Kritik:
Ein aktueller Bericht von Human Rights Watch zur Situation schwangerer Frauen in Irland beschreibt und kritisiert die von der irischen Regierung und dem Gesundheitssystem auferlegten Hürden, die im Falle eines beabsichtigten Schwangerschaftsabbruches überwunden werden müssen. Da Abtreibung in Irland illegal ist (außer wenn die Schwangere in Lebensgefahr ist), reisen jährlich rund 6000 Irinnen als so genannte „Abtreibungstouristinnen“ nach England, um dort einen Abbruch vornehmen zu lassen.
Im Bericht (2010, pdf) von Humans Rights Watch heisst es:
The Irish government actively seeks to restrict access to abortion and consequently violates women’s human rights. (…) Further, the Irish government limits access to information about safe and legal abortion services through restrictive legislation. It has sought to prevent individual women from traveling abroad for abortion through injunctions and it refuses to regulate access to legal abortion within Ireland.
(Zu deutsch: „Die irische Regierung erschwert aktiv den Zugang zu Abtreibungen und verletzt dadurch die Menschenrechte von Frauen. (…) Darüber hinaus schränkt sie den Zugang zu Informationen zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen und Beratungsstellen durch eine restriktive Gesetzgebung ein. Die Regierung hat einzelne Frauen durch Unterlassungsurteile davon abgehalten, ins Ausland zu reisen, um eine Abtreibung vornehmen zu lassen und verweigert eine Verfügung zum legalen Zugang zu Abtreibungen im eigenen Land.“)
Der Bericht mahnt außerdem an, dass Beratungsstellen Schwangere häufig mit ungenügenden bzw. falschen Informationen versorgen. Dies führt nicht nur zu erhöhten emotionalen Stress, sondern kann auch zur Folge haben, dass Schwangere auf Grund von verspäteten oder falschen Informationen keine Zeit mehr haben, die irischen Grenzen für eine Abtreibung zu verlassen.
Insbesondere in Gegenden, in denen eine hohe Zahl an Migrantinnen und/oder armen Frauen leben und in denen es wenige Beratungsstellen gibt, sei der Mangel an Informationen oder die Häufigkeit an Falschaussagen frappierend. Diesen Frauen fehlt häufig nicht nur der Zugang zu nötigen Anlaufstellen, sondern auch das Geld, um eine kostenintensive Reise ins Ausland zu unternehmen. Bei einem durchschnittlichen irischen Jahreseinkommen von rund €30.000 kann eine Abtreibung im Ausland ein ganzes Monatsgehalt kosten. Jene Frauen müssen ein Kind ungewollt austragen oder führen eine illegale und oftmals lebensbedrohliche Abtreibung selbst durch.
Im schlimmsten Fall müssen Sie dann nach irischem Recht mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen.
Faktisch haben ja zwei Dinge dazu beigetragen, für Irinnen eine Abtreibung zu erleichtern: Erstens das Internet, wo man sich über Möglichkeiten im Ausland informieren kann und zweitens eine Billigfluglinie, die es ermöglicht mit vertretbarem Kostenaufwand nach GB oder NL zu fliegen. Der Aufwand der dafür in Kauf zu nehmen ist, ist aber immer noch riesig, im Vergleich zu liberalen Ländern, in denen Frauen sich an eine nahe gelegene Klinik/Arztpraxis wenden können.
Schätzungsweise ist eine solche Abtreibungsreise mittlerweile für unter 500 Euro zu haben.
Die Diskussion wird aber noch auf der falschen Schiene geführt. Die Androhung von Strafen ist sowohl eine Risiko als auch eine Chance: Niemals würden es die Strafverfolgungsbehörden schaffen, alle Frauen die in den letzten 10 Jahren im Ausland abgetrieben haben, zu verfolgen, Irland kann es sich nicht leisten, 50-100 000 Frauen zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Deshalb könnte das Eis gebrochen werden, wenn eine möglichst hohe Zahl an Frauen sich zu ihrer Abtreibung bekennt, in Form eine Selbstbezichtigungsbewegung. Dann wird die irische Gesellschaft sich damit abfinden müssen.
wer die Irinnen unterstützen und auf dem Laufenden bleiben möchte, der/dem empfehle ich die Facebook-Seite der Ireland Abortion Rights Campaign:
http://www.facebook.com/eva.ricarda?ref=profile#!/pages/Safe-and-Legal-in-Ireland-Abortion-Rights-Campaign/140386587640?ref=sgm
oh, der link führt lediglich zu meinem profil. ich versuch’s nochmal: http://www.facebook.com/pages/Safe-and-Legal-in-Ireland-Abortion-Rights-Campaign/140386587640?ref=search&sid=731208352.3764558565..1
Ich bin vor guten anderthalb Jahren nach Irland gezogen, wohl wissend dass das hier noch ein sehr konservatives Land ist und ich mit einigen meiner Ansichten vielerorts anecken werde, aber nachdem ich nun zahllose Diskussionen mit vielen Leuten aller Altersgruppen hatte, wurde mir erst klar, wie schwer es für Irland sein wird, einige Rechte durchzusetzen, die wie deutschen schon für so selbstverständlich halten. Dinge wie das Abtreibungsverbot oder beispielsweise auch das Verbot (eingetragener) gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, Probleme die sich dadurch für Transgender ergeben usw. sind so tief in der irischen Denkweise und Kultur verwurzelt, dass ich jedes mal, wenn diese Diskussion aufkommt, schier verzweifle.
Die katholische Kirche hat in Irland mehr Macht, als jede andere Institution. Sie beherrscht alles – die Schulen, die Politiker und die „öffentliche Meinung“. Von kleinauf wird den Kindern eingetrichtert, was gut und was böse ist, und als Lehrer verpflichtet man sich, die Kinder möglichst katholisch hinzubiegen. Und für die meisten Kinder beginnt die Schulzeit mit gerade mal 4 Jahren! Es überrascht mich also nur noch wenig, wenn selbst Leute in meinem Alter, die sich ausdrücklich gegen die katholische Kirche und oft auch gegen den gesamten christlichen Glauben aussprechen, auf die Aussage, ich könne mich momentan noch nicht langfristig an Irland binden, so lange die Kirche eine solche Macht über die Politik hat, nur mit einem „Na, das ist halt unsere Kultur und ohne all das wäre ich nicht so, wie ich heute bin!“ reagieren und versuchen, mir weis zu machen, dass daran nunmal nichts zu drehen ist und man für eine Abtreibung ja nur kurz nach England reisen müsse. Aber wütend macht es mich.
Und noch wütender macht mich das, wenn ich sowas höre von jemandem, dessen Exfreundin das ganze einmal durchmachen musste – sie hat hier in Irland keinerlei hilfreiche Information oder gar psychologische Hilfe/Betreuung bekommen (und konnte es sich einfach nicht leisten, für längere Zeit in England zu bleiben) und hat nach über zwei Jahren noch immer schreckliche Probleme damit, darüber zu sprechen oder auch nur daran zu denken. Offiziell gibt es in den größeren Städten zwar Beratungsstellen, aber zumindest hier in Galway gibt es keine einzige, die nicht zur katholischen Kirche gehört und nur dazu dient, den Frauen ins Gewissen zu reden und möglichst viele Abtreibungen zu verhindern.
All das habe ich hier wie gesagt erst nach und nach gelernt, und traurigerweise habe ich wirklich noch keine einzige Person getroffen, die daran glaubte, dass sich Irland jemals ändern wird. Und mit einer solchen Einstellung wird das irische Volk natürlich auch nicht weit kommen. Es ermutigt mich aber immer, wenn ich lese, dass sich doch ein paar Menschen wehren und auch daran glauben, dass sie etwas bewegen können. Ich werde mir hier also weiterhin nicht den Mund verbieten lassen, auf dass ich mir noch ein paar weitere Feinde mache, aber hoffentlich irgendwann doch noch gleichgesinnte finde!