Scheidung auf Marrokanisch

Marokkos König Mohammed VI. ist bei vielen seiner Untertanen beliebt wie ein Popstar. Als er 1999 den Thron bestieg, begann er vieles ganz anders zu machen als sein Vater – und versuchte, sein Land zu modernisieren. Während er den Staatsapparat selbst kaum von Korruption und verkrusteten Strukturen befreien kann, gelang ihm mit der Reform des marrokanischen Familienrechts der große Wurf. Der Autor Dietrich Alexander wirft einen Blick in die Familiengerichtssäle eines Landes aus 1001 Nacht:

Der König begreift das seit Februar 2004 geltende reformierte Familienrecht, die Mudauwana, als Kern seiner Vorstellung von einer toleranten, modernen, an die globale Entwicklung assimilierten arabischen Gesellschaft. „Wie kann“, so fragte der Monarch vor vier Jahren sein Parlament, „eine Gesellschaft auf Fortschritt und Wohlstand hoffen, wenn die Hälfte von ihr, die Frauen, Opfer von Ungerechtigkeit, Gewalt und Marginalisierung wird?“ Die Antwort gab er kurz darauf selbst und verkündete eine radikale Reform der Familiengesetzgebung. Vorbei waren die Zeiten, da es einem Mann erlaubt war, mit der dreifachen Wiederholung des Wortes „talaq“ (Scheidung) seine Frau ins Elend zu stoßen: rechtlos und als Nicht-Jungfrau für den Rest ihres Lebens dazu verdammt, allein zu bleiben. Vorbei die tribalen Gesetzmäßigkeiten gehorchende Zwangsverheiratung junger Mädchen mit deutlich älteren Männern. Und vorbei auch die vollkommen unkontrollierte Polygamie.

Vor allem die Frauen in seinem Land verehren Mohammed VI. Denn er hat ihr Leben radikal verändert. Zum Beispiel bei einer Scheidung:

Richter Fadli verkündet: „Die Ehe wird mit sofortiger Wirkung geschieden, das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter wird der Mutter übertragen, die während der Ehe angehäuften Güter werden geteilt.“ Akte geschlossen, nächster Fall. Ein scheues Lächeln huscht über das Gesicht der Frau mit dem blond gefärbten Haar, das sie offen trägt. Ihre schlanken Beine stecken in engen Jeans, darüber fällt eine gemusterte, dreiviertellange Lederjacke. Man sieht ihr den Triumph an, den sie über die Gesetzmäßigkeiten einer patriarchalischen Gesellschaft errungen hat: Nicht nur konnte sie die Scheidung erwirken, es gelang ihr obendrein noch, das Sorgerecht für ihre Tochter durchzusetzen. Weder das eine noch das andere wäre vor fünf Jahren denkbar gewesen.

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