Die Online-Ausgabe des britischen Telegraph berichtete vor einigen Tagen über den Ausgang eines Gerichtsverfahrens in Russland, in dem eine Angestellte ihren Chef wegen sexueller Belästigung angeklagt hatte. Der zuständige Richter urteilte: Ohne Sexuelle Belästigung keine Kinder und wies mit dieser Begründung die Anklage ab. Die Beweislage allerdings hätte anderswo sicher zu einer Verurteilung geführt. Der Telegraph kommentiert:
„Since Soviet times, sexual harassment in Russia has become an accepted part of life in the office, work place and university lecture room.“
Schockierend sind auch die Zahlen, die einer aktuellen Untersuchung zufolge diesen Zustand belegen: 100 Prozent (!) der berufstätigen russischen Frauen gaben demnach an, dass sie Opfer sexueller Belästigung durch ihre Vorgesetzten wurden. Ganze 32 Prozent gaben zu, mindestens ein Mal Verkehr mit ihnen gehabt zu haben und weitere sieben Prozent behaupten, vergewaltigt worden zu sein.
Die Folge davon:
„Eighty per cent of those who participated in the survey said they did not believe it possible to win promotion without engaging in sexual relations with their male superiors.“
Und:
„Women also report that it is common to be browbeaten into sex during job interviews, while female students regularly complain that university professors trade high marks for sexual favours.“
Nicht, dass die Frauen sich nicht gegen diese Tatsachen wehrten, doch ihre Ausgangslage ist denkbar schlecht: Nur zwei Frauen haben seit dem Ende der Sowjetunion ein Gerichtsverfahren wegen sexueller Belästigung in Russland gewonnen.
Holy shit.
Frage allerdings, ist (browbeaten into sex) during job interviews oder browbeaten into (sex during job interviews) gemeint? Also werden sie gedrängt zuzusagen evtl. Sex zu haben, oder wird das Einstellungsgespräch schon wie in einem schlechten Porno geführt?!
Das möchte ich ja schon gleich gar nicht wissen, wie die Vorstellungsgespräche geführt werden!!
Oh Gott, sind das Zustände!
Kann man wohl nur noch zum Wodka greifen, was?
@hn: ich hatte es wie ersteres Verstanden. Aber die englische Sprache lässt wohl beide Deutungen zu
@Nils: soviel zu den Wegen, die osteuropäischen Frauen offenstehen, um ihre Ziele zu erreichen…
@lini: Konkret zu den Osteurpäerinnen habe ich ja nichts gesagt, außer daß man mit deren Bewertung vielleicht vorsichtig sein sollte. Das war ein Mißverständnis, ich dachte du meinst Frauen im Allgemeinen.
Schlimm, manchmal habe ich den Eindruck, mit dem Sozialismus wurden alle Werte über Bord geworfen.
@Nils: Ich weiß schon. Wollte nur die beiden Themen miteinander verlinken. Ich weiß nicht, ob das nicht noch mehr mit dem Postsozialismus als mit dem Sozialismus selbst zu tun hat… Keine Regeln, Recht des Stärkeren und so. Der Sozialismus ging ja in einer Art Anarchie unter, und erst in letzter Zeit entstehen wieder Strukturen, an die sich auch gehalten werden muss. Allerdings war die Situation der Frauen in der SU auch nicht gerade beneidenswert.
@Lini: Ja, das mag sein. So viel mit zwischenmenschlichen Werten hatte die UDSSR auch nicht am Hut. So richtig entscheiden, ob ich da lieber Frau oder Mann ohne Funktionärsprivilegien gewesen sein möchte kann ich mich aber auch nicht.
Ich habe mal so einen Vergleich mit der Situation in den frühen USA gehört: Wenn sich eine Gruppe Gangster etabliert hat, dann möchte sie Ruhe und Ordnung etablieren – Um ungestört ihre Geschäfte zu tätigen. Irgendwas ist da dran, finde ich.
Keine Regeln, Recht des Stärkeren: Da geht es den Frauen meistens nicht gut..
@Nils: So ist es. Frauen sind zwar „nur“ physisch schwächer. (Eine Frage, die ich für mich noch nicht geklärt habe, ist, ob Benachteiligung und Unterdrückung von Frauen allein daraus resultiert. Was habt ihr da so für Ansichten/Wissen?). Aber wenn sich die i.d.R. geringere physische Kraft noch mit Machtlosigkeit paart, dann wird’s ganz schlimm…
Fragt sich nur was dabei schon als sexuelle Belästigung angesehen wird? So deute ich zumindest mal die „100 Prozent (!)“.
@Goofos: da kannst du dich, leider, auch täuschen.
@Lini: Könnte damit zusammenhängen, daß Frauen zwangsläufig mehr in ihren Nachwuchs investiert haben, und deshalb weniger bereit sind ihr Leben zu riskieren bzw. daß sie dadurch erpressbarer sind? Beim „Recht des Stärkeren“ endet ja die Machtposition oft mit einem unnatürlichen Tod.
Eine gängige Theorie sagt, das Patriarchat sei mit der neolithischen Revolution entstanden – Da generationenübergreifend viel Arbeit in die Landwirtschaft investiert wurde, war es plötzlich wichtig, wer Erbe ist – Vorher sei es für die Männer egal gewesen, wer ihr Nachwuchs ist. Ab dem Moment hätte die Sexualität der Frau kontrolliert werden müssen.
Ich denke, es ist eine Kombination aus beiden, bei der die Frauen mitgemacht haben: Das mühsam beackerte Land musste verteidigt werden, was man den Männern überlies. Für das weiterleben eines Clans ist das Leben eines Mannes ja entbehrlicher als das einer Frau. Daraus haben sich dann „Männerbünde“ entwickelt, zunächst um die Verteidigung effizienter zu gestalten. Irgendwann haben die dann angefangen anderen Schutz gegen Naturalien und Loyalität („Schutzgeld“) anzubieten, und haben damit Kämpfen zum Beruf gemacht. Die, die sich dabei etabliert haben waren natürlich für die Frauen interessanter als die „Bauerntöpel“, sich so einen Kerl zu angeln war ja ein Sechser im Lotto ums überleben. Sowohl die Männer als auch die Frauen hatten ein Interesse daran, daß die Machtposition, die jetzt Männlich definiert war, möglichst an ihren Nachwuchs weiterzugeben..
@Goofos: dass 100% dieser Frauen schon mal angegrapscht wurden oder anzügliche Bemerkungen hinnehmen mussten (was meines Erachtens glaubwürdig scheint, wenn über 30% sogar mit Vorgesetzten geschlafen haben), heißt nicht gleichzeitig, dass 100% der männlichen Kollegen so was tun. Das ist dir doch klar, nicht?
@Nils: Ja, richtig, der Nachwuchs. Und dass das ganze mit dem Ackerbau begann, hatte ich auch schon gelesen – bei Simone de Beauvoir, jetzt erinnere ich mich. Sie reduziert es auf diese beiden Komponenten – Kinder und Körperstärke. Du hast auch damit Recht, dass Frauen Komplizen des Patriarchats waren (sind?), sie haben immer auf der Seite ihrer Schicht gestanden, nicht auf der Seite derer, die mit ihnen das Geschlecht teilten. Allerdings ist (geringere) Körperstärke schon ein gewichtiges Argument dagegen, sich aufzulehnen, wenn mit es gang und gäbe ist, dass sie von der stärkeren Seite eingesetzt wird, um sich durchzusetzen.
@lini: Ich denke, wenn man den Frauen die Verteidigung des Ackers überlassen hätte (oder sie gleichberechtigt einbezogen hätte), wäre es nicht viel anders verlaufen. (außer natürlich daß der Patriarch öfter eine Frau wäre) Es ist ja nicht die Körperstärke, sondern das sich Verbünden – Die Organisation erst von Banden, dann Heere und Königreiche und schließlich von Staaten. Einer oder Eine hat dann die größere Führungkompetenz und erlangt eine Machtposition, die er oder sie an den Nachwuchs weitegeben möchte.
Das man das den Männern überlassen hat ergibt sich einfach nur daraus, daß Frauen einen Ueterus haben und deshalb nicht einfach in die Schlacht geschickt werden. Die Frauen haben imho mitgemacht, weil die Machtposition nicht gerade eine ist, die langes Leben verspricht..
Warum sollten sie auf der Seite ihres Geschlechts stehen? Menschen stehen immer zunächst auf der Seite ihrer Kinder/Nächsten. Wen würdest du verhungern lassen, wenn du nur unwesentlich mehr zu Essen hast als du selber brauchst – Deinen Sohn oder deine Nachbarin?
(die von Gewalt geprägte Außenwelt setzt sich natürlich innerhalb der Familie fort, ist schon klar)
@Lini, es geht mir nicht um die Kollegen sondern darum was bei den 100% schon als sexuelle Belästigung gewertet wird. Ich könnte auch behaupten ich werde tagtäglich bei der Arbeit sexuell belästigt weil Frauen sexy Haltungen einnehmen wenn sie einen runtergefallenen Kugelschreiber aufheben. Oder noch besser wenn sie mir zu nahe kommen und mich zufällig kurz berühren.
@goofos: ich denke, der Rest des Artikels ist ein ziemlich guter Rahmen für das, was man sich dort wohl vorstellen darf. wie Lini schon sagte: wenn sogar 32% mit dem Chef ins Bett gehen… naja.
Ich denke auch, die Frage ist nicht so wichtig.
In verrohten Gesellschaften gibt es immer viel sexuelle Gewalt. Männer werden halt umgelegt, und Frauen werden vergewaltigt. Beame alle Männer auf den Mars, dann legen sich nach drei Tagen die Frauen gegenseitig um..
Ich hab ehrlich gesagt nur darauf gewartet, wann Goofos, direkt oder indirekt, darauf hinweist, dass aber auch Männer sexuell belästigt werden.
…und das durch sexy Haltungen beim Aufheben eines Kugelschreibers. Sorry, Goofos, aber das ist einfach nur noch lächerlich. Ich kann ja verstehen, dass du diesen Drang hast, zu sagen „Ich aber auch“. Geht mir auch in vielen Dingen so. Aber zieh doch deine Beispiele bitte nicht so ganz an den Haaren herbei..
Lini, Nils,
das ist für mich sicher die spannendste Frage in der ganzen Thematik. Nur ist das halt eine zu der der Feminismus mit seiner Fixiertheit auf Soziologie nicht wirklich etwas beitragen kann – da fehlt die historische/anthropologische Perspektive. Ausnahmen gibt es: hier ist ein interessanter Beitrag dazu auf einem radikalfeministischen US-Blog, über den ich irgendwann mal gestolpert bin. Auch die Diskussion in den Kommentaren ist (mit einigen Ausnahmen) nicht uninteressant.
„The origins of male dominance“.
http://www.reclusiveleftist.com/?p=251
@jj: hab kurz reingeschaut, sieht echt interessant aus. Mich interessiert die Frage auch sehr (lese mich morgen durch). Ist sicher nicht die wichtigste Frage eines auf’s Hier und Jetzt ausgerichteten Femininismus… Kann allerdings sein, dass ihre Beantwortung doch Implikationen für zumindest das Theoriegebäude des Feminismus hat. Als Beispiel aus einem anderen Konfliktbereich: Manche weiße US-Amerikaner werfen schwarzen US-Amerikanern gern vor, dass diese, obwohl sie die Möglichkeit haben, sich nicht hocharbeiten, wie es die Weißen doch auch gemacht haben, vergessen jedoch dabei, dass der eigene Familienbesitz i.d.R. durch Sklavenarbeit entstanden ist…Würden sie sich das klar machen, wären sie wohl etwas kleinlauter. Ebenso wäre es, im Falle einer Beantwortung der Frage „Did it take rape to create a system in which men are no longer peripheral?“ mit „Ja“, nicht mehr ganz so angebracht für manche Männer, sich mit ihren (historischen) Erfolgen zu brüsten (mich ärgert sehr, dass es immer noch Stimmen gibt, die sagen: warum nur gibt es keinen weiblichen Shakespear/Picasso/Newton etc. etc.)
@jj: die ersten Kommentare sind natürlich heftig…
Lini,
„dass der eigene Familienbesitz i.d.R. durch Sklavenarbeit entstanden ist…“
Das ist allerdings tatsächlich nur für einen sehr geringen Teil der Bevölkerung der Fall, denn Sklaven zu besitzen bedingte ja schon ein gewisses Vermögen, das die meisten Immigranten nicht hatten. Abgesehen davon betraf die Sklaverei ja auch nicht alle Wirtschaftszweige und Gebiete der USA gleichermaßen und den vermeintlich freien „indentured“ workers, oft weißen Immigranten, ging es nicht unbedingt besser als farbigen Sklaven (z.T. auch, was Heiratseinschränkungen und so weiter betraf). Vorsicht mit solchen Verallgemeinerungen.
„(mich ärgert sehr, dass es immer noch Stimmen gibt, die sagen: warum nur gibt es keinen weiblichen Shakespear/Picasso/Newton etc. etc.)“
Ich bin der letzte, der behauptet, daß das nichts mit der gesellschaftlichen Situation von Frauen in den letzten Jahrhunderten (Picasso lasse ich dafür allerdings nicht mehr so wirklich gelten) zu tun hat. Aber es könnte auch sein, daß das, was sich jetzt bei den mathematischen Fähigkeiten in Abhängigkeit vom Geschlecht zeigt, auch bei anderen Fähigkeiten eine Rolle spielt: Daß bei einer statistisch nicht signifikant unterschiedlichen Leistung der Geschlechter die Streuung bei Männern viel größer ist – will sagen: es gibt viel mehr mathematische männliche Vollidioten als weibliche aber auch mehr männliche Mathegenies als weibliche.
@jj: Dass es in der Vergangenheit (gut, und heute vielleicht in den meisten Gebieten auch noch) mehr männliche „Genies“ gab, würde ich einfach darauf schieben, dass sie einfach tendenziell eher die Möglichkeit hatten sich etwa wie Gauß ausschließlich mit Mathematik zu beschäftigen. Weil sie eine Frau hatten die das Weltliche regelte. Hat auch nicht unbedingt mit dem Geschlecht zu tun, Genies waren eher adelig — wer weniger Zeit aufs blanke Überleben verschwendet, hat mehr Zeit für den interessanten Teil… Und es gibt ja auch einige bekannte begabte Frauen, Jeanne-Antoinette Poisson etwa. Die wurde aber halt auch von 50 Leuten bekocht…
(Etwas hinüber) möchte ich anmerken, daß Marie Curie bisher als weltweit Einzige zwei Nobelpreise in zwei verschiedenen Naturwissenschaftlichen Disziplinen abgeräumt hat. Ohne daß sie 50 „Women behind“ hatte (soweit mir bekannt ist) Und Adlig war sie auch nicht gerade. Den Rest lese ich mir auch morgen durch.
Und die Bedenken von Goofos finde ich nicht soo weit hergeholt, heißt es doch bei uns, jede 4. Frau sei von häuslicher Gewalt betroffen, weil sie einmal in ihrem bisherigem (bis zu 80-Jährigem Leben) einmal „Wütend weggeschubst wurde“ (Ja, mir hat auch schon mal eine Frau ungefragt in den Schritt gegriffen. Passt aber, denke ich, nicht ganz zur Lage der Osteuropäer_innen)
P.S.: (Und ich habe noch nicht vernommen, daß die ehemalige „Ministerin für Gedöns“ aus der Partei ausgetreten wäre, nachdem Putin als lupenreiner Demokrat bezeichnet wurde)
@Nils, meine These bezog sich auch nur auf den Fall, weshalb Frauen früher eher nicht durch besondere Genialität auffielen. Ich wollte damit nicht sagen, dass dies nur mit Personal und Sorgenfreiem Leben möglich sei, aber eben, dass es doch schon sehr hilfreich sein kann.
Guten Morgen, Nils. Marie Curie wurde mehrmals fur den Nobelpreis vorgeschlagen, und wurde mehrmals wieder abgelehnt bevor sie ihn letztendlich doch bekam. Rat mal, warum – genau, schlicht und herzergreifend, weil sie eine Frau war. Damals, nicht allzulange her, war diese Argumentation noch öffentlich möglich.
Ob ein Genie sich entwickeln kann, hat sehr wohl etwas mit den Umständen zu tun, in die es hineingeboren wird. Wie willst du große physikalische Entdeckungen machen, wenn du keine physikalische Ausbildung erhälst? Hier möchte ich daran erinnern, dass die Universitäten erst Ende des 19.Jh. Schritt fur Schritt und gegen großen Widerstand für Frauen geöffnet wurden.
@jj: Das mit der großeren Streuung höre ich das erste Mal im Zusammenhang mit der Diskussion um mathematische Fähigkeiten. Interessant. Trotzdem denke ich immer noch, dass Begabungen nichts mit dem Geschlecht zu tun haben. Wir hatten doch hier auch mal das Thema
(Mathe ist kein Jungenfach?). Der Basisartikel zu dem Thread war recht überzeugend.
Aber eigentlich habe ich jetzt keinen Bock, mich darüber zu streiten, ob Frauen genauso geniefähig sind wie Männer. Ich bin überzeugt davon, dass es so ist, wer das Gegenteil glaubt, glaubt es eben.
@Lini: Letztens habe ich auf einem feministischen (!) Blog gelesen, dass die Studie die größere Streuung bei Männern belegt hätte, die Journalisten und Interpretatorinnen jedoch nicht bemerkt haben.
Außerdem geht es dabei immer nur um Statistiken, nicht um einzelne Frauen/Männer. Eine Frau/ein Mann kann „geniefähig“ sein, ein Geschlecht aber meines Erachtens nicht.
@Lini, Katrin
Es geht mir nicht darum „Ich auch!“ zu schreien, sondern darum, dass die Zahl 100% natürlich reißerisch klingt aber fraglich ist wie sie zustande gekommen ist und ob dabei nicht schon nur ein Schulterklopfer vom Chef als sexuelle Belästigung interpretiert wird. Genauso könnte ich mich fragen wie ich die 32% verstehen sollte. Wieso sind die Frauen mit den Chefs ins Bett gegangen, was versprechen sie sich davon? Die Antwort steht ja im Artikel, bloss von wem hier was ausgeht ist unklar. Sind es jetzt sexgeile Chefs oder Frauen die sich davon einfache Aufstiegschancen versprechen?
Also bei diesen „Wer ist besser in Mathe?“ Studien geht es doch eigentlich nicht darum zu beweisen welches Geschlecht in Mathe besser ist, sondern verkürzt darum wieso das andere Geschlecht nicht gleich gut ist? Verstehe ich das falsch?
ich weiß, ich verstehe dich schon. Nur frage ich mich, ob es wirklich so wichtig ist, ob es nun 100 oder 85 % sind… was wirklich erschreckend ist, ist doch die scheinbare Selbstverständlichkeit (von beiden Seiten).
@ Goofos: Ich denke, der entscheidende Punkt ist, dass es dort für manche männliche Chefs/Kollegen ganz normal zu sein scheint, eine Frau anzufassen, wenn sie gerade Bock drauf haben. (Und für viele Frauen, sich anfassen zu lassen.) Weil die Belästigenden wissen, dass das überhaupt nicht sanktioniert wird, weder durch die Belästigte, noch durch einen Richter, tun sie es dann auch, wann immer sie wollen. So wäre meine Interpretation. Es fällt mir auch nicht schwer, mir das vorzustellen: Ein Typ mit einflussreicher Position in einem großen Unternehmen, der gerne mal Frauenpopos angrapscht – na, da sind dann schnell mal 100 oder 200 Mitarbeiterinnen sexuell belästigt. Weil es einfach normal ist, dass der Typ seine Runde durch die Firma dreht und den Frauen jeweils einen Klaps mitgibt.
Oder auch einfach „nur“ anzügliche Dinge sagt, wie „Na Frau Olgerowa, Sie arbeiten wohl auch lieber in der Horizontalen …“ (Oder denk dir was anderes aus.) Auch das ist schon sexuelle Belästigung.
@Matze:
„Eine Frau/ein Mann kann “geniefähig” sein, ein Geschlecht aber meines Erachtens nicht.“
Genau so sehe ich das auch. Für welches Werkzeug hast du dich nun eigentlich entschieden?;-)
Susanne,
„Oder auch einfach “nur” anzügliche Dinge sagt, wie “Na Frau Olgerowa, Sie arbeiten wohl auch lieber in der Horizontalen …” (Oder denk dir was anderes aus.) Auch das ist schon sexuelle Belästigung.“
Ja, aber das ist dann halt schon so ein Bereich, der mich zum Nachdenken bringt, ob man dann den tiefen Ausschnitt einer Frau nicht auch schon dazu rechnen kann, insbesondere, wenn sie sich gezielt nach einem Bleistift bückt. So was wie dieses Beispeil würde ich eher zu Mobbing rechnen, wenn es sich auf eine Person konzentriert und regelmäßig passiert, ansonsten kommt es da sehr auf den Umgangston im Unternehmen an.
Noch eine Frage: ist es Eurer Meinung nach eigentlich für eine Frau zur Durchsetzung ihrer Interessen zulässig, sexuelle Angebote zu machen (also Sexuailtät als Währung einzusetzen, wenn dafür eine Nachfrage besteht?). Anders formuliert: Wenn der Vorgesetzte Sex für eine Beförderung vorschlägt, ist das sexuelle Belästigung (oder wie auch immer man das dann nennen will), wenn *sie* aber den Vorgesetzten „verführt“ oder ihm den Vorschlag macht, weil sie glaubt, daß das ein sinnvoller Weg sein könnte, was ist es dann?
ich halte es nicht für „zulässig“, dass sexuelle Gefälligkeiten als Karrieremotor genutzt werden, aus dem einfachen Grund: Kompetenz und Fähigkeiten sind die entscheidenden Faktoren. Sobald sexuelle Gefälligkeiten auf die Bühne treten, wird es für die, die das eben nicht wollen, nämlich zum Nachteil. Ist eine ganz einfache Argumentationskette: Es sollte immer die freie Entscheidung von jedem Menschen sein, Sex zu haben, oder nicht. Zu dieser freien Entscheidung gehört die Antwort „NEIN!“, diese muss gleichwertig mit einem eventuellen „ja“ sein. Wenn aber die Karriere durch ein „NEIN!“ in Gefahr ist, dann ist dies nicht mehr gegeben.
Also was ich sagen will: Wenn eine Frau ihren Chef heiß findet und das auf Gegenseitigkeit beruht, kann ich das so lange akzeptieren, wie anderen dadurch keine Nachteile für ihren Job entstehen, sondern sich dieses Begehren auf rein privater Ebene abspielt. Dass Menschen Tiere sind, die leider dazu neigen, das dann zu vermengen, soll erstmal auf einem anderen Blatt stehen.
Um also deine Frage noch abschließend zu beantwortet: Wenn ein Mann von einer Frau vorgeschlagen bekommt, er könne sie ja gegen Sex befördern, ja, dann empfinde ich das sehr wohl als sexuelle Belästigung (oder wie auch immer man das dann nennen will, aber warum nicht genauso?)!!!
@jj:
Ich glaube, das „Joo Joo“ dient eher dazu, Männer dazu zu bewegen, ihr Leben aufs Spiel zu setzen und / oder sich auf dem Feld kaputtzuackern.
Betrachtet man die ganze Entwicklung eines Menschen von der Zeugung bis zum Erwachsenwerden, ist das Austragen eines Kindes doch nur ein Bruchteil. Ich denke, in prähistorischen Gesellschaften war das auch nicht viel anders. Warum sollten Männer also einen „Gebärneid“ haben, der durch ein „Joo Joo“ kompensiert werden müsste?
Katrin,
ich stimme Dir da generell zu, aber ich finde auch, daß man durchaus darüber diskutieren sollte, ob die „Sonderbehandlung“ von Sexualität im Verhältnis zu anderen „Währungen“ im menschlichen Austausch immer so berechtigt ist. Wir haben es als kulturelles „Soll“ definiert, daß einzig „Kompentenz und Fähigkeiten“ als entscheidende Faktoren für das Fortkommen in einer Meritokratie gelten sollen. Aber das ist natürlich mehr ein gesellschaftlicher Mythos. Faktisch sind Beziehungen jedweder Form ebenso eine Währung wie auch höheher Einsatz. Wenn ein Mann anbietet, 80 Stunden pro Woche zu arbeiten, ist das ein Zeichen dafür, daß er den Job unbedingt will. Wenn er seiner Vorgesetzen Sex anbietet, um ihn zu bekommen, dann nicht?
Ich denke, daß es eben keinen Sinn macht die Realität,
„[d]ass Menschen Tiere sind, die leider dazu neigen, das dann zu vermengen, … erstmal auf einem anderen Blatt stehen [zu lassen].“
Die ideologische Aussortierung von Sexualität als zulässige Ausdrucksform von strategischem Verhalten ist aus meiner Sicht nicht verhaltensadäquat (anders: unmenschlich). Warum werden sexuelle Gefälligkeiten notwendigerweise anders bewertet als „Nettigkeit“, die sich in Einladungen zum Abendessen oder einem Geburtstagsgeschenk für den/die Chefin ausdrückt? Wenn man davon ausgeht, daß allen diesen nicht-formalisierten Austauschverhältnissen ein implizites quid-pro-quo zugrunde liegt, dann sollte man auf jeden Fall mal hinterfragen, wieso man den Chef oder die Chefin noch zum Essen einladen darf um sich für die nächste Beförderung zu empfehlen. Auch da ist doch (bei effektivem quid-pro-quo) derjenige oder diejenige im Nachteil, der/die nicht bereit ist, den Einsatz zu bringen. Was ist an Sexualität so anders, daß sie nicht strategisch eingesetzt werden darf? Ich finde das alles logisch nicht so ganz klar.
Nils,
„Betrachtet man die ganze Entwicklung eines Menschen von der Zeugung bis zum Erwachsenwerden, ist das Austragen eines Kindes doch nur ein Bruchteil. Ich denke, in prähistorischen Gesellschaften war das auch nicht viel anders. Warum sollten Männer also einen “Gebärneid” haben, der durch ein “Joo Joo” kompensiert werden müsste?“
Naja,
als die Menschen noch 40 Jahre wurden und Frauen vom vielleicht 16. bis 35. Lebensjahr 10-15 Kinder austrugen und die Hälfte, die die ersten Monate überlebte, aufzogen, war das schon zentral. Ich denke, daß es im wesentlichen um die männliche Erkenntnis der Peripheralität geht, die sich in einem impliziten Verständnis für und der praktischen Umsetzung von Polygynie ergibt. Das wiederum führt dann aus meiner Sicht irgendwann zur Notwendigkeit einer Kontrolle des Aggressionspotentials der Männer, die Polygynie von der Bank aus erleben. Also, ich finde das JooJoo schon plausibel.
@Nils: „Ich denke, in prähistorischen Gesellschaften war das auch nicht viel anders.“
??????????????????????? Noch nie was davon gehört, dass noch im 19.Jh. Frauen 10, 12 Kinder bekamen? Oder konnte man Pille, Kondome, Spiralen deiner Meinung nach schon in prähistorischen Gesellschaften in der Apotheke um die Ecke bekommen? Bitte Nils, erst mal nachdenken, dann schreiben. Machst du doch sonst eigentlich…
jj: Du vergisst da eine Kleinigkeit: die 80h Arbeit des Mannes pro Woche bringen den Laden tatsächlich voran. Der Sex mit der Vorgesetzten nicht. Und wenn dann die befördert werden, die im Bett gut sind, aber sonst nichts auf dem Kasten haben – naja, man sieht ja des öfteren, wohin das führt.
Lini,
das ist ja korrekt. Für Effizienzorientierung sollte doch eigentlich der Markt sorgen. Der Punkt ist halt, daß Handlungsträger an unterschiedlichen Positionen in einer Organisation andere Anreizstrukturen haben. Eine Abteilungsleiterin mag den Sex mit einem attraktiven Kandidaten dem Arbeitswillen eines anderen vorziehen, während die Vorstandsvorsitzende diese Entscheidung als Mißbrauch ihres Diskretionsspielraums bezeichnen würde, weil sie die Gesamtrendite des Unternehmens im Auge hat. Aber vielleicht kann sie den Renditedruck dadurch reduzieren, daß sie beim Golfturnier mit dem Hauptaktionär flirtet und so die effektiven Kapitalkosten um 2 Prozentpunkte senken kann?
Will nur sagen: Auch Sexualität ist eine menschliche Kommunikationsform und Währung. Und Menschen kommunizieren auch strategisch. Und setzen dabei jede Menge Währungen ein. Eine davon ist Sex.
@jj: dann bin ich halt einfach zu romantisch für diese Welt… Ich bringe Sex immer noch mit Gefühlen in Verbindung, und das, obwohl ich mich schon lange für relativ erwachsen halte…
hallo??? wenn Frauen nur deswegen Sex haben, damit sie eine Chance haben, nach oben zu kommen, dann ist das Erpressung zur Prostitution! Was ist denn das hier für ne Diskussion???
(entschuldigt sich für den aufbrausenden Ton – ist ein bisschen mit mir durchgegangen… aber ist doch wahr!)
@Katrin: klar hast du Recht. Sehe ich eindeutig auch so. Mein letzter Kommentar war auch eher ironisch gemeint. Grüße
mein Kommentar wiederum galt nicht dir :)
@Katrin: ok :-)
Äh, Katrin, wenn die Frauen NUR eine Chance zur Beförderung haben, wenn sie sich dem Chef willig zeigen, ist das Erpressung, ganz klar.
Die Frage war aber, wie es zu bewerten ist, wenn jemand (Mann oder Frau) OHNE einen solchen Zwang dieses Geschäft vorschlägt.
Nun wird es in der Realität eher irgendwas zwischen den beiden Extremen geben, je nach Geographie, Branche und Firmenkultur mehr an einem der beiden Pole.
Ich persönlich bin der Meinung, dass jemand, der sich mit Absicht nach oben schläft, sich der Konsequenzen (gesellschaftliche Ächtung) bewusst sein sollte, aber letztlich eine mögliche Handlungsoption wählt. (Man kann sich schließlich frei entscheiden, eine Nutte/Nutterich? zu werden.)
Vorgesetzte, die da mitspielen, verhalten sich allerdings ganz klar firmenschädigend.
Sobald die Initiative vom Vorgesetzten ausgeht, ist das Ganze als Erpressung zu sehen.
Lini,
„@jj: dann bin ich halt einfach zu romantisch für diese Welt… Ich bringe Sex immer noch mit Gefühlen in Verbindung, und das, obwohl ich mich schon lange für relativ erwachsen halte…“
Ich denke, damit bist Du nicht allein. Mir geht es, auch wenn ich meine persönliche Haltung von der analytischen trennen kann, auch so. Sogar der Pabst hat sich ja schon zu dem Thema geäußert (bei ihm ging es um die der kath. Kirche vorgeworfene Lustfeindlichkeit) und er meinte dazu in etwa – Sex ohne Liebe ist eben nur das: Sex (will sagen, wenn ich das richtig verstanden habe, ihm fehlt dabei irgendwas transzendentes). Ist ja eine legitime Auffassung, aber es ist eben auch eine Auffassung, die nicht ohne Probleme ist, die Sexualität als etwas darstellt, das ausschließlich in einer romantischen Beziehung stattfinden soll. Nur romantische Liebe wird hier als Begründung für die Entscheidung akzeptiert, Sex zu haben – nicht reine Lust, nicht finanzielle oder sonstige strategische Erwägungen.
Ich gehe davon aus, daß der romantischen Liebe eine besondere evolutionäre Funktion bei der Fortpflanzung zukommt. Insofern hat sie natürlich auch eine besondere Stellung bei der Aktivität, die der Fortpflanzung dient. Aber warum sie der einzige Grund für eine Person sein sollte, sexuellen Handlungen zuzustimmen, will sich mir nicht so recht erschließen.
@jj:
gerade wenn die Frau überwiegend mit Gebären beschäftigt ist, rückt die „Ressource Ueterus“ aus dem Zentrum. Je widriger die Lebensumstände, umso weiter – denke ich. Es ist doch nicht so, daß die Dauergebärende ihre Kinder noch alleine großziehen kann?
Die Evolution belohnt doch nicht den Output an Säuglingen, sondern den an fortpflanzungsfähigen Erwachsenen.
Die Jungs, die das ganze Spiel von der Bank aus beobachten werden einfach auf der Bank sitzenbleiben – anstatt Futter für die Kinder des „Alphamännchens“ ranzuschaffen, oder den Kindern beizubringen wie man sich dabei am schlausten anstellt.
Das mit dem Agressionspotential ist schnell erlegigt: Zwei drei Fausthiebe, und der Traum, ein von der Evolution auserwählter Genspender zu sein ist ausgeträumt. Weil sich immer ein stärkerer findet, ist die Polygynie für den Einzelnen immer nur von kurzer Dauer. (Notfalls tun sich zwei zusammen, und teilen sich mit geschickt inszenierten Scheinkämpfen die „Reproduktionsressourcen“..)
Seines Amtes enthoben, wird er nun ebenfalls auf der Bank platznehmen (und, narzisstisch zutiefst gekränkt, auch kein Futter ranschaffen)
@lini: Habe ich das Gegenteil behauptet? Eine heilige Kuh geschlachtet? Was ist dein Punkt?
@Nils:
Ich glaub ich hab dich missverstanden
…sorry