Rehtaeh Parsons: Das Problem heißt nicht Social Media, sondern R*** Culture.

[Triggerwarnung: Gewalt gegen Frauen*, rape culture, sexualisierte Gewalt. Gilt auch für die Links.]

Ende 2012 stirbt eine Frau in Delhi, Indien, an den Folgen einer brutalen Gruppenvergewaltigung. Westeuropäische und us-amerikanische Medien berichten flächendeckend darüber. Sie machen die indische Kultur für die Tat und ihr Ausmaß verantwortlich. Dass es so etwas wie eine rape culture (Vergewaltigungskultur) gibt, scheint zumindest im Bezug auf Indien offensichtlich zu sein.

Im März 2013 werden in Steubenville, USA, zwei Täter verurteilt. Sie haben eine Mitschülerin im Jahr 2012 mehrfach vergewaltigt, dabei gefilmt und die Videos im Internet verbreitet. Die oben genannten Medien schweigen zu diesem Prozess. Stattdessen berichten sie weiter über Vorfälle sexualisierter Gewalt in Indien.

Im April 2013 nimmt sich die 17-Jährige Rehtaeh Parsons in Halifax, Kanada, das Leben. Sie ist zuvor ebenfalls von mehreren Mitschülern vergewaltigt und dabei fotografiert worden. Auch die Fotos dieser Tat sind  im Netz verbreitet worden, woraufhin Rehtaeh Opfer von massivem Mobbing geworden ist. Die besagten Medien berichten nur vereinzelt darüber. Wo sie es tun, steht der Aspekt des Cyber-Mobbings im Vordergrund.

Aber (und darauf hat Charlott auch schon in ihrem Steubenville-Artikel hingewiesen): Es geht hier nicht um die Gefahr sozialer Netzwerke. Um moderne, brutalere Formen von Mobbing. Es geht um sexualisierte Gewalt und den gesellschaftlichen Umgang damit. Und zwar (auch) jenseits von Indien.

Rehtaeh Parsons ist vergewaltigt worden. Auf einer Party, an einem öffentlichen Ort. Von ihr bekannten Männern, Mitschülern. Die sich währenddessen so sicher gefühlt haben, dass sie die Tat fotografiert und diese Fotos anschließend im Internet veröffentlicht haben. Daraufhin sind nicht sie, die Täter, die einem anderen Menschen massive Gewalt angetan haben, geächtet worden. Sondern die Betroffene. Sie ist im Anschluss an die Tat aus ihrem sozialen Umfeld ausgestoßen worden. Die Folge dieser furchtbaren Tat war für sie weitere Gewalt. Für die Täter hat es bisher keine gegeben. Denn die Polizei hat die Ermittlungen aus „Mangel an Beweisen“ eingestellt. Wir erinnern uns: es kusierte ein Foto im Netz. Die Täter waren Mitschüler von Rehtaeh.

Das Problem heißt nicht Social Media (Soziale Netzwerke), sondern Rape Culture (Vergewaltigungskultur). Das Problem sind nicht die Seiten, über die das Foto verbreitet worden ist. Das Problem sind die Männer, die vergewaltigt haben. Die Menschen, die das Foto geteilt und Rehtaeh beschimpft haben. Ihr soziales Umfeld, das sie fallen gelassen hat anstatt sie zu unterstützen. Die Polizei, die die Ermittlungen eingestellt hat, ohne ein Ergebnis. Die Art und Weise sowie der Fokus der medialen Berichterstattung. Und die Selbstverständlichkeit, mit der das alles geschehen ist und weiterhin geschieht.

5 Kommentare zu „Rehtaeh Parsons: Das Problem heißt nicht Social Media, sondern R*** Culture.

  1. Und die Gesetzgebung in kanada. Die ist da definitiv ein problem-die vermuteten täter sind minderjährige…

  2. man stelle sich den folgenden absatz ETWAS ABGEWANDELT nochmal vor, um die tragweite der medialen ignoranz/des medialen umgangs mit rape culture ‚bei uns‘ vs „bei anderen“ vor augen zu führen:

    Maryam Fathemi ist vergewaltigt worden. An einem öffentlichen Ort, in Teheran. Von ihren Mitschülern. Die Täter haben die Tat fotografiert und diese Fotos anschließend im Internet veröffentlicht. Daraufhin wurde Maryam geächtet. Das Mädchen ist im Anschluss an die Tat aus ihrem sozialen Umfeld ausgestoßen worden – unfassbar, aber durchaus üblich in dieser uns fremden Kultur. Die Folge dieser furchtbaren Tat war für sie weitere Gewalt. Die Täter wurden trotz kursierenden Fotos im Internet nicht belangt – aus “Mangel an Beweisen”. Die Täter waren Mitschüler von Maryam. Maryam nahm sich schließlich das Leben, so der offizielle Bericht.

    und jetzt ihr.

  3. mel:

    Wieso wird das hier so gegenübergestellt? Willst du damit andeuten, eine Vergewaltigung sei in dem einen Land schlimmer als in dem anderen? Worauf willst du hinaus, indem du jetzt das ganze in den Iran verlagerst?

  4. @Jane
    Ich glaube, es ging gerade darum, zu zeigen, dass viele Menschen diesen Text (ob er nun erfunden oder erstellt worden ist) – ganz anderes aufnehmen würden, denn dort „Theran“ und „Iran“ als „Halifax“ und „Kanda“ steht.

    Wäre es im Iran passiert, wäre es eben auf die „fremde Kultur“ geschoben worden… der man sich ja bekanntermasen überlegen fühlt.

Kommentare sind geschlossen.

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