Who`s that Grrrl: Anne Bonnie Schindler findet es komisch, wenn Frauen sich hauptsächlich über ihre Mutterrolle identifizieren – obwohl ihre eigene enorm prägend für ihre Sicht der Dinge wurde.
Später in Berlin als Türsteherin tätig, gründete sie im Jahr 2011 den alternativen Sexladen „Other Nature“. Die Gründung eines Vereins für Mütter, die ohne ihre Kinder leben, ist der Tatsache geschuldet, dass sie selbst vor 11 Jahren ihre beiden Kinder, damals gerade erst 5 und 2,5 Jahre alt, bei ihrem leiblichen Vater ließ. Auch wenn solch eine Entscheidung nicht spurlos an allen Beteiligten vorüber zieht, steht Anne Bonnie voll hinter diesem Schritt und möchte Frauen ermutigen, sich mit ihrer eigenen Mutterrolle auseinander zu setzten.
Mein Name ist Anne Bonnie, ich bin 34 Jahre alt und reif, mein Herzensprojekt in Angriff zu nehmen. Die Gründung eines Vereins, der sich einem tabuisiertem Thema widmet: Müttern, die gehen.
Wir leben in einer Zeit, in welcher das Mutterideal noch immer geprägt ist von bedingungsloser Hingabe, grenzenloser Liebe, der Aufopferung der Mutter und von dem Glauben an einen biologischen Determinismus, nur als Mutter ganz Frau zu sein.
Mütter, welche ihr Kind bei einer anderen Betreuungsperson lassen, werden von der Gesellschaft kritisch beäugt. Sofort reagieren auch andere Mütter mit einem Gefühl von Verlust oder Verrat am Kind: „Ich könnte das nicht“. Die Mehrheit der Menschen richtet den Blick nach dem Befinden des Kindes. Und dies in einem Ausmaß, welches bei Trennung vom Vater oder einer nicht biologischen Bezugsperson nicht im Ansatz vorhanden ist. Die Mutter ist das Maß aller Dinge. Die Mutterrolle seit vielen Generationen überidealisiert, wird Frau bei der Trennung von ihren Kinder regelrecht verteufelt.
Auch ich konnte, nachdem ich meine beiden Kinder nach der Trennung bei ihrem Vater aufwachsen ließ, viele Vorurteile kennenlernen: Vermutungen wie ich müsse wohl gewalttätig oder drogenabhängig sein, zumindest aber doch egoistisch oder gefühlskalt, sind nur einige Beispiele. Oder meine Mitmenschen verlieren sich in einem Übermaß an Mitleid mit meiner Situation. Ich werde plötzlich zum Opfer, oder zu einer Heldin, welche für das Kindeswohl ihre eigenen mütterlichen Bedürfnisse hinten anstellt. Natürlich leidend. Doch weder das eine noch das andere beschreibt meine Situation.
Sogenannten Rabenmüttern wird eine sachliche Diskussion verwehrt. Wenn tatsächlich eine Diskussion stattfindet, ist diese entweder gänzlich beschränkt auf die Belange der Kinder oder wird dominiert von Vorurteilen.
Dieser Beschränkung möchte ich entgegenwirken.
Schon seit langem geht der Trend von der biologischen Familie hin zur sozialen Familie. Es steht nicht mehr ausschließlich im Vordergrund, wer mit wem verwandt ist, sondern wer sich um wen in welchem Maße kümmert und Verantwortung übernimmt. Der Verein Raben-Mütter e.V. versteht sich als Ausdruck diesen Wandels.
Ich glaube, die biologische Mutter muss nicht zwangsläufig eine intensivere Bindung aufgrund der Geburt mit dem Kind erleben.
Raben-Mütter e.V. möchte Ansprechpartnerin sein und Hilfestellung leisten für den Abbau von Stigmata von sog. schlechten Müttern. Über die Mutterrolle und ihre Mythen aufklären. Einen gesellschaftlichen Diskurs ermöglichen.
Raben-Mütter e. V. versteht sich als feministisch und pro Queer Families, möchte nicht an alten Idealen festhalten, sondern Wege für alternative Familienmodelle aufzeigen. Im Streitfall genauso kompetent Hilfestellung geben, wie bei persönlichen, individuellen Problemen.
WICHTIG! An dieser Stelle sei erwähnt: Dass Mütter gehen, hat NICHTS mit Feminismus zu tun (diesem Vorurteil erliegt gerne eine konservative Strömung), sondern entsteht ganz individuell aus der Biographie der Frau, der Familie. Aber ohne eine feministische Deutung ließe sich das Phänomen, mit welchem Rabenmütter bedacht werden, nicht verstehen.
Während Vereine wie Väter e.V. gesellschaftlich eine wichtige Rolle spielen könnten, indem sie Väter in ihrer Rolle empowern, Rollenbilder hinterfragen, präsentieren sich diese Vereine häufig als konservativ und rückschrittig. Es geht um die Stärkung der Rechte der Väter gegen die angebliche Übermacht der Mutter, welche „willkürlich über das Kindeswohl entscheiden“ könne. Es geht um Rechtstreitereien, Gerichtsurteile und Macht. Weniger um einen Diskurs.
Raben-Mütter e.V. möchte es hingegen Müttern erleichtern, einen vorurteilsfreien Diskurs über ihre Rolle als Mutter zu führen, auch in Trennungsphasen.
Denn der Bruch einer Familie ist ein großer Einschnitt im Leben aller Beteiligter. Ein Ziel ist es, aufzuklären, dass es einen Unterschied zwischen der Trennung von Kindern und der Trennung der Bindung zu den Kindern gibt.
Bei Müttern wird dieser Unterschied meist nicht berücksichtigt. Die Trennung der Familie wird als Trennung der Bindung zu den Kindern interpretiert. Die Stärkung der sog. Rabenmutter geht somit einher mit der Stärkung des anderen Elternteils oder einer anderen Betreuungsperson.
Ich möchte aufzeigen, dass es Hilfestellen fern ab von Rechtsanwält_innen gibt. Dass es für die erwachsenen Personen Ziel sein muss, in einer so verletzlichen Zeit nicht mit weiteren Verletzungen zu agieren und das gegenseitige Vertrauen und auch das Kindeswohl im Auge zu behalten. Sich fern ab von der „Pflicht erfüllenden Mutterrolle“ fragen: Wer kann sich wo am Besten für das Kind einsetzen? Nur wenn Mütter gesellschaftlich nicht mehr als schlechte Mütter geächtet werden, können sie sich einer selbstbestimmteren Sicht öffnen.
Willkommen sind Frauen, welche ihre Mutterrolle verstehen möchten. Müttern, die gehen.
Egal, was deine Beweggründe sind. Auch wenn einer der Beweggründe, ein Kind nicht aufzuziehen, in vorurteilsbeladenen Situationen wie z.B. Drogenproblemen liegt, möchten wir Unterstützung bieten.
Adoption, oder Trennung. Karriere, weniger vorhandene Muttergefühle, finanzielle Probleme, Gefängnisaufenthalt, oder Drogenproblemen. Psychisch oder physische Erkrankung. Mit oder ohne Drama. Wir möchten allen Frauen vorurteilsfrei entgegen treten. Und natürlich allen anderen, die sich angesprochen fühlen.
Raben-Mütter e.V. möchte:
- Ansprechpartnerin sein
- Familienstrukturen im Wandel verstehen
- Abbau vom Über-Ideal „Mutter“
- Abbau von Stigmata von sog. Rabenmüttern
- an einem gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen zum Thema alternative Familienmodelle
- individuellen Rat geben für Raben-Mütter
- Trennungsprozesse für Familien erleichtern
anhand von:
- regelmäßigen Posts
- Literaturhinweisen
- Hinweise auf Veranstaltungen, politischen Aktionen
- Vernetzung mit anderen
- Sammlung von Rechtsurteilen
- Beratung durch Mediator_innen
- Austausch via Blog- Arbeit
- Anlaufstelle für private Gespräche
- regelmäßige Mitgliedertreffen für Evaluationen (zunächst nur innerhalb Berlins)
- Workshops (zunächst nur innerhalb Berlins)
Hierfür suche ich:
- Menschen, die meine Umfrage ausfüllen und weiterleiten
- Vereinsmitglieder
- Menschen, die mir Ratschläge zum Thema Vereinsgründung geben
- Informationen zu Fördergeldern
- ehrenamtliche Mediator_innen für Rechtsfragen
Mehr Infos auch unter: www.raben-muetter.de und info(at)raben-muetter.de.
puh, gar nicht so einfach, eine rabenmutter zu sein.. :) vielen dank für den hinweis. die idee klingt spannend und längst überfällig.
Ja, gute Idee! Ich habe das ähnlich wie Du erlebt, als ich noch in Bremen gelebt habe. Allein schon das Kind für einen Nachmittag in die Betreuung zu gehen, um zusätzlich zum Ehemann noch zu arbeiten, wurde meist mit Kopfschütteln und den Das-ist-aber-eine-Rabenmutter!-Blicken quittiert. Jetzt, in Erfurt, erlebe ich praktisch das genaue Gegenteil: Wenn hier nicht beide Elternteile zur Arbeit gehen und die Kinder dementsprechend in Ganztagsbetreuung sind, wird man schief angeguckt und hinter vorgehaltener Hand als faul bezeichnet… Vielleicht hat das etwas mit noch immer tief verwurzelten Lebensentwurfvorstellungen zu tun?
@Lea: das ist eher eine Klassenfrage. Wer bürgerlich geprägt ist, für den gilt das Hausfrauenideal, selbst wenn mensch dagegen ankämpft. Wer aus der bäuerlichen Welt kommt, für den sind Frauen, die sich „nur“ mit Kind und Haushalt beschäftigen (wollen), faul. Wer aus der Arbeiterschicht kommt, für den scheint das Kindergartenideal zu bestehen. Schade, wenn immer so getan wird, als wären westdeutsch-bürgerliche Ideale entscheidend, nur weil sie diskursbestimmend sind. Diskursbestimmend sind diese aber v.a., weil Menschen aus der bürgerlichen Schicht, gern männlich und westdeutsch, in diesen Diskursen eine Machtposition einnimmt.
Ich bin sehr dafür, dieses Mutterideal aufzuweichen und bin gespannt auf eure Arbeit. Wenn Männer gehen, was ja häufig passiert, wird das wenig kritisiert. Bei Frauen sieht das ganz anders auch. Auch ich erlebe das Mutter-sein sehr ambivalent. Stecke innerlich aber auch noch total in diesen Stereotypen fest. Und eigentlich hindern die mich am meisten daran, wirklich die Mutter zu sein, die ich eigentlcih sein will.