PID ja, Designerbaby nein.

Vor knapp einer Woche hat der Bundestag endlich eine Entscheidung zum Thema Präimplantationsdiagnostik (PID) getroffen: Grundsätzlich verboten, wird es in engen Grenzen künftig erlaubt sein. Die Ausnahmen betreffen Paare, die genetisch bereits erheblich vorbelastet sind. Sie können bei künstlicher Befruchtung die Embyronen vor dem Einsetzen in die Gebärmutter überprüfen lassen.

Damit ist, erst einmal, eine lange Debatte vom Tisch, in der immer wieder die Rechte von erwachsenen Menschen gegen die von gerade verschmolzener Ei- und Samenzelle gesetzt wurden. Von der viel beschworenen Gefahr der „Designer­babies für alle“ kann kaum eine Rede sein, denn von Anfang an war klar, dass PID auf Ausnahmefälle begrenzt würde. Frauen, die bereits Totgeburten erlebten oder behinderte Kinder haben. Verhindert werden so vor allem weitere Totgeburten oder Spätabtreibungen.

Die erfolgreichste Fürsprecherin war, so die Süddeutsche, tatsächlich Arbeitsministerin Ursula von der Leyen:

Die für sie entscheidende Frage laute: „Auf wessen Schultern lastet am Ende die Verantwortung?“ Sicher auch bei den Abgeordneten. Doch bei aller Sorgfalt, die die Abgeordneten in dieser Frage an den Tag legten, „spüren wir am Ende die Wucht des Schicksals nicht am eigenen Leib, an der eigenen Seele“. Letztlich seien es die Eltern, die in der „Verantwortung vor Gott, vor dem ungeborenen Leben, und den eignen Kindern stehen, seien sie behindert oder nicht behindert“. Das Totalverbot gehe von einem bevormundeten Menschen aus, sagt von der Leyen. „Wir gehen von einem mündigen Menschen aus.“

Ganz mündig und selbstverantwortlich wird Präimplantationsdiagnostik aber nicht ablaufen – neben verpflichtenden Beratungsgesprächen werden den potentiellen Eltern auch Ethikkommissionen zur Seite gestellt, die ebenfalls zustimmen müssen.

45 Kommentare zu „PID ja, Designerbaby nein.

  1. „neben verpflichtenden Beratungsgesprächen werden den potentiellen Eltern auch Ethikkommissionen zur Seite gestellt, die ebenfalls zustimmen müssen.“
    was ja auch einen gewissen sinn hat. der staat schaft verpflichtende arzt-untersuchungen, verpflichtende schuldbildung und das alles nicht ohne grund. warum sollte es als bei derartigen entscheidungen raushalten.

    natürlich kann man diesbezüglich auch auf einem freiheitsnäheren standpunkt stehen und ich kann den gut verstehen. ich bin aber auch nicht für entsprechenden missbrauch verantwortlich.

    auch wenn ich froh bin, dass sich die situation deutlich verbessert hat, haben derartige entscheidungen oft auch einen nebengeschmack. schon heute ist es so, dass eltern von kindern mit behinderungen darüber klagen, weil sie von menschen verurteilt werden, warum sie „solche menschen“ auf die welt bekommen haben. es untergräbt weiter die gleichheit der menschen, wie es auch die ermöglichung von spätabtreibungen von menschen mit behinderten kindern erlaubt. das ist zumindest eine entwicklung, die ich nicht für gut heißen kann.

  2. Na das wird sich noch herausstellen, ob die Ethikkommissionen den Eltern zur Seite oder in den Weg gestellt werden.

  3. @boxi: Was Neeva sagt. Behinderte Menschen wird es auch in Zukunft geben – weil Eltern sich dafür entscheiden, weil es bei Geburten selbst zu Komplikationen kommt, weil es Behinderungen gibt, die nicht genetisch bedingt sind. Das Problem, dass Eltern wegen ihrer behinderten Kinder angemacht werden, gab es schon vorher und wird sich nicht lösen lassen, wenn Mütter dazu gezwungen werden, behinderte Embryos auszutragen und Fehlgeburten zu erleiden.

    In Deutschland werden behinderte Menschen oft genug in spezielle Heime, Schulen, Firmen und damit aus der öffentlichen Wahrnehmung geschoben. Barrierefreiheit wird als Randthema und unnötigen Aufwand abgetan – Probleme, die von der UN oft kritisiert wurden, zu deren Lösung Verbote von PID und Spätabtreibungen aber nichts beitragen würden.

  4. @helga… natürlich, die pid ist nicht ursache aller probleme, sondern sie löst viele. trotzdem sehe ich es als einen schritt,der es für eltern für kinder mit behinderungen auch schwieriger machen wird.nicht mal weil es stimmt,sondern weil ein großteil der menschen sich damit nur halb auskennt….

    schon heute haben wir eine verschiebung der behinderung,genetische werden weniger,da erkannt und abgetrieben, andere werden mehr, da baby durch technik eher überlebensfähig gemacht werden. ich weiß nicht ob sowas gut ist. es fühlt sich aber seltsam an.

    wie gesagt, ich stehe trotzdem hinter der pid. wollte nur darauf hinweisen,dass es auch andere seiten gibt.

  5. Wobei ich meinen Kommentar abgeschickt hatte, bevor ich boxis Beitrag gesehen habe, ich bezog mich also auf den Text.

    Ich krieg aber grundsätzlich einen Hals wenn bei PID gleich von „Designerbabys“ die Rede ist. Die Leute sehen Filme wie GATTACA und verwechseln das mit realen Möglichkeiten. Außer bestimmten genetischen Markern, die eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für bestimmte Krankheiten vorhersagen, ist die heutige Medizintechnik schlicht nicht in der Lage anhand von Genscans bestimmte Eigenschaften vorherzusagen. Da wird – teilweise ganz bewusst – eine völlig überzogene Hysterie geschürt.

    Das Argument, die Gesellschaft würde als Ganzes mitleidloser, sobald Behinderungen als „vermeidbar“ gelten, hat freilich Gewicht, aber es geht auch schon ein bisschen in die Richtung „Umweltschutz für Pockenviren“.

  6. Nochmal @boxi
    Solange die Gesamtzahl der Behinderungen gleich bleibt, ist ja in Bezug auf die Gesellschaft nichts zu befürchten.

    Es werden auch Krankheiten aufgrund schwerer körperlicher Arbeit weniger und psychische Krankheiten mehr. Ist das auch seltsam?

  7. Was mich an der Debatte immer besonders gestört hat sind zwei Dinge.

    Erstens will ich nicht, dass der Staat festlegt, ab wann etwas Leben ist. Das tut er aber mit dieser Entscheidung.

    Zweitens hat mich an den Argumenten der Befürworter gestört, wenn sie Abtreibung und PID gleichsetzen. Bei der PID geht es um eine Einordnung in „wertvolles“ und nicht „wertvolles“ Leben und dann wird aussortiert. Bei Abtreibungen ist es die Entscheidung der Frau, wie sie leben möchte und hat dann ganz einfach mit Gleichberechtigung zu tun. Wie schon boxi sagt, kann ich mir vorstellen, dass PID zu einer Aufweichung des Abtreibungsrecht führt.

    Es ist ja auch nicht nur die PID, die „unsere“ Gesellschaft in eine gewisse Richtung treibt. Es sind Entwicklungen über Jahre, die eine Technologisierung und Ökonomisierung der Lebensverhältnisse beinhalten: pränatale Diagnostiken, Untersuchungen die mensch machen muss/soll (zur Vorsorge, z.B. Mammografie), Gesundheitschecks bei Arbeitsstellen… und dazu die ganze Datensammelei. Die PID kann – meiner Meinung nach- nicht alleine beurteilt werden, sondern sie ist Teil des Trendes die Körper der Menschen nur akzeptieren, wenn sie „gesund“ und „fit“ und „schlank“ und „schön“ sind.

  8. @ Helga: Da sind gleich zwei Strohfrau-„Argumente“ in deiner Argumentation:
    1. Die meisten Kritikerinnen der PID-Freigabe kritisieren nicht, dass es nun zu Designer-Babies kommen wird (soweit ist das Genetic engineering noch nicht), sondern dass damit offiziell anerkannt / kommuniziert wird, dass Embryonen, die sich zu Menschen mit Behinderungen bzw. mit einer schweren, chronischen Krankheit entwickeln können, weniger wert sind als nicht-diagnostizierte Embryonen – und dass das Auswirkungen auf den gesellschaftlichen Umgang mit Behinderten und die Bereitschaft, ökonomische Ressouren für deren Förderung bereit zu stellen haben wird. Schließlich kann man nach der Legalisierung der PID noch sehr viel stärker als nach der Einführung der Pränatal-Diagnostik sagen, dass sich die Eltern ja ganz bewusst für die Möglichkeit eines behinderten Kindes entscheiden haben und jetzt die Folgen selbst tragen müssen. (Dass die meisten Behinderungen nach-geburtlich sind, spielt für den von älteren werdenden Eltern gespürten gesellschaftlichen Druck, ihr Baby einer PND zu unterziehen, anscheinend keine Rolle).
    Ein anderer Kritikpunkt, der sich auch nur sehr, sehr tendenziös unter „Angst vor Designer-Babies“ zusammenfassen lässt, ist die Frage nach den Kriterien für eine eugenische Selektion: Warum bei schwersten Behinderungen stehen bleiben? Wenn der Wunsch der Eltern (und das ist in unserem Fortpflanzungsmedizinrecht-Geltungsbereich ein heterosexuelles, verheiratetes Paar, dessen weiblicher Teil unter 45 Jahre alt sein muss) der ausschlaggebende Faktor sein soll, sind dann Selektionen nach dem Geschlecht oder nach einer bestimmten Behinderung (zum Beispiel ein taubes Kind für taube Eltern) nicht auch vollkommen in Ordnung? (in den USA sind 10 % der PID Zyklen Bestimmungen des Geschlechts, in Großbritannien 2%)
    2. Das Leid der Eltern: Die PID als Alternative zwischen schrecklichem Leidensweg der Eltern (und des Kindes) oder gesundem Kind darzustellen, ist – mal freundlich ausgedrückt – falsch. Die eigentliche Alternative besteht im Abbruch der reproduktionsmedizinischen Behandlung, zumal mit PID bisher nur ein kleiner Teil von emryopathischen Diagnosen ausgeschlossen werden kann. Anders gesagt: Im üblichen, schlimmsten Fall erspart eine PID der betroffenen Frau garnix, füllt aber der „Kinderwunsch“-Praxis die Kasse, da man dem Paar weiter Hoffnung auf den ersehnten Nachwuchs machen kann.
    Die Diskussion um die PID allein als Selbstbestimmungsrechts-Diskussion zu rahmen, übernimmt m. E. naiv das Spindoktoring des reproduktionsindustriellen Komplexes und unterschätzt fahrlässig die Macht der gesellschaftlichen, oft unbewussten Annahmen oder Dispositive, in denen die PID stattfindet und stattfinden wird.
    Noch ein Beispiel zum von Betroffenen wahrgenommen gesellschaftlcihen Druck: In einer der letzten FAZ hat eine Medizin-Ethikerin an einer Klinik darüber berichtet, dass ihr bei ihrer Forschung zur Auswirkung der PND auf die Akzeptanz eines behinderten Kindes sehr oft Paare begegnet sind, die die Aussage ihres Arztes/ihrer Ärztin, dass ein Risiko bzw. die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass ihr Kind behindert sein wird, als mehr oder weniger direkte Aufforderung zur Abtreibung verstanden haben. Während die Ärztin/der Arzt Stein und Bein schwört, nur eine neutrale Faktenaussgae getroffen zu haben.
    M. E. sind deswegen nicht Ethik-Komissionen der Weg, sondern die Einrichtung eines unabhängigen Beratungswesens und einer bessere Aufklärung der Menschen, die sich in die Mühlen der Reproduktionsindustrie begeben. Die Chancen, da mit einem Baby und einer intakten Beziehung rauszukommen, sind nämlich garnicht besonders hoch.

  9. Vielleicht geht der Druck ja irgendwann dahin, dem Kind das schwere Schicksal einer Krankheit zu ersparen und PID zu nutzen? Danke an Bärbel Höhn:
    http://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=207512289295328&id=132489503464274

    Die Pränataldiagnostik überrollt die Frauen ja auch mehr oder weniger:
    http://www.bvkm.de/Arbeitsbereiche_und_Themen/Praenataldiagnostik/Schwangerenvorsorge

    Mein Vater kommt aus einer Mukoviszidose-Familie, eine Schwester und ein Neffe von ihm sind dran gestorben, und ich verstehe Eltern, die PID nutzen wollen. Ich habe aber auch kein gutes Gefühl dabei, wenn ich an die Gesellschaft als Ganzes denke.

    Spätabtreibungen sind übrigens keine Selbstverständlichkeit, nach der man andere Entscheidungen ausrichten muss. Die ÖDP ist z.B. für ein Verbot. Viele Spätabtreibungen sind ja Kindstötungen, weil die Babies schon lebensfähig wären oder sind. Es gibt auch Überlebende von Spätabtreibungen.

  10. @ Frau Doktor: Auf FAZ.net gab es auch einen Artikel über die neurologischen Risiken der PID, weil ja in einem sehr frühen Stadium Zellen aus den Embryonen entnommen werden. Den finde ich leider nicht mehr.

  11. @Frau Doktor: Warum bei schweren Krankheiten stehen bleiben und nicht gleich Designerbabies erlauben? Tun wir aber gerade, das war ja nicht mal eine Option der Debatte. Genauso wie die Öffnung der Ehe für Homosexuelle nicht gleich Polygamie und Heirat von Tieren bedeutet. Daher ist dieses Argument für mich ein Strohargument. PID wird auch nicht allen Frauen über 45 angeboten werden.

    Und es wäre wirklich schön, wenn wir ein anderes Klime für behinderte Menschen hätten – haben wir aber nicht, wie vor 2 Jahren der Spiegel bereits beleuchtete. Frauen werden zur Geburt gezwungen und danach sollen sie sich doch bitte um das Kind kümmern. Aber Unterstützung gibt es keine, nur jede Menge Ärger mit Ämtern und Krankenkassen. -> http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,631869,00.html Verbote von PID und Spätabtreibungen wären nur gesellschaftliche Kosmetik, die an den Problemen nichts ändern, aber Betroffenen weitere aufbürden.

  12. @Frau Doktor: Warum bei schweren Krankheiten stehen bleiben und nicht gleich Designerbabies erlauben? Tun wir aber gerade, das war ja nicht mal eine Option der Debatte. Genauso wie die Öffnung der Ehe für Homosexuelle nicht gleich Polygamie und Heirat von Tieren bedeutet.

    ???

  13. Die richtige Reihenfolge wäre doch, das Leben mit behinderten Kindern zu erleichtern und parallel oder danach eventuell neue Möglichkeiten zu schaffen, sie nicht zu bekommen. Dann könnte man auch eher von Wahlmöglichkeiten sprechen.

    So wie ich auch dafür wäre, dass sich die Schmerztherapie und die Altenpflege verbessern, bevor man über selbstbestimmtes Sterben diskutiert.

  14. @Helga: Würdest du bitte noch mal meinen Kommentar lesen? Du hast offensichtlich mehrere Dinge komplett falsch verstanden. Im Anschluss dann vielleicht gleich noch die Texte von Oliver Tolmein, der sehr gut verständlich darstellt, dass wir mit der jetzt beschlossenen Form der PID garnicht besonders viel ausschließen.

    Und nein: In Deutschland werden Frauen nicht gesetzlich dazu gezwungen, behinderte und / oder nicht-lebensfähige Kinder auszutragen. Und ja, ich habe den Spiegel-Artikel gelesen. Ich kann gut verstehen, warum dich das dort beschriebene Verhalten der Ethik-Komission und die ‚ungeschriebenen‘ Vereinbarungen in Bayern auf die Palme bringen, nur wird davon keine meiner Einwände und Fragen tangiert.

    Warum du mich als Kommentatorin, die sachlich auf die Problematik deiner Argumentation hinweist, als Sarah-Palineske Reaktionäre diffamieren mußt, bleibt dein Geheimnis. Ich würde mich freuen, wenn wir die Diskussion auf ein Niveau bringen könnten, die der Komplexität der Frage angemessen ist.

  15. @Irene: So seh‘ ich’s auch (zum Thema PID und Sterbehilfe).
    Für mich sehr interessant ist, was alles Kritische an der kompletten Reproduktionsindustrie verschwindet, wenn man sie ausschließlich im Dispositiv „Selbstbestimmung“ diskutiert. Da wären die absolut desaströse Erfolgsquote, die bei Beratungen in „Kinderwunsch“-Praxen gerne mal unter den Tisch fällt – und auch in der öffentlichen Diskussion. Dann wäre da die nicht unerheblichen Gesundheistrisiken für die Frau: zum Beispiel erhöht sich durch die Eierstockstimulation via Hormongabe das Krebsrisiko deutlich; der Zusammenhang zwischen PND und Abgang des Embryos ist auch nicht gerade überuntersucht oder -berichtet.

    Mir ist schon klar, dass ich als PID-Gegnerin in ungewollten Allianzen mit dubiosen Menschen stehe, die am liebsten darüber das Recht auf Abtreibung aushebeln wollen. Das ändert aber nichts am Wert meiner Argumente, genauso wenig wie Helgas „neue Freunde“ etwa am Wert ihrer Argumente ändern. Ich würde die nur gerne mal erfahren. Wenn Selbstbestimmung das zentrale Kriterium der Argumentation ist – und das scheint mir hier der Fall zu sein -, ist meines Erachtens die komplette Freigabe die Konsequenz. Ich lasse mich gerne eines besseren belehren.

    Und um jetzt auch mal persönlich zu werden: Die unreflektierte Fetischisierung und fraglose Privilegierung des Kinderwunsches als unhintergehbare letzte Wertquelle ohne Einordnung in die heterosexistische und bio-politische Matrix, in der er artikuiert wird, nervt mich enorm.

  16. Ich kann verstehen, wenn Eltern keine Lust auf die ihnen zugeschriebenen Mehrarbeit und auf den Kampf mit Behörden haben. Aber die in der Gesellschaft verbreitete Annahme, dass Behinderte (an sich) automatisch leiden, finde ich falsch. Und leider verstärkt die Diskussion um die PID diese Annahme, auch wenn die Eltern auch mit PID vor unerwarteten „Behinderten“ stehen können….

  17. @frau doktor
    ich bin erwachsen und ich kann mich selbst informieren. wieso meinst du, du seist mir da irgendwie voraus und könntest besser für mich entscheiden als ich?

    wenn die sorge so groß ist, dass menschen zu dumm sind, um sich richtig über pid zu informieren, sollte sich der staat überlegen, wie er seinen nachwuchs besser zu mündigen staatsbügerInnen erziehen kann. wenn die sorge ist, dass ärztInnen zu dumm sind oder aus niederen beweggründen schlecht informieren, kann der staat auch hier maßnahmen ergreifen, z.b. ein beratungsgespräch faken und sehen, wie gut die ärzteschaft ihrer informationspflicht nachkommt.

  18. @Alex: Und um jetzt auch mal persönlich zu werden: Die unreflektierte Fetischisierung und fraglose Privilegierung des Kinderwunsches als unhintergehbare letzte Wertquelle ohne Einordnung in die heterosexistische und bio-politische Matrix, in der er artikuiert wird, nervt mich enorm.

  19. @Frau Doktor: bis ‚ohne Einordnung‘ bin ich noch gekommen, dann hast du mich leider verloren. Was ist eine ‚heterosexistische und bio-politische Matrix‘?

  20. @frau doktor
    ok, also du meinst, dass ich nicht nur zu doof bin, um mich über die nebenwirkungen der pid zu informieren und für mich selbst zu entscheiden, was ich meinem körper zumute und was nicht, sondern auch, dass mein kinderwunsch eine fremdsteuerung und mir das gar nicht bewusst ist.
    verstehe ich dich richtig?
    und falls ich dich richtig verstanden habe, wie stellen wir in zukunft fest, wer nicht zu doof und nicht fremdgesteuert ist, dass wir wissen, wen wir solche entscheidungen treffen lassen können?

  21. @alex: Nö, ich halte hier niemanden für irgendwas zu doof, aber die Nonchalance mit der du hier über Argumente gegen die PID bzw. das Gesetz, das im Bundestag beschlossen wurde, hinweg gehst, die beispielsweise von Menschen mit Behinderungen, von Menschen, die ausdrücklich von staatlich bevorzugten Fortpflanzung ausgeschlossen werden, und Menschen, die der Reproduktionsindustrie aus guten Gründen kritisch gegenüber stehen, vorgebracht werden, stattdessen aber nicht mehr als dein wunderbar selbstreflektiertes, emanzipiertes Ich für ein super, alles erklärendes und begründendes Argument einführst (samt Kinderwunsch), das man natürlich kein bsschen infrage stellen darf – diese „Is‘ mir doch scheiß egal, Hauptsache ich bekomm‘ ein Privileg mehr“-Haltung, die ich daraus lese, erstaunt mich in einem feministischen Blog sehr. Falls du keine junge, weiße, nicht-behinderte, sich als heterosexuell identifizierende Frau bist, die bereit ist, für die Erfüllung ihres Kinderwunsches eine Ehe einzugehen (nur für die wird es nämlich PID in Deutschland geben), ist mein Privileg-Argument natürlich hinfällig. Aber dann würde mich dein Optimismus in Sachen PID noch stärker intererssieren. Also, wenn du noch Lust drauf hast: Ich freu‘ mich über weiteren Input dazu.

  22. @Katharina:
    Zu Heterosexismus: Ich finde das Wikipedia-Artikel-INtro sagt es ganz gut kurz und knapp: „Heterosexismus (von gr. heteros: der andere) bezeichnet ein gesellschaftliches und institutionalisiertes Denk- und Verhaltenssystem, das Heterosexualität anderen Formen sexueller Orientierung als überlegen einordnet.[1] Umgekehrt ordnet es homosexuelle, bisexuelle, transgender, intersexuelle, aber auch androgyne Menschen als von der sozialen Norm abweichend ein und wertet diese als „unnormal“ ab.“
    Jetzt wieder ich: Der Begriff Heterosexismus betont gegenüber dem Begriff der Heteronormativität (kurz: Heterosexualität als die soziale Norm, alles andere sind ‚unnatürliche‘ Abweichungen) den andere Sexualitäten, Gender-Performanzen und Lebensentwürfe stark abwertenden und stigmatisierenden Aspekt unserer immernoch heteronorm sich verstehenden Gesellschaft. Das kann man sehr gut an den Gesetzen sehen, die es in Deutschland zur Reproduktionsmedizin gibt: Assistierte Reproduktion, also alle Formen des Schwanger werdens, an denen medizinische Techniken und Mediziner beteiligt sind, sind in Deutschland auf verheiratete Paare, bei denen die Frau nicht älter als 45, der Mann nicht älter als 50 sein darf, beschränkt. Das ist Heterosexismus pur, meines Erachtens – und darüber sollte man in der Diskussion über die Zulassung von PID in Deutschland nicht hinwegsehen.
    Bio-Politik: Habe ich in meinem Kommentar als Abkürzung für den gesamten, aber nicht monolithischen Bereich an Gesetzen und Vorschriften, die die biologische Reproduktion, das Gesundheits- und das Sozialwesen regeln, an ausgesprochenen und unausgesprochenen Annahmen über das, was natürlich / unnatürlich ist und lebendig / nicht-lebendig ist, was lebenswert, was lebensunwert ist, in unserer Gesellschaft offiziell und inoffiziell regeln. Der Begriff ist aus der Diskussion von Thesen von Michel Foucault und Giorgio Agamben entstanden. Da heißt es auch oft Bio-Macht.
    Ich finde die Wikipedia-Artikel zu Heterosexismus und Bio-Politik als Start für die weitere Recherche ziemlich gut.

  23. @frau doktor

    dein privilegargument ist bzgl. meiner person hinfällig.

    das hast du richtig verstanden: ich gehe über die argumente gegen die pid hinweg, ich diskutiere das für und wider gar nicht. ich spreche dem bundestag, behinderten, dir und anderen ab, eine legitimation zu haben, das für mich zu entscheiden. nochmal: mit welcher begründung nimmst du dieses recht in anspruch oder gestehst es behinderten bzw. dem bundestag zu?

    ich kann das selbst abwägen und ich will das selbst bestimmen. und richtig: wenn ich pid machen will, wüsste ich nicht, was das einen wie auch immer behinderten menschen oder bundestagsabgeordneten angeht, denn beide dürfen das ganze dann ja auch selbst bestimmen (wenn es nach mir ginge) oder an andere delegieren, wenn sie sich der entscheidung nicht gewachsen fühlen.

    richtig: ich sehe nicht, warum ich mich infrage stellen lassen müsste. ich stelle die entscheidung von anderen ja auch nicht infrage, so lange sie nur für sich entscheiden und nicht über mich.

  24. @alex: aha. Wenn meine Beschreibung oben nicht auf dich zutrifft, wirst du in Deutschland vermutlich sowieso nicht in „Genuß“ einer PID kommen. Und natürlich entscheidest du nie allein, ob und wie eine PID durchgeführt wird. Damit sowas überhaupt gemacht werden kann, muss ein sehr kapitalintensiver, komplexer medizinischer Apparat (im materiellen wie im sozialen Verstand des Wortes) in Gang gesetzt werden und überhaupt erstmal vorhanden sein – und der bestimmt, selbst bei der liberalsten Gesetzgebung – wer eine PID bekommt und wer nicht. Und was danach passiert. Deine Selbstbeschreibung als die große Selbstbestimmerin wäre selbst in einer total niedrig-komplexen Mini-Gesellschaft naiv, die so gerade an der Substinez entlang schrammt, aber dass dann in Zusammenhang mit so etwas mega-komplexem wie der PID als Argument anzuführen… nun ja.

  25. @frau doktor
    kannst du mal bitte meine frage beantworten?
    die pid gibt es.
    sie ist möglich.
    also, welche legitimation hat jemand anderes, zu entscheiden, ob ich diese möglichkeit nutzen darf?

    was passiert danach? ich habe für mich eine entscheidung getroffen und trage die konsequenzen. und weiter?

    „Deine Selbstbeschreibung als die große Selbstbestimmerin wäre selbst in einer total niedrig-komplexen Mini-Gesellschaft naiv, die so gerade an der Substinez entlang schrammt, aber dass dann in Zusammenhang mit so etwas mega-komplexem wie der PID als Argument anzuführen… nun ja.“
    also doch, du bist reflektiert, ich bin doof. alles klar.

  26. @frau doktor
    hm, das ist keine antwort, sehe ich das richtig, du hast keine? ich versuche es nochmal. warum sprichst du mir die fähigkeit ab, selbst entscheiden zu können, ob die pid was für mich ist oder nicht?

  27. @alex: Ich spreche weder dir noch irgendjemand anderem diese Fähigkeit ab. Was mich an deiner Haltung hochgrafig irritiert, ist die Unfähigkeit / Unwilligkeit zu reflektieren, dass du nicht im luftleeren, kontextfreien Raum handelst, sondern in diesem speziellen Fall sogar in einem besonders komplexen, in dem sich noch ganz viele andere Interessen kreuzen, zum Beispiel die von Behinderten, die wie ich meine ganz zu recht anmerken, dass in unserer Gesellschaft, die ganz deutlich „gesunde“ Menschen privilegiert, die recht weitgehende Freigabe der PID um Behinderungen auszuschließen, nicht nur ein Schritt zu mehr Freiheit sein muss. Oder die Interessen der Reproduktionsmedizinindustrie, die sich die Ausweitung ihres Geschäftsfeldes als KInderwunsch-Erfüllung von Propagandisten des reaktionärsten bürgerlichen Familienterrors schönreden lassen. (Dafür halte ich dich nicht, nur um das kar zu stellen). Und das du einen komplexen gesellschaftlichen Apparat wie die PID auf einen schlichten Konsumakt reduzierst: Kauf ich oder kauf ich halt nicht.
    Kurz: Mir kommt dein Konzept von Selbstmächtigkeit und Selbstständigkeit, wie ich es mir aus deinen Kommentaren erschließen kann, naiv vor, weil mir ganz viele Schritte fehlen, wie du zu dieser Haltung kommst, die ja gerade von vielen feministischen und queeren Theroetiker_Innen mit guten Gründen angezweifelt und als heteronormativ rekonstruiert worden ist.
    Ich will niemandem die PID verbieten, aber darauf hinweisen, dass eine Verengung der Argumentation auf Selbstbestimmung und Kinderwunsch – auch bei den besten Absichten – genauso (unabsichtlich) ideologisch ist, wie der Herr Kauder, der mit der Dignität des menschlichen Lebenwesens, das vor den unverantwortlichen Frauen geschützt werden muss, Gebärpflicht durchsetzen will, aber keine Probleme mit der Lieferung von Waffen in Konfliktgebiete und dem Betreiben von Atomkraftwerken hat.
    Jetzt muss ich aber mal an meinen Day job – ich wünsche dir ein schönes Wochenende!

  28. @frau doktor

    wenn jede selbst entscheiden kann, wird es die geben, die alles versuchen werden, kein behindertes kind zu bekommen, genauso wie es die geben wird, die ein behindertes kind ganz selbstverständlich annehmen. es wird die geben, die versuchen werden, schwanger zu werden und wenn das biologische 0815 nicht funktioniert, werden sie weitere versuche lassen, andere werden weiter machen und jede noch so riskante technologie in anspruch nehmen. es wird die geben, die keine kinder wollen und keine bekommen und die, die keine wollen und doch welche kriegen. es wird auch die geben, die ihr leben lang ihre entscheidung bedauern werden, weil sie die falsche getroffen haben.
    es steht mir nicht zu, anderen vorzuschreiben, was da richtig und was falsch ist und schon gar nicht, jeder, die nicht meine meinung teilt zu unterstellen, ihr mangele es an bewusstsein für gesamtgesellschaftliche strukturen. es steht mir aber zu, einzufordern, für mich selbst entscheiden zu dürfen, das ist nicht naiv und es ist auch keine ideologische verengung. herr kauder will über andere entscheiden, ich nicht.

    die einzige lösung ist die, dass sich jeder zu der erkenntnis durchringt, dass niemand das recht hat, jemand anderem vorzuschreiben, was ok ist und was nicht. dadurch erledigt sich auch das kauderwelsch.

    die ängste der behinderten: das halte ich für eine ganz miese tour. als ob eine frau, die kein behindertes kind haben will, behinderten das recht zu leben absprechen würde oder diese diskriminiert sehen möchte. dass durch die pid die situation von behinderten anders wird halte ich für naiv und für scheinheilig.
    reflektierst du, dass es behinderte gibt, die kein behindertes kind wollen? reflektierst du die historische vergangenheit deutschlands und auch, dass bereits frauen mit entsprechenden finanziellen mitteln aus deutschland pid im ausland in anspruch nahmen? dass „gesunde“ bisher – zu zeiten, wo es keine pid gab – privilegiert wurden und das du hier ursache und wirkung verwechseln könntest? wieso denkst du, alle vergessen über die pid, dass ein unfall ursache für eine behinderung sein kann? dass man nicht alle krankheiten ausschließen kann durch die pid? reflektierst du auch, dass jeder alt wird und vielleicht mal pflegefall?

    warum diskutiert der supergscheite bundestag nicht mal ein verpflichtendes soziales jahr für alle, gemeinsam mit dem souverän per crowdsourcing, wo einfach jeder mal ein paar monate dran steht und windeln von plegefällen wechselt oder blinden die zeitung vorliest oder rollstuhlfahrern im alltag behilflich ist? dann weiß jeder, was einem selbst oder für einen selbst wichtigen menschen mal passieren kann und schon hat sich die selektionsangst erledigt und ängste und vorurteile im umgang mit behinderten wurden abgebaut, bewusstsein für deren bedürfnisse geschaffen, gut ausgebildetes pflegepersonal kann sich den fällen widmen, die intensive betreuung brauchen und plegefälle liegen nicht studenlang in der sch***e oder mit dem gesicht im essen, höhere wertschätzung gegenüber pflegeberufen und deren langfristige aufwertung und angemessene bezahlung könnten folgen, möglicherweise tragen so gesammelte erfahrungen dazu bei, dass menschen sorgsamer mit ihrem körper umgehen und die frühe auseinandersetzung mit dem alt oder krank werden entlastet den schönheitschirurgiebereich. oder darüber, dass das ständige hartzIVler-bashing und leistungsprinzip betonen durch leistungsdoktortitelerschleicher vielleicht das denken der menschen beeinflusst, welches für die weitgehende verdrängung von behinderten aus dem öffentlichen leben sorgt?
    oder darüber, warum es immer noch keine komplette untertitelung in den öffentlich rechtlichen gibt bzw. gebärdenspracheeinblendnungen? gesamtschule?

    ach nein. da wird über über den wert menschlichen lebens anhand der pid heftigst debattiert, weil da auch jedes trutscherle mal was pathetisches zu sagen weiß, das sonst lieber ganz still auf der bank sitzt, weils ihm/ ihr alles viel zu kompliziert und schnell geworden ist, was da im bundestag so alles beschlossen wird.

  29. das hast du richtig verstanden: ich gehe über die argumente gegen die pid hinweg, ich diskutiere das für und wider gar nicht. ich spreche dem bundestag, behinderten, dir und anderen ab, eine legitimation zu haben, das für mich zu entscheiden. nochmal: mit welcher begründung nimmst du dieses recht in anspruch oder gestehst es behinderten bzw. dem bundestag zu?

    Na wer soll es denn sonst regeln, wenn nicht der Bundestag? Der Markt vielleicht? Der will nicht nur PID zur Vermeidung von Behinderungen, der will auch Geschlechtswahl und Designerbabies.

  30. @irene

    ich sehs als grundrecht an, dass ich mir da nicht rein reden lassen muss. wieso geht es nicht, das jeder selbst zu überlassen? weils da 10% (von wieviel in absoluten zahlen?) in den usa gibt, die die pid für etwas benutzen, was dir nicht passt? wem wird dadurch geschadet? und auch an dich die frage: wenn das ein mensch im bundestag entscheiden kann, warum dann ich nicht? worin besteht da jetzt die eignung dieser leute, die mir fehlt?

    deine argumentation ist unsinnig:
    kinder werden designed. immer schon. nach den vorstellungen der eltern. erziehung ist designen. dazu kommt halt jetzt die genetik, die wahrscheinlich weit weniger auswirkungen hat als das „wie“ der erziehung.

    die auswahl des geschlechts wird – so weit ich informiert bin – keinen schaden beim kind zur folge haben, also, wo ist das problem?
    weißt du, welche motive die 10% hatten für ihren geschlechtswunsch?

  31. @ Irene

    Eine Quelle wäre toll, wenn du schon Zahlen anbringst. Und vielleicht noch eine Zahl für die Gesamtanwendung von PID. Und Informationen über die Art der Datenerhebung. Sonst sagen deine 10% nicht viel aus.

  32. Ja, warum macht der Bundestag die Gesetze und nicht Du?

    Da gehts nicht um PID, sondern um parlamentarische Demokratie.

    kinder werden designed. immer schon. nach den vorstellungen der eltern.

    Das dachte meine Mutter auch mal, hat aber nicht geklappt, haha.

  33. @irene

    „Da gehts nicht um PID, sondern um parlamentarische Demokratie.“

    falsch. das hat mit parlamentarischer demokratie nur bedingt was zu tun. das ist bevormundung, von der noch einige glauben, sie sei notwendig.
    ob ich die pid in anspruch nehme geht die parlamentarische demokratie, den bundestag und dich genauso wenig was an wie mit wem ich sex habe zwecks fortpflanzung.

  34. Du siehst die PID-Regelung als Bevormundung an, andere das Waffengesetz oder die Erbschaftssteuer oder den Kündigungsschutz. So scheiden sich die Geister.

    Wenn Du die PID-Regelung für illegitim hältst, dann klag halt dagegen.

  35. @irene

    wär mir neu, dass ich jemanden mit der pid erschießen könnte… dadurch, dass ich das in anspruch nehme entsteht dir kein schaden.
    waffengesetze, kündigungsschutz, erbschaftssteuer, dadurch entsteht anderen ein schaden.
    ich halte die einstellung, dass das was sei, was man für andere entscheiden könnte, für arrogant.

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