Phyllis Schlafly: „…jedes soziale Übel kommt aus einem vaterlosen Zuhause“

Phyllis Schlafly, eine der größten AktivistInnen der christlich-konservativen Bewegung in den USA und eine der prominentesten GegnerInnen des 1982 erfolgreich gestürzten Equal Right Amendments, welches gleiche Rechte für Mann und Frau in föderalen und staatlichen Gesetzten verankert garantieren sollte, wurde wieder einmal losgeschickt, um die „feindlich-feministische“ Übernahme der Welt anzuprangern.

Letztes Wochenende sprach Schlafly auf einer rechts-konservativen Konferenz zum Thema How to Take Back America („Wie man die USA wieder zurückgewinnt“) und diffamiert nicht nur den heutigen feministischen Einfluss, sondern kriminalisiert auch noch so nebenbei alleinerziehende Mütter:

„(…) the feminist movement is the most dangerous, destructive force in our society today. (…) My analysis is that the gays are about 5% of the attack on marriage in this country, and the feminists are about 95% (…) I’m talking about drugs, sex, illegitimacy, drop outs, poor grades, run away, suicide, you name it, every social ill comes out of the fatherless home.“

(zu deutsch: „die feministische Bewegung ist die gefährlichte und zerstörerischte Kraft heutzutage in unserer Gesellschaft. (…) Meiner Analyse nach attackieren Homosexuelle nur zu 5% die traditionelle Heirat und zu 95% sind die FeministInnen verantwortlich. (…) Ich spreche von Drogen, Unehelichkeit, Schulabbrüchen, schlechten Noten, AussreißerInnen, Selbstmord… was auch immer – jedes soziale Übel kommt aus einem vaterlosen Zuhause“).

Immer bemüht um die Rechte der Männer, hat Schlafly nicht nur die vermeintlich konspirativen Weltherrschaftspläne Obamas aufgedeckt (Sozialismus, Kommunismus!), sondern prognostizierte gleich nach Obamas Amtsbeginn die feministische Annexion der neuen Regierung – was selbstverständlich ein großes Übel darstellen würde.

Via ThinkProgress.

40 Kommentare zu „Phyllis Schlafly: „…jedes soziale Übel kommt aus einem vaterlosen Zuhause“

  1. OMG!
    Dazu kann man doch garnichts mehr sagen.

    Obwohl: Irgendwie beneide ich solche Leute um ihr plattes und einfaches Weltbild.Alles Schlechte kommt vom Feminismus und gut ist. Keine schwierigen Gedanken mehr über Hintergründe oder sonstiges.

  2. irgendwo habe ich letztens den spruch gelesen „ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen möchte“.
    das so als erste reaktion – aber es ist doch wirklich interessant und erschreckend, wie jemand wie schlafly noch heute allen ernstes die parolen von vor 30 jahren wieder auf den tisch packt – und auch noch leute zuhören. hoffen wir auf geringen einfluss und viel kontra.

  3. Ich finde die Überschrift zu dem Artikel etwas unglücklich gewählt. Ein vaterloses Zuhause ist tatsächlich oft ein Grund für soziales Übel. Und nicht jeder, der das sagt, will dem Feminismus die Schuld dafür zuweisen und alleinerziehende Mütter dafür verantwortlich machen. Es werden ja leider auch groteskerweise Organisationen wie der Väteraufbruch in dieser rechtskonservativen antifeministischen Ecke gesehen. Dabei ist der Väteraufbruch im grundegenommen laut der hiesigen Definition zutiefst feministische Organisationen.

    Das sonst hier im Artikel zitierte … was will man da schon zu sagen, was nich verharmlosend klingt.

  4. Johannes, dafür, dass ein vaterloses Zuhause „oft“ Grund für soziales Übel ist, hätte ich bitte gerne mal ein paar unabhängige Studien – die auch gerne mal definieren können, was ein soziales Übel denn so sein soll. Nicht nur, aber durchaus auch, weil ich ebenfall in einem vaterlosen Zuhause aufgewachsen bin.

    Des weiteren schreibst du: „ist oft ein Grund“. Was inhaltlich ein ganz schöner Unterschied zu dem zitierten (!) „jedes soziale Übel“ ist. Kirche und Dorf und so.

  5. @Anna: Diese Studien gibt’s und man findet Veröffentlichungen über sie in wissenschaftlichen Fachzeitschriften. Selbst gelesen habe ich zugegebenermaßen keine, allerdings habe ich mich darüber öfters mit jemandem unterhalten, der auf dem Gebiet wissenschaftlich arbeitet. Nach Literaturstellen müsste ich den fragen.

  6. Zynisch wie ich bin stelle ich mir folgende Frage:

    Ein US-Soldat fällt im Irak und hinterlässt eine Ehefrau und mehrere Kinder. Soll die Witwe sofort wieder heiraten, um ihren Kindern das vaterlose Dasein zu ersparen? Oder wäre das den Rechtskonservativen auch wieder nicht recht, wenn sie in der nächsten Woche nach dem Tod gleich wieder heiratet?

  7. @steve: Ich spreche jetzt nicht für die Rechtskonservativen, sondern ich sage meine Meinung zu deiner Frage: Nein, die Witwe soll nicht wieder aus dem Grund wieder heiraten, um dem Kind das vaterlose Dasein zu ersparen. Das geht nämlich gar nicht, weil der Vater des Kindes tot ist. Ein Mann, den sie dann heiratet, ist nicht der Vater des Kindes und das Kind wächst in jedem Fall ab dem Tod des Vaters ohne Vater auf.

  8. Johannes, da ich weiß, dass die Rezeption/Weitergabe von Studienergebnissen und deren wirklichen Ergebnisse oft nicht mehr viel mit einander zu tun haben bzw die Ergebnisse oft viel zu verkürzt dar gestellt werden, hätte ich da nach wie vor gerne einen Nachweis – was nicht heißt, dass ich dir nicht glaube, dass dir das so erzählt wurde, aber da wüsste ich doch gerne mal konkret, was da genau geforscht wurde oder wie gesagt, welche Definition dem wunderbaren Ausdruck „soziales Übel“ denn da konkret zugrunde liegt.
    Das heißt nicht, dass ich den Nachweis von dir einfordere, vielleicht können uns da ja auch andere weiter helfen?

  9. „Es werden ja leider auch groteskerweise Organisationen wie der Väteraufbruch in dieser rechtskonservativen antifeministischen Ecke gesehen.“
    Und das zu Recht.

  10. @Anna: Ich weiß von so rein statistischen Untersuchungen die Selbstmordrate, Straffälligkeit, Arbeitslosigkeit, Drogenabhängigkeit etc. mit Vaterlosigkeit korrelieren und dabei kommt deutlich heraus, dass diese Formen „sozialen Übels“, um bei dem Begriff zu bleiben, bei Leuten die ohne Vater aufgewachsen sind, häufiger sind.

    @Mondfee: Kennst du jemanden vom Väteraufbruch persönlich? Belege mal mit einem nachprüfbaren Zitat, inwieweit der Väteraufbruch rechtskonservativ ist.

  11. Demnach hätten Millionen von Kriegshalbwaisen nach dem 2. Weltkrieg drogensüchtige Versager werden müssen. Wurden sie aber nicht.

  12. @Rabenmutter: Du weißt ganz genau, dass die Nachkriegssituation in Deutschland nicht zu einem Vergleich mit heute taugt. Es gab damals durchaus Probleme damit, das Väter nicht mehr aus dem Krieg kamen, die Mütter vielleicht versuchten, sie durch andere zu ersetzen. Nicht aus jedem vaterlosen wird ein drogensüchtiger Versager, aber drogensüchtige Versager sind überproportional oft ohne Vater aufgewachsen.

    Verdammt. Jetzt bin ich zu Hause und von hier aus laufen meine Postings immer in den Spamfilter und erscheinen dann erst, wenn die Diskussion längst weitergelaufen ist.

  13. Johannes, wo du gerade Mondfee nach einem nachprüfbaren Zitat fragst, frage auch ich erneut nach einem Beleg. Und zwar nicht nach einer zufälligen statistischen Korrelation (wir erinnern uns an die Storche, die eben die Kinder nicht gebracht haben, auch wenn sie zufällig in der Nähe von Neugeborenen rumflogen) sondern nach einem Nachweis darüber, dass all dies aus der Vaterlosigkeit resultiert. Des weiteren würden mich Zahlen interessieren, wie viele Kinder aus vaterlosen Familien diesen „sozialen Übeln“ (für die ich auch immer noch gerne eine Definition hätte, die in den Studien zugrunde gelegt wurde) eben nicht anheim fallen.
    Ich bin gelinde gesagt skeptisch, was so ein eindimensionales Erklärungsmodell angeht. Deswegen ist der Einwurf von Rabenmutter durchaus berechtigt.
    „Es könnte alles so einfach sein – ist es aber nicht“. Ums mal mit den Fantas zu sagen.

  14. @Anna: Ich arbeite daran. Wie gesagt, das dauert. Wird wohl auch nix, was man so verlinken kann, sondern ich muss wohl in irgendeine Uni-BIB gehen und mir dort die Artikel besorgen usw. Und ich bin kein Student mehr, der das mal eben so machen könnte.

  15. [oT]@Johannes:
    „Kennst du jemanden vom Väteraufbruch persönlich?“
    Denkst Du, man kann eine Sache nur beurteilen, wenn man jemand, der involviert ist, persönlich kennt? Das dürfte z.B. HistorikerInnen nicht so gefallen…;)

    „Belege mal mit einem nachprüfbaren Zitat, inwieweit der Väteraufbruch rechtskonservativ ist.“
    Tut mir leid, aber den Gefallen, gewisse Foren hier zu verlinken, tue ich dem VafK nicht. Schau Dich einfach dort um, dann weißt Du, was Sache ist.[/oT]

    Zu Schlafly:
    Ich frage mich, was eine promovierte Juristin und eine Frau, deren Mutter während der Arbeitslosigkeit des Vaters die Familie ernährt hat (http://de.wikipedia.org/wiki/Phyllis_Schlafly), dazu treibt, solch einen (euphemistisch gesagt) Stuss von sich zu geben. Laut dem WP-Artikel hat sie ja sehr großen Einfluß (auf wen auch immer) in den USA. Schon beunruhigend…
    So ähnliche Ansichten haben in D ja Eva Herrmann&Co. geäußert und doch auch recht viele AnhängerInnen gefunden; glücklicherweise war deren politischer Einfluß nur gering und wenn ich mir Schlafly so anschaue, kann ich nur hoffen, daß das auch so bleibt.

  16. @ Johannes: In deinem Posting schreibst du selbst auf, was das Problem der Korrelation „vaterlos aufgewachsen >> kriminell, asozial, whatsoever“ ist. Umgekehrt gibt es die Statistiken tatsächlich: Kriminelle sind oft ohne Vater aufgewachsen.

    Aber hallo: Korrelationsrichtung? Und Hintergrundvariable Sozialmilieu?

    Also, das kleine Soziologen-Einmaleins wäre doch hier wohl angebracht. Aber genau das ignorieren ja die Konservativen, die diesen Quark mit den Studien, von denen du sprichst, verzapfen, auch immer gern. Neuester Schrei ist es ja, die Probleme der Welt Patchworkfamilien in die Schuhe zu schieben:

    http://www.google.de/search?hl=de&q=patchworkfamilien+kriminell

  17. Mondfee: Ich kenne die Seite des vafk und ich kenne Mitglieder des Väteraufbruch persönlich. Rechtskonservativ sind die nicht. Die Foren habe ich nie gelesen, aber auch dort kann ich durch einfaches Umschauen keinen Rechtskonservativismus feststellen.

    Aber gut. Auch ohne Verlinken, denke ich, wird jeder, der hier liest, die Seite des vafk finden können, um sich dort selbst ein Bild zu machen. Ich appelliere an viele von Euch, das zu tun, damit Ihr feststellt, dass der vafk nicht rechtskonservativ, sondern im Gegenteil ein Verein ist, der von seiner Programmatik her feministisch ist.

    @Anna:

    Kivelä, S.L. et al.:
    Early loss of mother or father predicts depression in old age.
    Int J Ger Psychiatry 13 (1998) 527-530

    Matthias Franz:
    Wenn der Vater fehlt
    Psychologie heute 03/2004, S. 20 bis 25

    Mal so als Schnellschuss. Hab keine davon gelesen, weil ich so spontan da einen Zugriff drauf habe. Aber vielleicht hilft es dir ja weiter.

  18. Johannes, auch auf die Gefahr hin, dass Susanne und ich uns hier gegenseitig wiederholen:
    Ich danke dir für deine Mühe, aber nach Büchern, die sich mit Kindern aus vaterlosen Familien beschäftigen, kann ich selber suchen. Wahrscheinlich leichter als du, da ich noch Zugang zu den ganzen Uni-Bibliotheken habe.
    Was ich möchte, ist ein Beleg für eine Behauptung, dass erstens Kinder aus vaterlosen Familien überproportional Opfer von einem immer noch nicht definierten „sozialen Übel“ werden und dass zweitens diese (behauptete) Korrelation mehr als nur Zufall ist, also die Vaterlosigkeit wirklich die Ursache dieses angeblichen sozialen Übels ist.

    Du kannst nicht so eine Behauptung in den Raum stellen und das mit einem „Studien hab ich nicht gelesen, aber ein Freund hat mir mal erzählt, dass…“ begründen. Und das dann auch noch aufrecht erhalten, ohne Nachweise zu erbringen.

  19. @Susanne: Natürlich spielt die Hintergrundvariable des sozialen Millieus eine Rolle, blöd bin ich nicht. Die Macher der Studien auch nicht und ich denke mal, dass die, das berücksichtigt haben. Derjenige, von dem ich das habe ist selbst Soziologe und als solcher wissenschaftlich tätig. Er erzählt mir in unseren Diskussionen oft Fallstricke der empirischen Sozialforschung. Also keine Angst, das ist kein Konservativen-Blabla.

    Und ich denke nicht, dass Patchworkfamilien ein Problem sind, solange die Kinder Kontakt zu beiden Elternteilen haben. Eher im Gegenteil. Man sagt zwar immer, Kinder bräuchten Kontinuität, aber ich sehe das nicht so. Solange sich die Eltern nicht bekriegen.

  20. Eben, du „denkst, dass die das berücksichtigt haben“.
    Was mich wieder zu meiner Anfangsfrage bring, wie war das Studiensetting, wie haben die Studienmacher andere Einflussfaktoren so eindeutig ausschließen können, wie ist soziales Übel definiert, wie ist der Anteil der Kinder im sozialen Übel ohne Vater denen gegenüber mit Vater denen gegenüber ohne Vater und ohne soziales Übel.
    Uswusf.

  21. @Anna: Lies die Veröffentlichungen (sind keine Bücher), die ich genannt habe. Da wirst du diese Belege finden. Ich habe das nicht ergoogelt, sondern ich habe Texte gelesen, die sich auf diese Artikel beziehen. Diese Texte sind aber nicht öffentlich im Netz.

  22. Na, aber zumindest der Beitrag in „Psychologie heute“ wird ja auch nicht die Originalstudie sein, oder? Wie ich oben schon schrieb, solche Ergebnisse werden gerne verkürzt dargestellt oder gar komplett verdreht – ähnlich wie mit Gerichtsurteilen, die ja auch oft viel komplexer sind, als es uns der dreizeiler in der Tageszeitung vermuten lässt.
    Und nochmal, du schreibst auf Susannes Einwurf (der sich ja mit meinen Fragen deckt), du „denkst“, die werden das schon berücksichtigt haben.

    Tschuldige, aber wenn du solche Behauptungen in den Raum stellst und deine Referenz ist zumindest anfänglich einfach jemand, den du kennst und der dir das erzählt hat, dann bist schon du nun in der Beweispflicht, das zu belegen. Wenn du diese Belege nicht greifbar hast, ist das okay, aber dann würde ich mal ein wenig langsamer machen mit dem Beharren auf diesen angeblichen Ergebnissen. Ich behaupte, wenn das alles so eindeutig wäre, wie du es hier darstellst, dann wäre es auch absolut kein Problem, diese Belege, die all meine Zweifel ausräumen und Fragen beantworten, zu finden.
    Ich hab selber ua Psychologie studiert (und – wenn wir schon so anfangen – kenne mehr als einen Soziologen und Erziehungswissenschaftler, mit denen ich auch viel fachlich diskutiere) und es würde mich doch sehr erstaunen, wenn eine unabhängige Studie mit einem anständigen Setting die Dinge, die du uns hier als Tatsachen verkaufen willst, so eindeutig belegen würde.

  23. @ Johannes: „dazu beitragen kann“ klingt jetzt aber sehr viel anders als deine Eingangsbehauptung „Ein vaterloses Zuhause ist tatsächlich oft ein Grund für soziales Übel“). Auch Übergewicht, schlechte Schulnoten, traumatische Erlebnisse, schlechte Lehrer_innen, Unterforderung, Überforderung, Fast Food und tausend Sachen mehr KÖNNEN dazu beitragen, dass man als erwachsener Mensch Probleme hat. Erstaunlicherweise wird dafür aber niemand an den Pranger gestellt wie alleinerziehende Mütter / Elternteile.

    Eine Mutter wird sich kaum aus Jux und Dallerei dafür entscheiden, ihr Kind allein aufzuziehen. Es gibt immer noch Frauen, die ihre Rolle als Mutter ausnutzen, um den Vater des Kindes fernzuhalten, ja, aber das ist nicht der Regelfall und sollte vor allem allen anderen Alleinerziehenden nicht zum Vorwurf gemacht werden (wie du ja oben selbst schreibst). Aber wer ist dann „verantwortlich“. Wozu solche Studien, auf die du dich beziehst, wenn nicht nach Verantwortlichkeiten gesucht wird? So kommen wir in der Diskussion überhaupt nicht weiter. Dafür sind wir auch absolut das falsche Forum.

  24. Du meinst, die Überschrift sei schlecht gewählt, denn: „Ein vaterloses Zuhause ist tatsächlich oft ein Grund für soziales Übel.“

    Plus die von dir immer wieder angebrachte Korrelation, mit der du versuchst, diese Behauptung zu stützen. Dass diese Korrelation (so sie besteht) andere Gründe haben kann, streitest du ab bzw wischst das mit einem „naja, das werden die schon berücksichtig haben“ weg. Genauso wie du nicht darauf eingegangen bist, dass ein vaterloses Zuhause, jedes Zuhause ja immer noch mit anderen Einflüssen einhergeht und versuchst, auf dem „Vaterlos-Sein“ als alleinstehenden Grund zu beharren (wegen der Korrelation und so).

    Deine gesamte Argumentation der letzten Postings ist eine völlig andere als das lapidare „kann dazu beitragen, dass“ des letzten Postings. Tschuldige, aber dazu beitragen, dass ein Mensch im Opfer von „sozialem Übel“ wird, kann so einiges und vor allem nichts ganz alleine.

    Heißt: Die von Phyllis Schlafly in aller Vehemenz und von dir in etwas abgeschwächter Form vorgetragene These, dass ein Kind, das ohne Vater aufwächst, „zwangsläufig“ bzw „oft“ wegen der Vaterlosigkeit Opfer von sozialem Übel (nochmal, was ist das?) wird, ist schlicht und einfach nicht haltbar.

    Nachschub: Da haben Susanne und ich uns überschnitten. Ergänzt sich aber beides gut finde ich.

  25. http://www.sueddeutsche.de/wissen/765/326629/text/

    solche und ähnliche artikel kann man alle paar monate lesen.
    gehen wir doch einfach davon aus, dass die im verlinkten artikel genannten experten ihren job anständig und jenseits von ideologie erledigen. bei interesse kann man da ja selbst gern weiter recherchieren und sicher noch viele interessante details ausfindig machen.

    was den herrn müller aus ludwigsburg ageht, so glaube ich ganz persönlich und subjektiv nicht, dass er hier eine bringschuld für validierte studienergebnisse hat, um seine meinung zu legitimieren.

    übrigens ist ein induktionsschluss wie dieser „ich bin auch ohne vater aufgewachsen und habe keinen schaden davongetragen“ genauso erfreulich wie das altbekannte „mein opa rauchte kette und wurde 102“. na immerhin schön für den opa und seine lieben, gell?

  26. @Susanne: „kann dazu beitragen“ entspricht „ist oft ein Grund für“. Zugegeben klingt die zweite Form direkter. Da habe ich mich vielleicht vielleicht zu sehr an dem Titel des Artikels orientiert. Obwohl das Zitat dort ja nun wirklich so eindeutig ist, dass wohl jeder hier merkt, dass das Blödsinn ist.

    Zu der Frage nach dem Sinn solcher Studien: Es ist meiner Erfahrung nach leider immer noch so, dass Väter für die Kindesentwicklung als unwichtig oder weniger wichtig als die Mütter angesehen werden. Das drängt die Mütter in die Mutter- und Hausfrauenrolle und im Gegenzug dazu begünstigt es, dass Müttern es leichter gemacht wird, Väter von ihren Kindern fernzuhalten. Deswegen finde ich es wichtig, dass es hier sachliche Studien gibt, die dieses Thema beleuchten. Damit es zu einem Umdenken kommt und auch von Vätern mehr Präsenz eingefordert wird, weil oft sind ja die Väter selbst die Verantwortlichen für ihr Fehlen.

  27. @Anna:

    Die von Phyllis Schlafly in aller Vehemenz und von dir in etwas abgeschwächter Form vorgetragene These, dass ein Kind, das ohne Vater aufwächst, “zwangsläufig” bzw “oft” wegen der Vaterlosigkeit Opfer von sozialem Übel (nochmal, was ist das?) wird, ist schlicht und einfach nicht haltbar.

    Klar. Natürlich ist das nicht haltbar. Hast du etwa geglaubt, ich wäre da der Meinung von Phyllis Schlafly? Da solltest du meine Meinung aber besser kennen, wenn du mich hier liest. Und meine abgeschwächte Form sagt eben nichts von „zwangsläufig“, sondern lediglich von „oft“ und auch nur „ein“ Grund von mehreren.

    Jetzt komme ich langsam mit den ganzen Überschneidungen nicht mehr nach. BTW: habt Ihr irgendwas an Eurem Spamfilter gedreht, dass ich so problemlos posten kann?

  28. Susimaus, ich schließe keine Induktionsschlüsse, ich habe das nur erwähnt, um mein Interesse an einem Beleg dieser Aussagen zu bekräftigen. Wenn nämlich „jedes soziale Übel“ beweisbar aus vaterlosen Haushalten käme, dann würde mich das wohl auch betreffen und dann wüsste ich da gerne mehr drüber. Ich habe übrigens in keinem Satz behauptet, dass ich nicht von den immer noch nicht definierten sozialen Übeln betroffen bin. Gell?

    Und ja, es ist in diesem Blog üblich, dass man wenn man so eindeutige Behauptungen in den Raum stellt, diese auch belegen kann. Was unter anderem ein Grund für das meist (sehr) hohe Diskussionsniveau ist. Hier ist sich niemand zu fein, mal in Originalstudien reinzuschauen. Zumal Johannes ja nicht seine Meinung geschrieben hat, sondern sofort gesagt hat, es würde sich hier um wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse handeln.

    Dass ein Aufwachsen ohne Vater Langzeitauswirkungen haben kann (und das ist es, was in deinem link steht), hat hier im übrigen niemand besritten. Genauso wie übrigens Mobbing in der Grundschule oder auch das jüngste von fünf Geschwister sein langfristige Auswirkungen haben kann. Gell?

  29. Ja, Johannes, ich lese dich häufiger und genau deswegen bleibt mir dann wohl abschließend wohl nur das zu sagen, was ich dir schonmal gesagt habe: Wenn du von Anfang an deutlicher und weniger überspitzt schreiben würdest, was du wirklich meinst und sagen willst, könnte man sich öfter mal einiges an Diskussion sparen.

    Spamfilter: Ich denke mal, weil ich deine Postings zugelassen habe, hat das System dich wohl automatisch wieder auf die gute Liste gesetzt.

  30. @Anna: Das sehe ich jetzt offengestanden nicht so oder zumindest nicht so eindeutig. Ich habe auch das Gefühl, dass du mich etwas verzerrt liest.

    Gut. Solche Fragen lassen sich nie eindeutig klären und meistens haben beide ihren Teil zum Missverständnis beigetragen.

    *handreich*

  31. Was ich auch nach dem Händereichen in dieser Runde noch mal sagen will: Es geht hier auf keinen Fall darum, die Rolle des Vaters herunterzuspielen – das weiß auch jeder, der unser Forum schon länger besucht. Uns ist es im Gegenteil wichtig, dass Mutter- und Vaterrolle gleich wichtig bewertet werden.

    Was aber nicht geht: Alleinerziehenden hier Studienergebnisse ans Bein zu binden, die sie in der Verantwortung als der sozialen Kompatibilität ihrer Kinder sehen. Denn auch wenn du, Johannes, das am Anfang der Diskussion ausgeschlossen hast, ist es doch meistens so, dass der gesamte Trend hin zu mehr Scheidungen, mehr Patchworkfamilien und den damit verbundenen sozialen Folgen, der Frauenbewegung und -befreiung in die Schuhe geschoben wird. Und das geht mal gar nicht. Deswegen wäre ich immer sehr vorsichtig mit Behauptungen wir der von dir eingangs getätigten. Damit tut man nur denen einen Gefallen, die die Uhr gern zurückdrehen wollen.

  32. Ich weiß, dass hier von Euch der Rolle der Väter die Wichtigkeit eingeräumt wird, die ihr gebührt. Ich hatte mich auch etwas gewundert, dass du, Anna, einen Beleg für die Wichtigkeit der Präsenz der Väter haben wolltest. Rückblickend hätte ich vielleicht an der Stelle einhaken sollen dir Belege für etwas zuzusagen, was du nie bestritten hast. Ich erkenne meinen Anteil am Missverständnis an.

    @Susanne: Ich denke gerade darüber nach, was du geschrieben hast. Du sagst, dass die Schuld am Trend zu Scheidungen und Patchworkfamilien dem Feminismus in die Schuhe geschoben wird.

    Ich würde dem gar nicht mal so widersprechen, aber es positiv formulieren: Der Trend zu Patchworkfamilien und vielfältigeren Lebensformen ist unter anderem ein Verdienst des Feminismus. Das ist nämlich finde ich eine der Herausforderungen und ganz großen spannenden Chancen unserer Zeit: das Erfinden neuer vielfältigerer Lebensformen, die allen Menschen mit ihren individuellen Wünschen und Bedürfnissen besser gerecht werden, als die klassische Familie mit Mann auf Arbeit und Frau daheim.

    Und gerade deshalb braucht es solche Studien über die Wichtigkeit der Väter und über andere soziale Folgen von Patchworkfamilien. Die Studien sollen niemandem eine Schuld zuweisen, sondern uns unterstützen beim Finden neuer Formen des Zusammenlebens.

  33. „(…) wenn der Vater fehlt, eine Familienkonstellation, die mit Schwierigkeiten korreliert – mit frühzeitigem Schulabbruch, Arbeitslosigkeit, Kinder im Jugendalter und so fort -, muss das nicht der direkte Grund für die Schwierigkeiten sein. (37) Kinder mit einem Ersatz für den fehlenden Vater, etwa einem Stiefvater, einer im Haus lebenden Großmutter oder häufigen Kontakten zum natürlichen Vater, schneiden nicht besser ab. Auch die Zahl der Jahre, die der Vater im Hause lebte, bevor er die Familie verließ, wirkte sich nicht aus. Und Kinder, deren Väter gestorben sind, haben nicht die Schwierigkeiten der Kinder, deren Vater fortgegangen ist oder nie da war. Das Fehlen des Vaters ist möglicherweise nicht die Ursache für die Probleme der Jugendlichen, sondern ein Korrelat der wahren Ursachen, zu denen Armut gehören könnte, ein Wohnviertel mit vielen ungebundenen Männern (die praktisch in Polygynie leben und daher gewaltsam um Status rivalisieren), häufige Umzüge (welche die Kinder zwingen, in der Gruppe der Gleichaltrigen wieder ganz unten in der Hackordnung zu beginnen) und Gene, die dafür verantwortlich sind, dass Väter und Kinder impulsiver und streitsüchtiger sind.“ (Steven Pinker, Das unbeschriebene Blatt, S. 532f.)
    (37) Judith Rich Harris, Ist Erziehung sinnlos? Die Ohnmacht der Eltern, S. 444-452 mit dazugehörigen Anmerkungen auf S. 603.
    (Mehr in die Tiefe kann ich jetzt aus Müdigkeitsgründen nicht gehen, aber vielleicht interessiert sich ja jemand dafür und geht der Sache selber nach.)

  34. Hm.
    Mein Problem damit ist nach wie vor, dass mir erstens die Einbettung in andere soziale Umstände und Gegebenheiten fehlt und zum anderen der Vergleich mit Kindern aus der klassischen Mamapapkind-Konstellation.

    Das geht jetzt nicht explizit an dich Johannes, sondern das ist mein Vorwurf an die Forschung bzw an die Journalisten, die solche Forschung aufbereiten und andere Schreiber oder gar Politiker, die sowas dann aufgreifen: Es wird ein Item herausgegriffen und dann in der Kürze eines Zeitungsartikels suggeriert, dass dieses eine Item zwangsläufig ein mehr oder weniger großes Risiko für die oder die Folgen birgt. Aber es ist eben so, dass ein Kind einer Alleinerziehenden/Patchworkfamilie unter den entsprechenden sozialen Umständen sogar wesentlich bessere Chancen auf ein Leben ohne „soziale Übel“ hat, als ein Kind aus der klassischen Konstellation, das aber aus wie auch immer gearteten sozial prekären Verhältnissen kommt (als Extrembeispiel sei zur Verdeutlichung zb ein saufender und/oder prügelnder Vater genannt – der hinterlässt bestimmt mehr Schaden als eine Kindheit bei einer Alleinerziehenden, die aber fest in Leben und Beruf steht und ein funktionierendes familiäres und soziales Netz hat).

    Man kann „schwierige Biographien“ einfach niemals auf nur eine Sache herunterbrechen, so einfach funktioniert der Mensch eben nicht. Und genau das suggerieren Menschen wie Phyllis Schlafly und viele andere. Weil sie diese Studien (die ja, wie du Johannes richtig schreibst, im allgemeinen aus anderen Gründen durchgeführt werden) verkürzt und verdreht wieder geben. Um die Welt in genau die einfachen Schablonen und Muster zu pressen, die es gar nicht gibt – weil es dann so einfach wäre, den oder die Schuldigen für alles zu finden (ähnlich passiert das ja bei der Diskussion um Egoshooter, da werden auch aus zufälligen Korrelationen Zusammenhänge abgeleitet, die es nicht gibt, zumindest nicht in der zu 90% in der Öffentlichkeit dargestellten Art und Weise).

    Johannes, deine Gedanken zum „Verdienst des Feminismus“/neuen Formen des Zusammenlebens etc finde ich übrigens sehr treffend.

    Nachtrag: Al, super, vielen Dank dafür. Genau das meinte ich!

  35. Hallo,

    vielleicht kann ja ich ein bisschen was zur Diskussion beitragen. Ich hatte neulich einen aktuellen Text von Hans Bertram zur Korrektur vor mir liegen – bekanntermaßen angesehener deutscher Soziologe mit Schwerpunkt Familie – u.a. auch Berater von v.d.L. (gewesen? – weiß nicht, ob er das noch ist). Darin ging es ganz allgemein um die „Chancen“ und „Risiken“ von Kindern aus sozial schwachen Milieus. (Jetzt mal egal, ob mit beiden, oder nur mit einem Elternteil – wobei das auch ein bisschen Thema war). Generell kann man sagen: Je ärmer das Bundesland (einfach auf Deutschland bezogen), desto mehr Scheidungen. In Berlin und Bremen gibt es besonders viele – in Bayern und BaWü besonders wenige. (da könnte ich auch noch Walter Hollstein ins Spiel bringen, der sich auch mit dem thema befasst in „Geschlechterdemokratie – Männer und Frauen: Besser miteinander leben – aber das führte dann zu weit, nur als Randnotiz). Scheidungen korrelieren wahrscheinlich mit sozialer Lage. Was ja schonmal nicht unwesentlich ist. Scheidungen korrelieren auch – das ist Hollsteins Vermutung, mit dem Grad der Geschlechterdemokratie in einer Beziehung: Je weniger, desto mehr.
    Weiter zu Bertram: Das Problem dieser „Risiko-Kinder“ (wieder: Egal (!), ob aus alleinerziehendem Haushalt oder mit zwei Elternteilen) ist, dass sie im Grunde NIE eine zweite Chance bekommen. Daher das „soziale Übel“. Gefördert wird in Deutschland dasjenige Kind, dass einen super Start hatte, kontinuierlich gute Leistungen bringt und an jeder Schwelle des Bildungssystems mit Bravour besteht. Wer davon abweicht haben schnell den Anschluss verloren. Es geht also bei sozialen Chancen in erster Linie (heute) um Bildungschancen – und bei sozialen Risiken um Bildungsrisiken.
    Weiter im Gedanken: In Deutschland fließt das meiste Geld in Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen bekommen je Schüler much much weniger Kohle! In den USA wurde ein Programm gestartet, das umzudrehen: Das Geld wird nun in jene investiert, die „unten“ im Bildungsystem „hängen“. Ähnliches finden wir in Skandinavien (Schweden, Finnland – und ich glaube auch Norwegen). Dieses gezielte Programm in den USA hat es geschafft, das „soziale Übel“ zu verhindern. Die Kinder hatten bei mehreren Übergangsstufen im Bildungssystem systematisch mit mehr Geld zweite Chancen eröffnet bekommen und: SIE HABEN SIE GENUTZT.
    Was folgert Bertram aus all dem: Insgesamt sagt er, dass in Deutschland das Hauptproblem ist, dass wir nicht die Kinder direkt fördern, sondern per Kindergeld und Ehegattensplitting Geld in Zweierbeziehungen und in Elternschaft alleine schütten – ohne damit den Kindern direkte Möglichkeiten zu bieten. Bertram insistiert in diesem Aufsatz darauf, dass diese Menthalität es ist, die soziale Risiken – also „soziale Übel“ – (re)produzieren – viel mehr, als anderswo in der Welt. Es macht angesichts dieser Forschungen viel mehr Sinn, nach der Reproduktion von sozialen Risiken für Kinder und spätere Jugendliche/Erwachsene zu schauen und woher diese kommt. Dahinter steckt eben ein ganz bestimmtes (familien-/sozial-/und bildungspolitisches) Paradigma. Was eben tatsächlich korreliert ist die wirtschaftliche Gesamtlage eines Bundeslandes und die Scheidungsraten. So rum wird ein Schuh draus: Denn nicht die Scheidungen oder die Alleinerziehenden produzieren automatisch „soziale Übel“ – vielmehr produzieren soziale Probleme viele Scheidungen.
    Es bleibt also immer noch Annas sehr richtige Frage nach Ursache und Wirkungs-kette in dieser Frage und nach dem aktuellen Stand kann die Ursache „Alleinerziehend“ mit der Wirkung „Soziales Übel“ nicht so einfach behauptet und begründet werden. Es müsste also, um in dieser Debatte endlich auf den Punkt zu kommen, geschaut werden, wie es eigentlich Kindern von Alleinerziehenden ergeht, die NICHT ohnehin schon aus prekären oder sozial schwächeren Verhältnissen kommen.
    Zu Guterletzt: Nicht vergessen werden darf das erhöhte Armutsrisiko von Alleinerziehenden in Deutschland. Das ist im Grunde der wahre Skandal! Das hat aber nichts mit „Mutter- oder Vaterlosigkeit“, sondern ebenso mit Chancen, Risiken und was fördern wir in diesem Land eigentlich sozial-/bildungs-/und familienpolitisch ??? zu tun. Die Chancen von Alleinerziehenden auf ein gleichwertiges Erwerbsleben (gemessen an Zwei-Eltern-Familien) sind das Problem; die Betreuungssituation; die Bildungsmöglichkeiten; und erneut die Frage nach dem: Was subventioniert eigentlich die deutsche Politik (Antwort: Die Alleinverdiener-Ehe) und was rechtfertigt das eigentlich noch?

    (den Aufsatz von Bertram wird es wahrscheinlich im November in einem von Herfried Münkler herausgegebenen Buch über „Risiken“ zu lesen geben – ich kann ich nur empfehlen, sich vielleicht mal auszuleihen – es gibt ja jetzt in diesem THread schon mehrere Gründe, mal wieder in die Bibliothek zu schauen ;)).

    Sorry, das war lang. Aber vielleicht nicht uninteressant, wenn es darum geht, zu fragen, welche Dimensionen wir bei der einfachen Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage eigentlich alle beachten müssen, wenn wir uns nicht in einer Storchen-Kinder-Hypothese verfangen wollen.

  36. Anna, der Vollständigkeit halber möchte ich meinem o.g. Zitat noch hinzufügen, dass das alles vor dem Hintergrund von „unter ansonsten gleichen Bedingungen“ gilt – dieser Hinweis stand im Abschnitt, der meinem Zitat vorausging, bezieht sich aber auch auf die Mit- oder Ohne-Vater-Untersuchungen.

    Aber das konntest Du Dir wahrscheinlich sowieso denken, wie Deine richtige Warnung vor schiefen Vergleichen unterschiedlicher Kindheitsmilieus im letzten Posting zeigt.

    Johannes, wenn sich allerdings, wie gezeigt, die Abwesenheit des Vaters bei weitem nicht so (wenn überhaupt) gravierend auswirkt wie manche orakeln, dann gilt das logischerweise ja auch für die Anwesenheit des Vaters. Auch wenn ich in anderer Hinsicht (z.B. Ethik, Recht) Deine Position unterschreiben würde, was die „Wichtigkeit des Vaters“ betrifft – allein wenn es um die Auswirkungen der väterlichen Anwesenheit auf die kindliche Entwicklung geht, stützen Untersuchungen diese Wichtigkeit eher nicht.

    Was man jetzt zum Anlass nehmen könnte, aus der evtl. doch nicht so großen Bedeutung der väterlichen Präsenz auf eine evtl. doch große Bedeutung der mütterlichen Präsenz zu schließen – auch für diese Fraktion gibt es Ernüchterndes (ich – als Mutter! – würde ja eher sagen: Erleichterndes) zu berichten; ebenso für alle weiteren Fraktionen, die gerne mal ihre jeweilige Heim-und-Herd-Struktur als die einzig wahre für das Wohl des Kindes anpreisen (jetzt kommt der Abschnitt, der meinem obigen Zitat vorausging):

    „Seit Jahrzehnten zeigen die Untersuchungen, dass Kinder sich unter ansonsten gleichen Bedingungen weitgehend gleich entwickeln, egal, ob ihre Mütter arbeiten oder zu Hause bleiben, ob die Kinder in Tagesstätten kommen oder nicht, ob sie Geschwister haben oder Einzelkinder sind, ob ihre Eltern eine konventionelle oder offene Ehe führen, ob sie in einer stinkbürgerlichen Familie oder einer Hippiekommune aufwachsen, ob sie Wunschkinder waren, Unfälle oder Retortenbabys und ob sie zwei Eltern von gleichem oder von verschiedenem Geschlecht haben.“ (36)
    (Steven Pinker, Das unbeschriebene Blatt, S. 532)
    (36) Judith Rich Harris, Ist Erziehung sinnlos? Die Ohnmacht der Eltern, Kap. 2-3 mit dazugehörigen Anmerkungen auf S. 574ff.

  37. was ich aber nochmal hinzustellen möchte: Das Problem ist imho nicht, dass Kinder Vaterlos aufwachsen. Sondern das Problem ist oft, dass die gesamte Gesellschaft (vor allem) Mütter mit ihren Kindern allein lässt. Ich als Mutter kann es mir nicht vorstellen, wie es sein soll, völlig alleine damit gelassen zu sein, ein Kind oder mehrere großzuziehen. Das muss für Mutter und Kind fürchterlich sein. „Um ein Kind großzuziehen braucht es ein ganzes Dorf“ heißt ein afrikanisches Sprichwort und ich wünschte, dass wir von dieser Menthalität hier mehr hätten. Statt dessen gibt es eine große Überfrachtung des Themas „Mutterschaft und Mutterliebe“ mit gesellschaftlichen Erwartungen und Normen. Erwartungen und Normen, die so an Väter immer noch nicht gerichtet werden – geschweige denn, zu denen sich noch „fernere“ Menschen verpflichtet fühlen. Das, ist ein weiteres gesellschaftliches Problem neben den von mir oben geschilderten: Dass wir (vor allem) alleinerziehende Mütter auch allein erziehen lassen und meinen, dazu sei sie ja perfekt gemacht, qua Mutterschaft und Geschlecht. Deswegen habe ich damals einen Artikel geschrieben über „Mama WGs“, weil das immerhin ein erster Schritt ist, wie sich betroffene selbst gegenseitig helfen können – wenn sich schon niemand zuständig fühlt, es keine Betreuungsmöglichkeiten gibt und der Staat lieber Alleinversorgerehen subventioniert…

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑