Ein (online nicht mehr verfügbares) Bild von PostSecret demonstriert die Konsequenzen von Privilegien:
I hate having to pay attention to the type of wrapping paper I buy now that I have Jewish friends – Ich hasse es, dass ich beim Einkauf auf die Art des Geschenkpapiers achten muss, seit ich jüdische Freunde habe.
Wie Lisa von Sociological Images erläutert, bedeutet priviligiert zu sein, einfach in die Gesellschaft zu „passen“ und allein über das eigene Sein zu profitieren. Die Aufgabe seines Privilegs, geht damit einher, etwas aufzugeben, ob groß oder klein.
Normalerweise kaufen wir einfach eine Rolle weihnachtliches Geschenkpapier und wickeln alle Weihnachtsgeschenke darin ein. Doch Tannenbäume und Weihnachtsmänner sind nicht die passende Verpackung für Chanukkageschenke. Statt die jahrelange Routine weiterzuleben, muss an andere gedacht werden, eine zweite Rolle gekauft werden. Vielleicht stört es die jüdischen Freunde auch nicht, Weihnachtspapier um die Geschenke zu haben. Das erfährt man aber auch erst, wenn man sie fragt.
Kleine Dinge, die scheinbar trotzdem zuviel sein können. Klar, am Ende hat man eine jüdische Freundin, die keine Weihnachtsbäume mag, einen Freund, den es nicht stört, wie die muslimische Freundin, der Atheist feiert Weihnachten gar nicht und mit dem anderen Moslem kommt man überein, dass er ein Weihnachtsgeschenk bekommt und man selbst am Fastenbrechen teilnimmt. Kompliziert und anstrengend.
Doch jede und jeder der Freunde, fühlt Weihnachten sehr deutlich, nicht zu „passen“. Denn die meisten Deutschen gehen davon aus, dass jede_r Weihnachten feiert und müssen erst aufgeklärt werden, dass dem nicht so ist. Interessierte Mitbürger fragen noch nach den eigenen Einstellungen, manche sehen einen schon als Sprecher für seine (Nicht-)Konfession: „Was macht ihr Atheisten an Weihnachten denn so?“ Ignorante Zeitgenossen machen einfach das, von dem sie meinen, es sei angebracht und beschenken einen ungefragt mit oder eben gar nicht.
Weitere Privilegien sind z.B. Heterosexualitität, (cis-)Männlichkeit oder helle Haut.
Die Gedanken zum Passen und nicht Passen finde ich gut. Aber die Gleichung Passen=privilegiert finde ich zu einfach und auch kontraproduktiv. Kommt doch gerade darauf an wohin/wohinein man zu passen scheint.
Ich weiß nicht, man kann auch in einer kleinen Szene privilegiert sein, weil man darin „mainstream“ ist. Habe bislang nicht festgestellt, dass in solchen Szenen viel anders gedacht wird.
Was Weihnachten angeht, stimme ich voll zu. Meine Mutter regt sich immer über die Filme auf, die da an Weihnachten laufen (Action und so), und selbst mein Kommentar, es feiere halt nicht jeder, hilft da nichts: Trotzdem, es ist Weihnachten. Dass es anscheinend zu ihrem traditionellen Fest gehört, die Kiste anzuhaben, ist aber kein Problem.
Oder in einem Forum, in dem jemand am 24. tatsächlich „Fröhliche Weihnachten“ postete, nur um zu hören zu kriegen: „Mir tun alle leid, die sich am heiligen Abend mit ihren Online-Aktivitäten beschäftigen können…“ Ein Hinweis darauf führte zur sarkastischen Antwort, man müsse jetzt ein Minarett abreißen, und dass ich ein Idiot sei.
Wie schön das mit den Privilegien ist, sieht man auch an Avatar, wo ja mit dem Kopf geschüttelt wird, wenn man irgendwie altgebackene Wilden-Stereotypen darin ausmacht, die vom weißen Mann gerettet werden.
Es geht eben nicht um kleine Szenen und Freundeskreise, sondern um die gesamte Gesellschaft. Unter Lesben denkt man bei „Lisa ist nicht mehr Single“ an Petra statt Peter, in den weiteren 95% des öffentlichen und privaten Lebens aber erst, nachdem Lisa klargemacht hat, dass sie nicht den „Standardeinstellungen“ entspricht.
Eine dazu passende Geschichte: In der Uni fragte eine Kommilitonin eine chinesische Austauschstudentin, wie sie denn Weihnachten zu Hause feiere und völlig überrascht war als sie erfuhr, dass das Fest in China nicht gefeiert wird…
Helga: aber unter den Lesben denkt man eventuell trotzdem nicht, das Lisa nicht schmusen möchte, sondern es etwas härter will.
Meiner Erfahrung nach gibt es eben auch SMler, die per se die Frau als unterwürfig sehen, Rollenspieler, die nur die größten Rollenspiele gelten lassen, usw. Das war alles, was ich sagen wollte, und weshalb passen und privilegiert halt doch korrespondieren.
Dass das natürlich gesamtgesellschaftlich eine andere Kategorie darstellt, sei unbenommen… und wahrscheinlich ist die enge Definition von Privilegien auch nur im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu sehen – aber was heißt das genau in einer Zeit des Internets? Ist die Gesellschaft dann immer noch Deutschland, oder die vernetzte Welt und wir müssen uns mit us-amerikanischen Privilegien beschäftigen? Oder reicht es, in seinem kleinen katholisch-konservativen Dorf (oder der linksradikalen Kommune) privilegiert zu sein?
Helga,
nette Anekdote, die doch den konzeptionellen Hohlraum der begrifflichen Verwendung von „Privilege“ und „Oppression“ in der Intersektionalismustheorie deutlich aufzeigt.
Ist es denn nicht auch so, daß die Ausgestaltung von Festtagsgrüßen im Sinne von Minderheiten, die sich durch „Frohe Weihnachten“ in ihrer negativen Religionsfreiheit angegriffen fühlen, ein Privileg gegenüber der Mehrheit darstellt, bei der das nicht so ist? Schließlich wird hier die *Mehrheit* dazu ermuntert, sich zugunsten der Minderheit in ihrer Ausdrucksweise anzupassen.
„Weitere Privilegien sind z.B. Heterosexualitität, (cis-)Männlichkeit oder helle Haut.“
Es ist auf jeden Fall ein ziemliches Privileg für nicht wenige Feministinnen, es geschafft zu haben, ein gedankliches System etabliert zu haben, das es ermöglicht, die Ursache von allem und jedem immer in den angenommenen Privilegien *anderer* zu sehen. Und übrigens, der letzte Satz impliziert im Zusammenhang mit dem ersten Absatz auch, daß Frauen „einfach nicht in die Gesellschaft passen“… nur so am Rande.
Frohes Neujahr (falls Du denn morgen Neujahr feierst, ansonsten viel Erfolg beim Boykott der Festlichkeiten) ;)
Privilegien, bzw. Nicht-Privilegien schließen sich nicht aus. Im Gegenteil, jeder Mensch hat seine ganz eigenen Privilegien. Das wird dann gern veralbert, dass man schwarze, behinderte Lesben extra extra extra fördern müssen, dahinter steckt aber ein wahrer Kern. In unserem Beispiel wären Lisas Freundinnen priviligiert, die erstmal ihre Vorliebe für normalen Sex als allgemeingültig sehen und denen Lisa dann erklären muss, dass sie auch andere Vorlieben hat.
Rollenspieler, die nur bekannte Spiele gelten lassen, sind etwas anderes. Das ist jemand mit einer Meinung. Beim Privileg geht es darum, dass jemand Vorteile hat, weil er ist, sich nicht erklären muss.
Ob sich in Zeiten von Globalisierung und Internet Privilegien ändern, ist eine gute Frage. Aber bisher und sicher auch noch eine ganze Weile gilt: wer weiß, männlich, heterosexuell und christlich ist, ist immer priviligiert, ob im katholischen Dorf oder der linksradikalen Kommune.
jj, es steht Dir selbstverständlich weiterhin frei, bei der Ausgestaltung Deiner Festtagsgrüße nicht nur aus Unwissen, sondern mit vollem Bewusstsein unhöflich zu sein.
[…] daß Frauen “einfach nicht in die [männlich dominierte] Gesellschaft passen” […] – Deswegen muss man die Gesellschaft ja auch ändern.
jj, die Argumentation ist verfehlt: der Einschluss von Minderheiten oder die Rücksicht auf diese ist kein Privileg der Minderheit, sondern Folge der universellen Menschenrechte. Es ist ein Recht, kein Vorrecht, weil die Mehrheit diese Rücksicht ja bereits genießt. Es ist m.E. auch nicht so, dass man nicht Frohe Weihnachten wünschen soll, weil sich da jemand in seiner negativen Religionsfreiheit gestört fühlt – im Zusammenleben müssen alle mal ein Auge zudrücken. Eher um das Bewusstsein, dass es da auch noch andere gibt, und dass man wie im obigen Beispiel vielleicht nicht unbedingt Weihnachtsbäume aufs Chanukka-Geschenk pappt, ohne zu wissen, dass man das tut.
Was übrigens mir passieren würde, ich habe immer genau ein Geschenkpapier im Haus, bis das alle ist, ob nun Geburtstag, Ostern, Weihnachten, Hochzeit, bestandenes Studium oder sonstwas.
Dann hast du Intersektionalitäten-Theorien nicht verstanden.
Magda,
„Dann hast du Intersektionalitäten-Theorien nicht verstanden.“
Dummerweise ist meine Aussage so wie jene Theorie nicht falsifizierbar ;)
flawed,
etwas aus Höflichkeit zu tun ist das eine. Hier geht es aber um eine quasi moralische Bewertung und Bewertung von Perspektiven und Kommunikationsverhalten. „Privilege“ ist im feministischen Diskurs (in den USA, aber das scheint ja durch den verstärkten Konsum von US Blogs auch hier her zu schwappen) im wesentlichen ein Framing-Device zum Entwerten bestimmter Positionen, es ist letztlich eine inhaltsleere Aussage über die Frage wie weit und auf welchen Achsen von einem arbiträr definierten Normalwert (weiß, männlich, reich) eine bestimmte Person entfernt ist. Je weiter weg, desto weniger „Privilege“ hat eine Person, desto angenommen glaubwürdiger ist deren vorgetragene Position in der Unterdrückungsolympiade. Die Hierarchie ist immer noch: RACE>GENDER>CLASS. Blubber. Lest Euch doch mal den Eintrag in der Standford Encyclopedia of Philosophy zum Thema Feminist Epistemlogy und Situatives Wissen durch – von einer Feministin geschrieben. Oder Judith Butler.
Intersektionalitäten-Theorien: Da werde ich irgendwie den Eindruck nicht los, dass man mitunter bereits dazu übergegangen ist, mit äusserst spektakulär klingenden Begriffen und Konstruktionen zu operieren, um eigentlich ganz banale Sachverhalte abzudecken. Denn am Ende kommt dabei nichts- oder praktisch nichts anders heraus, wie immer: Das allgemeine Unterdrückungsmantra. Des Kaisers neue Kleider oder alter Wein in neuen Schläuchen würde ich dem sagen.
Mann kann Mehrheitsverhältnisse natürlich auch mit unlauteren Methoden zu kippen versuchen. Dass Mehrheitsverhältnisse in pluralistischen und demokratischen Strukturen, wie sie in den westlichen zweifellos Gesellschaften gegeben sind, auch ganz natürlich zustande gekommen sein könnten, und das Verhältnis von Minderheiten zu Mehrheiten (und umgekehrt) nicht (alleine) auf Unterdrückung basiert, sondern auf einer Basis, die sich aus den gegebenen Bevölkerungsanteilen ergeben, kommt gewissen Elementen in unserer Kultur gar nicht erst in den Sinn.
In das gleiche Gebiet gehen für mich Quoten- oder die sog. Affirmative Action in den USA: Diskriminierung ist solange schlecht, als dass dabei die falschen diskriminiert werden. Sobald die „Richtigen“ (d. h. die Angehörigen der Mehrheit) diskriminiert werden, ist sie plötzlich zulässig. Sehr schön wird dieser Zusammenhang in Samuel P. Huntingtons Buch Who Are We – Die Krise der amerikanischen Identität im Kapitel Der Angriff auf das Credo beschrieben: Das Prinzip der „positiven Diskriminierung“ ist für mich der Salto Mortale des Gleichheitsprinzips.
Dass Mehrheitsverhältnisse in pluralistischen und demokratischen Strukturen, wie sie in den westlichen Gesellschaften zweifellos gegeben sind, (…)
wollte ich natürlich schreiben. Auch der Mann am Anfang des zweiten Abschnittes ist eigentlich ein man.
Ich wünsche allen hier von ganzem Hertzen ein frohes, neues Jahr und bedanke mich für all die neuen und zum Teil ausgesprochen interessanten Inputs, die mir das Team der Mädchenmannschaft mittlerweile seit geraumer Zeit bietet! Vielen Dank für Eure Arbeit- so etwas ist keine Selbstverständlichkeit!
jj, Marcel
Mit Verlaub, aber „weiß, männlich, reich“ ist mit Sicherheit kein arbiträr definierter Normalwert. Da steckt schon Methode dahinter. Und „weiß, männlich, reich“ ist auch nicht die Mehrheit, die ungerechterweise mittels Quoten oder Affirmative Action unterdrückt wird, denn sie stellen schon lange keine Mehrheit mehr. Interessanterweise scheint jene weiße, männliche Minderheit denoch immer noch am meisten vom System zu profitieren – trotz Quoten. Und das hat System.
Ich meinte mit Mehrheit eigentlich auch nicht weisse Männer. Da war der falsche Begriff gewählt.
Und dass wir Männer immer noch am meisten von diesem System profitieren, musst Du mir als abhängig beschäftigtem Familienvater erst mal beweisen, liebe Magda.
Solltest Du der Meinung sein, dass wir Männer einfach nicht zugunsten unserer Familien kürzer treten wollten, dann verweise ich Dich auf Katrins kürzlich erschienen Artikel Emanzipation muss man sich leisten können. Wir können natürlich auch gerne über die jeweiligen Bildungsabschlüsse der Geschlechter, die Berufswahl und die daraus logischerweise resultierenden Einkommensunterschiede (und zuletzt die Einkommensanteile an das gemeinsame Haushaltseinkommen) zu sprechen kommen, wenn Du möchtest.
Ich hoffe nicht, dass Du im ernst glaubst, dass die „moderne“ fragmentarisierte Arbeitswelt mit all ihren ökonomischen Sachzwängen und ihrer ganzen Rücksichtslosigkeit ein Privileg für die- Deiner Aussage nach zu schliessen- weissen Männer darstellt. Das ist sie schon lange nicht mehr- wenn sie es denn je gewesen sein sollte.
Da stellt die reine Hausfrau und Mutter oder die Teilzeit erwerbstätige Mutter ein meiner Ansicht nach viel grösseres Privileg dar. Und Teilzeit zu arbeiten ist nicht etwa ein Zwang, wie vielerorts behauptet wird, sondern vielmehr ein Privileg. Und sonst können wir uns ja einmal über Fertilitätsraten, Berufstätigkeit und Teilzeitarbeit bei Frauen in gemeinsamen Haushalten mit und ohne Kinder unterhalten.
Nein, ich halte von diesem Unterdrückungsmantra nicht mehr viel. Das wird meiner Ansicht nach von ganz bestimmten Kreisen nur noch aus finanziellen Gründen hochgehalten (Stichwort Fördergelder). Das klingt jetzt böse, aber so viel Verbrämtheit bei nicht selten akademisch gebildeten Menschen lässt sich anders nicht mehr erklären.
Vielmehr sollten wir uns- analog zu Katrins in ihrem Artikel gemachten, äusserst zutreffenden Aussagen- endlich einmal Gedanken darüber machen, warum das Kinderkriegen und die Familie (und die damit verbundene Auszeit) bei den Frauen ein allseits akzeptierter Bestandteil der Erwerbsbiografie ist, und bei Männern nicht.
Richtig gleichberechtigt sind die Geschlechter nämlich erst dann, wenn beiden dieselben Lebensoptionen offen stehen.
Und davon sind wir nochmeilenweit entfernt.
ich hoffe für das das nun angebrochene Jahrzehnt, dass wir es endlich schaffen, uns von diesem synthetischen Unterdrückungsmantra zu lösen.
Hmm, ich bin bei dem Thema sehr zwiegespalten.
Rücksicht nehmen sollte selbstverständlich sein, aber andereseits möchte ich mich auch nicht verstellen müssen. (wobei das mit dem Weihnachtspapier für ein Chanukkah-Geschenk einfach unpassend und unsäglich blöde ist von dem Typen. Er würde ja auch kein Geburtstagsgeschenk im Weihnachtspapier haben wollen, denke ich mal..)
Wenn nun bei Firmen anstatt „Frohe Weihnachten“ „Seasons Greetings“-Karten vershickt werden, weil sich manche dadurch diskriminiert fühlen ( die aber selbstverständlich das Weihnachtsgeld gerne annehmen) finde ich das nicht gut.
Eine chinesische Freundin findet die ganzen traditionellen Feiertage in Deutschland toll. Für sie ist es einfach was total interessantes und exotisches und die Besonderheiten der hiesigen KUltur hat sie dazu veranlasst überhaupt hier zu studieren.
Also Rücksichtnahme auf jeden FAll. Gleichmacherei um es allen recht zu machen: Nein!
Marcel,
bitte lese meine Kommentare aufmerksamer, ansonsten kannst du natürliche gerne noch eine Weile „Oppression Olympics“ spielen. Ich habe davon gesprochen, dass die (westlich, liberalen) Systeme dieser Welt auf eine bestimmte Gruppe, nämlich „weiß, männlich, wohlhabend“ ausgelegt sind. Natürlich gibt es auch Männer, die von einer kapitalistischen Ökonomie nicht profitieren. Und natürlich gibt es Frauen, die im hohen Maße davon profitieren. Wenn es einfacher wäre, wären viele Probleme ja auch schon gelöst. Und Intersektionalitäten Theorien beschäftigen sich gerade mit dieser Komplexität. Aber Aussagen wie
sprechen nur dafür, dass Auswirkungen von früherer Geschichte und Kultur, aus der bestimmte politische Entscheidungen hervorgegangen sind, in deiner Argumentation kaum vorkommen. Völlig ohne Zweifel haben jene Männer auch am Anfang des modernen Kapitalismus am meisten profitiert. Und völlig ohne Zweifel profitieren sie auf Grund von immer noch existierenden OBN’s und auf Grund des Stereotyps des „breadwinners“ (der zweifelsohne nicht immer nur von Vorteil ist!) in der Arbeitswelt immer noch am meisten. Ich stimme dir absolut zu: (Erwerbs-)arbeiten im Kapitalismus ist scheiße für viele, aber all diejenigen, die Arbeit haben und vielleicht sogar noch eine gute, relativ gut bezahlte Arbeitsstelle können sich zumindest ein kleines Stück Freiheit kaufen. Und das sind zu größeren Zahlen Männer. Und noch einmal: Wir haben in diesem Blog schon oft genug gezeigt, dass die Dichotomie „unterdrückte Frau“ und „unterdrückender Mann“ oftmals gar nicht stimmt. Deshalb muss man differenzieren, und dazu braucht man Theorien. Diese einfach so wegzuwischen, würde bedeuten, dass man einfach nicht sehen will, dass einige viel, andere noch mehr, manche wenig und wieder andere fast gar nicht von einer kapitalistischen, patriarchalen und rassistischen Gesellschaft profitieren (können). Und diese Achsen laufen nun einmal teilweise auch an der Kategorie Geschlecht entlang – aber natürlich nicht nur an dieser.
Und absolut korrekt:
Aber sollte nicht nur gelten, wenn man von Familienarbeit spricht.
Dass sich jemand so einen Stress wegen Geschenkpapier macht, zeigt doch nur, dass es ein reines Konsumfest geworden ist. Wenn du einem Juden von Herzen etwas zu Weihnachten schenken willst, dann tu’s und dann ist es doch völlig egal in was es eingewickelt ist. Das Geschenk ist doch zu Weihnachten, nicht zu Hanukkah (wo übrigens keine Geschenke gemacht werden, Konsum-Amerika mal ausgenommen, die sind da völlig ausgeflippt), und sich über solchen Müll Gedanken zu machen ist doch das letzte, was man tun sollte. Wenn dir jemand zu seinem Fest etwas schenkt, dann solltest du dich freuen. Und wenn du jemandem zu seinem Fest etwas schenken willst, dann tust du es hoffentlich von Herzen und nicht auf Druck von außen. Und wenn du dann deinen Freunden auch zu deinem Fest Geschenke machst, um so besser.
Mütter mit Kinderwagen die Platz wegnehmen, deren stillender Anblick andere belästigt, die Tatsache, dass die Arbeitswelt bis heute den männliche Arbeitnehmer bevorzugt, dass viele Leute die Anrede „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger“ zu lang finden, das generische Maskulinum an sich, dass sich wirklich Leute die Frage stellen, ob Männer mit abstimmen dürfen bei der Bloggermädchenabstimmung, dass von Salon bis zur DailyMail Zeitungen und Webseiten extra Frauen-Seiten einrichten, während alles andere als für Männer interessant angenommen wird, dass bei einer „Talkrunde mit Politikern“ erstmal jede_r an eine Runde alter weißer Männer denkt… An fast jeder Ecke ist die Grundannahme, die Standardeinstellung, der „Default“ weißer Mann.
Das zu erkennen, zu merken, dass man gegenüber anderen Vorteile hat, die nicht auf der eigenen Leistung basieren sondern allein auf dem Sein, ist natürlich eine schmerzhafte Erkenntnis.
Helga,
I’ve learnt to live with the pain. Und, sorry, Meritokratie ist halt ein Problem, weil sie entweder implizit („die gesellschaftlichen Strukturen“) oder explizit („affirmative action“) verzerrt ist und Leistung schlicht und ergreifend nicht meßbar ist.
Insofern, aufgrund des *SEINS* selbst beurteilt zu werden hat *auch* nicht wenige Vorteile. Nachteile auch, aber deren Kenntnis setze ich jetzt mal voraus… The grass is always greener on the other side.
http://hugoschwyzer.net/2009/05/04/of-never-feeling-hot-the-missing-narrative-of-desire-in-the-lives-of-straight-men/
Ein anderes Beispiel – männliche Sexualität, deren Wert immer noch als weniger wertvoll wahrgenommen wird als weibliche. Auch das bringt eigene Probleme für die andere Seite mit, aber – es nicht so einfach. Und „der weiße Mann“ ist schon lange nicht mehr „default“, wenn er das denn so wie de Beauvoir und ihren Anhergerinnen in der zweiten Welle, die ja eigentlich nur an den Rändern bricht, behauptet jemals war.
Aber zu erkennen, zu merken, daß die Dinge nicht so einfach sind, wie sie in Feminism101 aus einer spezifischen, begrenzt reflektierten Sichtweise und mit spezifischem Bezug auf die Lebensrealität von vor 50 Jahren dargestellt werden, das ist natürlich eine schmerzhafte Erkenntnis.