„Hallo YouTube, hier ist Angie Anti-Theist. Ich habe vor einer Woche herausgefunden, dass ich schwanger bin. Aufgrund von gesundheitlichen Risiken entschied ich mich für eine Abtreibung – die ich gerade jetzt vornehmen lasse.“
So fängt ein vor vier Tagen auf YouTube veröffentlichtes Video von Angie Jackson (aka Angie Anti-Theist) an, Mutter eines 4-jährigen Sohnes, die sich für eine Abtreibung entschied und diese Entscheidung nun öffentlich machte – auf Twitter, ihrem eigenen Blog und YouTube.
Nachdem Jackson eine Woche zuvor herausfand, dass sie in der vierten Woche schwanger war – trotz Anwendung einer Spirale (welche wohl nach einer starken Monatsblutung unbemerkt rausgerutscht sein soll) – ging sie mit ihrem Partner zu Planned Parenthood (die amerikanische Version von Pro Familia), um sich die Abtreibungspille RU-486 verschreiben zu lassen.
In einem Interview sprach sie über ihre christliche Erziehung, die laut Jackson häufig nur zur Folge hat, Frauen zu verängstigen. Dabei sei eine Abtreibung „nicht so schlimm wie Wehen oder eine Geburt“. Der wahre Grund für ihren Gang in die Öffentlichkeit: Die Entmystifizierung von Abtreibung.
Ich bin etwas ratlos: Ist das gelungene (im wahrsten Sinne des Wortes) Öffentlichkeitsarbeit, um Abtreibung zu enttabuisieren oder einfach nur Aufmerksamkeitsgeheische? Denn letzteres könnte auch den umgekehrten Effekt haben: Einige reagieren vielleicht abweisend auf so viel offen zur Schau gestellte Privatheit und verschließen sich somit vollständig den Nöten von ungewollt Schwangeren.
Ich denke, dass das eigentlich eine gute Idee ist. Wie in vielen anderen Bereichen auch, die von der Gesellschaft eher mit schiefem Blick betrachtet werden, hilft es, sich zu „outen“. Muss man das „live“ machen? Na ja, vielleicht muss man nicht live von jeder Abtreibung berichten, aber Angie macht das ja mit Pillen, nicht in der Klinik, das ist ja ein Unterschied.
Und so kann man eben in einer Diskussion nicht mehr einfach alle Abtreiberinnen als unmoralisch verteufeln, wenn dann jemand sagt: „Moment, ich kenne da eine, die hat das hinter sich, und die ist gar nicht so schlimm.“
Analog zu: Mein Assistent ist schwul / meine Mutter lebt in einer offenen SM-Beziehung / mein Bruder ist bei der CDU und andere vermeintlich unmoralische Dinge, die man sonst totschweigt.
Auf jeden Fall sehr mutig. Gerade in den USA.
Ich sehe das genauso wie Patrick.
Also ich finde das gut. Sie macht auf mich nicht den Eindruck, als ginge es ihr um Aufmerksamkeit an sich, sondern wirklich um die Sache.
Für viele Frauen ist das ein ziemlich doofes Thema und es wird ungern darüber gesprochen, ich kenne zwei Frauen, die eine Abtreibung hinter sich haben und beide sind zwar mit sich und der Entscheidung im Reinen aber beide haben es mir mit dem Versprechen der Verschwiegenheit erzählt. Fand ich irgendwie irritierend, weil ich da, ohne es selbst erlebt zu haben, ähnlich wie Angie denke.
Offen zur Schau gestellte Privatheit sind für mich die auf Youtube dokumentierten Kaiserschnitte oder Spontangeburten.
Ich finde es eine sehr mutige und sehr sehr gute Entscheidung. Das Thema Abtreibung zu enttabuisieren ist denke ich ein sehr wichtiges feministisches Ziel. In unserer Gesellschaft traut sich ja kaum eine Frau öffentlich zu sagen, dass sie einen Abbruch vornehmen hat lassen.
Angie kann da sicher Mut stiften und manchmal muss man provozieren um die Gesellschaft aufzurütteln.
In Deutschland hat sich doch diese Form von öffentlich machen auch bewehrt, Stern-Kampagne usw.. Also warum nicht.
Ich sehe das kritisch. Öffentlichmachung, ja, ok. Aber wäre es nicht besser, den Entscheidungsprozess von Frau UND Mann öffentlich zu machen? So ist Abtreibung wieder Frauensache.
Genau Abtreibung IST Frauensache, denn sie ist schwanger. Es ist gut wenn die Frau mit ihrem Partner darüber sprechen kann/will. Aber der Entscheidungsprozess liegt einfach bei der Frau. Die einzige Entscheidung die der Mann treffen kann, ist ob er das Kind will, was dann eventuell Einfluss auf die Entscheidung der Frau hat, aber die Entscheidung das Kind zu bekommen oder auch nicht, ist nicht seine.
@quwert: Und genau das ist das größte Problem der Abtreibung: Es handelt sich eben um ein Kind von Mann UND Frau und nicht nur um das Kind der Frau.
Aus diesem und noch weiteren Gründen bin ich allgemein gegen Abtreibung (abgesehen von einigen Ausnahmen!)! Ich weiß, dass ich damit hier nicht den allgemeinen Konsens treffen, aber ich lese diesen Blog sehr gerne, da ich auch bei den meisten Themen übereinstimme, aber hier kann ich einfach nicht dafür sein!
Mandy, mal abseits deiner anderen Gründe:
Das hieße aber, wenn Frau und Mann sich gemeinsam dafür entscheiden, dann wäre das für dich okay?
Okay in Anführungsstrichen. In diesem Fall schon eher, da die Abtreibung hier ja anscheinend nicht auf einem lockeren Umgang mit Verhütungsmitteln (wie häufig) beruht.
Allgemein finde ich, dass die Entscheidung gegen ein Kind vor dem Sex getroffen werden muss und man sich dann um entsprechende Verhütung kümmert… wer dies aus Leichtsinn nicht macht, sollte mit den Konsequenzen und der Verantwortung leben!
Ob mensch nun persönlich eine Abtreibung gut oder schlecht findet ist für mich nicht die entscheidende Frage. Es geht doch um die Autonomie einer jeden Frau über ihren Körper. Und es ist nun mal leider so, dass nur Frauen schwanger sein können und die gesundheitlichen und manchmal auch psychologischen Schwierigkeiten/Risiken einer Schwangerschaft und Geburt tragen müssen.
Und jede sollte das Recht haben alleine zu entscheiden, was mit ihrem Körper geschieht
Eine einzelne Frau kann natürlich sagen, dass sie ihrem Partner ein Mitspracherecht einräumen möchte. Aber daraus kann sie ja nicht ableiten, dass alle Frauen das so handhaben sollten.
Viele abtreibende Frauen wären schätzungsweise froh, wenn sie überhaupt einen Partner hätten, mit dem sie sowas besprechen können – sei es, weil es wirklich keinen gibt oder weil der sich nicht interessiert.
Uhoh, also wer so verantwortungslos ist und Sex ohne Verhütung hat, soll als Strafe das Kind aufziehen müssen? Es gibt doch nichts auf der Welt, was mehr Verantwortung erfordert als das Kümmern um eine völlig abhängige Person. Wenn man schon meint, Strafe müsse sein, dann doch lieber nur eine Standpauke vom Arzt, als eine Lebensaufgabe.
Wobei es meines Erachtens nach verantwortungsvoll ist, zuzugeben, dass man sich eine Schwangerschaft und Kindesaufzucht nicht zutraut.
„@quwert: Und genau das ist das größte Problem der Abtreibung: Es handelt sich eben um ein Kind von Mann UND Frau und nicht nur um das Kind der Frau.“
im übrigen handelt es sich nicht um ein „kind“ sondern um einen zellhaufen, der ohne den körper der frau nicht überlebt. und wenn die frau die den körper hat, den zellhaufen nicht haben will, dann darf sie damit machen was sie will. punkt.
es wäre natürlich wünschenswert, wenn die beziehung der frau und des mannes so gut ist das sie so eine entscheidung zusammen treffen können. aber ich frage mich was in den köpfen der abtreibungsgegner so vorgeht, wenn sie darüber fanasieren ein frau zu zwingen sich 9 monate lang dem stress einer schwangerschaft auszusetzen, damit sie dann ein kind bekommt was sie nicht möchte. menschenfeindlicher geht es kaum noch.
Och menno, muss das jetzt wieder in eine Grundsatzdiskussion über Abtreibung ausarten? Das hatten wir hier doch schon so oft.
@Schokolade
Das war nicht ich die den von dir zitierten Text geschrieben hat, sondern Mandy.
Ich glaube wir sind uns einer Meinung, wenn du meine Posts liest.
die „“ beinhalten auch das @quwert das mandy geschrieben hatte, es war also nicht an dich adressiert.
ich finde dauernd wiederholte grundsatzdiskussionen auch blöd, aber die bezeichnung von embryos als „kinder“ kann ich nicht so stehen lassen.
Hallo zusammen,
ich möchte daran erinnern, dass wir Abtreibungsdiskussionen ganz besonders im Blick haben. Bitte tauscht euch konstruktiv über eure Ansichten aus und äußert eure Meinung, ohne andere Diskussions_partner und deren Beiträge herabzusetzen.
Danke & schöne Grüße
Anna
@anna
„Viele abtreibende Frauen wären schätzungsweise froh, wenn sie überhaupt einen Partner hätten, mit dem sie sowas besprechen können – sei es, weil es wirklich keinen gibt oder weil der sich nicht interessiert.“
Ja. Und deswegen wäre es auch gut (und so habe ich auch Nikola verstanden) ab und an zu zeigen, dass es auch Männer gibt die es interessiert und wie diese der Frau helfen können und im Entscheidungsprozess einbezogen werden können.
(Natürlich darf die Frau prinzipiell über ihren Bauch alleine bestimmen. Wie sie auch über Geschlechtsumwandlungen, Tätowierungen, … entscheiden darf. Aber danach muss eben der Partner nicht mehr notwendigerweise weiterhin der Partner sein… Und vor allem wenn die Entscheidung gegen / für ein Kind keine leichte ist hilft es sicher einigen, wenn sie danach sagen können „ich habe die Entscheidung nicht alleine getroffen“.)
„Ja. Und deswegen wäre es auch gut (und so habe ich auch Nikola verstanden) ab und an zu zeigen, dass es auch Männer gibt die es interessiert und wie diese der Frau helfen können und im Entscheidungsprozess einbezogen werden können.“
Falls du Links zu Berichten hast über solche interessierten und unterstützenden Männer hast, zeig sei doch so nett und teile sie mit uns.
Die Aktion von Jackson finde ich gut, aus den selben Gründen wie Patrick.
Ich habe zweimal abgetrieben und finde daher diese Aktion gut und mutig (vor allem in den USA).
Es müssten definitiv mehr Frauen den Mund aufmachen, eine Abtreibung ist schliesslich nicht „mal eben so“ und so kommt doch zum psychischen Prozess einer Abtreibung auch noch der Druck des Schweigens den eine Frau aushalten muss.
Ich glaube, dass wenn ich von einer verständnisvolleren Gesellschaft umgeben wäre und offener hätte darüber sprechen können, wären mir mit Sicherheit ein paar Monate Depression erspart geblieben.
Die Aktion ist gut und mutig. Nicht nur wegen den radikalen Abtreibungsgegnern, für die ist so eine Frau eine Mörderin. Aber auch in liberaleren Kreisen ist man Druck ausgesetzt, eine Frau die abtreibt, ist eine Versagerin, denn
– sie kann nicht richtig verhüten
– ist unfähig für ein Kind zu sorgen
Gerade deshalb geschieht Abtreibung noch so häufig im geheimen. Stellungen im Bett, Fremdgehen, Chlamydieninfekionen, Orgasmusprobleme. Alles wird behandelt, im Freundeskreis bis hin zu Exhibitionismus in Fernsehen und Internet. Über Abtreibung wagt aber kaum jemand zu reden. Ich wohne direkt neben einer Institution die Schwangerschaftskonfliktberatung betreibt. Schnelle Schritte um die Ecke aus dem Hinterhof in dem der Eingang ist, Blick nach links und rechts und der Versuch, sich möglichst unauffällig in den Passantenstrom an der Hauptstraße einzugliedern. Es ist immer noch mit Scham verbunden. Deshalb ist eine solche Aktion gut, da es immer gut ist, den Zahlen in den Statistiken ein Gesicht zugeben. Ob eine Einzelaktion aber auch hilft? Die Sternaktion in Deutschland war ja anders, es waren erstens viele und zweitens auch Prominente. Auf jeden Fall Kompliment. Obwohl sich die Frau leider durch ihren Namen Anti-Theist sofort in eine bestimmte Ecke stellt.
Ganz neu ist so etwas ja auch nicht. Der Frontline-Bericht über die zwei Frauen ist ja schon fast 30 Jahre alt.
Interessanterweise bin ich über deutsche Blogeinträge gestolpert, wo eine Fraue ebenfalls „live“ von ihrer Abtreibung schreibt:
http://weiblicherealitaet.blogsport.eu
Ein wenig skeptisch bin ich da schon, weil sie eben nur mit dem Thema Abtreibung aufwartet, keine Eingliederung in ihr Leben, verschiedenes berichten, darunter auch über eine Abtreibung, die Bestandteil des Lebens ist, sondern nur dieses Thema. Erinnert mich gerade an den hier zitierten Beitrag dieser Angie. Hilft das weiter? Nur das Thema Abtreibung? Es war ja der Sinn der Stern-Aktion damals, Frauen zu outen, die man „kennt“, deren Filme man sieht, deren Gesängen man hört. Eingebettet in dieses Frauenleben eben die eigene Abtreibung. Und nicht Abtreibung als isoliertes Ereignis.