Es ist mal wieder Zeit für Quotentalk. Nicht etwa, weil es endlich verbindliche Gesetze oder gar ein Bekenntnis der zuständigen Ministerin geben würde. Nein, es wurde einfach mal wieder offiziell ein bisschen drüber geplaudert und schon hagelt es Artikel an jeder Ecke. Rumgekommen ist aber wie üblich – nichts!
Um konkreter zu werden: Gestern trafen sich Frauenministerin Kristina Schröder, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger mit Vorstandsmitgliedern der DAX-30-Unternehmen (also die 30 umsatzstärksten an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen) um über die Frauenquote für die Führungsebene zu sprechen. Oder, wie es das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) formuliert: „den Dialog über die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen fortzusetzen“.
Die DAX Unternehmen präsentierten dabei einen Katalog, in dem sie festlegen, dass bis 2020 der Anteil von Frauen im Management auf bis zu 35 Prozent steigen soll. Richtig gelesen, 2020 und „bis zu 35 Prozent“. Unfassbar revolutionäre Ziele, die im übrigen aber natürlich nicht für Vorstände und Aufsichtsräte gelten sollen. Was genau eine Führungsposition ist, definieren die Firmen selbst.
Und was sagten die anwesenden Ministerinnen dazu? Leutheusser-Schnarrenberger begrüßt diesen „Schritt in die richtige Richtung“, Schröder – Verfechterin der so genannten FlexiQuote – gibt sich gar euphorisch:
„Wir sehen heute: Mein Weg funktioniert. Die Kombination von Verpflichtung, Freiheit und Verantwortung durch Transparenz ist eine gute Kombination – für faire Chancen für Frauen auf Führungspositionen“
Und:
„Ich habe prophezeit, dass sich kein Konzern eine einstellige Frauenquote als Ziel setzen wird – und die jetzt vorgelegte Liste zeigt, dass tatsächlich kein Unternehmen unter zehn Prozent geblieben ist“, lobte die Ministerin.
Allein von der Leyen brachte Unruhe in die Kuschelrunde, indem sie erneut für eine gesetzlich geregelt, echte Frauenquote eintrat, ohne Flexi, Fix und Foxi:
„Die Gretchenfrage ist, wie halten es die Dax-Unternehmen mit der gläsernen Decke, wenn es um Vorstände und Aufsichtsräte geht?“ Ein Anteil von 3,7 Prozent Frauen in den Dax-Vorstandsetagen sei keine gute Visitenkarte für Deutschland. Bei diesem Thema hätten die Dax-Konzerne in den vergangenen Jahren ein Schneckentempo an den Tag gelegt, sagte von der Leyen.
Kritik kommt außerdem aus der SPD:
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wirft Ministerin Schröder eine Politik zum Schaden des Wirtschaftsstandorts Deutschland vor. „Wir brauchen in Deutschland dringend eine gesetzliche Regelung zur Quote, sonst wird die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Spitzenpositionen auf den Sankt Nimmerleinstag verschoben“, sagte Nahles der „Rheinischen Post“. Das schade nicht nur den Frauen, sondern vor allem auch dem Wirtschaftsstandort Deutschland.
Auch außerhalb der offiziellen Politik regt sich Unmut. Der Verband der deutschen Unternehmerinnen (VdU) kommentiert (PDF):
Der VdU fordert als Ergebnis des heutigen Treffens die Ära der freiwilligen Vereinbarung endlich zu beenden und den dringend geforderten Struktur- und Kulturwandel in den Unternehmen durch gesetzliche Regelungen umzusetzen. „Freiwillig gesetzte Zielmarken, wie sie heute formuliert worden sind, bieten den Unternehmen eine erneute Komfortzone, die zu keinen gravierenden Verbesserungen führen wird“, so die VdUPräsidentin.
Außerdem weist der VdU darauf hin, dass sich allein in seiner Datenbank mittlerweile über 370 Führungsfrauen registriert hätten. Von einem Mangel an qualifizierten Frauen kann also wirklich keine Rede sein.
Die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes Ramona Pisal (djb) meint:
[…] Die selbst gesteckten Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsebenen sind aber absolut unzureichend angesichts des krassen Missverhältnisses der Geschlechter, das sich in einem Frauenanteil in den Chefetagen der Dax30-Unternehmen von unter drei Prozent manifestiert. Die letzten zehn Jahre haben klar bewiesen, dass eine Selbstverpflichtung allein nicht zielführend ist. Verbindliche gesetzliche Regelungen zur Erhöhung des Frauenanteils in den Führungspositionen der Privatwirtschaft bleiben daher unverzichtbar.[…]
Die Zeit kommentiert:
Doch was tut Frau Schröder? Sie will die Angelegenheit abermals der Wirtschaft und einer Selbstverpflichtung überlassen. Die gibt es seit zehn Jahren und hat nichts gebracht.
Was nicht verwundert, denn auf diese Weise überlässt man das Problem Menschen wie Daimler-Chef Dieter Zetsche. Dem ist jüngst ein großartiges Hindernis für jederart Quote eingefallen: „Wohin soll ich all die Männer aussortieren?“, fragte er in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. „Alle zwangsweise in Rente schicken, damit überhaupt so viele Stellen frei werden?“ Hübsch auch, was Gabriele Sons, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall beizutragen hat: „Es besteht die Gefahr, dass Frauen in ihrer Vorstandsposition, die sie nur aufgrund der Quote besetzen, scheitern.“
Ja, das wäre natürlich total schlimm, wenn ein Haufen unfähige Männer durch kompetente Frauen ersetzt werden würde. Unfassbar, dass die meisten Unternehmen mehr daran interessiert sind, bestehende, männliche Machtstrukturen zu erhalten, anstatt auf kompetente(re) neue Kräfte zu setzen. Und es ist natürlich absolut nicht vorstellbar, dass für Frauen die gleichen Regeln wie für Männer gelten würden: Dass sie vielleicht scheitern könnten. Nein, Frauen wird diese Option nicht zugestanden. Denn wenn sie schon mitspielen wollen bei den Großen, dann bitte auch mit mehr Leistung als die Männer. Wo kämen wir denn hin, wenn für Frauen die gleichen Regeln gelten würden?
Die Frage ist nur: Wie lange können wir uns diesen Doppelstandard noch erlauben? Nicht nur aus feministischer Sicht, nein, auch aus wirtschaftlicher. So stellt auch die Süddeutsche Zeitung fest:
Außerdem kann ein Land, das auf einen Fachkräftemangel zusteuert, es sich auf Dauer nicht leisten, der Hälfte der Talente den Aufstieg an die Spitze so schwer zu machen.
In diesem Zusammenhang sehr interessant ist auch das Interview mit Ralf Puchert, einem Forscher über männliche Arbeitskultur, in der taz. Dieser betont, dass sich eine Frauenquote nicht nur konkret auf den Anteil von Frauen in der Führungsetage auswirken wird, sondern auch grundsätzlich Arbeitsstrukturen verbessern kann:
Es haben ja nicht nur Frauen keine Chance, in solche Vorstände aufzurücken, sondern auch die „anderen“ Männer, wie etwa aktive Familienväter, die auch keine Endlosarbeitszeiten haben. Es gibt viele Männer auf der mittleren Ebene, die einen weiteren Aufstieg bewusst ablehnen, weil es nicht ihre Kultur ist.
Liebe Frau Schröder, haben Sie das gelesen? Männer würden gefördert werden! Junge Väter! Die vielleicht kleine Söhne haben! Das ist doch genau Ihr Ding, oder? Vielleicht denken Sie ja doch noch einmal über eine verbindliche Quote nach. Sie würden sicher auch viele Männer damit glücklich machen.
…das Unschöne an kritischer Berichterstattung über Schröders Fail-Politik und die peinlichen Vorstandszitate ist aber auch leider, dass diese Kritik scheinbar nie ohne „Schland!!“-Standort-Rhetorik auszukommen scheint. Dass es Leuten wie von der Leyen nicht um Gerechtigkeit, sondern wirtschaftliche Effizienz geht, ist schon klar – aber muss man das dann auch noch ständig reproduzieren – sogar hier…?
ich finde es immer ein wenig seltsam,wenn bei der quotenverteidigung immer (TM) so getan wird,als wäre damit alles getan & alles super.
denn sehr wohl wissen die autor_innen über die möglichen probleme & einer herabwürdigung der frau (getru dem motto „ich bin doof und nur durch die quote zu dieser position gelangt“.
boxi (und meinen arbeitsplatz hab ich wohl auch nur wegen einer quote.)
Das „Oh nein, dann bekommen Frauen nur aufgrund der Quote eine entsprechende Anstellung!“ Mantra ist doch auch nur eine typische „Just World Fallacy“. Man geht davon aus, dass jeder bekommt, was er/sie verdient, und jeder verdient, was er/sie bekommt. Und da Frauen noch nicht so zahlreich in den entsprechenden Vorständen vertreten sind, „muss“ es natürlich so sein, dass sie diese Plätze auch nicht „verdienen“ (keine gute Leistung etc.). Dass viele Männer diese Plätze auch nicht „verdienen“ und sie nur durch Vitamin B und andere Vorteile, die sie als Mann genießen, bekommen haben, wird dabei gern ausgeblendet.
Die Quote ist für mich daher keine Herabwürdigung der Frau, sondern eher eine Maßnahme gegen eine solche Herabwürdigung wie sie schon seit Ewigkeiten mehr oder weniger offen praktiziert wird.
also ich meine: probiert doch erst mal die Quote und schaut was sich tut. Schlimmer, als es ist, kann es nicht kommen. Durch die Quote können neue Infrastrukturen und Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auch denjenigen (Familien) Männern, die lieber im mittleren Management „herumschleichen“, zu gute kommen würden.
Denn wer will schon mit den Herrn Ackernmännern dieser Welt den ganzen Tag „Wer hat den längsten“ spielen müssen?
Wenn Frauen in Deutschland die letzte Konsequenz der gender equality gelingen soll – wirtschaftliche Teilhabe und gesellschaftlichen Mitentscheidungsrecht – dann müssen alle Möglichkeiten dafür ausgenutzt werden. Eine Möglichkeit ist die Quote. Warum schrecken wir immer noch, wenn wir das Q-Wort hören?
Und wenn wir Frauen die volle Menschlichkeit zugesprochen bekommen wollen – nicht nur die Entscheidung zwischen Madonna/Hure – dann müssen wir auch die Möglichkeit bekommen, zu scheitern – wie die Männer. Das sollte auch unser Recht sein, mit oder ohne Quote.
Außerdem kann es nicht sein, dass Deutschland als Mitglieder der UN, der Weltbank zig Kampagnen unterstützt, die Frauen zu mehr Gleichberechtigung verhelfen wollen – und gleichzeitig der Gleichberechtigung im eigenen Land in der letzten Konsequenz misstraut.
Ein Versuch ist die Quote allemal Wert ….
@accalmie
Dito.
Auch das Verniedlichen von Politikerinnen stößt mir hier unschön auf. „Uschi“?, „Kristi“? Are you kidding?