Luise F. Pusch, Klassikerin der deutschsprachigen feministischen Linguistik, hat bereits vor gut 20 Jahren erläutert, warum das euphemistisch so genannte „generische Maskulinum“ alles andere als generisch ist. Die Bremerhavener Nordseezeitung scheint es sich zu Herzen genommen zu haben:
Zumindest nach landläufig-konventioneller Lesart befinden sich im Trampolinteam auch mindestens zwei Jungs. Trotz der Möglichkeit, dass auch Matt und Fabio Mädchen sind oder sich als solche identifiziert wissen möchten (und trotz des grammatischen Schnitzers in der Headline: „Turnerinnen sind Meister“), also mal ein herzerfrischendes Gegenbeispiel zum nach wie vor herrschenden sprachlichen Trend…
Hm. Nicht sicher, ob mir ein generisches Femininum das Herz erfrischt. Wie das Maskulinum lässt es Individuen verschwinden, – in diesem Fall Matt und Fabio, die als Turner mglw. ohnehin schon ein wenig mit „Ihh, bist du schwuuul?!“ etc. zu kämpfen haben.
Aber besten Dank für den kleinen Bewusst-Macher.
hm, verstehe ich nicht.
Warum findet ihr das generische Maskulinum doof und das generische Femininum gut?!
Ist doch das Gleiche nur andersrum…?!
@XYZ: Nee, ist es nicht. Die Argumentation beim generischen Maskulinum ist ja, dass Frauen ‚mitgemeint‘ seien. Das kann ich allerdings nicht erkennen. Beim generischen Feminium hingegen steckt die männliche Form des Wortes allerdings drin, damit sind tatsächlich beide Geschlechter gemeint. Im Wort „Turner“ steckt das Wort „Turnerin“ nicht drin, im Wort „Turnerin“ steckt hingegen das Wort „Turner“.
@Iskadrow: Genau, es geht mir hier eher um Bewusstmachen als um das Anpreisen DER neuen tollen Lösung für eine gegenderte Sprache. Individuen werden bei „generischen“ Bezeichnungen und Pluralen immer unsichtbar – was nicht immer ein Problem sein muss, aber natürlich durchaus bedenkenswert ist. Bemerkenswerterweise machen sich aber viel weniger Leute Sorgen über das sprachliche Verschwinden von nicht-maskulinen Menschen als über den umgekehrten Fall – Männern scheint es nicht zumutbar zu sein, sprachlich mit Frauen in einen Topf geworfen zu werden, aber von Frauen wird es selbstverständlich erwartet, dass sie sich mit männlichen Bezeichnungen identifizieren und damit sprachlich unsichtbar machen (lassen). Dabei hat, wie @Miriam schon sagt, das Argument des Mitgemeintseins bei der Verwendung des Femininums dann schon wesentlich mehr Sinn.
Und @XYZ: Das gleiche ist es schon allein deswegen nicht, weil Sprache ja nicht in einem luftleeren, neutralen Raum passiert, sondern Machtverhältnisse, Denkstrukturen etc. abbildet und (re)produziert. Solange „der Mann“ der Standardmensch ist, auch in der Sprache, ist die Verwendung einer sprachlichen Alternative wie z.B. des generischen Femininums eher ein subversiver Akt als eine reine „Umkehr“ der bestehenden Verhältnisse – was ja auch viele der Reaktionen, die auf so eine Praxis oft folgen (Unverständnis, Protest, Lächerlichmachen) zeigen.
@Miriam: In diesem Fall steckt das Wort mit drin. Das muss aber nicht so sein – bei Worten mit auf „er“ endendem Stamm etwa: Die Zauber-in, der Zauber-er. Oder wenn die geschlechtsbetonende Endung aus einem ganzen Wort besteht: Balljunge, Ballmädchen. Manchmal ist es sogar genau umgekehrt: Eine Auszubildende, ein Auszubildende-r.
Dass beim männlichen Plural auch Frauen gemeint sein können, ist Konvention, nicht durch Grammatik begründet sondern eher durch Bequemlichkeit (Turnerinnen und Turner wurden Bezirksmeister und Bezirksmeisterinnen) bedingt. Wenn der Unterschied zwischen beiden Formen sogar zwei Silben lang ist, hat man schon eine pragmatische Erklärung für das Bevorzugen der kurzen Variante… Dabei kann man sicher auch ausreichend politische Argumente finden, was ich mal bewusst nicht tun wollte.
@Db: Ich behaupte*: Es ist weniger Pragmatismus als (sicherlich oft unbewusste und auch mit Bequemlichkeit gepaarte) Sprachpolitik, die das „generische Maskulinum“ aufrecht erhält. Es geht ja bei der „Ökonomie“ von Sprache nicht ausschließlich um die Silbenanzahl der einzelnen Wörter, sondern darum, dass das, was ausgedrückt werden soll, möglichst treffend gesagt werden kann. Wenn ich mich zwar silbentechnisch kurz fasse, dafür aber wesentliche Infos unter den Tisch fallen, ist das nicht sonderlich pragmatisch, weil dann die Sprache ihren Zweck ja gar nicht hinlänglich erfüllt.
*Als Klarstellung: Dieses Argument ist natürlich nicht spontan auf meinem Mist gewachsen, sondern wird z.B. schon bei Luise F. Pusch aus linguistischer Perspektive ausgeführt.
Ich tippe mal das das Team in der Klasse der C-Jugend (oder so) Mädchen angetreten ist, folglich die Bezeichnung. Bei Randsportarten im Jugendbereich ist es gang und gäbe das einige des anderen Geschlechts woanders mitspielen weil sie sonst nicht genug für den Turnierbetrieb wären. Da ist es nur logisch auch die korrekte Geschlechtsbezeichnung zu wählen die zur Klasse gehört, wobei in dem Satz „…holten die Bezirksmeisterschaft“ besser gewesen wäre um Widersprüche auszuräumen.
Jungenteams mit 1 oder 2 Mädchen die in der so bezeichneten „männlichen C-Jugend“ antreten können sinnigerweise auch keine Meisterinnen werden.
Ich finde es eher gut das so allen Kindern ermöglicht wird die Sportart auszuüben die sie wollen.
Meiner Meinung nach ist es irgendwie besser, anstatt etwas neues zu erfinden (Binnen-I/Gender Gap) einfach mit „alten Mitteln“ beide Geschlechter zu nennen. In diesem Fall also „die Mädchen und Jungen des TV Lehe holten die Bezirksmeisterschaft“ oder eleganter „Das Team des TV Lehe konnte den Pokal nach Hause tragen“. Liest sich meiner Mienung nach besser und alle sind zufrieden.
@Nandoo, danke für den Hinweis. Ich finde allerdings, deine Erläuterung ist ein prima Argument dafür, diese permanenten, zumal ausschließlich binär konstruierten Sortierungen nach „Geschlecht“ einfach mal zu unterlassen… Aber OK, das ist ein anderes Thema mit diversen Facetten, hier geht es jetzt ja um die sprachliche Verfasstheit. Und dort scheint Logik oft relativ: Egal, wieviele Frauen irgendwo dabei sind – sobald auch nur ein Mann dabei ist, wird ja in der Regel zur maskulinen Bezeichnung gegriffen. Deshalb empfinde ich das, was du vor dem Hintergrund der Gegebenheiten im Jugendsport als logisch empfindest, wie gesagt als wohltuendes Gegenbeispiel zum herrschenden sprachlichen Trend.
Für mich klingen die Überschriften immer so, als hätten sich die Frauen (oder besser gesagt Mädchen) zu Männern bzw Jungs mutiert….
(nicht dass mich die Vorstellung gruselt, sondern eher dieses „Mädchen* muss wie ein Junge* sein damit es viel erreichen kann und darf kein bisschen Mädchen* sein“ — * Natürlich meine ich jetzt dieses Schubladen-weibliche bzw. -männliche)
Bin auch eher für neutrale Sprache. Und wenns passt, dann für den generischen Femininum.