Über die Aktion „Nicht meine Ministerin“, deren Offenen Brief wir gestern hier veröffentlichten, schrieb sogleich noch Spiegel Online. Dem feministisch geübten Auge fiel dabei vor allem eines auf: das generische Maskulinum, immer wieder heißt es „die Gegner“. Dabei sind in der Erstunterzeichnungsliste neben 3 Organisationen 37 Frauen und 13 Männer aufgeführt. Mit ihrer Antwort auf meine Kritik hat Spiegel Online natürlich recht:
@hanhaiwen Nunja… Aber es sind ja nicht nur Gegnerinnen, oder? (vk)
— SPIEGEL ONLINE (@SPIEGELONLINE) April 19, 2012
Ja, es sind auch Männer unter den „Schröder-Gegnern“. Aber eben nicht nur und hinter einem Mann verschwinden beim generischen Maskulinum leider 9 Frauen genau wie 99.999 oder sogar 9 Millionen Frauen. Dass Frauen vielleicht mitgemeint, aber selten mitgedacht werden, erläuterte erst vor kurzem das Sprachlog – seit Jahren bloggt über Geschlecht und Sprache bereits Luise Pusch, zum Weltfrauentag gab sie der Deutschen Welle ein Interview mit vielen schönen Beispielen.
Wie stark sich der Einfluss von Sprache auf unser Denken auswirken kann, zeigt auch die folgende Studie, die die Spektrum ausgegraben hat:
Von der Sprache hängt sogar ab, wie schnell Kinder herausfinden, ob sie Jungen oder Mädchen sind. Im Jahr 1983 verglich Alexander Guiora von der University of Michigan in Ann Arbor drei Gruppen von Kindern, die Hebräisch, Englisch oder Finnisch als Muttersprache hatten. Das Hebräische bezeichnet das Geschlecht ausgiebig – sogar das Wort „du“ variiert dementsprechend –, Finnisch macht keine solchen Unterschiede, und Englisch liegt dazwischen. Dementsprechend finden hebräische Kinder ihr eigenes Geschlecht rund ein Jahr früher heraus als finnische; englische nehmen diesbezüglich einen Mittelplatz ein.
Natürlich gibt es noch andere Möglichkeiten, auf die Zusammensetzung einer Gruppe einzugehen. Während sich für offizielle Reden etwa ein „Gegnerinnen und Gegner“ eingebürgert hat, bietet es sich bei Texten stets an, zu quantifizieren und etwa „die Gruppe, der vor allem Frauen angehören“ zu schreiben. Ein ganz anderer Weg ist natürlich die Verwendung von Binnen-I oder Gender Gap, also Gegner_innen.
Doch egal welche Form gewählt wird – am Ende ist bereits dies eine politische Entscheidung. Ab wann sind in einer Gruppe so viele Frauen oder so wenig, dass es betont werden muss oder einfach auffällt? Welche Erwartung gibt es an diese Gruppe? Wie hätte es wohl gewirkt, wenn sich nur Männer gegen Kristina Schröders (Nicht-)Politik positioniert hätten oder aber kein Mann unter den Erstunterzeichnenden gewesen wäre? Gegner oder Gegnerinnen – fünf Buchstaben hinter denen noch viel mehr steckt.
Den Offenen Brief kann mensch derweilen weiter mitzeichnen.
Ich empfinde die Debatte um das generische Maskulinum als überzogen.
Speziell die Verwendung von Binnen-I, _, / oder das ersetzen von „man“ durch „mensch“ empfinde ich als …. leicht krampfhaft.
Ein gangbarer Weg ist dahingegen imho das abwechselnde Verwenden der beiden Formen.
Also z.B bei einer Überschrift „die Gegner“ , bei der nächsten „die Gegnerinnen“, und so weiter.
Eine weitere Frage:
Inwiefern ist es ein Problem das eigene Geschlecht herauszufinden ?
Ich denke mal das entdecken des eigenen Geschlechts ist ein wichtiger Prozess in der Persönlichkeitsentwicklung. Oder ?
@politparser: Wann Kinder ihr eigenes Geschlecht herausfinden ist doch kein Problem. Es ist bezeichnend, dass es so stark von der Sprache abhängt!
PS: Ich empfinde übrigens diese Abwehrdebatten um geschlechtergerechte Sprache als überzogen. Speziell das Wehren gegen die Versuche, mit Sprache zu spielen und sie neu zu denken empfinde ich als leicht krampfhaft.
Einfach mal „die Gegner“ und dann wieder „die Gegnerinnen“ zu schreiben geht leider auch nicht so einfach, da daran jedes Mal viele Gedanken, Erwartungen etc. geknüpft sind.
Verfassungsrichterin Prof. Dr. Susanne Baer hat in einem Vortrag in Freiburg anschaulich geschildert, wie locker und flockig geschlechtsneutral formuliert werden kann.
Ich selbst habe es schon in meiner Diplomarbeit vor 20 Jahren geschafft, ein sozialwirtschaftlich-politisches Thema gendergerecht zu auszuarbeiten. Wenn die korrigierenden Professoren und das Gremium, das mir für die Arbeit einen Preis verliehen hat, das Lesen „spannend, modern und als ‚angenehme Rezeption'“ attestieren konnte, kann es wohl nicht allzu verkrampft geklungen haben. Zugegeben: die eigenen Kopfsperren müssen für neue Möglichkeiten geöffnet und althergebrachte Gewohnheiten im Sprachgebrauch durch neue ersetzt werden.
Mittlerweile sollten wir schon etwas weiter sein als vor 20 Jahren. Dass auch heute noch die gleichen überkommenen Argumente gegen gendergerechte Formulierungen benutzt werden, kommt mir ebenso fossil vor wie die Argumente von vor 20 Jahren, dass es ohne Kernkraftwerke keine ausreichende Energie gibt.
Die Verkrampfungen und Schranken liegen in der Engstirnigkeit derjenigen, die nicht genügend Offenheit besitzen, sich von ihren eingefleischten Vorstellungen von Sprache zu lösen.
Ist ja auch bequemer, etwas abzulehnen, als sich um eine Weiterentwicklung zu bemühen.
Die fortlaufend zu treffende Entscheidung zwischen generischem Maskulinum und dem ständigen Betonen zweier (und nur zweier!) Geschlechter nervt einfach, weil beide Varianten Mist sind. Leider ist die deutsche Sprache dank Duden-Bürokratismus und weitverbreitetem Sprach-Wachhundstum (aus verschiedensten Lagern) weniger schnell wandelbar als beispielsweise das Englische. Trotzdem sollte man den Kampf gegen das generische Maskulinum attraktiver gestalten, etwa (wie bei „Studierende“) durch das Bilden von Substantiven aus Verben (hier: Protestierende oder Opponierende o.ä. statt „Gegnerinnen und Gegner“).
Killian:
Zustimmung @ „attraktiver“ gestalten.
Und ich finde genau hier überziehst du.
Ich finde einfach die Frage ob man „Gegner“ , „GegnerInnen“ oder „Gegner und Gegnerinnen“ als Frage der Gerechtigkeit zu definieren hängt die Sache einfach zu hoch.
Ich stimme zwar der Idee zu das man es vermeiden sollte, geschlechtlich einseitig zu formulieren. Ich bin jedoch der Meinung es muss dazu bessere Wege geben als das Binnen-I oder ähnliches.
Speziell das Wehren gegen die Versuche, mit Sprache zu spielen und sie neu zu denken empfinde ich als leicht krampfhaft.
Och da hab ich keine Probleme. Ich halte die Bedeutung des generischen Maskulinum einfach für über bewertet und finde die aktuellen Varianten uncool bis verwirrend („mensch“ / „man“) beim lesen.
Ich finde diesen Blog-Eintrag taktisch unklug. Anstatt sich weiter mit Kristina Schröder und deren Anti-Frauenpolitik zu befassen und zu versuchen Druck aufzubauen, machst Du hier einen Nebenschauplatz auf, der alles andere als konsensfähig ist. So wird das nix. :-)
Michaela:
Die Frage ist doch nicht ob es möglich ist Texte zu schreiben ohne ein Geschlecht zu vernachlässigen oder implizit unzulässige Zuordnungen durchzuführen (Informatiker vs. Lehrerin). Natürlich ist das möglich, und sinnvoll.
Alles was ich sage ist, das ich die aktuellen Varianten wie Binnen-I, _, / , etc als nicht besonders ansprechend und deren gehäufte Verwendung als übertrieben Empfinde.
Ich denke nicht, das dies eine besonders „engstirnige“ Haltung ist.
@politparser
Vermutlich empfindest du deine Meinung nicht als ‚besonders engstirnig‘, weil meistens noch nur im generischen Maskulin formuliert wird, es ist also Gewohnheit.
Die Problematik dahinter leuchtet dir sicherlich ein – sprachlich wird sich mit dem generischen Maskulin ausdrücklich auf nur ein (männliches) Geschlecht bezogen, weder Frauen noch die Öffnung zu anderen Möglichkeiten oder auch gar keinen Möglichkeiten klingen da mit. Nun möchte ich dich dazu ermutigen, bei den nächsten Texten, die du liest, darauf zu achten, mit welchen Begriffen in maskuliner Form dieser ganze Diskurs einfach verschluckt wird. Möglicherweise öffnet sich deine ’nicht besonders engstirnige Haltung‘ zu einer ‚besonders offenen Haltung‘.
Ein ganz einfacher Selbstversuch: Einfach mal „Handwerker“ immer durch „Handwerkerin“ imeigenen Sprachgebrazch ersetzen und sehen, was mit den Bildern in deinem Kopf passiert. – und Sprache formt doch unsere Realität.
@Katharina: Dieser Blogeintrag richtet sich ja nicht an Schröder, sondern weist allgemein darauf hin, welche Macht Sprache hat. Sollen wir hier jetzt nur noch über sie bloggen um Druck aufzubauen? Hätte auch ein Text über die Missstände deutscher Politik im Hinblick auf Afghanistan jetzt einen Nebenschauplatz aufgemacht?
@politparser: Wenn dich „mensch“ verwirrt, hat frau ihr Ziel meist erreicht. Ansonsten ist es eben nicht so einfach, von Gegnerinnen und Gegnern oder nur Gegnern oder Gegner_innen zu schreiben. All diese Worte haben ja noch weitere Bedeutungsebenen. Wann ist es wichtig deutlich zu schreiben, dass eine Aktion nur von Frauen, nur von Männern oder einer gemischten Gruppe gemacht wurde? Wie wichtig ist das Beschreiben der Anteile darin?
Um es noch einmal ganz deutlich zu machen: Wenn sich hier nur Frauenpolitikerinnen beschwert hätten, wäre die Aktion auch schnell in die „Emanzen“-Schublade gerutscht. Es machen aber auch Männer mit, einige beschäftigen sich nicht mal viel mit Frauenpolitik – das gibt dem Ganzen auf einmal eine besondere Wichtigkeit. Dass Frauenanliegen erst dann ernst genommen werden, wenn sich auch Männer damit beschäftigen ist leider nichts neues, hier kann man es mal wieder live und in Farbe ansehen.
@Kilian: Ich finde gerade „Studierende“ nicht gut, gibt da auch Gründe für. (Was sind Studenten, wenn sie nicht gerade studieren, sondern demonstrieren/arbeiten/sonstwas machen?)
Aber im Endeffekt ist es ja auch Geschmacksfrage. Mich stört das Binnen-I ästhetisch nicht, aber für einige geht daran ja regelmäßig das Abendland zugrunde ;)
Im Italienischen wäre es (grammatisch) „korrekterweise“ sogar so, daß das generische Maskulinum verwendet wird, wenn die Gruppe aus 5 Frauen und einem männlichen Hund bestehen würde…
*grrrrrr*
Ich verweise anlässlich von Diskussionen zum angeblichen „generischen Maskulinum“ immer gern auf diesen Text:
http://www.scilogs.de/wblogs/blog/sprachlog/sprachstruktur/2011-12-14/frauen-natuerlich-ausgenommen
@Sarina: Der ist bereits im Beitrag verlinkt ;)
@Helga: Mir scheint, er sollte verlinkt werden. Es erscheint allerdings lediglich an zwei Stellen eine Verlinkung auf auf den Text „Wie die Sprache das Denken formt“ von Lera Boroditsky.
@Sarina: Stimmt, danke, da ist die Verlinkung schief gegangen. Ist korrigiert!
Dann ist ja gut, dass ich hier mal vorbeispaziert bin ;-) Ich finde, diesen Sprachlog-Text kann man gar nicht genug verbreiten.