Sie ist die erste schwarze Frau auf dieser Liste, die nach 9/11 erstellt wurde. Als Belohnung für Informationen, die zu Assata Shakurs Festnahme führen, dafür gibt es zwei Millionen Dollar. Am 2. Mai 2013 gibt das FBI auf einer Pressekonferenz bekannt, dass Shakur auf der „Top 10 Terror List“ steht.
„An eben diesem Tag vor 40 Jahren wurde ein Auto, in dem Assata Shakur saß, angehalten. Es entwickelte sich eine Schießerei, in welcher zwei Personen starben und Shakur angeschossen wurde (unter anderem in den Rücken). Sie wurde schließlich für den Mord am Polizisten Werner Forester von einer vollständig weißen Jury zu lebenslanger Haft verurteilt.“ (mehr zum Hintergrund bei Charlott: „Wanted: Assata Shakur“)
Die Rekonstruktion des Vorfalls am besagten 2. Mai 1973 und die Tat, welche Assata Shakur begangen haben soll, sind eingebettet in eine Zeit, in welcher das FBI den Krieg gegen schwarze Führungspersonen wie Malcolm X, Angela Davis, Stokley Carmichael, Martin Luther King* und die Black Panther Bewegung erklärt hat und rassistische Polizeigewalt an der Tagesordnung stand (Bsp. 1992, L.A., Rodney King).
Shakur gelingt die Flucht aus dem Gefängnis. Dass ausgerechnet Kuba der Revolutionärin seit 1984 politisches Asyl gewährt, ist eine Ohrfeige für die USA. Erst vor kurzem war auch noch Jay-Z mit Beyoncé dort auf honey moon und zog mit seinem „Offen Brief“ das Embargo der USA gegen Kuba ins Lächerliche. Und dann sind da die Bosten-Attentate, welche die Bundesbehörde unter Druck setzen. Lächerlich will das FBI nicht wirken, auch vierzig Jahre später ein Zeichen setzen und die schwarze Protestbewegung nicht anerkennen. Jahre später keine Aussöhnung, sondern eine Fortführung und Abschreckung.
Audre Lorde (*1934- †1992), eine der wichtigsten Frauen feministischer Gegenwartsgeschichte, hat im Jahr 1977 auch ein Zeichen gesetzt, und ein Gedicht für Assata geschrieben. Ein Gedicht, dass unter die Haut geht, einer Aussichtslosigkeit innere Kraft und dem Begriff der Freiheit wieder eine Bedeutung schenkt, die Sinn ergibt.
For Assata
New Brunswick Prison, 1977
In this new picture your smile has been to war
you are almost obscured by other faces
on the pages
those shadows are sisters
who have not yet spoken
your face is in shadow
obscured by the half-dark
by the thick bars running across your eyes
like sentinels
all the baby fat has been burned away
like a luxury your body let go
reluctantly
the corners of your mouth turn down
I cannot look into your eyes
who are all those others
behind you
the shadows are growing lighter
and more confusing.I dream of your freedom
as my victory
and the victory of all dark women
who forego the vanities of silence
who war and weep
rather than our enemies
something against our selves
in each other
rather than our enemies
falsehoods
Assata my sister warrior
Joan of Arc and Yaa Asentewa
embrace
at the back of your cell.– Audre Lorde
Eine deutsche Übersetzung des Gedichts „For Assata“ von Charlott Schönwetter findet ihr hier. Es handelt sich nicht um eine literarische Übersetzung, sagt Charlott, ich finde sie sehr gelungen. Danke dafür.
New Brunswick Gefängnis, 1977
Auf diesem neuen Bild ist dein Lächeln im Krieg gewesen
Du bist fast verdeckt von anderen Gesichtern
Auf den Seiten
Diese Schatten sind Schwestern
Die jetzt noch nicht gesprochen haben
Dein Gesicht ist im Schatten
Verdeckt durch die Halb-Dunkelheit
Der dicken Balken, die über deine Augen gehen
Wie Wachposten
All der Babyspeck ist verbrannt
Wie ein Luxus, den der Körper hergab
Widerstrebend
Deine Mundwinkel nach unten
Ich kann nicht in deine Augen schauen
Wer sind all die anderen
Hinter dir
Die Schatten werden heller
Und verwirrender.Ich träume von deiner Freiheit
Als mein Sieg
Und der Sieg aller dunklen Frauen
Welche auf die Eitelkeiten der Stille verzichten
Welche kämpfen und weinen
Eher als unsere Feinde
Manches gegen uns selbst
In uns
Eher als unsere Feinde
Falschheiten
Assata meine Schwester Kämpferin
Joan of Arc und Yaa Asantewa
Umarme
Im hinteren Teil deiner Zelle.– Audre Lorde
Eine Leseempfehlung zu Assata Shakur ist ihr offener Brief aus dem Jahr 1998.
* Martin Luther King stand ebenfalls unter FBI-Beobachtung und galt als ein Wackelkandidat, denn solange er „weißen, liberalen Werten“ „gehorsam“ war, war er sicher, falls nicht, so wäre er eine sicherheitspolitische Bedrohung, ein „Messiah“, geworden. Für die taktische Kriegsführung war damals das geheime Programm „COINTELPRO“ (= Counterintelligence Program) der US-Bundespolizei zuständig.
„2. Prevent the RISE OF A „MESSIAH“ who could unify, and
electrify, the militant black nationalist movement. Malcolm X might have
been such a „messiah;“ he is the martyr of the movement today. Martin
Luther King, Stokely Carmichael and Elijah Muhammed all aspire to this
position. Elijah Muhammed is less of a threat because of his age. King
could be a very real contender for this position should he abandon his
supposed „obedience“ to „white, liberal doctrines“ (nonviolence) and embrace
black nationalism. Carmichael has the necessary charisma to be a real
threat in this way.“ (Quelle: COINTELPRO)
zur übersetzung:
„und nicht unsere feinde etwas gegen uns selbst“
„und nicht unserer feinde falschheiten“
„umarmen sich im hinteren teil deiner zelle“
?
Danke für die Anmerkungen. Erst einmal: Es sind natürlich meistens eine Reihe von Übersetzungen denkbar_möglich. Zum Beispiel ginge “umarmen sich im hinteren teil deiner zelle” auch, im Englischen kann es halt doppelt gelesen werden (also pause vor der Zeile oder nicht), im Deutschen muss mensch sich leider entscheiden. Jedenfalls fiel mir keine bessere Variante ein (darum aber auch, wie geschrieben, keine Übersetzung, die irgendeinen literarischen Anspruch hat).
“und nicht unserer feinde falschheiten” – das ist aber tatsächlich nicht richtig. Dazu müsste es im Englischen „rather than our enemies‚ falsehoods“ heißen.