Erziehungsfragen

Stellen wir uns folgende Situation vor:
Ein paar Männer sitzen um einen Tisch, sie unterhalten sich, trinken Bier. In der Küche der Wohnung klappert die Freundin des Gastgebers mit Geschirr, dann schaut sie kurz ins Zimmer: „Na, Männer, braucht ihr noch was? Alle glücklich?“ Die Herren nicken, bedanken sich. Die Frau verschwindet im Arbeitszimmer, sie hat noch zu tun. Die Männer stoßen an und einer fragt den Gastgeber, wie es denn so läuft gerade. Dieser antwortet: „Super! Sie kocht sehr gut und auch gerne. Außerdem kann sie bügeln und sonntags holt sie immer Brötchen“. Die Männer nicken anerkennend und einer von ihnen sagt: „Na, die haste aber gut erzogen!“ Die anderen grinsen wissend.

(C) Eva Hillreiner, www.evahillreiner.de

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber würde ich so ein Gespräch mitbekommen, hätte ich irgendwelche „gekauftes Thai-Mädchen“ Assoziationen und würde mich insgesamt über so ein herablassendes Verhalten ziemlich ärgern.

Die Sache ist nur:
Ich war schon bei vielen solcher Gespräche dabei! Nur saßen da nicht Männer, sondern Frauen zusammen.

Viele werden sie kennen, die Sprüche über den Mann, der erzogen werden muss, den man gut er-/gezogen hat. Oft geht es in solchen Unterhaltungen darum, dass ein Mann etwas klassisch „unmännliches“ getan hat, der Frau „ihre“ Arbeit erleichtert hat. Wenn ein Mann (natürlich völlig überraschend!) z.B. in Sachen Haushalt(sführung) mitdenkt, dann kommt er der Satz, vorgetragen in einem anerkennenden Ton, in dem immer ein wenig Belustigung mitschwingt über dieses kleine, possierliche Tierchen namens Mann. Lustigerweise wird er – so zumindest meine Beobachtung – meistens vorgetragen von Frauen jeder Altersgruppe, die selbst insgesamt sehr klassische Beziehungsmodelle bevorzugen, Beziehungen, in denen meistens er im weiteren Sinne „die Hosen an hat“.

Es steht außer Frage, dass wir uns in Beziehungen entwickeln und verändern, dass man in einer guten Beziehung von einander lernt und Rücksicht nimmt. Dass man sich manche Macke versucht abzugewöhnen, weil genau diese eine Kleinigkeit den Partner total wahnsinnig macht. Aber erziehen? Kann eine Beziehung, in der eine den anderen „erzieht“ wirklich auf gleicher Augenhöhe funktionieren?
In meiner Familie kursiert der Spruch „Menschen ab 16 kann man nicht mehr erziehen“. Ich denke, da ist was wahres dran. Erziehung funktioniert immer von oben nach unten. Vom Älteren zum Jüngeren, von Eltern zu Kind, von Lehrern zu Schülern. Der Erziehende weiß (meint zu wissen) wo’s lang geht.

Warum stellen manche Frauen die Augenhöhe ihrer (oder einer fremden) Beziehung durch solche Sprüche in Frage? Warum versuchen sie sich wenigstens für eine Mittagspausenlänge über ihrem Mann zu positionieren und zeigen sie damit nicht genau das Gegenteil? Und ist es nicht interessant, dass oft Frauen ein Kompliment zu ihrer „Erziehung“ bekommen, die selber nie davon reden würden, dass sie ihren Mann erzogen hätten? Folgt daraus nicht völlig logisch, dass der beste Weg, einen „gut gezogenen“ (also einen aufmerksamen, interessierten) Partner zu haben der ist, sich gegenseitig zu respektieren und auf gleicher Höhe zu agieren? Die eigenen Wünsche zu äußern, nach den Bedürfnissen des anderen zu fragen, nachzugeben und Kompromisse auszuhandeln, also eine gleichberechtigte Beziehung zu führen, in der sich keiner über- oder unterlegen fühlen muss?

Mein Vorschlag wäre, in Zukunft einfach mal sagen: „Du hast ja einen tollen Mann!“
Ohne Erziehung, ohne Machtfragen. Einfach nur so, weil er eben auch ein toller ist!

13 Kommentare zu „Erziehungsfragen

  1. du sprichst mir aus den tiefen meiner emanzipierten seele, aber das weißt du ja. ich habe dir ganz und gar nichts hinzuzufügen.

    übrigens kenne ich den spruch mit der erziehung ja so, dass die erziehung in den ersten drei jahren abläuft und man danach nicht mehr viel machen kann – aber das nur am rande.

  2. gekauftes thai-mädchen als assoziation der autorin…
    na da passt der tag idiotie doch
    arbeite doch erst mal an deinem eigenen weltbild

  3. @ polypairin (auf die Gefahr hin, dass ich einen Troll füttere…):
    Ich glaube, es ging Anna gerade darum aufzuzeigen, dass wir alle Stereotype im Kopf haben, das ist vollkommen menschlich, aber sie scheint immerhin in der Lage zu sein, diese Stereotypen zu hinerfragen und mit einer gewissen Selbstironie zu beleuchten.

  4. @Miriam: Recht haste ja. Ich finde auch: Ein gelungener Artikel, der doch gerade so Einiges an Selbstgerechtigkeit in Frage stellt.

    Collateral damage, alte Zeiten – Wobei aber oft übersehen wird, daß der Feminismus die Idee, man müsse den Mann erst zum Menschsein erziehen, nicht erfunden hat. Das gabs schon bei Kaiser Willhelm.

    Hat aber auch damit zu tun, daß Männer in der Vergangenheit zu oft betreten geschwiegen haben – Anstatt an der richtigen Stelle „Hallo, gehts noch?“ zu fragen. Wobei das schwierig gewesen sein dürfte, ob der ganzen Dämonisierung.

  5. „Und ist es nicht interessant, dass oft Frauen ein Kompliment zu ihrer ‚Erziehung‘ bekommen, die selber nie davon reden würden, dass sie ihren Mann erzogen hätten?“

    Haha, stimmt genau!

    „Folgt daraus nicht völlig logisch, dass der beste Weg, einen ‚gut gezogenen‘ (also einen aufmerksamen, interessierten) Partner zu haben der ist, sich gegenseitig zu respektieren und auf gleicher Höhe zu agieren?“

    Absolut.

  6. …es kommt aber vor (gekaufte Thai-Mädchen). Es kommt oft genug vor, um es als als „geteiltes Wissen“ ironisch verwenden zu können. Finde ich jedenfalls. Die Betonung liegt immerhin auf gekauft, nicht auf Thai – also was gibt es da auszusetzen?
    Der Artikel ist echt erfrischend! Grüße!

  7. an Matze,
    als „Mann“ empfand ich diesen Kommentar,
    eher als „zum Spiel“ gehörend.
    Eher augenzwinkend.

  8. Blöder Artikel.
    Es ist doch klar, dass das mit dem „Erziehen“ von Frauen erstens nicht ganz ernst gemeint ist und zweitens von einer Frustration und Hoffnung auf einen Ausgleich der althergebrachten Rollenmodelle herrührt. Das mit dem Erziehen hat doch nichts anderes zu sagen als „Schön, dass du deinen Standpunkt durchgesetzt hast und ihr eine freie Beziehung zu führen scheint, in der du ihn nicht bemuttern und bewirten musst, weil er sich nicht zu schade ist, Aufgaben zu übernehmen und dich auch einmal zu verwöhnen.“

Kommentare sind geschlossen.

Betrieben von WordPress | Theme: Baskerville 2 von Anders Noren.

Nach oben ↑