Sie hacken, programmieren oder gründen Start-Ups: Immer mehr Frauen gestalten die digitale Szene mit. Es sind noch zu wenige, oft bleiben sie unsichtbar – doch eine neue Generation macht sich auf den Weg in die männlich dominierte Netz- und Technikwelt.
Von Sonja Peteranderl, Juliane Traeber und Sabine Mohamed
Als eine der wenigen Frauen in der Start-Up-Szene wurde Jess Erickson immer wieder mit sexistischen Sprüchen konfrontiert: „Frauen verstehen Technik nicht“, hörte sie oft. Gründer sagten, dass sie keine Programmiererinnen anstellen könnten – weil das die anderen Mitarbeiter nur ablenken würde. Sexismus und Technik scheinen eng verwoben, wenn es darum geht, dass Frauen Platz in dieser Sphäre einnehmen.
Frauen nutzen das Internet zwar inzwischen fast so intensiv wie Männer, betreiben Blogs, twittern, nutzen Laptop oder Smartphone als Alltagsgegenstand. Sie gründen aber seltener eigene Unternehmen im IT-Bereich. Es gibt wenige Bloggerinnen, die in der Blogosphäre, insbesondere in Bereichen wie Technik, Netzgeschehen oder Politik als Meinungsmacherinnen wahrgenommen werden. Und auch offline sind Podien bei Veranstaltungen der digitalen Szene vor allem mit Männern besetzt – weil viele Frauen, die in der Netzwelt aktiv sind, sich nicht aufs Podium wagen, ihnen die Selbstdarstellung nicht so wichtig erscheint oder sie einfach übersehen werden.
Sichtbarkeit, dass sei der Schlüssel, findet Nicole Simon, Unternehmensberaterin, Publizistin und Internetexpertin. „Frauen sind nicht sichtbar genug“. Sie haben oftmals kein Profil, keine Internetseite, kein Bild von sich im Netz und zögern bei Anfragen für Veranstaltungen oder Interviews, bewerben sich seltener initiativ. Selbst Frauen, die erfolgreich sind, kennen Selbstzweifel, wenn die Kollegen ihre Arbeit nicht anerkennen oder Kompetenzen in Frage stellen. Frauen müssten besser sein als ihre Kollegen, sagt Jess Erickson.
Den Widerständen zum Trotz macht sich eine Generation junger technikbegeisterter Frauen auf den Weg in die männlich dominierte Netz- und Technikwelt. Sie wollen teilhaben, lassen sich nicht abwimmeln und verschaffen Frauen in der Netzwelt auch als Mentorinnen und Sprecherinnen bei Veranstaltungen mehr Präsenz.
Fünf Frauen – fünf Fragen
Jess Erickson berät Start-Ups, wie sie sich ins Gespräch und in die Medien bringen können, und hat Berlin Geekettes gegründet – ein Netzwerk für Gründerinnen aus der Tech- und Internetbranche. „Sei einfach du selbst“, sagt Jess Erickson.
Und hier die Audiodatei (englisch) mit dem Interview mit Jess Erickson
HTML, Ruby on Rails, Source Code: Als Mitgründerin von Rails Girls Berlin organisiert Anika Lindtner Programmierworkshops für Frauen – um die Männerdomäne IT zu sprengen.
Und hier die Audiodatei (deutsch) zum Interview mit Anika Lindtner
Die Managerin Caroline Drucker leitet Etsy Deutschland, eine eCommerce-Plattform für Selbstgemachtes und Vintage-Produkte.
Und hier die Audiodatei (englisch) zum Interview mit Caroline Drucker
Nicole Simon ist IT-Expertin und Social Media Beraterin – zum Themenbereich „Frauen und Netz“ sitzt sie bei Veranstaltungen auch oft auf dem Podium.
Und hier die Audiodatei (deutsch) zum Interview mit Nicole Simon
Joelle Katz ist ganz frisch in Berlin. Sie war Produktmanagerin in Washington D.C. und ist Expertin für Technik und Management von Software-Produkten.
Und hier die Audiodatei (englisch) zum Interview mit Joelle Katz
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Gastautorinnen:
Sonja Peteranderl hat Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation sowie Journalismus studiert und die Deutsche Journalistenschule absolviert. Sie berichtet für verschiedene Print- und Onlinemedien – oft über digitale Entwicklungen und Netzgeschehen, noch öfter aus dem Ausland, im Grenzgebiet von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Mehr: glocalreporting.com
Juliane Traeber studiert Kulturwissenschaften an der Fernuni Hagen. Loescht Fragezeichen im Kopf durch Forschen, Verstehen und Mitmachen. Nur Zuschauen gilt nicht – egal ob in der Kunst oder in der Politik.
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Sabine schreibt für die Mädchenmannschaft.
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Dieser Text entstand im Rahmen des mediaCamps 2012 des Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ). Er wurde veröffentlicht unter der Creative Common Lizenz CC-BY-ND 3.0.
„…wie die “Berlin Geekettes”, die “Girls on Web Society”, die “Femgeeks”, das “Girl Geek Dinner” oder die “Rails Girls Berlin”…“
Ich finde diese Namenswahl irgendwie bedenklich. Geht zumindest für mich schon wieder in eine Richtung, die das Geschlecht so sehr in den Vordergrund rückt, dass es das Erste ist, was auffällt. Damit werden die Frauen ja schon wieder in einer Art Sonderrolle gepackt und die ungleiche Betrachtungsweise der Geschlechter vorangetrieben…
Hallo!
An sich finde ich die Sache ja ganz gut – das Problem ist nur, dass diese ganzen Initiativen, die Aufgezählt werden, auch ein wenig das Vorurteil bestätigen, mit dem Ich immer häufiger zu Kämpfen habe:
Wenn Frauen sich für Informatik Interessieren, dann muss es „irgendwas mit Medien oder dem Internet“ sein, „Clicki-Bunti-Informatik“ oder eben „Medien-Informatik“.
Ich will das gar nicht schlecht reden – aber der „andere Teil“ der Informatik geht dabei unter… und (Technische) Informatikerinnen wie ich fühlen sich davon nun auch nicht unbedingt angesprochen.
Der Vollständigkeit halber: Es gibt auch noch ein paar ältere Netzwerke: /etc – Eclectic Tech Carnival, Genderchangers, old boys network, Faces . Nicht mehr alle aktiv, oder nicht ständig, aber durchaus wert, erwähnt zu werden.
@anne: Danke für Deinen Hinweis auf die älteren Netzwerke! Im Text wurde der Fokus auf die vielen neu gegründeten Netzwerke der vergangenen Jahre gelegt. Super wichtig, weil natürlich nicht alle gegründeten Netzwerke der letzten Jahre beim Punkt null loslegten u damit etwas genuin Neues schufen. Vieles war schon da.