Das Casting des Alpha-Männchens

…die Tour geht nun mal weiter und der Poison Frontmann sucht wieder seine Traumfrau. Die zweite Staffel von ‚Rock of Love‘ präsentiert zwanzig neue Damen, die auf Bret Michaels Herz hoffen. Die Frauen werden auf ihre Hingabe zu ihm und ihre Liebe zum Rock’n’Roll getestet. Bret macht es ihnen nicht leicht und wird sie vor einige Herausforderungen stellen. Die Damen, die diese mit Bravour bestehen, werden mit ihm wilde und exklusive Ausflüge machen, während die Verliererinnen, die nicht wie ein wahrer VIP im Backstage Bereich abhängen können, freundlich rausgeleitet werden.
(Zitiert von http://www.mtv.de/tv/shows/19946444)

Nun, was sagt man dazu? Bret Michaels ist also wieder solo und weil er letzteres aus irgendeinem Grund nicht auch mal länger bleiben kann, braucht es also wieder eine Frau. Diese Frau findet man aber nicht, indem man sie in der Bibliothek oder in der Kneipe auf gleicher Augenhöhe anspricht. Es muss schon eine kleine Auswahl an Kandidatinnen geben:

bret-mtv
(c) by MTV Networks Germany GmbH


Die Unterwürfigkeit, mit der sich die Kandidatinnen einen Platz im Herzen dieses wichtigen Mannes sichern wollen, ist Teil des Programms. Hier wird nicht gezeigt, wie eine Beziehung zwischen zwei gleichberechtigten Menschen entsteht, die sich kennenlernen und eine Bindung aufbauen – stattdessen ist eine fast schon prähistorische Variante des Speed-Datings zu sehen: das Männchen darf sich aus einer Schar von willenlos-unterwürfigen (gut aussehenden) Weibchen eines aussuchen (siehe Abbildung oben), wobei letztere stets bestrebt sind, die Gunst des Alphamännchens zu erlangen. So ähnlich lief das bestimmt auch mal bei den Neandertalern ab. Nun ist es fraglich, ob es im 21. Jahrhundert nicht bezeichnend ist, dass so eine Serie auf den Jugendsendern läuft. Was für Wertevorstellungen werden hier eigentlich zelebriert? Ist es das, was junge Menschen mitten in der Pubertät sehen sollten? In einer Entwicklungsphase, die mit einer Unsicherheit einhergeht, die uns alle einmal sehr anfällig für solche Einflüsse gemacht hat? Ich denke eher nicht. Alle diese Frauen in dem obigen Bild sehen super aus, sind schlank und sind bereit, für ihr Herzblatt alles zu tun und ihre Würde, sowie ihre eigenen Forderungen an die Beziehung an der Tür abzugeben. Selbstständigkeit und Souveränität sucht man hier vergebens – daher also optimale Vorbilder für die Jugend?! Warum bieten wir den jungen Mädchen unserer Gesellschaft ausgerechnet solche Rollenmodelle an? Das kann doch in keiner Weise erstrebenswert sein.

Auf der anderen Seite gilt das genau so: Warum sollten uns Männern während der Pubertät solche Idealvorstellungen von Frauen vorgeführt und gleichzeitig der Eindruck vermittelt werden, dass ein Mann selber nichts für die Beziehung tun muss? Sollen wir lieber Frauen begehren, die uns intellektuell nicht das Wasser reichen können und die ihr Aussehen zum Lebensinhalt erklären? Genau diese Wünsche haben sowieso schon genug von uns – sollten wir sie darin auch noch bestärken? Die meisten Männer, die ich kennen gelernt habe, beurteilen Frauen stets erstmal nach dem äußeren. Es ist nicht zu leugnen, dass dieser Tendenz durch die Botschaften im Fernsehen nicht gekontert wird. Das sollte es aber, denn welcher Mann würde denn gerne nur nach seinem Aussehen beurteilt werden?

Zwischen der schillernden, coolen Welt hinter der Mattscheibe, in der ausschließlich muskulöse Alphamännchen und attraktive, meist leicht bekleidete, Frauen vorkommen, und der Realität klafft eine Lücke die größer nicht sein könnte. Die wenigsten von uns sehen so aus wie diese Leute im Fernsehen; laufen wir hier nicht Gefahr, dass Jungs sowohl als auch Mädchen durch diese Darstellungen in den Medien nicht doch eine gewisse Erwartungshaltung entwickeln oder noch mehr verunsichert werden, als sie es ohnehin schon sind? Ist dieser Medien-Input für junge Menschen empfehlenswert, die gerade dabei sind zu lernen, wie Partnerschaften funktionieren und ihre eigene Meinung entwickeln? Zweifellos nicht. Es sind genau die Jugendlichen, welche am dringendsten Führung und Unterstützung im Leben brauchen, diejenigen, welche mit solchen Vorstellungen über Männer und Frauen zugeschüttet werden (siehe Abbildung oben). Diese jungen Menschen werden übermorgen erwachsen sein, und die Prinzipien vertreten, die sie sich in der Pubertät angeeignet haben. Dann ist ihre Meinung über Frauen und Männer weitgehend manifestiert – welche Meinung das sein wird, liegt in den Händen der Eltern und heutzutage leider auch in denen der Medien.

Man könnte nun einwenden, „dass man sich diese Sendungen schlichtweg und ergreifend nicht anzusehen braucht, wenn es einem nicht gefällt“. Genau das wäre die Lösung des Problems – die Einschaltquoten sprechen dagegen eine deutliche Sprache: diese Sendungen werden nach wie vor angeguckt und die Mehrzahl der Zuschauer findet Gefallen daran. Um es vorweg zu nehmen: Dieser Artikel geht davon aus, dass Medien tatsächlich auf unterbewusste Art und Weise gewisse Erwartungshaltungen in den Köpfen der Menschen erzeugen können. Das Ausmaß dieser Einflussnahme gilt es natürlich durch Studien zu untersuchen. Die Tatsache, dass es diesen Einfluss wirklich gibt, ist ja zumindest in der Wissenschaft seit längerer Zeit anerkannt. Wer das anders sieht wird natürlich alle hier aufgestellten Thesen ablehnen.

Ich persönlich glaube, dass es unerlässlich ist in einer Zeit, in der die meisten Ehen geschieden werden, den jungen Menschen realistische Vorstellungen von Beziehungen zu liefern, und keine Polygamie auf MTV oder klischeehaftes Gesülze in den Soaps auf RTL. Früher (d.h. vor 1950) haben die Ehen ohnehin nur gehalten, weil eine Scheidung entweder gar nicht möglich war oder Frauen ohne Mann keine Existenzberechtigung in der Gesellschaft erhalten haben. Heute ist das zum Glück anders: Wenn die Beziehungen halten sollen, kommt es nun plötzlich auf beide Partner an. Es gibt nur noch den konstruktiven Weg. Und gerade in dieser Zeit tragen viele Männer noch sehr bedenkliche und meist frauenverachtende Ansichten in sich, was das Miteinander in einer Beziehung nicht gerade erleichtert – wäre es daher nicht angebracht im Fernsehen souveräne und selbständige Frauen zu zeigen, deren Lebensinhalt nicht darin besteht irgendwelchen Typen den Hof zu machen (man denke dabei nur an diese Serie über die Playboy „Wohngemeinschaft“)? Das ist sicherlich eher etwas, was Jungs und Mädchen zu sehen bekommen sollten – souveräne Frauen und vernünftige Beziehungen. Das Fernsehen ist da bisher in vieler Hinsicht eher kontraproduktiv geblieben. Letzten Endes ist natürlich nicht ganz klar, wie stark dessen Einfluss wirklich ist. Darüber lässt sich, wie über so vieles, natürlich streiten.

Dennoch: Solange die Mehrheit von uns Männern unselbstständige und nicht souveräne Frauen als Idealpartner empfindet, wird der Feminismus noch lange zu kämpfen haben. Daher glaube ich, dass es umso wichtiger ist, gerade bei den Jugendlichen die oben dargelegten Rollenmodelle durch solche Sendungen nicht zusätzlich zu fördern. Gleichberechtigung kann nur in den Köpfen anfangen.

9 Kommentare zu „Das Casting des Alpha-Männchens

  1. „Das ist sicherlich eher etwas, was Jungs und Mädchen zu sehen bekommen sollten – souveräne Frauen und vernünftige Beziehungen.“

    „Ich persönlich glaube, dass es unerlässlich ist in einer Zeit, in der die meisten Ehen geschieden werden, den jungen Menschen vernünftige Vorstellungen von Beziehungen zu liefern, und keine Polygamie auf MTV oder klischeehaftes Gesülze in den Soaps auf RTL.“

    Ja, naja, dass glaubst du.
    Ich glaube jede_r sollte sich seine Beziehungsform wählen wie er möchte.
    Außerdem hat das Fernsehen den Anspruch einen Querschnitt durch die Bevölkerung zu zeigen und nur weil es einigen nicht ins Weltbild passt sollen Polygame (Polyamore, Bigame etc.) nicht darin auftreten?
    Um die heilige Institution der Ehe zu schützen?
    Nee, danke!

    Mal abgesehen davon sucht Bret Michaels EINE Frau (in Bus of Love btw auch noch). Teilt also deine Vorstellungen.

    Das die Damen (und Herren bspw. in „I Love New York“ nicht die Topvorbilder für junge Menschen sind unterstreiche ich sofort, aber das liegt nicht daran dass sie irgendwelche „unvernünftigen“ Beziehungsmodelle vorstellen.

  2. „stattdessen ist eine fast schon prähistorische Variante des Speed-Datings zu sehen: das Männchen darf sich aus einer Schar von willenlos-unterwürfigen (gut aussehenden) Weibchen eines aussuchen (siehe Abbildung oben), wobei letztere stets bestrebt sind, die Gunst des Alphamännchens zu erlangen. So ähnlich lief das bestimmt auch mal bei den Neandertalern ab.“

    Thomas, normalerweise ist es das Männchen welches um die Gunst des Weibchens zu werben hat, nicht nur in der Steinzeit, sondern auch heute.

    „Auf der anderen Seite gilt das genau so: Warum sollten uns Männern während der Pubertät solche Idealvorstellungen von Frauen vorgeführt und gleichzeitig der Eindruck vermittelt werden, dass ein Mann selber nichts für die Beziehung tun muss?“

    Mach dir da mal keine Sorgen, der normale Mann ist sich denk ich durchaus darüber im klaren darüber das Bret Michaels den Typ Mann verkörpert auf den nicht wenige Frauen unheimlich abfahren. Er ist der Inbegriff eines BadBoys, dazu Prominent, Reich, gut aussehend, Musiker, und die Damen kommen noch dazu ins Fernsehen und können sich darstellen (die meisten werden auch Selbstadarstellerinnen sein, genau wie er einer ist)…

    Wer als heranwachsender Junge glaubt das so das richtige Leben abläuft, der glaubt auch das Sex mit einer unbekannten Frau wie im Porno initiiert werden kann, und wird spätestens an seinem ersten Abend in der Dorfdisko auf den Boden der Tatsachen gebracht ;-)

    Und das dass Aussehen der Frau für den Mann bei der Partnerwahl der Hauptfaktor ist, war auch schon vor dem Medienzeitalter so, das kriegt man nicht aus den Männern raus (muss man auch nicht)…

  3. „Und das dass Aussehen der Frau für den Mann bei der Partnerwahl der Hauptfaktor ist, war auch schon vor dem Medienzeitalter so, das kriegt man nicht aus den Männern raus (muss man auch nicht)…“

    Als wenn das nur bei Männern so wäre…

  4. Thomas,

    Wer ist Bret Michael?

    jo, gibt’s natürlich auch anders herum im Fernsehen.

    http://www.prosieben.de/lifestyle_magazine/giulia-in-love/

    Muß man nicht gesehen haben, aber wenn man auf Basis des einen Einzelfalls verallgemeinern möchte, dann sollte man den Markt halt schon kennen. Paris Hilton hat auch schon mal versucht, eine beste Freundin per Casting zu finden.

    Pascal,

    „Thomas, normalerweise ist es das Männchen welches um die Gunst des Weibchens zu werben hat, nicht nur in der Steinzeit, sondern auch heute.“

    Ja, aber bem Menschen besteht halt bis zu einem gewissen Grad auch „mutual choice“. Auch Männchen diskriminieren beim Menschen, mit wem sie Sex haben. Vielleicht nicht so sehr wie Frauen, dazu gibt es ja auch schon eine Reihe von Threads, aber eben *auch*.

    „(die meisten werden auch Selbstadarstellerinnen sein, genau wie er einer ist)…“

    Ja, sicher, als ob’s bei so einer Sendung um was anderes ginge.

    Emily,

    „Als wenn das nur bei Männern so wäre…“

    Stimmt, aber die Dynamik scheint sich geschlechtlich zu unterscheiden. Männer haben eine visuelle Untergrenze, unter der gar nichts geht, die eine Frau auch nicht kompensieren kann, Frauen sind zwar scheinbar anspruchsvoller – wollen keine größeren Abstriche bei der visuellen homogamie machen (also eine Frau 8/10 wird tendenziell einen Mann nicht unter 7/10 attraktiv finden), aber sie scheinen bereiter zu sein, andere Dinge als „Ausgleich“ zu akzeptieren (Humor, Geld, etc.). Geld oder Humor können also z.B. eine männliche 5/10 auf das Level 7/10 bringen, während das Reichtum die Attraktivität einer weiblichen 2/10 kaum verbessern dürfte.

  5. naja, das ist halt ne reality-trash sendung in der selbstdarsteller vorgeführt werden. der typ ist abgehalftert und dumm wie brot, die frauen sind oft silikonbrüstige stripperinnen, ordinär gekleidet und überschminkt, die sich hemmungslosem zicken-terror hingeben.

    die darsteller haben hier weniger vorbildfunktion sondern sind „anders“. das publikum ist mehr oder weniger dazu aufgefordert sich abzugrenzen und sich über die protagonisten lustig zu machen.

    aber ja, du hast recht, es ist ein würdeloses spektakel (in vielen dimensionen)

  6. Da werden keine falschen Vorbilder geweckt. Vielmehr sind diese Sendungen (die es auch mit umgekehrtem Geschlecht gibt: I love New York – und mit beiden: Tila Tequila bla irgendwas) ein menschlicher Zoo, ein Kuriositätenkabinett. Die Zahl der Leute, die da anerkennend sitzen, ist sehr gering, es geht eher darum, mit dem Finger zu zeigen und zu lachen. Es ist m.W. die zweite Staffel Rock of Love, bei der eine Kandidatin auf die Treppe kackt, das sollte alles sagen. Da sind Kandidaten, die hoffen, berühmter zu werden und eine Karriere zu starten, und da sind mindestens grenzwertig alkoholkranke Kandidaten, da geht es darum, sich zu streiten und zu prügeln und anzuspucken, und wenn man sich besonders daneben benimmt, kann man vielleicht in Charm School noch mal ins Fernsehen.

    Da sind die Dating-Shows auf MTV kritischer zu sehen – zumindest, wenn es einem nicht um generelle Menschenwürde oder auch nur Produktionsansprüche geht.

    Oder man regt sich über Kinder-Schönheitswettbewerbe auf, die solche Fotos ergeben. Siehe auch lange Doku Little Dolls (youtube), wo eine Mutter ihre fünfjährige Tochter mit der Begründung triezt, dass sie ja erst vor einem Jahr und damit viel zu spät angefangen haben, für diese Wettbewerbe zu trainieren.

  7. ich hab beim lesen dieses artikel zweimal nach oben gescrollt, weil ich dachte, ich hätte vlt die zitierenden anführungszeichen übersehen :\
    finde den leider nämlich recht platt, morallastig, einsetig und uninformiert in seiner argumentation.
    das meiste wurde hier ja schon benannt.

    die EMMA befasst sich mit dem selben thema in der aktuellen ausgabe, den artikel fand ich auch nicht gut.

    das mit dem treppe-kacken war btw nicht in rock of love sondern flavor of love.

Kommentare sind geschlossen.

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