Wenn BerlinerInnen am vergangenen Wochenende auf dem CSD feierten, taten sie das aus guten Gründen. Denn sie haben tatsächlich eine Menge geschafft, während die Lage bei manch einem Nachbarn weniger erfreulich bleibt. Doch die vielen Erfolge dürfen auf keinen Fall darüber hinwegtäuschen, dass wir uns sozusagen nur in einer frühen Phase der Baustelle befinden.
Das Fundament aus formellen gesetzlichen Bestimmungen ist – bis auf einige wichtige Ausnahmen wie Steuergleichheit oder Kinderadoption – fertig. Die tragenden Strukturen unserer bunten Communities sehen auch ziemlich gut aus: Diverse Vereine und die unterschiedlichsten Szeneeinrichtungen artikulieren unsere Interessen und Stimmen oder geben uns die Möglichkeit, unsere unterschiedlichen Lebensprojekte auszuleben. Aber die Räume in unserem großen Haus haben immer noch den Aspekt des Rohbaus.
Die Heteronormativität der übrigen Gesellschaft und ein Rest an (latenter, tiefsitzender) Homophobie machen den Fortschritt schwierig. Doch nichts irritiert mehr als die eigene, verinnerlichte Homophobie oder Gender-Normativität, insbesondere dann, wenn sie als „natürlich“ und unproblematisch wahrgenommen wird. Im Zuge der Entpolitisierung weiter Teile der Bewegung in den 1980er und 1990er Jahren wurde auf die Hinterfragung vieler Elemente des alltäglichen Status-quo einfach verzichtet. Denn aus einer naiv-liberalen Perspektive darf eine unglaubliche Menge Vorurteile und Stereotypen als „spontane Präferenzen des Individuums“ gelten.
Ein genauerer Blick in die Community – ich beziehe mich jetzt auf die schwule, die ich am besten kenne – deckt tatsächlich auf, was die Kritiker des schwul-lesbischen Mainstreams seit Jahren beobachten: kleinbürgerlichen Rassismus, ein mangelhaftes soziales und politisches Bewusstsein und die Selbstgefälligkeit derjenigen, die sich selbst als „die Mitte der Gesellschaft“ sehen. Dabei scheint ein Spruch wie „Keine Asiaten, bitte“ schon salonfähig genug, um online in zahlreichen Dating- oder Socialising-Profilen aufzutauchen.
Noch viel verbreiteter ist aber die Devise „Bitte keine Tunten“, mit der Variante „Bitte nur echte Männer“. Und nein, es handelt sich nicht nur um sexuelle Vorlieben. Und das sind keine „schmutzigen Sachen“, die man nur unter den Anonymitätsbedingungen des Netzes zu sagen wagt. Im Gegenteil: Nicht wenige Berliner Schwule haben sehr wahrscheinlich auch im „realen“, Offline-Leben, ein Problem mit den „Tunten“, die sie in ihrem Alltag begegnen. Die möglichen Gründe für diesen brutal gendernormativen und homophoben Quatsch müssen selbstverständlich hinter dem naiv-idiotischen „Ich-mag-sie-einfach-nicht“-Diskurs gesucht werden. Sie haben viel mit der irrationalen Angst um die eigene Männlichkeit zu tun, mit dem gesellschaftlich erzeugten Anpassungsterror, mit den Ekelgefühlen vor dem Freak in den Anderen und letztendlich in sich selbst.
Solche Stereotypen und Ängste können und müssen wir zusammen überwinden. Deshalb gilt: Am CSD in Berlin nicht nur feiern, sondern auch demonstrieren. Tuntig und queer, versteht sich.
Es geht im einen Teil des Textes um Dating. Wo genau ist das Problem wenn jemand bestimmte körperliche Eigenschaften oder Charakter Merkmale von vornherein ausschließt? Der eine möchte einen Partner mit Bodybuilder-Statur, der andere genau das nicht. Der eine möchte einen großen nordischen Mann, der andere einen kleinen Asiaten.
Auf was man „steht“ oder eben nicht kann man sich nicht aussuchen.
Wenn man das im vornherein angibt erspart man dem anderen unter Umständen viel Aufwand.
Was anderes ist natürlich die generell Akzeptanz/Tolleranz von andersartigen Menschen. Aber auch da kann ich verstehen wenn jemand sagt: nein, das Charaktermerkmal/Verhalten passt mir nicht, ich möchte mit solchen Leuten lieber nichts zu tun haben. Geht mir so mit Zicken.
Ich habe keine im Freundeskreis, ich möchte keine und ich meide Orte wo sich solche Leute aufhalten.
Was nicht heißt das ich ihnen die Menschenrechte abstreite, Angst vor ihnen habe oder sie in irgend einer weiße im öffentlichen Leben benachteiligt sehen möchte.
http://www.derailingfordummies.com/#true
So gern ich das Blog hier lese, sobald ich einen Kommentar schreibe der nicht ganz zur Meinung des Autors passt komm ich mir verarscht vor. Ich glaub ich probiere es einfach nicht mehr, es endet jedes mal gleich, eine Diskussion meiner Argumente oder eine Erläuterung zum Beitrag findet nicht statt. Das ist wie wenn man gegen eine Wand rennt. Was das bringen soll? Ich weiß es nicht. Na gut, ist das Blog hier halt nur noch lese Quelle und ich rege mich still auf über Artikel die ich vermutlich nur nicht verstehe, die mir aber keiner erklären will. Schade, ich dachte die Zeiten der passiven Meinungsberieselung wären mit dem TV gestorben.
@Atrocity: Silviu schrieb
Dann schreibst Du quasi „aber das ist doch völlig unproblematisch“ und ein_e Kommentator_in weist Dich auf den Zirkelschluss hin und das ist dann Verarschung?
Es geht doch darum, dass bestimmte „Vorlieben“ eben nicht aus dem Nichts kommen. Sondern dass es dahinter verinnerlichte Vorurteile gibt, über die wir dringend reden müssen. Darüber hinweg zu sehen und dann über „Natürlichkeit“ reden zu wollen, ist eine völlig andere Diskussion. Eine, die es überall im Web und in der Gesellschaft gibt und die mit kritischer Auseinandersetzung nicht viel zu tun hat, dafür aber am Festhalten an Vorurteilen.
Verständnisfrage: Ich habe den Text so verstanden, dass manche Dating-Communities (also die Betreiber) keine „Tunten“ auf ihren Seiten wollen. Atrocity scheint ihn so verstanden zu haben, dass in einzelnen Profilen in den Communities darum gebeten wird, dass „Tunten“ erst gar keine Nachrichten an die betreffende Person (also die Benutzer) schicken sollen. Was ist zutreffend?
@atrocity
http://www.derailingfordummies.com/#educate
http://www.derailingfordummies.com/#agenda
http://www.derailingfordummies.com/#asbad
usw.
Ich bin weder Homophob (eher das Gegenteil, aber das hat hier nichts zu suchen) noch habe ich irgendwelche Vorurteile gegen Menschen bezüglich ihrer Herkunft oder ihrer körperlichen Merkmale.
Davon habe ich auch gar nicht geredet. Auch ohne Vorurteile kann man bestimmte Sachen einfach nicht mögen. Oder sprichst du den Menschen ab das man sich selber eine Meinung bilden kann was einem gefällt und was nicht? Wenn ich sag ich mag unpünktliche Menschen nicht, dann ist das kein Vorurteil. Wenn ich sag ich finde Asiaten unattraktiv (theoretisch, ist nicht der Fall) dann ist das halt so.
Ein Vorurteil wäre wenn ich sagen würde: „Ich will keinen Asiaten als Partner weil die alle Klugscheißer sind!“.
Die erwähnten Tunten z.B. sind Tunten weil sie sich tuntig verhalten. Wenn eine Frau ein solches Verhalten an den Tag legt würde ich sie genauso wenig als Freund in Betracht ziehen wie ein Mann. Ich sage aber nicht das ich etwas gegen Schwule oder Transsexuelle habe. Die sind nämlich mitnichten alle „tuntig“.
Ich hatte meine Ausführungen extra auf bestimmte Textpassagen bezogen damit mir so etwas nicht in den Mund gelegt wird wie es nun passiert.
Aber statt das zu erkennen wird mir vorgeworfen das ich meine Argumente mit meinen Argumente begründe…
Das ist einfach falsch und zeugt maximal davon das mein Text nicht richtig gelesen wurde. Und genau diese falschen Beschuldigungen sind es die mich stören und die jede Diskussion hier im Keim ersticken.
@Andi: richtig, ich ging davon aus das manche Menschen einfach keine Tunten als Partner wollen. Worin ich kein Problem sehe.
@Atrocity
Ich werde immer ein bisschen stutzig, wenn Menschen betonen müssen, wie diskriminierungs- und vorurteilsfrei sie unterwegs sind und dann eben solche Muster sprachlich und inhaltlich bedienen.
Du bagatellisierst und negierst mit deinen Aussagen reale Diskriminierungen gegen (rassifizierte) Tunten, Queers und Trans*. In ein Profil zu schreiben: Ich will keine Tunten ist einfach nicht dasselbe wie ich mag keine Menschen, die unpünktlich sind. Ersteres bezieht sich auf eine bestimmte soziale Gruppe (die du offenbar nicht weiter definieren kannst als mit dem Wort „tuntig“, was auch schon einiges aussagt), die von Diskriminierung betroffen ist, wie Silviu sie in seinem Text näher erklärt.
Von keine_r wird hier verlangt: „alles sollen alles mögen in der Partner_innenwahl“, sondern einfach die eigenen Vorurteile zu überdenken, wenn wir Dinge an potenziellen Partner_innen von vornherein ausschließen. Dass du Tunten nicht magst, weil sie „tuntig“ sind, weist eindeutig auf gewisse Vorurteile hin. Partner_innenwahl existiert nicht in luftleeren Räumen (wie Helga bereits ausführte). Zu sagen: „Ist doch nicht schlimm, wenn ich soziale Gruppen ausschließe, weil das und jenes nicht an ihnen mag“ ist einfach eine Zirkelschlussargumentation. Bitte keine Vergleiche mehr zu Hobbys, Charaktereigenschaften, etc.
Ich kann tuntig sehr wohl definieren. Ein geziertes, scheinbar zurückhaltendes, „hilfloses“, Verhalten bei gleichzeitiger Übertreibung der Sprache und Gesten. Dabei wird Sprache, Gesten, Verhalten und gelegentlich auch die Klamotten so übertrieben „weiblich“ (eben nicht, es handelt sich nur um das Klischee eines weiblichen Verhaltens) dargestellt das es, in meinen Augen, extrem anstrengend ist.
Das stört mich an jedem Menschen, ob nun Trans, Homo oder Hetero.
Und es ist mein gutes Recht Menschen mit solchen Charaktereigenschaften als potentiell Partner auszuschließen.
Tunte bezeichnet weder eine sexuelle Ausrichtung wie „Schwuler“ oder „Lesbe“ oder „Hete“, noch eine Sexuelle Identität oder gar eine Abstammung wie „Asiate“. Es bezeichnet eine Charakter Eigenschaft.
„Zu sagen: “Ist doch nicht schlimm, wenn ich soziale Gruppen ausschließe, weil das und jenes nicht an ihnen mag” ist einfach eine Zirkelschlussargumentation.“ (von Nadine)
Ich wollte mal auf eine Abendveranstaltung zum Thema „Feminismus“. Leider durfte ich nicht rein, weil generell keine Männer rein durften. Und zwar mit der mehr oder weniger offiziellen Begründung, dass diese dann sowieso ständig reinquatschen, alles besser wissen, laut werden und die Frauen somit unterdrücken und ihrer Stimme berauben.
Naja, dachte ich. So schnell wird man vorverureilt.
Aber trotzdem ist „Tunte“ abwertend und die Behauptung, dass eine Tunte kein richtiger Mann sein, falsch.
@Nansen
bitte schau dir mal das Konzept von Safe Spaces/geschützten Räumen (hier bezogen auf Geschlecht/Gender) an, bevor du hier mit Männerdiskriminierung um die Ecke kommst und meine Aussage verdrehst. Was das außerdem mit dem Beitrag zu tun hat, erschließt sich mir nicht. Die Netiquette hilft hier weiter.
Tunte ist in erster Linie eine Selbstbezeichnung eben dieser Gruppe, deren Mitglieder gern selbst darüber entscheiden möchten, welchem Geschlecht oder lieber gar keinem Geschlecht sie sich zugehörig fühlen.
„Was das außerdem mit dem Beitrag zu tun hat, erschließt sich mir nicht.“
Darum, dass es Menschen gibt, die einen eigenen, begrenzten (nicht generellen) Freiraum für sich und ihre Belange und Interessen haben wollen. Hier wird niemand gleich des Landes verwiesen oder eingesperrt. Es soll auch keiner mundtot gemacht oder „normalisiert“ werden.
„Tuntig“ nicht mögen, heißt die Eigenschaften, die man darunter steht, nicht zu mögen. Genauso wie man „männliche“ Eigenschaften auch nicht mögen und zum Zwecke eigener Interessen für einen kleinen Raum ausschließen darf. Ist nicht schön, aber verständlich.
Was die Netiquette angeht, so wollte ich hier weder spamen, noch irgendetwas schlecht reden oder absichtlich falsch verstehen. Aber danke für den Hinweis.
@raupe – danke vielmals !
lese ich immer wieder gerne
(und dieses „whut about the menz“ u.a. ist ebenfalls derailing)
Mir hat der Artikel gut gefallen. Auch das Butler-Erklär-Bär mit Schminke-Video dazu find ich klasse. Zur Diskussion:
@Atrocity: im Artikel steht ja, dass es sich bei der Vorverurteilung nicht um sexuelle Vorlieben handelt, sondern eine generelle Antipathie einer bestimmten Gruppe gegenüber ausgedrückt werden soll und damit Ausgrenzung stattfindet. Was nun allerdings dabei (und im Artikel) mit „Tunte“ gemeint sein soll, wird nicht richtig klar. Du hast es einfach mit „tuntig“ assoziiert, deine Argumentation mit diesem Missverständnis find ich nachvollziehbar und als persönliche Vorliebe ok. Aber sowas is nich ok, um Leute aus Foren rauszuhalten. Gemeint war damit was anderes. Ich vermute Crossdressing, Travestie, Trans-, Inter- usw., bzw. eben auch jede Eigenschaft, die man ausschlusswürdig findet. Und dass das absolut nicht ok ist, ist ja wieder klar. Oder?
Was ist denn *kleinbürgerlicher* Rassismus?
@Atrocity, 1. Beitrag:
Was das Problem bei Ausschlüssen a priori ist? Wenn sie zur Identitätsbildung beitragen.
Weil es einfach scheiße ist, wenn dich Typen erst in dem einen Dress sexy finden um dir dann zu sagen, dass sie keine Tunten mögen und es nicht raffen, das [ich] mehr als eine Art des Auftretens habe.
Bei reinen Sexdates mag das ja noch ok sein. Aber wenn das sich z.B. darauf hin auswirkt, dass fast nur noch (in meiner lokalen Umgebung) Veranstaltungen für „echte Männer“ beworben werden, dann fühlt sich das etwa so an wie als Single in einer Prolldisko zu sein, in der alle anderen die da sind nur paarweise in der Rollenkombination Poser-Bitch auftreten.
„Was nicht heißt…“ – Was heißt dass schon wieder?
@beitrag 12:51:
Danke dass du mir absprichst, ernsthaft gewalttätig sein zu können.
Tunte ist [für mich] ein Rollenmodell. Klar?
@Irene:
Ich glaube das meint solche Sachen wie z.B. die Griechenland-Staatshilfen auf die einzelnen Personen, welche zufällig das entsprechende Merkmal in ihrem Stammbaum haben, zu übertragen. Und dabei verkennen, das das eine ganz effektive Subvention des deutschen Exportmarktes ist.
Huh?!
Weil diskriminierung im persönlichen umfeld ein Menschenrecht darstellt! Ich darf mir meine freunde aussuchen und diesbezüglich alle menschen nach beliebigen, nur duch mich zu verantwortenden kriterien diskriminieren. Gerade das gegenteil davon wäre ja unmenschlich…?
Vielen Dank für diesen erhellenden Artikel. Ich kenn mich in nicht-hetero Szenen fast gar nicht aus. – Ich kann deine Enttäuschung über die Entpolitisierung gut nachvollziehen. Nicht dass ich einer lauten und dogmatischen Linken nachtrauern würde, da heg ich durchaus Sympathien für den klassischen Liberalismus und „alle nach ihrer Facon“, aber die Beschränkung auf das Private, meine kleine Karriere, mein trautes Heim, meine Kleinfamilie, mein Urlaub, meine Lieblingsmusik… das geht mir so was von auf den Sack. Aus dieser Perspektive gerät eine_r die Mitwelt zur Ressource in einer Verwertungslogik zur Steigerung des eigenen kleinen Lebensglücks. Dagegen wäre ja erstmal nichts einzuwenden, wenn wir das Lebensglück nicht daran messen würden, wie viel Karriere, wie viel trautes Heim und wie viel Kleinfamilie wir hinkriegen, weil das vor den andern so repräsentabel aussieht. Von hier aus kann ich das „Bitte keine Asiaten“ durchaus nachvollziehen. Es sieht dann eben nicht aus wie aus der Werbung, und dann ist’s ja irgendwie peinlich, so was Doofes auch… Ich wünsch uns allen wieder ein bisschen mehr Mut! : )
@Andi & TOHUWABOHU: Im Text habe ich nicht behauptet, dass Online-Communities versuchen, „Tunten“ auszuschließen. Das ist, soweit ich weiß, (noch) nicht der Fall – obwohl, wenn alles einfach nur eine Sache der individuellen Vorlieben wäre, wie Atrocity und Der Göttinger argumentieren, dann wäre auch ein formelles, explizites Ausschließen in Ordnung, oder?
Der Text bezieht sich jedenfalls nur auf (relativ viele) einzelne Community-Mitglieder, die mit Tunten bitte schön nichts zu tun haben wollen.
@Irene: Kleinbürgerlicher Rassismus ist, wenn man nicht direkt „Ausländer raus!“ sagt, sondern z.B. wie Sarrazin „argumentiert“.
@Atrocity: Lass uns bitte, bevor wir weiter diskutieren, einige Sachen klarstellen.
1. Der Text argumentiert keinesfalls aus einer staatspolitischen Perspektive. Ich möchte weder Herrn Sarrazin per Gesetz verpflichten, in ein Miethaus in Neukölln zu ziehen, noch den blonden Hans zwingen, mit Tunten Sex zu haben oder Kaffee zu trinken. Er darf sie weiterhin meiden, wenn er meint, seine Männlichkeit stehe auf dem Spiel. Rechtsstaatliche Bestimmungen bleiben bestehen, keine Sorgen.
2. Der Text übt klassische soziale Kritik. Es geht auch um einen Dating-Kontext, auch um Partner(innen)auswahl, auch um den Freundenkreis. Aber nicht nur. Es geht mir darum, angeblich spontane Vorlieben und Urteile zu hinterfragen, die m.E. gar nicht natürlich und unproblematisch sind, sondern, im Gegenteil, sozial erlernt, änderungsfähig und kritisierbar. Es geht also sowohl um Teile der öffentlichen, als auch um den Kern der Privatsphäre – Du hast recht. Nur: Das Private ist nicht weniger „politisch“ und hinterfragungswürdig als das Öffentliche. Dabei bleibt es jedem/jeder überlassen, ob er/sie bei der Hinterfragung mitmacht, oder eben nicht.
Und jetzt zur Sache, Schätzchen:
Du definierst sehr schön den Begriff von „tuntig“:
„Ich kann tuntig sehr wohl definieren. Ein geziertes, scheinbar zurückhaltendes, “hilfloses”, Verhalten bei gleichzeitiger Übertreibung der Sprache und Gesten. Dabei wird Sprache, Gesten, Verhalten und gelegentlich auch die Klamotten so übertrieben “weiblich” (eben nicht, es handelt sich nur um das Klischee eines weiblichen Verhaltens) dargestellt das es, in meinen Augen, extrem anstrengend ist.“
Du hast völlig recht: Alles Übertreibung, alles künstlich, nix Weibliches, sonder genau das Klischee vom Weiblichen. Anders gesagt: Wenn einigermaßen bewusst, ist das Tuntige eine performative Dekonstruktion beider angeblich natürlicher Genderrollen – siehe Video. Und ja, alles sehr anstrengend! So ist halt Kritik und Auseinandersetzung mit dem Ungewöhnlichen: unbequem und verdammt anstrengend.
Auch wenn Teile des Textes nicht ganz sauber ausgedrückt sind (so wie der Dating Teil), so kann ich doch den Kontext verstehen, ohne Teil der Szene zu sein. Warum Menschen eine breite Homophobie an den Tag legen? Weil sie Angst vor dem Neuen haben. Von solchen Argumenten wie „Ich mag sie einfach nicht“ würde ich mir schon gar nichts annehmen, wenn ich transsexuell wäre. Denn es sind keine Argumente. Solche Menschen kann man leider auch nicht mit Argumenten überzeugen, da sie einfach keine kennen und auch nicht annehmen. Es bleibt in weiten Teilen sie zu ignorieren und sich denen zuzuwenden die aufgeschlossener sind, als die schwarzen Schafe. Traurig, aber wahr.
@ Silviu: Sarrazin war ja Bundesbankvorstand, das ist kein Kleinbürgertum. Falls dieses Denken mal kleinbürgerlich war, zeigt ja gerade Sarrazin, dass das heute nicht mehr so ist.
Danke für den Text, Silviu.
Bei mir ist es so, dass ich
1) bisher tatsächlich ausschließlich mit weißen, „reichen“ (im Verhältnis), hetero (naja, oder bi, aber okay), nicht-behinderten, cis Männern was hatte. Einerseits, weil es sich nicht anders ergeben hat, andererseits vermutlich, weil ich drauf stehe.
2) mir aber dennoch dessen bewusst sein kann / bin, dass das diskriminierend ist. Dass ich eben so sozialisiert bin, und dass ich ein solches Schönheitsideal habe, das ist doch Teil der Diskriminierung, die ich von meinem Freundeskreis, von den Medien, von meinen Eltern, usw. gelernt habe. Das liegt z.B. auch daran, dass ich auf eine Schule gegangen bin, auf der kaum Menschen mit Migrationshintergrund und keine Menschen mit Behinderung waren.
Insofern gibt es doch weder einen Grund zu sagen: „Du bist absichtlich gemein und diskriminierend, wenn du bislang keinen Sex mit Trans* hattest, und da müsste man (am Ende gar gesetzlich, siehe „es ist mein gutes Recht“) was dran ändern“ (das hat hier auch meiner Meinung nach niemand gesagt, es wird nur rein-interpretiert), noch gibt es aber einen Grund zu sagen: „Das ist halt so und das ist bei mir ganz natürlich“ (so verstehe ich Atrocity).
Das, worauf wir stehen, ist meiner Meinung nach (und ich habe das Gefühl, dass viele hier diese Meinung teilen, kann mich aber auch irren) sozialisations-bedingt. Das aufzubrechen ist sicher schwierig. Aber sich dessen bewusst zu sein, sich darüber Gedanken zu machen, wenigstens zu versuchen, das eigene Schönheitsideal und das worauf man steht in Frage zu stellen, das wäre doch einen Versuch wert.
Und wenn man mit diesem Bewusstsein sein Dating-Profil erstellt, wird einer_m vielleicht auffallen, dass „bitte keine Tunten“ für manche Menschen eine Verletzung darstellt und Diskriminierung reproduziert, und dass es ebenso viele andere Kriterien gibt, die wichtiger sein könnten (bitte keine Nicht-Raucher_innen, bitte keine Sexist_innen, …).
So habe ich Silvius Argumentation auch verstanden.
„keine asiaten bitte“ hat für mich die dimension „keine männer bitte“ und beide sätze hätten in meinem profil auch keine unbewusste rassistische komponente, ich halte den artikel in teilen für eine überreaktion. die wahrscheinlichkeit liegt einfach bei 0,00000000000001%, dass in diesen gruppen jemand für mich interessant sein könnte. die liste kann ich auch noch um einige äußerlichkeiten, rollenmodelle, charaktereigenschaften, lebensumstände /-erfahrungen ergänzen. sollten die 0,00000000000001% eintreten – dann ist das halt so. trotzdem, grad bei einzelprofilen kann ich den pauschalverdacht rassismus nicht nachvollziehen.
Silviu zitiert und schreibt:
„“Ich kann tuntig sehr wohl definieren. Ein geziertes, scheinbar zurückhaltendes, “hilfloses”, Verhalten bei gleichzeitiger Übertreibung der Sprache und Gesten. Dabei wird Sprache, Gesten, Verhalten und gelegentlich auch die Klamotten so übertrieben “weiblich” (eben nicht, es handelt sich nur um das Klischee eines weiblichen Verhaltens) dargestellt das es, in meinen Augen, extrem anstrengend ist.”
Du hast völlig recht: Alles Übertreibung, alles künstlich, nix Weibliches, sonder genau das Klischee vom Weiblichen. Anders gesagt: Wenn einigermaßen bewusst, ist das Tuntige eine performative Dekonstruktion beider angeblich natürlicher Genderrollen – siehe Video. Und ja, alles sehr anstrengend! So ist halt Kritik und Auseinandersetzung mit dem Ungewöhnlichen: unbequem und verdammt anstrengend.“
Cool! So habe ich das noch nie betrachtet. Wo bei ich mir über Tunten und Tuntigkeit zugegebenermaßen noch nicht viele Gedanken gemacht habe. Aber wenn das so ist, bin ich ab jetzt absolut pro Tuntigkeit.
Britta (hetero, weiblich, erhebe Anspruch auf „männliche“ Verhaltensmuster)
@ Irene: Ich finde Sarrazins kulturellen Horizont total kleinbürgerlich. Thatcher war auch jahrelang britische Ministerpräsidentin. Damit änderte sich ihre Denkensart leider wenig :-)
@ Zoe: Du hast recht, das meinte ich auch.
@ alex: „die wahrscheinlichkeit liegt einfach bei 0,00000000000001%, dass in diesen gruppen jemand für mich interessant sein könnte“. Mein Text fragt doch eben, warum dies so ist. „Einfach so“ ist (für mich) keine Antwort.
Silviu, du hast echt die Ruhe weg, Hut ab! :-) Krass, was hier – und damit meine ich: in einigen Kommentaren – für harter Tobak ganz unbekümmert ausgebreitet wird… (Sorry, mir ist klar, dass dieser Kommentar inhaltlich nur mittelviel beiträgt, aber da im Grunde alles gesagt ist, wollte ich das einfach mal eben loswerden.)
@silviu
ok. also falls du schwul bist: warum stehst du auf männer?
falls du hetero bist: warum stehst du nicht auf männer?
falls du irgendwie weder das eine noch das andere bist, erwartest du wirklich ernsthaft, dass sich jetzt jeder, der sich in die eine oder andere richtung einordnen kann, fragt, warum bin ich nicht bi? bzw. fragst du dich das?
hast du schon mal bei so einem datingprofil hin geschrieben und nach dem grund gefragt, warum da einer schreibt „bitte keine asiaten“?
ich meine, wenn dich das so interessiert, dann kannst dich das ja fragen, aber mich stört diese verallgemeinerung. kann ja nicht anders sein als dass da wer rassist ist, natürlich unbewusst.. versteh mich nicht falsch, da wird sicher auch der eine oder andere dabei sein, der das ist, aber vielleicht kannst du mal schreiben, wo ich das finden kann, so ein profil? dann schreib ich den nämlich mal an und frag nach, weil mir fallen da noch andere gründe ein, warum jemand sowas schreiben könnt.
@Silviu:
1. Wie weit reicht deine Ansicht, dass Vorlieben erlernt bzw. anerzogen sind? Kann man deiner Ansicht nach auch homosexuelle Menschen „umerziehen“ zu heterosexuellen Menschen und umgekehrt? Ich denke, dass das nicht geht, denn der soziale Druck, der auf homosexuellen Menschen lastet, ist heute hoch und früher war er sicher noch höher, aber das hat diese Menschen nicht dazu gebracht, etwas anderes zu „lernen“. Obwohl einige sogar heterosexuelle Beziehungen, teilweise ehelich, eingegangen sind. Wenn du aber nicht der Ansicht bist, dass das geht, wo ziehst du die Grenze und warum?
2. Ganz egal, ob nun diese Vorlieben „einfach so“ vorhanden sind oder erlernt/anerzogen sind, frage ich mich auch, wo das Problem liegt. Jemand, der in einer Dating-Börse schreibt „Keine Asiaten“ muss ja Asiaten noch lange nicht im Alltagsleben diskriminieren (um bei dem Beispiel zu bleiben). Und ein Recht darauf, auf andere attraktiv zu wirken, gibt es nicht.
hey,
ich verstehe den Ansatz des Autors, einige Punkte decken sich mit meiner eigenen Einstellung und ich hab nun eine Frage oder eher einen Vorschlag um die Gedanken weitere Purzelbäume machen zu lassen:
noch eine kurze Anmerkung zu Anfang: ich selbst setze mich soweit es mir möglich ist, dafür ein etwas dagegen zu tun, dass unter anderem Ausdrücke wie „schwul“ ausserhalb des Kontextes benutzt werden.
Den Ausdruck „tuntig“ finde ich sowieso nichts sagend/ überflüssig und daher muss ich eher grinsen wenn Menschen ihn benutzten, da es nicht unbedingt von einem ausgeprägten Wortschatz zeugt.
Was mir jedoch aufgefallen ist (beim Hören den Podcasts die Deef Pirmasens mit Nadine und Paula gemacht hat), ist, dass beide Frauen entgegen ihrer Zielsetzung sich gegen derartigen Sprachgebrauch einzusetzen, den Ausdruck „Kampflesbe“ mehr als einmal benutzen.
Ich will nun weder Unruhe stiften, noch jemanden beleidigen. Es hat mich nur gewundert und ich habe jetzt einige Tage darüber nachgedacht.
Ich erlaube mir nun mal anzunehmen, das beide diesen Ausdruck, der in seinem Wertungsgrad dem Ausdruck „tuntig“ nahekommt, benutzt haben, um ein Klischee zu beschreiben in das sich verschiedene Menschen selbst gern einbetten. Also gewollt in die Schublade reinspringen.
(Gleiches gilt ja auch für das Adjektiv „machohaft“, das in die gleiche Bezeichnungskategorie gehört, auch als Schimpfwort benutzt werden kann und dessen sich trotzdem auch viele Menschen bedienen, also in dem Sinne, dass sie das damit verbundene Verhalten gerne und gewollt ausleben)
Mein eigentlicher Vorschlag wäre nun, darüber zu diskutieren, warum Menschen gerne selbst in dieser Schublade verweilen.
Warum kommt es einem oft in der Szene/in Clubs so vor als sähen alle gleich aus? Wie und warum hat sich die Bezeichnung „Tunte“/“Kampflesbe“ entwickelt?
Warum kommt es quasi zu einer Uniformierung?
Ich weiß, dass dieses Phenomen sich genauso bei Heterosexuellen widerspiegelt, aber mich interessiert im Moment dieses Verhalten bei Homosexuellen.
Daher ist auch kein Vorwurf, keine Schuldzuweisung, sondern eine ehrlich gemeinte Frage…