„Asexualität scheint nicht zu existieren“: Weder Trauma noch fehlt der*die Richtig*e im Bett

Unsere Gastautorin Theresia lebt und arbeitet in Berlin und versucht heteronormative Diskurse zu durchbrechen. Sie arbeitet ehrenamtlich für das alternative und unabhängige Magazin „Kontext TV“ und schreibt meistens teils-fiktive Kurzprosa auf zitterart.wordpress.com.

Eigentlich schreibe ich keine Blogposts über privat-politische Themen. Ich diskutiere darüber verbal, aber halte mir somit auch ein Hintertürchen offen, denn Meinungsänderung durch Überzeugung seitens Dritter ist einfacher, wenn es nicht irgendwo schwarz auf weiß steht. Und ja, ich habe manchmal Angst vor der Kritik, schriftlich, ausformuliert, weil mir oft die Kraft ausgeht, auf halber Strecke sozusagen. Aber ich versuche es jetzt dennoch, weil ein mir wichtiges Thema oft im gesellschaftlichen Diskurs egal welcher „Art“ keine Beachtung findet.

Asexualität wird nicht totgeschwiegen, sondern scheint einfach nicht zu existieren. In den Köpfen der meisten Menschen geht es um sexuelles Begehren. Es wird an allen Ecken über Hetero-, Bi-, Homosexualität und Queer gesprochen, geschrieben, positiv sowie negativ reagiert, aber Asexualität? Mmh. Nö. Is‘ nich‘. Wenn überhaupt, wird Asexualität oft pathologisiert und abgesprochen. Sie wird mit Unlust, Prüderie, einfach „noch nicht die*den Richtige*n im Bett gehabt“ oder gar Traumata gleichgesetzt.

Unsere Zeit ist übersexualisiert. Kommerzialisierter, pornifizierter Sex begegnet uns überall und ständig. Sexuelles Begehren wird überall produziert, wir definieren uns darüber, sprechen darüber, schreiben darüber, definieren uns darüber. Fakt ist, wir sind eigentlich sexuelle Wesen. Darüber reproduzieren wir uns. Punkt. Das muss nicht weiter erklärt werden. Fakt ist auch, dass viele Menschen keinen Spaß am Sex haben. Nicht so richtig. Warum auch immer.
Fakt ist ebenfalls, dass „Sex“ überall ist, überall und ständig und immer werden wir dem ausgesetzt. Also scheint es normal zu sein. Nein, es ist die Norm.

Ich hatte mit 17/18 Jahren mein Coming-out als bisexuell. Das war schon nicht lustig und die Kommentare, Bemerkungen, Reaktionen möchte und muss ich glaube ich hier nicht wiedergeben. Dann begann ich mit Anfang 20 anzufangen über (mögliche?) Asexualität nachzudenken, einige Jahre später mit Freund*innen darüber zu sprechen. Zunächst mit Menschen, deren sexuelle Offenheit mir bekannt war. Menschen, die mich kennen, denen ich vertraue.

Trotzdem tat es manchmal weh. Es tat genauso weh, als ich mit mir nicht so gut bekannten Menschen sprach. Überrascht hat es mich nicht, ich war nur von der Kreativität einiger Aussagen überrascht, die es UNBEDINGT erklären wollen. Es KANN JA NICHT SEIN, dass mensch kein sexuelles Verlangen habe. Keine Lust. Die Frage, ob mir in meiner Kindheit irgendetwas beinahe Unaussprechliches zugestoßen sei, das sah ich in den Blicken einiger und musste es von vornherein entkräften.Es wurden auch Verbindungen zwischen meiner Ernährungsform (die zwischen Vegetarismus und Veganismus abwechselt) gezogen. Fleischeslust wieder aufgerollt (Anm. d. Red.: im Buch „The sexual politics of meat“ von Carol J. Adams wird dieser Mensch-Tier-Zusammenhang in kulturellen Diskursen ebenfalls thematisiert etwa das Fleischessen als Männlichkeitsmarker).

Menschen wird es abgesprochen asexuell zu sein, wenn sie Sex haben, wenn sie Körperlichkeiten egal welcher Form mit Anderen teilen. Ja, wenn sie das Bedürfnis haben, Menschen nah zu sein. Woher kommt das? Warum darf immer alles nur eine Form haben? Asexuell = kein Mensch kommt dir körperlich nah. Nicht asexuell = Sex, Zärtlichkeiten. Aber dazwischen gibt es nichts? Gibt es wohl. Denn es gibt tausend Gründe und „Abstufungen“ menschlicher Wünsche. Einfach der Wunsch morgens nicht immer allein aufzuwachen. Der Wunsch im Arm gehalten, gestreichelt zu werden. Küsse genießen zu können, Zärtlichkeit im Rahmen der eigenen Komfortzone (comfort zone).

Es gibt jedoch ein großes Problem, dem wohl nicht nur ich immer wieder gegenüber stehe. Nämlich Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht begehre. Die mir zwar nicht wehtun und in mir auch keinen Ekel auslösen, aber die sich dennoch nicht richtig anfühlen. Nämlich die Frage, wie kann ein asexueller Mensch eine ernsthafte exklusive romantische monogame Zweierbeziehung (falls erwünscht) eingehen, wenn der Mensch, zu dem diese Hingezogenheit existiert, durchaus sexuelles Verlangen hat, also „sexually driven“ ist? Die Angst, dass dieser Mensch eine*n verlässt, sobald die Situation erklärt wird. Unverständnis auftaucht. Und was wäre, wenn es gar nicht so ist? Wenn die Asexualität genauso unstatisch ist, wie vieles im Leben? Sie sich ändern könnte? Immer wieder aufkeimende Fragen, ob das Selbst vielleicht doch eher krank ist, oder komisch, oder eigenartig ist, oder ob es Gründe gibt.

„Willst du es ändern?“ Gute Frage. Ständig gestellte Frage. Eine Frage, die jede asexuelle Person für sich entscheiden kann oder eben nicht. Die Anmaßung anderer Menschen, über den Grad der Asexualität zu entscheiden, sie zu entkräften, weil das gelebte und gesprochene nicht in die Schublade der Person passen scheint, sie sich in „Neoprenanzüge zwängt“ um ja niemanden an sich heranzulassen, sie sind fehl am Platz. Es gibt ein großartiges Netzwerk namens „AVEN“, die auf ihrer Homepage die beste Formulierung gefunden haben (ich möchte es bewusst nicht Definition nennen):

„Asexualität ist, wie alle Orientierungen im Leben (und dazu gehört insbesondere auch die sexuelle Identität), nur eine persönliche Kategorie. Man ist also asexuell, wenn man sich selbst so sieht.
Es gibt keine feste Anzahl an Kriterien, die einen als asexuell oder nicht bzw. nicht mehr asexuell festlegen können und kein Prüfungsverfahren welches bestimmt, ob man als asexuell gelten darf.
Wie bei allen sexuellen Orientierungen, ist auch Asexualität ein Begriff, der immer im Kontext des Lebens eines Menschen eingeordnet werden muss.
Wer also glaubt, dass der Begriff “asexuell” hilfreich ist, um über sich selbst nachzudenken und andere Menschen über sich aufklären zu können, darf den Begriff nach eigenem ermessen verwenden.
Nichtsdestoweniger gibt es bestimmte Trends zwischen denjenigen, die sich als asexuell identifizieren. Obwohl diese Trends keineswegs diktieren, wer sich als asexuell identifizieren kann oder wer nicht, umreißen sie allgemein das Erleben der meisten Menschen in asexuellen Gemeinden (einschließlich AVEN). Manche Menschen erleben Asexualität anders als andere. Obwohl es unmöglich ist, die ganze Vielfalt von asexuellen Erfahrungen zu beschreiben, kann vieles in Bezug auf drei Faktoren betrachtet werden:“ Anziehung, Erregung und Beziehungen.
(weiterlesen hier )

Zwar gibt es Wikipedia Artikel und es finden sich auch Abhandlungen darüber, aber es wird oft nicht mitgedacht. Ich selbst habe es nur selten erlebt, dass aus LGBT*Q ein LGBAT*Q wurde. Und überhaupt frage ich mich, ob asexuelle Menschen zur queeren Szene gehören? Eine Frage, die ich alleine (selbstredend) nicht beantworten kann.

Die augenöffnenste Auseinandersetzung und Portraitierung damit bot für mich der Film „(A)sexual“ der großartigen Angela Tucker. Diesen Film möchte ich jeder*m empfehlen, die*der sich weiter damit auseinandersetzen will, verstehen und nicht verurteilen.

14 Kommentare zu „„Asexualität scheint nicht zu existieren“: Weder Trauma noch fehlt der*die Richtig*e im Bett

  1. Ein sehr guter und sehr wichtiger Artikel! Ich kann mich
    darin wiederfinden. Ja, warum kommt sie nicht vor, die
    Asexualität, auch hier kaum? Die Frage hängt untrennbar
    zusammen mit der Übersexualisierung der Gesellschaft
    und der medialen Omnipräsenz des „Sexuellen“.
    Hinzu kommt, dass „Sex“ in welcher Form auch immer
    ein Mittel und ein Vehikel zur monetären „Wertschöpfung“
    geworden ist: Sex sells. Er trägt die Werbung, er verkauft,
    bringt Umsatz, zieht an. Daher gibt es in der konsumorientierten
    Gesellschaft erst recht keinen Platz für Asexualität.
    Eine Trendwende ist nur durch politischen Umbruch zu erreichen;
    wenn der Konsumwahn endet, könnten sich Freiräume auftun,
    in denen auch ein asexuel orientierter Mensch frei sein kann…
    könnten!

  2. Hi :-)

    Ich find den Artikel spitze und ich finde es schlimm und scheiße, welche Antworten du dafür bekommen hast! Aber ich kenne solche Dinge. Bei mir geht eher um, Studis sind faul, gehe mal arbeiten. Ist zwar ein anderes Thema, aber frau wird eben nicht akzeptiert und respektiert!
    Ich würde durchaus fast soweit gehen, dass fast ales konstruiert ist auf dieser Welt. Und ja, alles ist sexualisiert. Das Ganze galt ja auch mal als Befreiung und die war sicherlich auch richtig und wichtig, aber nunja, Sex wird neben Süßigkeiten eben auch einfach vermarketet als etwas, dass dir gut tut und natürlich ist. Es gibt keinen Film mehr ohne Sexszene… ganz ehrlich, wenn ich Schauspierlin wäre würde ich sagen, dass ich diese Nähe nicht spielen will, wahrscheinlich würde ich dannals prüde und konservativ gelten, aber ich will immerhin bestimmen, was wer, wie wann, wo!
    Tolles Thema, toller Text! :-)

  3. Danke erstmal für den Artikel! Ich empfinde das Geschriebene als sehr reflektiert.

    Mir fallen da gleich zwei weitere (gesellschafts)-Normen ins Auge, die ich in diesem Zusammenhang diskutierenswert finde, und die ja auch im Artikel auftauchen:

    1. monogame Beziehungen, meist zwischen zwei Menschen

    2. Definition „Sexualität“; und: fällt da – und wenn ja, wie – „Zärtlichkeit im Rahmen der eigenen Komfortzone (comfort zone)“ bereits drunter? Vor allem in der eigenen Definition des Individuums?

    Mir begegnet oft, das gerade (2) und (1) in unserer Gesellschaft fast untrennbar verknüpft sind, zumindest wenn im Falle von (2) eine für mich nur diffus greifbare und jeweils sehr individuelle Grenze zwischen „Freundschaftlich zärtlich“ und „Beziehung zärtlich“ überschritten wird. Diese Grenze scheint für das jeweilige Individuum dann je nach Orientierung des Gegenübers in der Situation (möglicher Sexualpartner_in oder eben nicht) auch noch mal ganz unterschiedlich zu verlaufen.

    Was ja auch logisch ist – zumal sich jede_r ja mit einem Wust von Gesellschaftlichen Normen und Zwängen konfrontiert sieht, sobald sich schon nur zwei Hände berühren.

    Ich kenne auch den Wunsch nach einer Zärtlichkeit, die für mich persönlich definitiv noch nichts mit Sex zu tun hat, dennoch aber über den alltäglichen Umgang hinausgeht, logisch hinausgehen muss, weil sie nur mit wenigen Menschen stattfinden kann und soll – also selektiv ist und damit als Umgangsform nicht verallgemeinerbar.

    Schwierig schwierig.

    Ich selbst kann für mich gerade gar nicht klar ausmachen, wo (A)sexuell anfängt und zärtlich aufhört. Auch wenn’s da bestimmt wissenschaftliche Definitionen (Normen…) gibt.

    Ich finde aber wertvoll, über LGB>A<T*Q weiter nachzudenken.

  4. Eine grobe Definition ist „sich von niemandem sexuell angezogen führen“. Verhalten an sich hat darauf keinen Einfluss.

    Ich höre oft, dass Asexuelle, die nicht cis oder heteroromantisch (oder, je nachdem, wen man fragt, aromantisch) sind, durchaus dazu gehören. Aber die Meinungen gehen auseinander.

  5. Vielen Dank für diesen Artikel! Ich versuche selbst seit kurzer Zeit „meine“ Sexualität mit mir auszuhandeln und vieles was hier angesprochen wird gehört genau zu den Dingen die mich darin behindern.

    Vor allem, weil ich nie das Gefühl hatte, dass etwas mit mir nicht stimmt. Nur komme ich jetzt langsam in ein Alter in dem ich meinem Umfeld nicht mehr so leicht ignorieren kann. Mit Mitte 20 noch nie „einen Freund“ gehabt zu haben, kann ich leider nicht mehr damit übertünchen, dass ich „besseres zu tun hätte“ oder „besseres finden könnte“ – denn auch wenn es traurig ist, aber „der Richtige“ war bisher immer meine faule Ausrede, bzw. die meines Umfeldes (ich selbst weiß schließlich genau, dass es den nicht gibt).

    Für mich ist die Normalität mit der Sex in jede Pore des Alltags sickert vor allem deshalb so nervend, weil ich nunmal durchaus einen Trieb habe den ich auch auslebe. Nur eben nicht mit anderen. Vorstellen könnte ich es mir schon – mit ein wenig Fingerspitzengefühl. Aber in der Praxis geht es einfach immer schief, weil bei jeglicher Anbahnung von (platonischem) Interesse immer der Elefant „Sex“ in den Laden zu trampeln scheint. Es ist die Anziehung die ich nicht nachvollziehen kann. Allein das zu begreifen hat Jahre gedauert. Ich musste erstmal lernen, dass das Gefühl von Scham und leichter Aversion beim Anblick eines gutaussehenden Körpers, kein prüderisches Verlangen ist. Es ist nur genau das was es ist: Aversion gegen den Gedanken, dass ich mich dazu hingezogen fühlen „sollte“. Aversion dagegen, dass diese Anziehung letztendlich auf das eine hinauslaufen „sollte“.

    Auch die Normativität mit der Sex behandelt wird hat zu Situationen beigetragen auf die ich im Rückblick gerne verzichtet hätte – aber irgendwann beginnt man sich dann doch selbst in Frage zu stellen. Ganz nach dem Motto: „Vielleicht muss ich es einfach mal versuchen“. Gäbe es wenigstens ein Bewusstsein für die Existenz von Asexualität, es wäre so vieles einfacher.

  6. Danke für den Artikel!
    ich möchte noch was zum Thema “Asexualität = kein Menschkommt dir körperlich zu nah“ sagen. liegt da nicht das eigentliche Problem beim Verständnisvon Sexualität? wenn man Sexualität nämlich (wie bei Rosenberg) als Strategie zurErfüllung des Bedürfnisses “soziale Nähe“ versteht, dann ist es doch Schnuppe, welche Strategie ich wähle, oder?

  7. badbaal,

    richtig, es geht um Verständnis. Deswegen wollte ich diesen Artikel auch so gern schreiben, weil es oft nicht verstanden wird/ werden will.

    Ich meine es nicht so, dass da irgendwas als Statut oder Dogma steht, sondern eben, dass es diese Definition eigentlich nicht gibt, sie sitzt nur fest in (manchen) Köpfen. Und der Wunsch, auch auf psychologischer Seite, etwas abzusprechen, schein verbreitet.

    Ob es eine „gewählte Strategie“ ist, oder nicht, weiß ich nicht, dass liegt im eigenen Ermessen.

  8. Endlich mal Asexualität bei der Mädchenmannschaft! Super, weiter so.
    Bitte lauft aber nicht Gefahr, Asexualität als eine Art Antwort auf eine „übersexualisierte“Gesellschaft oder eine Strategie gegenüber heteronormativer, machtdurchsetzter Vorstellungen von Sex zu propagieren. Die Minimaldefinition ist tatsächlich, keine oder wenig sexuelle Anziehung bzw. Wunsch nach sexueller Interaktion. Darin steckt keine Bewertung von Sex insgesamt und eigentlich auch noch kein heteronormatives Hinterfragen, wenngleich das u.U. näher liegt als anderswo.
    Kompliment auch für die Erwähnung des deutschen Aven-Netzwerkes. Ich kann mich der (unausgesprochenen) Einladung nur anschließen!

  9. Yay, toller Artikel! Danke!
    Ich beschäftige mich selbst seit etwa 3 Jahren mit Asexualität und Aromantik, vor allen Dingen in queer_feministischen Kontexten. Ich werde regelmässig zu Vorträgen eingeladen und war ziemlich überrascht davon, wie viele das Thema interessiert. Hier gibt es viele weiterführende Infos zum Thema Asexualität: asexyqueer.blogsport.de

  10. Vielen Dank für diesen Artikel. Das ist etwas was mir auf der Seele brennt udn ich auch niemandem anvertraue: ich lebe seit Jahren ohne Sex und rede mit absolut niemandem darüber, weil ich einfach das Gefühl habe mit mir stimmt etwas überhaupt nicht. Ich bin eigentlich auch nicht uninteresiert an Sex und sehe mich als sehr sinnnliche Person, aber das Gefühl, ich müsste doch Sex haben und Sexualpraktiken beherrschen, auf die ich gar keine Lust habe, weil das doch alle machen, das löscht mir einfach total ab. Der Druck und die Scham sind so gross, dass ich gar nicht mehr in der Lage bin, mir bewusst zu werden, ob ich nun wirklich keine Lust habe oder auf was oder wen ich Lust haben könnte. Ich weiss nicht mal mehr, ob das nicht asexuell sein dürfen mich asexuell gemacht hat. Es tut gut mir zu mindest vorstellen zu können, dass kein Sex zu haben einfach eine Wahl sein könnte und erlaubt sein und nicht bedeutet, dass ich total gestört bin.

  11. sehr spannend!
    in meiner arbeit mit jugendlichen zu sex. identitäten spreche ich häufiger über die existenz von asexualität. interessanterweise können jugendliche da viel mehr mit anfangen, als die meisten erwachsenen, weil die meisten sich eben noch auf der grenze zwischen beziehungen mit und beziehungen ohne sexuelle komponente befinden (beziehung darf hier nicht mit partnerschaft übersetzt werden, ich meine alle formen von beziehung).
    die tatsache, das sexuelles und/oder romantisches interesse an anderen menschen unterschiedlich stark/schwach ausfallen kann oder evtl. völlig fehlt, ist für jüngere menschen vollkommen verständlich. und je nachdem wie es vermittelt wird bestimmt auch für erwachsene. ich meine jede_r kennt doch das szenario, ich lerne eine person kennen die ich toll finde und habe keinerlei sexuelles interesse an ihr. und das ist doch leicht übertragbar auf die tatsache, dass es bei manchen menschen immer oder meist so ist. sehr platt jetzt aber doch hoffentlich nachvollziehbar was ich meine.
    das eine monogame beziehung zwischen menschen mit unterschiedlichen (sexuellen) bedürfnissen (also asexuell/sexuell – oder zumindest an unterschiedlichen punkten auf dem spektrum) nur schwer bis gar nicht funktionieren kann, finde ich völlig schlüssig. eine person muss ihr bedürfnis zurückstellen, egal wie mensch es dreht und in diesem fall gibt es nur faule kompromisse.

    ich glaube, dass das hauptproblem aber nicht die übersexualisierte welt ist, sondern die frage nach beziehungshierarchien. hauptbeziehung ist immer die, die auch sexuell ist. alles andere sind nebenbeziehungen. eine nicht-sexuelle (im heteronormativen kontext bzw früher/immer schon) nicht-reproduktive beziehung ist eine freundschaft, die neben der hauptbeziehung zurückstecken muss.

    wenn wir eine offenere, wertungsfreiere sicht auf beziehungen hätten und aufhören sexualität und reproduktivität zu deren hauptbestandteil zu machen, wäre schon mal ne menge gewonnen.

    ich selber bin übrigens nicht asexuell, führe dennoch aber auch asexuelle, sehr intensive, partnerschaftliche beziehungen, die wohl von außen eher als freundschaften gewertet werden. die tatsache, dass ich mich aber auch ohne sexuelles interesse verlieben kann, begeisterung und eifersucht empfinden kann bleibt.

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