Nach öffentlichkeitswirksamen Diskussion über den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch (StGB), der die Verbreitung von Informationen über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen reglementiert und damit Einfallstor für die gezielte Denunziation von Ärzt_innen ist, hat das Bundesjustizministerium nun einen Reformvorschlag vorgelegt. In der großen Koalition zeigt man sich selbstzufrieden mit dem „Kompromiss“, der endlich Rechtssicherheit für Ärzt_innen herstelle. Barbara Vorsamer schreibt dazu in der SZ: „Ja, die [Rechtssicherheit] herrscht jetzt – mit Sicherheit ist das Informieren über Abtreibungen künftig illegal. Die selbsternannten Lebensschützer haben sich durchgesetzt und die alte Erzählung von der Frau, die sich nicht selbständig informieren und eigenverantwortlich für oder gegen Medikamente und medizinische Eingriffe entscheiden kann, wird weitergeschrieben.“
Auch die Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes Prof. Dr. Maria Wersig kritisiert die Regelung und kommt zum eindeutigen Schluss: „Wir plädieren weiterhin dafür, Paragraf 219a zu streichen.“
Auch wir bei der Mädchenmannschaft plädieren dafür. Aber vor allem muss das Kernproblem endlich beseitigt werden, und das ist nach wie vor der § 218 StGB. Der desaströse Eiertanz um Werbung vs. Information wäre hinfällig, wenn Abtreibung in Deutschland nicht wieder illegal (!) wäre. Dass politische und juristische Ressourcen und weitere Expertise damit verballert wurden, hier aufwändig „Werbung“ und „Information“ auseinander zu klamüsern, ist die reine Nebelkerze und die Verurteilungen zu Strafzahlungen von tausenden von Euros wegen Verstoß gegen § 219 sind ein Skandal. Selbst WENN es tatsächlich so kompliziert wäre, Sachinformationen von Werbung zu unterscheiden: Im neoliberalen Kapitalismus wird für weitaus schlimmere und auch gefährlichere Sachen Werbung gemacht. Plus: Medizinische Produkte und Eingriffe wie zum Beispiel sog. Schönheitsoperationen werden ebenfalls beworben. Das gesamte Gesundheitswesen wird auch in Deutschland immer krasser kommerzialisiert. Warum also keine Abtreibungswerbung? I honestly couldn’t care less.
Abtreibung gehört legalisiert. Nicht nur wischiwaschi unter bestimmten Bedingungen „straffrei“ gestellt. Es wird nachweislich immer schwieriger, Mediziner_innen zu finden die den Abbruch vornehmen. Das bedeutet: die nicht nur bereit dazu sind, sondern ihn auch fachlich beherrschen, denn in der medizinischen Ausbildung ist er kein Thema. In ländlichen Regionen, aber auch in Städten wird es immer enger: Wie die taz schreibt, ist die Zahl der Einrichtungen, die laut Statistischem Bundesamt Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, in den vergangenen 15 Jahren um mehr als 40 Prozent gesunken. Das ist ein großes Problem, v.a. für Menschen die weniger Zugänge zu Informationsquellen, Unterstützung oder Mobilität (inkl. Begleitung, weil man sonst nach einer Narkose nicht weggelassen wird) haben. Anders als ein Gesetz, dass man erst mal ändern muss, kann die Praxis der Straffreiheit quasi über Nacht abgeschafft werden – eine Perspektive, die angesichts der politischen Entwicklungen aka Rechtsruck nicht sonderlich unwahrscheinlich erscheint. Der jetzige 219a-Kompromiss zeigt auch nicht gerade in Richtung Liberalisierung.
Abtreibung gehört legalisiert ohne wenn und aber. Egal ob die Entscheidung zum Abbruch die schwangere Person in tiefe Konflikte gestürzt oder sie lediglich ein müdes Arschrunzeln gekostet hat. Egal welche Gefühle das in mir selbst auslöst. Not my body, not my business. Der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen und entsprechender Information ist ein ganz wichtiger Teil von Gesundheitsvorsorge und -leistungen und muss als solches jederzeit und für alle Menschen sicher gestellt sein. Wer „pro life“ ist, ist pro choice. Ansonsten ist der Slogan die geheuchelte Fundi-Scheiße, als die man ihn leider kennt.
Der § 219a gehört abgeschafft – und der § 218 gleich mit. So schnell wie möglich. Und dabei bitte nicht vergessen, dass feministische Kämpfe um reproduktive Rechte nicht nur Verhütung und Abtreibung in den Blick nehmen müssen, sondern auch das Recht und die Möglichkeit, mit Kindern und als Familie zu leben – Rechte, die auch im Jahre 2019 in Deutschland vielen Menschen vorenthalten bleiben.