Das Morden hört nicht auf. Wie der Guardian berichtet, ist in Kahta, einer Kleinstadt im Süd-Osten der Türkei, eine 16-Jährige von ihren eigenen Verwandten bei lebendigem Leib begraben worden. Begründung: die Ehre der Familie.
Offenbar hatte das Mädchen, eines von neun Kindern, den Zorn des „Familien-Rats“ auf sich gezogen, weil sie mit jungen Männern Kontakt hatte. Das Mädchen war im November vermisst gemeldet worden. Die Polizei fand ihre Leiche im Dezember, scheinbar auf Hinweis durch einen Informanten, in einem zwei Meter tiefen Grab im Garten der Familie. Ihr Vater wurde verhaftet, genau wie ihr Großvater, der sie offenbar schon öfter wegen ihrer Frendschaften mit Jungs geschlagen hatte.
Die Leiche war an den Händen gefesselt und in sitzender Position; in ihrem Bauch und in ihrer Lunge wurden große Mengen Erde gefunden, was bedeutet, dass sie noch am Leben und bei Bewusstsein war, während sie von ihrer Familie hingerichtet wurde.
Bei einem derartigen Hass und einer solch klaffenden Abwesenheit von Liebe, Fürsorge oder Respekt ist es schwer, auf irgendeine Form von Verbesserung der Situation von Frauen in dieser Region zu hoffen. Ich weiß nicht, ob man eine ganze Region in Massentherapie schicken kann, ob Bildung, Aufklärung oder sonst irgendwelche Veränderungen der Rahmenbedingungen hier überhaupt etwas ändern können. Gesetze tun es ja offenbar nicht, denn immerhin sind so genannte Ehrenmorde in der Türkei ja mittlerweile strafbar. Und trotzdem werden sie dort um die 200 Mal im Jahr verübt.
Ein furchtbares Verbrechen, ich kann und will mir nicht vorstellen wie es ist lebendig begraben zu sein.
Was ich bis heute nicht verstehe ist warum sich die Frauen in der Türkei nicht endlich von diesen zuständen Emanzipieren, in Deutschland haben sich Frauen doch auch ihre Rechte erkämpft.
Natürlich ist das haarsträubend, und natürlich ist jeder einzelne von 200 so genannten „Ehrenmorden“ zuviel. Aber ist so ein krasser Fall tatsächlich dazu geeignet, gleich wieder in Bausch und Bogen eine ganze Region in Sippenhaft zu nehmen – zumal, wenn man, wie im letzten Absatz geschehen, davon ausgeht, dass da ohnehin Hopfen und Malz verloren ist.
Im Süd-Osten der Türkei, also teilweise auch Kurdistan, gibt es ja Gruppen, die soetwas wie „Massentherapie“ betreiben: Die (in der BRD und der Türkei als terroristisch eingestufte und verbotene) kurdische ArbeiterInnenpartei und die ganze kurdische Bewegung.
Gerade für Frauen, die zwangsverheiratet oder Opfer von „Ehrenmorden“ war und ist die dortige Guerilla Zufluchtsort und auf ziviler Ebene läuft aktuell zum Beispiel die Kampagne „Ich bin niemandes Ehre“: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/isku/pressekurdturk/2009/20/12.htm
Die vor kurzem verbotene DTP setzt sich auch aktiv für Frauenrechte ein (z.B. durch eine Frau an der Spitze), was von den regierenden islamistischen, nationalistischen oder faschistischen Parteien nicht zu sagen wäre.
Das sich die Frauen in dieser Region also nicht emanzipieren würden, ist unhaltbar. Im Gegenteil haben wir dort eine progressive, recht starke Frauenbewegung, die allerdings enormer Repression und Illegalisierung ausgesetzt ist.
@emma
*Das sich die Frauen in dieser Region also nicht emanzipieren würden, ist unhaltbar. *
Aber solange sie unter genau den beschriebenen Umständen leben sind sie doch nicht emanzipiert. Emanzipation wollen und tatsächlich emanzipiert zu sein sind doch zweierlei Paar Schuh.
*Im Gegenteil haben wir dort eine progressive, recht starke Frauenbewegung, die allerdings enormer Repression und Illegalisierung ausgesetzt ist.*
Heisst das Frauen können sich nur von einem Patriarchat wie in der Türkei emazipieren wenn es eigentlich gar kein Patriarchat im strengen Sinne mehr gibt, die Männer als Machthaber ihnen und ihren Rechten/Forderungen gegenüber also grundsätzlich eher offen anstatt feindlich gegenüber stehen?
Selbstverständlich nicht, Sandra.
Ich hab einmal übertrieben, aber „sich emanzipieren“ ist für mich ein Prozess und der findet statt (nicht immer und überall, aber wo tuts das schon?).
Das Emanzipation und Frauenbewegung immer auf Widerstand stößt, ist leider klar. Das zeigt ja auch die Nachricht, die hier gepostet wurde. Ich wollte damit nicht sagen, dass es anderswo keine Repression und Illegalisierung gibt, aber in meiner Wahrnehmung, als ich dort war, sie dort (Türkei/Kurdistan) stärker, organisierter und gewaltförmiger ist, als z.B. hier.
möchte mich auf jeden fall ravi anschließen, ohne diese furchtbare tat kleinreden zu wollen.
wie viele menschen leben in der türkei/in dieser region, und wie hoch ist der prozentsatz solcher morde? wie viele gewalttaten geschehen in deutschland aus eifersucht oder anderen niederen gründen (und mal ernsthaft: ist „familienehre“ weniger ernst zu nehmen als „eifersucht“? als anlass für einen heimtückischen mord finde ich sie beide gleich lächerlich. wie sieht es in anderen ländern aus?
„ob Bildung, Aufklärung oder sonst irgendwelche Veränderungen der Rahmenbedingungen hier überhaupt etwas ändern können.“
nee, genau, man kann hier gar nichts ändern. den blöden türkischen hinterwäldlern kann man ja nix beibringen. herrje.
@ sandra: „Aber solange sie unter genau den beschriebenen Umständen leben sind sie doch nicht emanzipiert.“
man kann immer und überall emanzipiert sein. es heisst ja auch „sich emanzipieren“, und es ist auf jeden fall ein prozess. oder glaubst du, in deutschland sind die frauen emanzipiert und alles in butter? oder wie soll man das verstehen?
Channel 4’s Ramita Navai hat letztes Jahr fuer „Unreported World“ eine Dokumentation ueber das Thema Ehrenmord in der Tuerkei gemacht.
Trailer: http://www.channel4.com/programmes/unreported-world/video/series-2009/episode-3/murdered-for-honour
Die ganze Doku on 4oD: http://www.channel4.com/programmes/unreported-world/4od#2929644
„… in Deutschland haben sich Frauen doch auch ihre Rechte erkämpft.“
Also, ich weiss nicht so recht – kann man die Situation in Deutschland/Westeuropa/Nordamerika irgendwie vergleichen mit der Gesellschaft in der Osttürkei?
Für unsere schönen Landschaften von „Kämpfen“ zu sprechen, scheint mir dann doch arg übertrieben, mal abgesehen davon, dass ja die allermeisten Frauen zu Rechten kamen wie die Jungfrau zum Kind, bzw. ziemlich viele Frauen von gleichen Rechten gar nichts wissen woll(t)en, weil sie die gleichen Verpflichtungen scheu(t)en, ein Problem, dass der Feminismus mit seinen Anhängerinnen ja heute noch hat und auch dadurch beseitigt, dass er zu einseitiger Lobbypolitik geworden ist.
Aber bei uns gab es vor dem Hintergrund von fortschreitenden Demokratisierungen der Gesellschaften und einem ziemlich hohen gesellschaftlichen Stellenwert von Frauen nun den Bedarf nach Konsumenten, Arbeitnehmern und Wählerstimmen – Frauen mussten gar nicht viel „kämpfen“, um die Gesellschaft Richtung Gleichberechtigung zu transformieren.
Welche Funktion hat denn etwa in türkischen Familien ein Begriff wie „Familienehre“ – der im übrigen auch und vor allem von den Müttern gepflegt und an die junge Generation vermittelt wird, so wie ich das bei einigen mir bekannten islamischen Familien ( nicht türkisch ) mitbekomme …
@ Andreas
Daran merkt man wieder einmal, wie wenig Ahnung du von Geschichte und feministischen Bewegungen hast. Klar ist/war es auch im Interesse der Politik/Wirtschaft, Frauen als Konsumentinnen und Wählerinnen einzugliedern, aber geschenkt bekamen Frauen sicherlich nichts. Bitte informiere dich besser, bevor du solchen Unsinn verbreitest.
@Magda:
„Geschenkt“ – sicherlich nicht; aber wenn ich auf einer Skala von „Kämpfen = 0“ bis „offene Türen einrennen = 10“ die Frauenbewegung und ihr Bemühen um Mehrberechtigung und Wenigerverpflichtung ( aus logischen Gründen kann sich eine Frauenbewegung um „Gleichberechtigung“ sowieso nicht bemühen ) einordnen würde, dann reicht mein historisches Wissen soweit, dass ich sagen würde „Frauenbewegung = 7,5“.
Also, red‘ nicht so einen Quatsch, sondern informier‘ Dich mal besser, was die wahren Väter ( und ich rede hier von Vätern ) unserer Demokratien unter „kämpfen“ verstanden haben.
Jedenfalls – ich glaube, die Lage der Frauen in der Osttürkei ist nicht mit der Lage zu vergleichen, die westeuropäische Frauen innehatten, als sie zu kämpfen anfingen … um mal zum Thema zurückzukommen.
Andreas, weitere Kommentare dieser Art werden gelöscht.
na, hoffentlich, dann kann er sich die zeit nehmen, mal ein bisschen was über die suffragetten zu lesen.
Helga,
verstehst Du auch nicht, wieso sich die Frauen in der Türkei nicht endlich von diesen Zuständen emanzipieren, wo doch die Frauen in Deutschland sich auch ihre Rechte erkämpft haben?
Oder kannst Du angesichts solcher Fragen auch nur ungläubig den Kopf schütteln, so wie ich ( ich habe eine umfangreiche islamisch-nahöstliche Verwandtschaft, was mein Kopfschütteln echt nur verstärkt ) ?
Bin gespannt auf Deine Antwort zu dieser Frage und halte mich vorerst mit Kommentaren zurück …
Ich kann gar nicht sagen, wie schlimm ich das finde. Jemanden lebendig begraben – was schlimmeres geht fast gar nicht.
Andreas, ich beziehe mich auf die persönlichen Angriffe wie „red’ nicht so einen Quatsch“.
… und natürlich, dass die Dame damit klar kommt, wenn man ihr mit ihren eigenen Worten antwortet … aber trotzdem – interessantes und erschreckendes Thema, diese Unterordnung des Individuums unter Ehrbegriffe und Familie.
@ Andreas,
kurz noch einmal zur Verdeutlichung: Deine Aussagen waren historisch einfach unfundiert, da die Sufragetten Bewegungen nicht unerhebliche Kämpfe führte. Vielleicht haben wir einen unterschiedlichen Kampfbegriff, aber wie gesagt: Da hilft ein Blick in die Geschichtsbücher.
Solche Aussagen wie
sind demnach eher als eigene Wahrnehmung und weniger als Tatsache zu verstehen. Daher mein Kommentar, dich bitte vorher zu informieren, als deine Meinung hier als Fakt darzustellen.
Deine mit Verlaub gesagt eigenartige Skale von 1 bis 10 zeigt auch einfach, dass du eher mit subjektiv wahrgenommenen und weniger mit recherchierten Fakten argumentierst. Auch die Väter der Demokratie haben gut und gerne von den (sich im Hintergrund) befindenen Arbeiten der Frauen profitiert.
Um zum Thema zurückzukommen: In einem Aspekt hast du m.E. absolut Recht: Die deutschen Zustände kann man nicht einfach mit denen in der Türkei vergleichen, ungeachtet der Tatsache, wie wir die Geschichte der Frauenbewegungen in Deutschland betrachten.
@heidrun, ravi, gnurpsnevoel: ihr habt natürlich völlig recht mit eurem einwand und der letzte absatz des posts ist als ausdruck von frustration und weltschmerz zu verstehen, ganz sicher nicht als *händeüberdemkopfzusammenschlag* oder irgendwie rassistischem denken.
es gibt natürlich wichtige frauenrechtsorganisationen in der türkei sowieso und auch in der anatolischen region. deren arbeit wollt ich mit meinem html-gewordenen seufzer auch keieswegs klein reden. ich bewundere die menschen, die sich da einsetzen, über alle maßen. es hat selbstverständlich nichts mit den „kurden an sich“ oder „der türkischen landbevölkerung an sich“ zu tun, nur ist es eben so, dass die mordrate an frauen in dieser region nicht maßgeblich sinkt und die zustände sich eben auch nicht verbessern. was aber natürlich nicht bedeutet, dass es nichts bringt, da weiter zu arbeiten.
@meredith: so wird auch ein schuh draus.
mit meiner polemischen bemerkung wollte ich auch nicht andeuten, dass man zustände für frauen hier und dort vergleichen kann, aber sich den schrecklichsten fall rauszupicken, um dann tausende von menschen pauschal zu verurteilen, halte ich für schwierig, vor allem, da es oft genug eine steilvorlage für islamophobe und rassistische ressentiments bietet.
und hoffnungslosigkeit gildet nich!
@Magda:
Wenn ich von „Kämpfen“ spreche, dann meine ich damit Bauernaufstände, Revolutionen, verbotene Parteien usw. usf. … Dinge, in deren Gefolge oft hunderttausende, in der Summe sicher Millionen Menschen den Tod fanden. Tote Männer, tote Männer und nochmal tote Männer …
Es hat keine „französische Revolution der Frauen gegen das Patriarchat“ gebeben, keinen „Teeparty der Frauen“, usw. usf. Von den Suffragetten kam eine ums Leben, in dem sie sich selbst vor eine Kutsche warf, andere wurde sogar zwangsernährt ( statt erschossen zu werden ), insgesamt war diese Bewegung eine sehr kleine Minderheit einer umfassenderen Frauenbewegung für das Wahlrecht, die weitaus gemäßigter blieb.
Und wenn Du meine Aussagen sonst in Zweifel ziehst, beschäftige Dich mal mit der wirklich interessanten Frauenbewegung im letzten Jahrhundert in Deutschland GEGEN das Frauenwahlrecht – die gab es nämlich auch, und nicht nur hier.
Egal – Türkei: Meines Erachtens ist das Thema dort, wie gesagt, viel eher „Individuum versus Familie/Ehrbegriffe“, nicht so sehr „Mann versus Frau“. Was ich nun aus meiner doch arg beschränkten Kenntnis einiger islamischer Familien so sage, aber was vielleicht nicht ganz unwahr ist … vielleicht können da ja andere mehr zu sagen?
@meredith: Ich kann mich Heidrun nur anschließen! Ich habe ja auch immer sofort geschrieben, dass ich deinen Weltschmerz nachvollziehen kann, nur ist das keine Rechtfertigung für deinen letzten, platten Absatz. Es reicht doch nicht zu sagen, dass alles was kritisiert wurde richtig ist; geh doch mal einen schritt weiter und sag, dass der letzte absatz ganz offensichtliche rhumbug war, verbunden mit einem kleine *sry* für osttürkische oder krudische progressive kräfte.
gemeint ist „kurdisch“, nicht „krude“ ;)
@ andreas: genau, die frauen wollten einfach nicht so kämpfen wie die männer, gedurft hätten sie ja, natürlich.
und die tapferen kämpfer zu ernähren, die verletzten zu pflegen, die toten begraben, die halbwaisen alleine aufziehen und die häuser wieder aufbauen, irgendein arschloch heiraten, um was zwischen die zähne zu bekommen und seine kinder zu ernähren, weil es anders nicht vorgesehen war, und immer mal zwischendurch als hure, gefallenes mädchen etc. aus der stadt verjagt oder auch als hexe verbrannt zu werden, das war das leichte leben, von dem du sprichst?
aha.
„gleiche verpflichtungen scheuen“ – ha!
danke @ heidrun!
Andreas, wenn du es nicht schaffst, dich hier im Rahmen der Netiquette und der allgemeinen Umgangs- und Disskusionskultur zu bewegen, dann solltest du dir eine andere Spielwiese suchen (dieser Hinweis darf als letzte Verwarnung gelesen werden).
Nachtrag: Ich bitte ALLE Diskussionsteilnehmer_innen, sachlich zu posten und nicht durch ironische oder sarkastische Kommentare die Diskussion weiter anzuheizen.
Danke.
@Anna:
Keine Ahnung, was jetzt schon wieder das Problem war/ist – wg. „Dramatisiert“, „Pillepalle“, wg. ein bißchen Sarkasmus?
@Heidrun:
Wir sprachen aber über das „Kämpfen“ – und ich sagte, dass Deine Suffragetten als vergleichsweise gut situierte hauptsächlich bürgerliche Frauen ( ein Teil war sogar gegen Wahlrecht für die unteren Klassen ) im Grunde ja sehr wenig befürchten mußten.
Worüber Du jetzt sprichst, ist das „Erleiden“ – und ich persönlich sehe da einen Widerspruch, Frauen gleichzeitig als Menschen darzustellen, die für ihre Rechte „kämpfen“, und als solche, die Jahrhunderte lang etwas „erleiden“ – wenn schon, dann dürfen wir Frauen ja wohl als Willensbilder in eigener Sache in allen Bereichen ansehen.
Und der Widerspruch/bzw. Frauen zu Akteuren zu machen lässt sich eben dadurch auflösen/erreichen, wenn man davon ausgeht, dass Frauen schlicht Opportunitätskosten anders bewertet haben – offenbar ging es Frauen nie kollektiv so schlecht, dass sie lieber das Risiko, zu sterben, auf sich nahmen. Vor allem nicht im Vergleich und im Verhältnis zu Männern. Punkt.
@Meredith:
Weisst Du denn nichts von Familien, die vielleicht mal einen Familienrat abgehalten haben und dann zu dem Schluss kamen, dass sie ihre Tochter nicht töten wollen, weil … …. … die Gründe fände ich interessant.
Hat das eigentlich wirklich Folgen für „entehrte Väter/Mütter“, wenn sie ihre Tochter keiner Strafe zuführen? Welche Folgen hat das für die Tochter, wenn sie nicht ermordet/bestraft wird?
@andreas:
es geht ja nicht um die suffragetten alleine, es geht hier um eine lange vorgeschichte der emanzipation.
und nein, es ging mir nicht um das „erleiden“, es ging mir um den alltagskampf, den millionen von frauen jeden tag geführt haben und der so tolle sachen wie die französisische revolution und was du da nicht noch alles an (in deiner darstellung rein männlichen) heldentaten aufgeführt hast, erst möglich gemacht haben.
und dessen opfer (frauen und kinder) siehst du offenbar überhaupt nicht.
und dein zitat: „wenn schon, dann dürfen wir Frauen ja wohl als Willensbilder in eigener Sache in allen Bereichen ansehen.“ zeugt davon, dass du dich offenbar nicht damit beschäftigt hast, inwieweit diese tolle „willensbildung“ überhaupt gesellschaftlich möglich war.
du lässt nämlich elegant (oder auch nicht) unter den tisch fallen, dass in den meisten dieser kämpfe, kriege und whatnot die frauen gar nicht kämpfen (in deinem sinne, denn das einzige echte kämpfen hat für dich ja offenbar mit sterben oder mindestens dem verlust von gliedmaßen zu tun) _durften_, sondern behauptest einfach, sie wollten nicht.
es sei an dieser stelle mal dahingestellt,ob es klüger ist, mit knarren rumzufuchteln oder verbal überzeugen zu wollen, du solltest da vielleicht auch mal dein komisches „heldenbild“ kritisch reflektieren, im moment kommt es so rüber, als würdest du frauen als verwöhnte hündchen sehen, denen ihre rechte von den tapferen, kämpfenden männern in den schoß gelegt wurden.
ich begreife auch nicht ganz, wie du dir einen prozess, der einer revolution vorausgeht, vorstellst. glaubst du wirklich, in paris 1789 saßen die frauen alle sicher hinterm herd und stickten oder diskutierten („och, komm, julie, so schlecht gehts uns doch nicht, wir warten lieber ab), während draußen die bastille brannte? die geschichtsschreibung aus rein männlicher sicht ist schon so dein ding, oder?
Alltagsarbeit ist genau das, Alltagsarbeit – die betrifft/betraf Männer wie Frauen gleichermassen. Ausserdem finde ich die Vorstellung, dass rein reproduktive Arbeit sowas wie die französchische Revolution erst möglich gemacht hat, so wahr, dass die Bemerkung schon wieder banal ist.
Die hat übrigens nicht nur die französische Revolution möglich gemacht, sondern auch den Vorabend derselben, die hat auch den zweiten Weltkrieg möglich gemacht, die BRD und und und …
Alltagsarbeit hat nichts mit „Stellung beziehen“ zu tun, es sei denn, man ist bereit, sich der Verweigerung von Arbeit über die Alltagsarbeit hinaus als „Stellung beziehen“ anzusehen. Und ansonsten, finde ich, fragt kämpferische Willensbildung auch nicht danach, ob sie möglich ist, sondern findet Wege. Und zuletzt sind tote Frauen und Kinder Kollateralschäden, die fast immer vermieden werden sollten. Tote Männer sind keine Kollateralschäden, sondern waren fast immer das Ziel – ich sehe da durchaus einen Unterschied.
Übrigens bewerte ich das gar nicht – ich sage noch mal, Frauen haben sich halt so verhalten, wie es für sie opportun war, und das beinhaltete eben auch, dass es einen Kampf für Frauen erst gab, als der Kampf selber im Wesentlichen nur noch einer um Meinungsmacht ( Presse, Politiker etc. ) war.
@ heidrun und andreas
Ihr scheint beide seltsame Vorstellungen über die Geschichte zu haben – und werft – mit Verlaub – ein paar Dinge durcheinander.
Wenn es um gesellschaftliche „Kämpfe“ geht, gilt es aus meiner Sicht zu unterscheiden zwischen Kämpfen, die von einer Masenbewegung getragen wurden und Auseinandersetzungen innerhalb einer stabilen Gesellschaft. An der französischen Revolution (der von 1789) hatten die Frauen erheblichen Anteil. Soweit ich mich erinnere, waren es vornehmlich Frauen, die die ersten Demonstrationen gegen die Brotpreise geführt haben und es waren vornehlich Frauen, die den Umzug des Königs nach Paris erzwungen haben. Und schließlich gab es immernoch Olympe des Gouges. Allerdings geben ich zu bedenken, dass in dieser allgemein aufgeheizten Stimmung Frauen als Mitkämpferinnen durchaus willkommen waren – wenn auch die spätere Geschichtsschreibung ihren Anteil an der Revolution vernachlässigt hat.
Etwas ganz anderes ist es jedoch, innerhalb einer stabilen, friedlichen Gesellschaft für Änderungen zu „kämpfen“. Hier führt der bewaffnete Kampf nur allzu schnell zum gesellschaftlichen Ausschluss und ist oftmals auch gar nicht notwendig. Der weiblichen Emanzipationsbewegung ihren Mangel an Gewalttätigkeit vorzuwerfen, ist vor diesem Hintergrund doch absurd. Die Arbeiterbewegung und die Bewegung zur Judenemanzipation waren genauso wenig gewalttätig, ohne dass man deshalb behaupten könnte, die Protagonisten seien mit dem status quo zufrieden gewesen.
@ ben: stimmt, da kann ich dir voll und ganz zustimmen, da hab ich echt was durcheinandergebracht.
@ andreas: „alltagsarbeit“ und „rein reproduktive arbeit“ – das sind deine begriffe. und begriffe einer geschichtsschreibung aus männlicher sicht, ebenso wie die aussage „frauen haben sich halt so verhalten, wie es für sie opportun war“
du drehst dich im kreis, und verstehst nicht, dass genau die frauen, die ausgebrochen sind oder es versucht haben, die die eben mit auf den brennenden barrikaden standen, wenn man so will (oder auch gerne die, die das nicht konnten, weil sie sich um die kinder der helden zu kümmern hatten), die sind, die von der geschichtsschreibung unterschlagen werden.
und wenn man auch nur ein bisschen guckt, gibt es genug frauen, die sich eben nicht so verhalten haben, wie es opportun war, und die deshalb entweder umgebracht wurden (klassisches beispiel die hexen) oder mit gesellschaftlichen repressionen zu kämpfen hatten. aber so lange kein blut fließt, ist es für dich ja offenbar kein kampf.
@Ben:
Ja, und es gab noch Corday, Madame de Stael, Madame Roland, den Zug der Marktfrauen, Antoine de Condorcet ( ein Mann, der Bürgerrechte für Frauen forderte ) etc. pp. – alles in allem wäre es ja absolut seltsam, wenn Frauen NICHT als Akteure aufgetreten wären. Auch bei den Bauernaufständen haben Frauen eine Rolle gespielt usw. usf.
Aber, wird uns gesagt, die Gesellschaften waren ja gar nicht stabil und friedlich, da unterdrückten ausserdem noch die Männer die Frauen und die letzteren haben für ihre Befreiuung gekämpft ( was jetzt doch bitte Frauen in anderen Ländern auch tun sollen ).
So eine Bemerkung erfordert schon einiges Nachfragen *lol* …
@Heidrun:
Hexen – ganz schlechtes Beispiel.
Von der Geschichtsschreibung lange Jahre als Thema nicht behandelt, da es dank Feminismus – und der fälschlichen Interpretation als Kampf von Männer gegen selbstbewußte Frauen – als nicht mehr seriös galt.
Ein Viertel bis ein Drittel der verbrannten „Hexen“ waren Männer – Hexen selber waren eigentlich geschlechtslos, bzw. ihr Geschlecht war das von Satansgespielen, wenn ich mich richtig erinnere an eine Darstellung, die ich gelesen habe.
Ganz unrühmlich auch die Rolle der Frauen hier – enorm viele Hexenverfolgungen wurden durch Dennunziation durch Frauen ausgelöst, oft in der Absicht, sich das Vermögen der Verfolgten anzueignen.
achso, aber diese akteurinnen waren „kollateralschäden“…hä?
mir ist das echt zu wirr, was du hier erzählst, andreas.
Ah ja – die Kirche und Inqusition;
die gingen schon sehr früh gegen Hexenverfolgungen vor, obwohl es ein paar Ausreisser in ihren Reihen gab. Hexenverfolgungen waren ein Thema des Mobs auf der Straße ( und einer verarmenden Mittelschicht ).
ich hab nicht behauptet, dass die hexenverfolgung von der kirche ausging.
und ebenso wie männer gegen männer gekämpft haben, haben auch frauen gegen frauen gekämpft, finde ich (offenbar im gegensatz zu dir) ziemlich einleuchtend.
eine geschichtsschreibung, die nicht beinhaltet, dass sie eine interpretation ist, sondern die „wahrheit“ beansprucht, ist für mich schon mal gar nicht seriös.
so, und jetzt reichts mir. schönen sonntag noch.
@Heidrun: Gar nicht wirr – ich sehe Frauen ganz konsquent als Akteure an, die sich so verhalten, wie es für sie opportun ist.
Was eben bedeutete, dass der Kampf von Frauen für ihre Rechte gegenüber Männer etwas war, was für Frauen unter ferner liefen irgendwann ganz spät, als es wenig Risiko war, auf der Tagesordnung stand.
Ich glaube halt nicht, dass die Frauen in der Türkei da in einer gleichen Lage sind ;-) … na ja, was solls …
„ich sehe Frauen ganz konsquent als Akteure an, die sich so verhalten, wie es für sie opportun ist“
wie unglaublich konsequent von dir, die gesellschaftlichen umstände dabei einfach zu ignorieren und nicht im hinterkopf zu behalten, dass es immer tausend dinge gibt, von denen historiker (wiederum aus bestimmten gründen) nicht sprechen.
zum beispiel die frauen, die das risiko eingegangen und dabei draufgegangen sind.
Frauen sind „die Gesellschaft“´, und nicht irgendeine kleine Randgruppe.
Aber schönen Sonntag noch …
super kehrtwendung. frauen unterdrücken sich eigentlich selbst.
sie sind „die (europäische) gesellschaft“, die zwar stets gleiche rechte hätte kriegen können, aber sich dazu jahrhundertelang nicht so richtig aufraffen konnte, während die männer völlig selbstlos die ganze drecksarbeit gemacht haben, um eine industrialisierte, demokratische gesellschaftsordnung zu erkämpfen, auf deren basis dann die frauen ganz bequem die sache mit emanzipation regeln konnten, als sie wussten, dass eigentlich nichts mehr für sie auf dem spiel steht, nur solche lappalien wie armut, die beziehungen zur familie, andere persönliche beziehungen und gesellschaftlicher status. ach, und die paar morddrohungen und persönlichen anfeindungen, was solls. so ungefähr?
_deine_ darstellung gefällt mir nicht, denn sie ist einseitig. ich kann dir nur ungefähr bis da folgen, wo du (indirekt) sagst, dass es wichtiger ist, was zwischen die zähne zu bekommen als gleiche rechte zu erlangen.
den boden für gleiche rechte haben aber laut deiner sichtweise die männer so gut wie im alleingang gelegt, während die frauen passive reproduktiven alltagstätigkeiten nachgingen, und schon da wird es so hanebüchen und so ignorant (was nicht im geschichtsbuch steht, das hat es nie gegeben. und ich wüsste nicht, dass es verlässliche zahlen über die ganzen frauen gäbe, die im laufe der jahrhunderte verjagt, geschlagen, verstümmelt oder umgebracht wurden), dass ich wirklich keine lust mehr habe, an dieser stelle weiterzudiskutieren. ich hatte noch wohlwollend geglaubt, es gäbe da ein missverständnis, aber du scheinst das ja wirklich allen ernstes zu glauben.
die von dir erwähnte olympe de gouges (ach nee, die hast du ja gar nicht erwähnt. in deinen augen wohl auch so ne schwalbe bzw. ein „kollateralschaden“) ist ein superbeispiel, wie schnell eine frau in der männichen geschichtsschreibung „vergessen“ wird, in ihrem fall ja zum glück nur fast.
für andreas: http://shakespearessister.blogspot.com/2009/04/survivor-thread.html
ich kann nicht glauben, dass ich meine zeit damit verschwendet habe, unter diesem (!) artikel mit einem vergewaltigungsverharmloser zu diskutieren. [Beleidigung gelöscht. Anna]
Liebe heidrun,
wir nehmen Kommentare, die sexuelle Gewalt verharmlosen, sofort raus. Bitte nicht kommentieren und die Trolle füttern.
Gruß, Magda
Persönlich wäre ich glücklich, wenn Andreas gelöscht würde.
Was er verbreitet, fällt zwar nicht unmittelbar und die Regel 1,
ist aber in Konsequenz das gleiche. Ich habe keine Lust, hier
die Diskussion mit einem unbelehrbaren Geschichtsverfälscher zu
lesen.
Ich finde, es ist auch ein wiederkehrendes Phänomen, das man sich eigentlich, in manchen Foren, öfter mal sparen sollte… Akteur betritt unter wahllosem Artikel über Gewalt an Frauen auf feministischem Blog die Bühne und erklärt erstmal allen, was Sache ist, undzwar zumindest unter anderem, warum ALLE Frauen sowieso nicht wirklich emanzipiert sein können und wollen, bla, bla, bla, versehen mit verschieden dicken Lackschichten Bildungsvokabular, aber doch immer nur dieselbe Botschaft. Darüber hinaus hat @Ben, fand, ich, sehr genau auf den Punkt gebracht, warum das klassische Punktezählen, welches von den zwei Lagern die meisten absichtlichen Fatalitäten vorzuweisen hat (nichtabsichtlich zählt nicht bei diesem Spiel) Unsinn ist. Ohnehin schon ein Klassiker des Internet-Antifeminismus, das ganze als Wettbewerb zwischen 2 verfeindeten Lagern mit den meisten freiwilligen (Todes)opfern aufzustellen.
@Kantorka: Mansplaining heißt das.
Je mehr ich Simone de Beauvoir lese, umsomehr kann ich verschiedene Zusammenhänge besser verstehen und ich muß sagen, ich fange an sie zu bewundern.
Auch für o.g. schockierenden und kranken Dinge hat sie 1949 Quellen recherchiert :
S. 249 f :
„Wenn dagegen die Frau aus der Gesellschaft ausbricht, kehrt sie zur Natur, zum Dämonischen zurück und entfesselt im Schoß der Gemeinschaft unkontrollierbare, böse Kräfte. In dieser Mißbilligung mischt sich immer auch Angst. Wenn es dem Mann nicht gelingt, seine Frau zur Tugend zu zwingen, ist er an ihrem Vergehen beteiligt. Sein Unglück ist in den Augen der Gesellschaft eine Unehre. Es gibt so strenge Zivilisationen, daß sie von ihm verlangen, die Verbrecherin zu töten, um sich von der Mitverantwortung freizumachen. Der nachsichtige Ehemann wird mit Katzenmusikständchen bestraft oder indem man ihn nackt auf einem Esel umherführt und die Gemeinschaft übernimmt die Bestrafung : denn nicht nur ihn hat sie beleidigt, sondern die Gemeinschaft insgesamt.“
In Europa gab es hierzu auch Quellen :
„Solche Bräuche haben mit besonderer Strenge im abergläubischen und mystischen, sinnlichen und vom Fleisch terrorisierten Spanien geherrscht. Calderon, Lorca und Valle-Invlan haben sie in vielen Dramen thematisiert. … Nachdem ihr Vergehen entdeckt ist, kommen die Dorfbewohner zusammen um ihr die Kleider herunterzureißen und sie dann zu ertränken.“
O.g. Vorkommnisse wurden auch beschrieben. Die Gründe schreibt Simone de Beauvoir Angst und Aberglaube nach :
„Der Sinn war, daß man sie so der Natur zurückgab, nachdem man sie ihrer sozialen Würde entkleidet hat.Durch ihre Sünde hatte sie böse Emanationen der der Natur entfesselt: die Sühne wurde in einer Art heiliger Orgie vollzogen, bei der die Frauen, indem sie die Schuldige entblößten, schlugen und umbrachten, ihrerseits geheimnisvolle Strömungen freisetzten, die aber „günstig“ waren, weil die Frauen ja in Übereinstimmung mit der Natur handelten.“
Angesichts der immer noch praktizierten Genitalverstümmelungen scheinen diese kranken „Gesellschaften“ leider immer noch in versch. Provinzen zu existieren.