re:publica 2011 – ein feministischer Rückblick

Vom 13. bis 15. April 2011 fand die diesjährige Blogger_innen-Kon­ferenz re:publica statt, für die wir bereits im Vor­feld interessante Teilnehmer­innen und ihre Panels vorstellten. Vielen fiel mehr oder weniger erfreut auf: (Cyber-)Feministische Themen waren auf dieser re:publica präsent.

Ein kurzes Fazit: Ja, der Frauenanteil der Vortragenden auf der re:publica war wohl höher als im letzten Jahr – im­mer wieder schwirrte die Zahl 30% durch den Raum. Anne Roth hat noch einmal nach­gezählt und kam auf rund 27% Speakerinnen-Anteil. Trotzdem hatten viele Besucher_­innen das Ge­fühl, es herrsche ein Über­schuss an „Frauen- und Feminismus„-Themen. Und das, obwohl nur insgesamt 14 Redner­innen dezidiert fe­ministische Themen be­handelten. So wird deutlich: Um Quantität geht es gar nicht. Es nerven die Frauen, die über feministische Themen sprechen.

Inklusion und Pluralismus lassen sich allerdings nicht nur in Zah­len messen: Eine Ver­anstaltung, auf der sich über das Gewicht einer Speakerin lustig gemacht wird, auf der mehrmals die Frage aufkommt, was Shitstorms mit Feminismus zu tun haben und Frauen sich anhören müssen, dass (alle!) ihre Panels einen negativen Eindruck hinterlassen haben, wirkt auf po­tentielle In­teressent­innen, die kritische Beiträge bei der nächsten re:publica an­bieten möchten, viel­leicht nicht wahn­sinnig attraktiv. Eine Blogger_­innen-Konferenz, die für viele unerschwinglich ist und keine (offizielle) Kin­der­be­treuung anbietet, ist auch nicht für alle gleichermaßen zugänglich. Zah­len sind also das eine; an inklusiven Struk­turen muss darüber hi­naus ge­werkelt werden.

Bei aller Kritik ist zu vermerken, dass die Veranstalter_­innen (allen voran wohl Anne Wizorek) sich bemühten, ein paar grandiose Speaker­innen auf die Büh­ne des Frie­d­rich­­stadtpalasts zu bringen – u.a. die US-amerikanische feministische Aktivistin Jaclyn Friedman und die ägyptische Aktivistin Noah Atef.

Nach dem Klick findet ihr eine Reihe an Links zu Blogeinträgen, Videos, Interviews und Live­mit­schnitten von der re:publica 2011. Und obwohl wir so gerne Bullshit Bingo spielen, sehe ich davon ab, auf sexistische oder einfach nur strunz­dumme Blog­einträge zu ver­linken.

Blogbeiträge

Kübra Gümüsay nahm an der Diskussionsrunde „Wieviel Pluralismus kann die deutsche Blogosphäre?“ teil und war als kopftuchtragende Frau einem endlosen Blitzlichtgewitter ausgesetzt, frei nach dem Motto: „Seht her, wie heterogen die re:publica doch ist!“ Kübra hält dagegen. Trotzdem keine große Überraschung: Das erste Foto ist bereits in einer Zeitung aufgetaucht.

Wie viel Pluralismus kann die deutsche Blogosphäre? (Foto: Magda Albrecht)

Urmila Goel, die ebenfalls zu Plu­ralismus in der deutschen Blogo­sphäre diskutierte, stellt in ihrem Fazit noch einmal fest, dass die Blogo­sphäre als Teil der deutschen Ge­sell­schaft selbst­ver­ständlich mit den glei­chen Macht­ver­hältnissen durchzogen ist. Diese be­stimmen, „welche Themen an­gesagt sind, wem welche Kom­petenz zu­gesprochen wird und was als Nischen­thema, etc. wahr­genommen wird.“

Jillian C. York sprach zum Thema “Policing Content in the Quasi-Public Sphere”. Eine Zu­sammen­fassung ihres Vor­trags auf der re:publica findet ihr auf ihrem Blog, inklusive dem dazugehörigen Paper.

Annina Luzie Schmid von Girls Can Blog hat ein Fazit zu ihrem Workshop „Netzpoesie – Von Review-Blogs und Lyrikseiten“ ge­schrieben, den sie mit der Klappentexterin hielt, die ebenfalls ein paar Worte zur re:publica fand.

Die Aktivistin für Barriere­freiheit Julia Probst von MeinAugenSchmaus nahm am Blogger_innen-Gespräch von Philip Banse teil und freute sich, dass ihr Inter­view so gut bei den Zuschauer_­innen im Friedrich­stadtpalast ankam.

Ein großes Thema war auch die Grün­dung der neuen „Digitalen Gesellschaft“ – eines Ver­eins, der für viele erstmal mehr Fra­gen aufwarf, als zu beant­worten. Die Bloggerin Katharina sieht darin auf Schafott aber einen guten Anfang.

Shitstorm – You can Do it! (Foto: Magda Albrecht)

Auf ihrem privaten Blog Drop the Thought erzählt Helga von der Mäd­chen­mann­schaft von ihren Ein­­drücken. Ein kritischer Beitrag zur Inklusion von mar­ginalisierten Stim­men folgte ebenfalls.

Auf Netzdebatte gibt es einen Bei­trag über Kathrin Ganz‘ („i heart digital life„) und Helgas Panel: „Wie frau mit Trollen fertig wird: Shit­storm zurück an den Ab­sender„.

Auch Nadine schreibt auf ihrem privaten Blog Medienelite ein persönliches Resüme und kritisiert den An­spruch der re:publica, die digitale Gesellschaft abbilden zu wollen, ob­wohl diese die Blogo­sphäre gar nicht in ihrer Viel­falt dar­stellt.

Auf rhizom stellt der_die Blogger_in fest: Keine Ge­sell­schafts­kritik, zu viel Werbung und völlig überteuerte Tickets; kurz: „Die Luft ist raus„.

Katrin Rönicke reagiert in ihren Blog auf den unreflektierten Tweet von Sue Perman aka Happy­Schnitzel, der auf eine angebliche Opferinszenierung der diesjährigen Teilnehmerinnen anspielte, die zu fe­ministischen Themen Panels an­boten.

Eva Horn berichtet auf ihrem Blog Just Another Female Blogger über ihre Flitter-Session im Friedrichstadtpalast, die sie mit Tessa und Nadine hielt.

Bei aller Kritik an den Räum­lichkeiten (nächstes Jahr gibt es neue erläutert Thomas Knüwer) und der Organisation freut sich die engl@absurdum auf die re:publica 12.

Sehr kluge Worte kommen von Antje Schrupp, die uns erklärt, wa­rum wir einen Frauenanteil von 30% schon als wahn­sinnig viel empfinden.

Eine schöne Nach­bericht­erstattung lest ihr auf Dörtes Zettelkasten von Dörte Giebel, im Netz bekannt als dieGörelebt. Dörte reagiert auf die Kritik, dass diese re:publica „zu viel Feminismus und Frauen­themen“ im Pro­gramm hatte.

Videos

Netzdebatte, der Blog der Bundeszentrale für Politische Bildung über Politik in der Digitalen Gesell­schaft, führte mehrere Interviews mit einigen Speakerinnen:

Am Donnerstag, den 21. April könnt ihr um 20:15 Uhr auf ALEX einen Beitrag mit Helga über den Shit­stormpanel an­gucken, der danach auch online ver­fügbar sein wird.

Interviews

  • Helga Hansen spricht über Cyber­feminismus und feministischen Aktivismus im Netz in Deutschlandradio Kultur Breitband.
  • Katrin Ganz und Sebastian Vollnhals sprechen über hatr.org und Mädchenmannschaftsautorin Verena kom­mentiert ihr Panel zu Plu­ralismus in der deutschen Blogo­sphäre auf Trackback Fritz.

Mitschnitte

  • Einen Live-Mitschnitt vom Panel zu Cyber­feministinnen im Web, geleitet von der Netz-Aktivistin und Bloggerin Anne Roth, fin­det ihr auf soundcloud.

Ihr habt noch mehr interessante Links? Dann gerne ab damit in die Kommentare!

15 Kommentare zu „re:publica 2011 – ein feministischer Rückblick

  1. Ich sehe das Ganze – nach einer kleinen Nachlese in mehreren Blogs – so, dass eigentlich nur folgende Möglichkeiten bestehen:

    Entweder fand die Mehrheit der Teilnehmer die feministischen Themen doof oder nur eine kleine (laute?) Minderheit. Wenn es nur eine Minderheit war, ist das unbeachtlich, denn nervige Minderheiten gibt es immer.Wenn aber tatsächlich die Mehrheit die feministischen Themen doof fand, gibt es widerum zwei Möglichkeiten.

    Entweder man überlegt sich, was man ändern kann, um die Mehrheit positiv für sich zu gewinnen oder man betrachtet diese Mehrheit als Repräsentanten der aktuellen Gesellschaftssituation, die man kritisieren/bekämpfen und ändern möchte.

    Wenn man sich hier widerum für die letzte Möglichkeit entscheidet, also die Mehrheitsmeinung abzulehnen und bekämpfen zu wollen, dann wäre es widerum naiv sich über die natürlichen Widerstände dieses Gegners zu bekagen.

  2. @black

    es gab nicht nur die im Artikel verlinkten Gegenstimmen. In einigen Blogs und auf Twitter wurde sich auch ausgekotzt. Das muss jetzt nicht verwundern, sondern ist eher ärgerlich angesichts der realen Zahlen: Von 163 Panel gab es nur eine handvoll dezidiert feministischer Panels, die mit etwa 14 Speaker_innen besetzt wurden. Marginal also. Diese kleine Menge reichte aber schon aus, um Widerstand zu produzieren.

    Letztendlich ist es auch egal, wieviele sich jetzt negativ äußerten, auf so einer Konferenz bekommt das nochmal ein anderes Gewicht, finde ich. Und wie im Artikel steht, ist das auch nicht sonderlich attraktiv für Interessierte, die nächstes Jahr hinwollen.

    Nun, was deine Vorschläge angeht, das sehe ich etwas anders. Es ist nicht so, dass feministische Perspektiven (zumindest die auf der Konferenz) generell unattraktiv für den Mainstream sind. Es werden ja Themen behandelt, die fast alle betreffen, nur halt aus einer anderen Perspektive. Derer verschließen sich viele, weil es sie offenbar sehr verunsichert, was sie da hören. Was noch nicht wild wäre, solange keine Beißreflexe und Feindseligkeiten einsetzen, die aus eigenen stereotypen Wahrnehmungen und gesellschaftlichen Positionierungen herrühren. Dass sich Menschen auf eine Mainstreamkonferenz begeben, um feministische Perspektiven einbringen, zeigt ja, dass mensch sich „der Mehrheit“ nicht verschließt, sondern dass das eher von der anderen Seite kommt.

    Ich würde nicht von Gegner_innen sprechen, sondern von Menschen, die gelernt haben, dass bestimmte Machtverhältnisse, die u.a. Feminist_innen kritisch betrachten, normal und deshalb nicht weiter schlimm sind. Immerhin geben uns diese auch Sicherheit und Orientierung, wenn uns diese zu denen gehören lassen, die nicht marginalisiert sind. Wenn nun Menschen daherkommen und an dieser Ordnung rütteln, ist es nur konsequent, Widerstand zu leisten. Die Frage muss daher sein, ob der Widerstand Sinn macht, ob er gerecht ist und ob die eigene Position nicht auf Privilegien und bestimmten Verhältnissen beruht, die ich mir nicht selbst erarbeitet habe und die ich nur genießen kann, wenn andere sie nicht haben.

    Deshalb gibt es für mich auch kein entweder – oder in den Möglichkeiten, sondern immer beides zusammen: Kritiker_innen, die in den Mainstream hineingehen und welche, die von außen draufschauen. Und von jeder Position muss und darf Kritik erfolgen. Wer nicht dem Mainstream spielen will, der_die macht das aus Gründen, die mit Ausschluss zu tun haben.

  3. @Nadine

    Die Bezeichnung „Gegner“ klingt vielleicht martialischer als sie gemeint war.

    Aber siehst Du jetzt ein grundlegend anderes Fazit, dass in den von mir aufgezählten Alternativen nicht berücksichtigt ist?

  4. Dafür gibt es keinen goldenen Weg, der alle zufrieden stellt. Die Ablehnung ist auf die Gründe zurückzuführen, die ich oben beschrieben habe, ergo kein Problem feministischer Strömungen, sondern des Mainstreams selbst.

    Ich kann nur für mich sprechen: Für mich bildet der Mainstream keinen Bezugsrahmen mehr, weder praktisch noch theoretisch. Das hat wiederum praktische und theoretische Gründe. Ich ziehe einfach mehr aus der Arbeit mit Aktivist_innen, mit denen ich keine Grundsatzdiskussion führen muss, statt mit Menschen, die sowieso keine Lust haben, auf das, was ich da erzähle. Meine Erfahrung ist, dass es egal ist, wie Themen verkauft werden, ob Forderungen abgeschwächt werden oder nicht, der Widerstand ist permanent vorhanden.

    Meine Arbeit widme ich deshalb den Menschen, die interessiert und offen sind, egal ob Vollblutfeminist_in oder nicht. Raus gekommen sind bisher konstruktive Gespräche und Kritik, tolle Projekte die einen oder anderen Aha-Momente bei mir und anderen. Das macht mir mehr Spaß als gegen Betonwände und Ignoranz anzukämpfen.

    Andere wiederum gehen anders mit der Ablehnung um. Jede_r so, wie er_sie mag.

  5. @Nadine

    Diese Abkopplung vom Mainstream ist natürlich konsequent. Aber besteht dann nicht die Gefahr sich nur in einer abgeschlossenen Subkultur zu bewegen? Ich meine bei Themen wie Vegetarismus oder Konsumverweigerung, alternativer Lebensstil ist es natürlich möglich sich vom Mainstream zu lösen. Aber Feminismus hat doch scheinbar das Ziel, den gesellschaftlichen Mainstream zu beeinflussen und letztendlich zu verändern. Das geht doch nicht, indem man sich nur mit Leuten umgibt, die ohnehin eine gleiche/ähnliche Weltauffassung haben.

  6. Nachtrag zum Thema Mainstream und Abgrenzung:

    Ich lese gerade im Forum der Emma die Diskussion über das aktuelle Titelblatt der EMMA – irgendwas mit „Emma meets Mädchen“ oder so…

    http://forum.emma.de/showthread.php?6747-2-11-Kein-Bock-auf-Spaltung-EMMAs-treffen-Missy&p=48731&viewfull=1#post48731

    Und da werden teilweise die jungen Feministinnen als „als must have einer linksliberalen maistreamschickeria“ beschimpft (vermutlich von einer/m Altfeministin?)

  7. @black

    Wie ich bereits schrieb: Nicht alle Feminist_innen, die sich dem Mainstream öffnen bzw. nur im Mainstream agieren, werden wahr und ernst genommen, Veränderung innerhalb des Mainstreames ist nicht immer möglich, sonst hätten wir wohl schon längst eine gerechtere Gesellschaft. Zudem ist es nicht ausgeschlossen, von außen bzw. in einer „Subkultur“ auf den Mainstream einzuwirken. Dazu möchte ich betonen, dass wir hier von konstruierten Entitäten sprechen. Mainstream, Subkultur, unterschiedliche Sphären stehen immer irgendwo im Austausch miteinander, beeinflussen sich gegenseitig, sind veränderbar. Also kein Grund zur Sorge. Das bahnt sich am Ende alles seinen_ihren Weg dort, wo es hin will oder soll.

    Zur EMMA-Geschichte kann ich nichts sagen, vielleicht fragst du dort selbst mal nach?

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