Emma Watson, Feminismus und der Mainstream

Ein Dauerbrenner: Das Funktionalisieren und Quantifizieren von Privilegierung/Diskriminierung mittels Zahlen oder Mengenbegriffen, um irgendeine Kackscheiße zu rechtfertigen. Neben Mehrheit/Minderheit-Geschwurbel oder dem netten Begriff „alle“ (wer ist das überhaupt?), taucht auch „Mainstream“ immer mal wieder auf im Zusammenhang mit feministischem Aktivismus.

„Feminismus muss endlich im Mainstream ankommen.“ „Endlich mal eine, die Feminismus für den Mainstream macht.“ „Damit Feminismus auch den Mainstream erreicht.“ usw usf. Mainstream ist cool, Mainstream ist hip, Mainstream wird gefeiert. Doch wer oder was ist dieser Mainstream eigentlich? Und warum wollen ihn bestimmte Feministinnen endlich erreichen, ansprechen, mitnehmen? Wer sitzt da am anderen Ende der Leitung und will abgeholt werden? Und wohin wird die Reise dann führen?

Emma Watson
Emma macht sich auf die Reise zum Mainstream. Quelle: Flickr.com / CC-BY 2.0

Nehmen wir folgendes Beispiel, weil es gerade ein aktuelles gibt, wo mal wieder eine Mainstream-Meinung gefeiert wird: Emma Watson. Eine weiße privilegierte Hetera, die betont, dass Feminismus nichts mit Typenhass zu tun hat und alle meint (nicht nur Frauen… oder so), es um Gleichheit von Menschen geht, um Menschlichkeit… Schlafen euch auch schon die Füße ein?

[Hier geht’s zum Video der Rede. Watsons Performance wäre in diesem Kontext eine eigene Analyse wert]

Wenn Kritik kommt, dass das Geseier von so einer Person mit diesem Inhalt nun wirklich problematisch ist, weil privilegiertes liberales Gewäsch (ja, Liberalismus ist so eine weiße Idee, auch die Rhetorik von wir sind doch alle Menschen) oder gar: Feminismus als edgy Zusatz für die eigene heterosexuelle Verwertbarkeit…nun ja, dann kommt meistens als Argument: ABER SIE MACHT ES DOCH FÜR DEN MAINSTREAM!!! Sie macht es noch nicht mal für mich!!! Sondern für all die Dummköpfe, die es noch nicht kapiert haben!!! Die noch überzeugt werden müssen von der guten Sache!!!
NA DANN!!!

Hey und es ist mal nicht so kompliziertes Gesülze mit Rassismus und Heteronormativität und so. Es ist einfach für alle.

Spannend finde ich neben der Tatsache, dass das kein Argument auf die vorgebrachte Kritik ist (sondern Abwehrverhalten), wer auf diese Kritik so reagiert und wer diese Mainstream-MärtyrerInnen wie Watson eigentlich abfeiert.

Es ist Übersetzung nötig und ich spiele jetzt mal die Dolmetscherin. Gucken wir uns folgende Szene nochmal im Schnelldurchlauf an >>

Emma: Feminismus, kein Männerhass, Männer sind auch mitgemeint, Menschen allgemein, blablabla
Feministin: VOLL COOL!!! *verlink*
Killjoy: Kritik.
Feministin: Mainstream, die Leute da abholen, wo sie stehen, unkompliziert, alle, blablabla

Ich übersetze den letzten Satz, damit wir auch alle(!) verstehen, was Mainstream eigentlich heißt >>

Feministin: „Endlich mal eine (die Emma), die so denkt wie ich. Endlich mal eine, die von meinen Erfahrungen, meinen Gedanken und meinen Gefühlen spricht. Endlich mal eine, die meine Lebensrealität wiedergibt.“

Woher sollte sonst der Enthusiasmus herrühren, mit dem so etwas verlinkt und bejubelt wird? Wir kennen doch alle die kleinen Seelenöle des Empowerments.

Mit Mainstream meint die Feministin nicht alle, sondern sich selbst. Die Erfahrung einer privilegierten weißen Hetera, die wahlweise von einer anderen privilegierten Hetera oder eines privilegierten weißen Hetero-Typen ausgesprochen wird, der noch mehr Anerkennung bekommt, weil: Er ist ja ein Mann!!! Und die sind – wie wir alle(!) wissen – die Türsteher vor den Toren des guten Lebens. Privilegierte weiße Heteras haben es schwer, sich von der Ideologie loszusagen, bei der sie einzig und allein Opfer sind (und damit Zentrum des feministischen Universums). Sie sind auch Menschen mit gewaltausübender Geschichte, mit Profiten, die sie aus einem gewaltausübenden System ziehen, das z.B. auch Rassismus und Heteronormativität hervorbringt (und ihr eigenes Hetendasein).

Um zu rechtfertigen, dass diese Feministinnen Thesen abfeiern, die sich ausschließlich um sie drehen und diese Thesen auch Folge dieses gewaltausübenden Systems sind, müssen sie daher anfangen von Mainstream zu plappern, müssen sich selbst als viele/die meisten/alle/Mehrheit imaginieren. Weil in der weißen, liberalen, aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft haben wir ja gelernt, dass die Mehrheit entscheidet, nicht wahr?

Fakt ist: privilegierte weiße Heteras sind nicht die Mehrheit. Sie sind global betrachtet sogar eine ziemlich kleine Gruppe von Menschen. Trotzdem macht die Diskriminierung, von der sie profitieren, dass sie sich als Mehrheit denken können, sich selbst als Menschen/Allgemeinheit/Mainstream verstehen.

Fakt ist: Ich verstehe, dass so ein Emma-Watson-Statement für diese Gruppe von Menschen bestärkend wirken kann. Sich selbst, die eigenen Erfahrungen gespiegelt zu bekommen, die auch weißen privilegierten Heteras abgesprochen wird (durch ihre Typen-Counterparts wohlgemerkt, die sie gerne im Feminismus dabei hätten), ist etwas wohltuendes. Ich denke, dass das alle Menschen nachvollziehen können, die von Diskriminierung betroffen sind. Anerkennung nennt sich das mitunter auch.

Dennoch: wenn solche Statements kritisiert werden, wird lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass das eben nicht die Erfahrungen einer Mehrheit oder aller sind, die diskriminiert werden und dass es fatal ist, so etwas anzunehmen, weil es die Lebensrealitäten von anderen unsichtbar macht, ebenso deren Belange, Kämpfe und Bedürfnisse. Es macht auch die Gewalt unsichtbar, die weiße privilegierte Heteras ausgeübt haben, ausüben und an deren Ausübung sie durch ihr (feministisches) Tun mitwirken.

Wer diese Kritik nicht erträgt, ist kein Opfer. Wer betonen muss, dass Feminismus auch weiße privilegierte Heten-Typen einschließt und einschließen sollte (und um die geht es meistens… Männer of Color sind ja schließlich die gewalttätigen, homophoben, sexistischen und angsteinflößenden Monster, nicht wahr?), ist kein Opfer. Sondern macht Feminismus für sich selbst und die eigene Anerkennung vor eben diesen Typen.

Und das ist nicht Mainstream, sondern ganz umkompliziert ausgedrückt: Kackscheiße.

Fußnote: Die Rede hielt Emma Watson vor der UN wurde anlässlich der Kampagne #HeforShe. #HeforShe fordert Männer auf, sich für Frauenrechte einzusetzen. Motivation für Männer, diese Kampagne aktiv mitzugestalten, soll sein, dass es bei Frauenrechten ja auch um ihre „Töchter, Mütter, Freundinnen, Partnerinnen, Ehefrauen“ geht. Weil wir als Feminist_innen um die Gnade von Typen betteln, indem wir alle Frauen auf heterosexistische Weise als zu den Typen im unlösbaren Bezugs- und Beziehungsverhältnis stehend konstruieren müssen. Deshalb hat er ja auch was von Feminismus, weil „seine“ Frauen dann nicht mehr so schlechtgelaunt in seinem Leben herumtrotten und er sich deswegen nicht mehr so unzureichend oder überlegen fühlen muss. Er kann sich stattdessen als Retter und Erlöser feiern lassen. Ich frage mich, wie Feminist_in solch eine typen-zentrierte und hetero_cis_sexistische Kampagne unterstützen kann, in der Frauen (und nur die!) wieder mal als bedauernswerte, handlungsunfähige Objekte herhalten müssen, die einen Befreier brauchen. Ich frage mich nicht, wie Feministinnen die Botschafterin dieser Kampagne unterstützen können, denn es ist offensichtlich. Sie müssten sich ansonsten selbst kritisieren. Schließlich ist es Mainstream (Ha!) Typen dafür zu schmähen, dass sie sich ständig auf ihresgleichen beziehen, nicht aber jene Feminist_innen, die ihnen nacheifern.

22 Kommentare zu „Emma Watson, Feminismus und der Mainstream

  1. Drei Gedanken kamen mir beim Lesen:

    1. Emma Watson ist noch sehr jung und erst seit ein paar Monaten UN Women Goodwill Ambassador (sie ist verständlicherweise nervös, vor diesem Plenum zu sprechen).
    2. Sie ordnet sich selbst als weiße, priviligierte Frau ein (s. z.B. Minute 4:50 oder 5:47)
    3. Das UN Plenum vor Ort (sowie das Publikum weltweit) besteht nicht nur aus weißen Frauen, die eine priviligierte Bevölkerungsschicht repräsentieren (s. z.B. Minute 7:23 oder Minute 8.18).

    Vor ihr sprachen im Übrigen Generalsekretär Ban Ki-moon und UN Women Executive Director Phumzile Mlambo-Ngcuka. Warum sich Emma Watson nicht auch zum Thema Gender Equality und Feminismus äußern sollen darf, leuchtet mir nicht ein.

  2. Wer redet denn hier von Verboten? Ich habe doch gar nicht geschrieben, sie soll sich nicht äußern dürfen, geschweige denn kann ich Redeverbote überhaupt durchsetzen.

    zu deinen Punkten: Ja. Und was hat das mit der Kritik in meinem Artikel zu tun?

  3. hey nadine,

    deine erste kritik ist, wenn ich es richtig verstehe, dass ihr mit einer oberflächlichen mainstram-feminismus-rede so eine große plattform geboten wird, oder?

    diese kritik kann ich total verstehen, v.a. wo dein ärger herkommt und insbesondere deine kritik am weißen feminismus. und ja, inhaltlich war die rede jetzt sicherlich nichts, was mich vom hocker gehauen hätte. da gebe ich dir recht.

    Aber deine viel elementarere kritik ist doch, dass du der meinung bist, dass feministischer aktivismus und mainstream nicht zusammengehen? Und in der folge ist feministischer aktivismus, der „mainstreamig ist“ bzw. den mainstream anspricht automatisch immer „kackscheiße“???
    das finde ich ehrlich gesagt ziemlich problematisch, um nicht zu sagen total arrogant! wer bestimmt denn was kackscheiße (=mainstream) ist und was nicht? die subversivsten, queersten, nicht-heterosexuellsten, radikalsten feminist*innen??? wo ist denn die grenze zu ziehen?

    das ist der punkt, wo du mich ehrlich gesagt verloren hast, das verstehe ich wirklich nicht… das gegenseitige beurteilen, bewerten und anschließende kategorisieren in gute und böse aktivist*innen geht mir tierisch auf die nerven!
    Anti-ra, anti-klassistisch, anti-kapitalistisch, anti-heterosexistische, intersektionale perspektiven: ja, ja, ja!!! Ungemein wichtig für feminimsus, ABER wieso soll ich denn selbst nicht sehr viel differenzierter und radikaler unterwegs sein können als z.b. emma watson und TROTZDEM eine mainstream-feministische rede gut finden und mich darüber freuen???

    LG, hannah

    p.s. im übrigen hat sich emma watson sehr wohl mit ihren eigenen privilegien auseinander gesetzt – sie thematisiert das mehrmals in der rede (siehe sonjas beitrag).

  4. Was meinst du mit der Klammer über ihre „performance“? Ich sehe, dass sie nervös ist. Mehr ist mir nicht aufgefallen. Und sie bezieht sich auf ihre eigenen Erfahrungen.

  5. Hey hannah,

    zunächst: es kann nicht einfach irgendwer bestimmen, was kackscheiße ist und was nicht. schon gar nicht die „die subversivsten, queersten, nicht-heterosexuellsten, radikalsten feminist*innen“. ich denke mir die kritik auch nicht aus, weil mir das gesicht von emma watson nicht passt. meine analyse nehme ich von dem, was ich weiß. und mein wissen habe ich mich über meine feministische zusammen_arbeit mit anderen erarbeitet über einige jahre nun schon. ich nenne es kackscheiße oder diskriminierung reproduzierend, wenn fortlaufend in feministischen bewegungen die perspektiven von weißen, privilegierten heteras zentriert und wiederholt werden und bei kritik dann das argument bemüht wird, aber diese perspektive sei doch mainstream oder anschlussfähig genug. ich habe überhaupt nichts gegen verständlichkeit und anschlussfähigkeit. aber die mache ich nicht an eben dieser gruppe fest, sondern ich möchte verständlich und anschlussfähig sein für menschen, deren perspektiven selten gehört und kaum erwähnung finden. ich möchte auch sichtbar machen, wo rassistische, heteronormative diskurse/verhaltensweisen/strukturen dazu beitragen, dass eben emma watson mit ihrer schluck-wasser-rede soviel beifall bekommt.

    deshalb geht es auch nicht um gut oder böse/schlechte aktivist_innen, sondern darum, sich zu fragen, für wen eigentlich die ganze zeit frauenrechte propagiert werden oder feministischer aktivismus betrieben wird. mich unterscheidet doch in bezug auf mein weißsein überhaupt nichts von emma watson. allerdings wählen wir unterschiedliche politikweisen in bezug auf rassismus. sie spricht von „armen kleinen afrikanischen mädchen ohne bildung“. diese aussage ist rassistisch und symptomatisch für eine rede einer weißen frau, die über frauenrechte und feminismus spricht. es geht hier auch darum zu benennen, welche menschen wie von diskriminierung betroffen sind und welche ursachen das hat. dass das auch mit mir selbst zu tun hat als weiße person, dass ich offensichtlich widerspruchsfrei der meinung sein kann, einen von mir kolonialisierten kontinent mit all den folgen, die das nach sich zog, weiterhin mit meinem erzieherischen gutmenschentum und meinen idealen „zivilisieren“ zu wollen, die ursächlich für kolonialismus waren. das ist kein hilfsangebot. das ist keine mitmenschliche geste. das ist verharmlosung von gewalt. ich frage mich wirklich, wie mensch diese rede gut finden kann, aber die kritik daran verstanden haben will. wer soll denn hier von der notwendigkeit von feminismus (es ist ja noch nicht mal das, es sind frauenrechte) überzeugt werden? wem helfen denn diese lippenbekenntnisse? wem ist denn geholfen, wenn sich nach der rede 3 (von mir aus auch 300) typen gedanken machen, wie ungerecht die welt ist und wie sie „ihre“ frauen besser schützen können vor gewalt? sexistische diskriminierung geht nicht nur von typen aus. sexistische diskriminierung meint nicht nur weiße heteras als betroffene. betroffene brauchen keine rettung, sondern materielle und ideelle unterstützung in ihren anliegen, die sie selbst formulieren.

    betroffene von gewalt und diskriminierung brauchen keinen hollywoodstar, der eine nachmittägliche kaffeekranzrede schwingt, sondern konkrete verbesserungen ihrer lebenssituation, unterstützung in ihren politischen kämpfen und dass ihnen jemand zuhört, anstatt immer nur wieder über sie zu reden oder gar nicht über sie zu sprechen, sondern über die eigene privilegierte lebensrealität und das als für alle menschen allgemeingültig zu deklarieren.

    es ist auch für diese menschen völlig unerheblich, ob watson in ihrer rede ihre privilegien benennt. das ist noch lange keine auseinandersetzung damit, sonst wären da bilder wie die das von mir zitierte überhaupt nicht bemüht worden, sonst hätte watson drüber gesprochen, was sie eigentlich für die verbesserung von lebenssituationen von menschen tut. ach quatsch, sonst würde sie diese kampagne überhaupt nicht promoten. diese rede dient in erster linie ihr selbst und danach denen, die sich drüber freuen, dass endlich mal eine wie watson findet, dass feminismus kein männerhass ist. wo sind wir denn? im jahr 2014? das ist alles so ausgelutscht und uninspiriert und hilft niemandem, wenn sich gegenseitig leute vergewissern, dass diskriminierung existiert und dabei selbst noch diskriminierung reproduzieren. wie kann ich mich über so etwas freuen? ich verstehe es wirklich nicht.

  6. Liebe Nadine, Ich verstehe dich sehr. Jedoch nur ein kleiner zusätzlicher Gedanke:

    Scheiss auf den Inhalt. Ja er ist nicht grossartig sogar ein wenig seicht. Du sagst jedoch selber es muss was getan werden, nicht nur gelabert werden. Es braucht nicht weitere Reden von weissen Heteras sondern es braucht Taten also einen konkreten Aktivismus. Denkst du also nicht das eine solche „mainstream“ Rede extrem viele Leute aktiviert. Eben genau diese Leute (scheiss auf Geschlecht) die eben diese Ressourcen (Geld, Zeit, Wissen etc. ) haben um genau den von dir gewünschten Aktivismus zu betreiben.

    Ja es geht auch darum tatsächlich und langfristig das Gedankengut zu verändern, und fraglich inwiefern diese Rede was gebracht hat. Aber ich denke man muss das ganze in einem grösseren Zusammenhang betrachten.

    Emma Watson wurde aus einem Grund gewählt. Nicht weil sie auf die Diskriminierung konkreten Einfluss nehmen kann, sondern weil sie Einfluss nehmen kann auf, die die Fähigkeit und Möglichkeiten haben solchen Aktivismus zu betreiben.

    Und in diesem Sinne finde ich es eine gute Wahl der UN. Ich finde es jedoch auch Schade, dass sie nicht auf konkrete Möglichkeiten angeht. Ganz deiner Meinung.

  7. Nadine, ich bin ganz bei dir. Es kotzt mich an, wie diese Rede sich an Männer (hier wohl eher ohne Sternchen) richtet – scheinbar werden stereotype Maskulinitätsentwürfe kritisiert, nur um im nächsten Moment wieder an den Helden und Beschützer im Mann zu appelieren – „Typen, werft das Korsett der Klischees ab, damit eure Freundinnen, Töchter etc. als Kosequenz befreit werden“.
    Wenn Watson bzw. die UN wirklich an Männer* bzw. ihr transformatives Potential im Hinblick auf die Beendigung von Diskriminierung applieren möchten, dann kann und darf sich das nicht in den Rollen der Männer als Opfer bzw. als Beschützer erschöpfen. Denn das bedient ja wie du schon meintest die patriarchale Selbstverständlichkeit, dass Frauen* erst über eine Beziehung zum Mann schützenswert sind. Das nenne ich das Gegenteil von empowerend…

  8. Ich möchte hiermal darauf hinweisen, dass kurz nach ihrer Rede hacker damit drohten(You are next), Nacktfotos von ihr zu veröffentlichen. Unabhängig davon, ob man ihre Rede nun gut findet oder nicht, ist die Botschaft klar: Frauen, die den Mund aufmachen und sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen, sollen gefälligst die Fresse halten. Dies scheint eine neue Form des social silencing zu sein.

    Sehr bedenklich das ganze.

    Übrigens finde ich die Rede sehr gut. Mit Blick auf die Mehrheitsgesellschaft, also wenn man mal seine sonnige feministische Insel verlässt, hat mit Feminismus und Gleichberechtigung immer noch wenig am Hut und dass Männer mit Geschlechtergerechtigkeit auch etwas zu tun haben bzw. auch etwas dafür tun können, scheint auch bei vielen noch nicht angekommen zu sein.
    und ja, ich weiß, dass auch noch viele andere Gender gibt.

  9. @ Karen
    Nein, nein und nochmals: NEIN.
    Scheiß NICHT auf den Inhalt und zwar niemals! Wem bitte soll denn IRGENDEINE Rede, IRGENDEIN Aktionismus, IRGENDEIN Feminismus IRGENDWAS nützen, wenn es nicht mehr auf Inhalte ankommt?! Was ist denn bitte Aktionismus oder auch „Feminismus“ ohne Inhalt, wofür sollen die da sein?
    Die Frage geht zwar an Nadine, aber um mich mal ungefragt zu äußern: Ich glaube tatsächlich nicht im mindesten, dass SO EINE Rede irgendwen in irgendeiner Weise zu irgendwas aktiviert, was nach meinem Verständnis auch nur in die Nähe von Feminismus kommt. Diese Rede ist nicht „ein bisschen seicht“, sie ist an vielen Punkten antifeministisch. Sie geht davon aus, dass Frauen (wohl eher ohne *) von Männern gerettet werden müssen, dass es die Aufgabe von „Feminismus“ ist, erst mal armen Männern dabei zu helfen, nicht mehr gewalttätig sein zu müssen, wozu sie ja von der Gesellschaft(tm) durch Rollenzuschreibungen gezwungen werden, dass das Hauptproblem von „Frauen“ weltweit ist, dass sie weniger verdienen (und von den „afrikanischen Mädchen“ dass sie alle arm und ungebildet sind) und und und. In dieser Rede steckt so viel Bullshit, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Wen so etwas aktiviert, hast Du selbst gut beschrieben: die, die über Resourcen ohne Ende verfügen und denen Inhalte nicht so wichtig sind, weil sie sich durch ihren „Aktivismus“ (oder Aktionismus) so oder so wenigstens als bessere Menschen fühlen können. Was aber soll deren Aktionismus bringen, wenn er sich in so einem Rahmen abspielt, wie ihn die Rede von Emma Watson steckt?
    „Wir“ brauchen diese Leute, die von (Hetero-, Cis-)Sexismen nicht betroffen sind, dafür aber die Kohle haben, um den Feminismus(tm) endlich mal vorwärts zu bringen? Weil es einfach so viel mehr bringt, mal von außen befreit zu werden von denen, die endlich einsehen, dass sie ihre Macht für was Gutes ™ einsetzen müssen?
    Sorry, aber nein, nein und nochmals NEIN!

  10. Weil hier und anderswo immer wieder genannt wird , Emma setze sich mit „ihren Privilegien“ auseinander:
    Nein.
    Sie erklärt, wie Eltern, Lehrer_innen und andere über ihr Mädchen-/Frausein hinweggesehen haben und sie trotzdem gefördert haben und an sie geglaubt haben. Das nennt sie „Privilegien“ aber der Wortsinn meint nicht das, was ihre eigentlichen Privilegien sind (das wären whiteness. Cis gender. Eine bestimmte Nationalität usw)
    Sie verkürzt Machtstrukturen und individualisiert sie indem sie Privilegien mit „Glück gehabt“ verwechselt und das auch noch in dem Themenfeld in dem sie tatsächlich Diskriminierung erfährt (in.Form von Sexismus).
    Das ist liberale Scheiße und hat nichts mit einem tatsächlichen Umgang mit Privilegi

  11. Privilegien zu tun. Das ist teils ein Sprachproblem weil die Worte in unterschiedlichen Sprachen verschieden benutzt werden aber teils wohl auch ein grundsätzliches Missverständnis zum PGespräch über Macht und Privilegien.

  12. @ Lozen

    ganz richtig, es ist leider noch nicht bei vielen Menschen in der Mehrheitsgesellschaft angekommen, dass Männer* ebenso für Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen haben. Die Frage ist nur, mit welchen Handlungen und aus welcher Sichtweise bzw. mit welchem Selbstverständnis.
    Meiner Ansicht nach geht dies nur aus einer reflexiven, radikal selbstkritischen Perspektive, die eigene Anteile an der Diskriminierung Anderer (und zwar nicht nur auf der Geschlechtsebene) in den Blick nimmt und ganz bestimmt mit gönnerhaftem Heldenmackertum, in dem Eigennutz („seine“ Frauen sind safe und er hat weniger emotionalen Stress) mitschwingt und das vor wohlmeinendem Sexismus a la „wir müssen die Frauen (ohne Sternchen) befreien“ trieft. In der Rede wird die für das Patriarchat so fundamentale Gesetzmäßigkeit, dass Frauen nur über ihren Bezug zu Männern denkbar sind, nicht angezweifelt oder überhaupt nur sichtbar gemacht, nein sie wird instrumentalisiert, um für die Involvierung von Männern zu werben. So wird das Patriarchat nicht dekonstruiert sondern stabilisiert.

  13. Interessantes Detail, das noch ausdifferenziert was am Mainstream stört und wie eng der auch immer mit Kommerz verknüpft ist: Die Kampagne, für die Emma Watson das Gesicht ist, ist u.a. von Barclays gesponsort.:

    Güzin Kar in der Bund: „Unter den Sponsoren findet sich unter anderen das britische Finanzunternehmen Barclays. Dort seien von vierzehn Vorstandsvorsitzenden drei weiblich, lese ich. Ein Ja zur Gleichstellung der Geschlechter schliesst offenbar keinerlei Handlungen mit ein.“

    Sehr lesenswert:
    http://derbund.ch/13426486

  14. Karen:
    „Ja es geht auch darum tatsächlich und langfristig das Gedankengut zu verändern, und fraglich inwiefern diese Rede was gebracht hat. Aber ich denke man muss das ganze in einem grösseren Zusammenhang betrachten.“

    -> haha, ernsthaft?? Mit dem größeren Zusammenhang kann man so ziemlich alles rechtfertigen. Wenn man den Gedanken dann weiterspinnt, bleibt dann wohl einfach alles wie es ist. Scheiß doch auf die Rechte des Einzelnen und die paar „armen Frauen“, die hinten runterfallen. So lang es ums große Ganze geht, lass ich mich natürlich gerne übergehen und auch ein bisschen Diskriminieren. Man kann ja nicht alles haben. Muss auch mal Kompromisse eingehen.. Hach ich krieg mich gar nciht mehr ein.. Einige nette religiöse Führer oder zweifelhafte Staatsoberhäupter arbeiten übrigens auch nach dieser Methode.

  15. Danke, Nadine, für den Text. Ich bin ein bisschen spät dran, trotzdem hier noch ein Kommentar auf Emmas Frage
    If not me -who? –>

  16. Hi Nadine,
    Ich danke dir für diesen Post – sehr! Und noch mehr für den Kommentar an Hannah von 23. September um 18:14 (und jetzt alle nochmal hochscrollen und lesen!)

    Mir geht es ähnlich wie du – ich habe Emmas Rede gesehen und wurde beim zuschauen immer enttäuschster – allein den Titel „he for she.“ So much no go…
    Mir ist hängen geblieben „Frauen wollen die gleiche Rechte wie Männer haben“ (oder so in etwa) und da habe ich gedacht, ist das nicht ziemlich das erste was Feminist_innen lernen, das dies eben NICHT der Fall ist?

    Ich empfehle hierzu bell hooks „Feminism: A Movement to End Sexist Oppression“
    http://www.mcc.osu.edu/posts/documents/sexism-bhooks.pdf

    Ich finde es echt klasse, dass Emma sich engagiert. Und Fehler dürfen wir nun mal alle machen. TROTZDEM: da sie rassistische / hetereosexistische / sexistische Sachen reproduziert ist es wichtig und richtig dies anzumahnen, damit wir alle weiterkommen. Es geht nicht um ihre verletzte Gefühle sondern darum oppressive Praxen und Diskursen zu beenden.

    Feminismus, so wie Emma das macht, ist eben nicht für alle.
    Hierzu ein längere Kommentar von mir:
    http://anschlaege.at/feminismus/2013/08/feminismus-und-ich-eine-geschichte-unerwiderter-liebe/

  17. Danke danke, Ms Represented für den Kommentar und auch deinen Blogeintrag, den ich eben gelesen habe. Es bringt auf den Punkt, was ich schon lange versuche für mich zu formulieren, wofür mir aber jedesmal die Worte fehlen, wenn ich mit Kommentaren wie „freut euch doch wenigstens über ein bisschen Applaus“.

    Jetzt fällt mir auch immer mehr auf, dass das hier nicht nur einfach falscher Applaus ist, sondern der „devil in disguise“. Deutlich vor allem an Kommentaren wie dem Karen, über den ich immernoch den Kopf schüttele, aber eben nicht aus der Sprachlosigkeit herauswusste.

    Karen „Emma Watson wurde aus einem Grund gewählt. Nicht weil sie auf die Diskriminierung konkreten Einfluss nehmen kann, sondern weil sie Einfluss nehmen kann auf, die die Fähigkeit und Möglichkeiten haben solchen Aktivismus zu betreiben.“

    -> Ich bin nun absolut überzeugt davon, dass EW deshalb ausgewählt wurde, weil sie eben KEINEN Einfluss auf die größten Missstände nimmt oder nehmen kann. Sie ist einfach viel bequemer. Nicht weil sie es weißen Männern leichter macht, wurde sie eingeladen zu sprechen, sondern auch (oder vor allem) deshalb, weil man dann tatsächlich Betroffenen nicht mehr zuhören muss. Der „Trickle-down effect“, den „Mainstreamfeminismus“ auf all „Anderen“ haben soll.. Schon mal überlegt, dass der überhaupt nicht GEWOLLT ist?

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