Cultural-Appropriation-Fall Nr. 89532791 (diesmal: Alverde)

Wir freuen uns über einen Gastbeitrag von Salomé! Die Autorin ist vegane Katzenliebhaberin, derzeit wohnhaft in NRW, Person of Color, und führt nach eigenen Angaben kein allzu bemerkenswertes Leben… 

CN: Rassismus

Die Naturkosmetikmarke Alverde hat vor einigen Tagen eine neue Limited Edition für ihre dekorative Kosmetik in die Läden gebracht. Der Name der Produktlinie ist „African Soul“.

Kampagnenfoto von alverde
Kampagnenfoto von alverde

Pressetext:

“Wie wäre es mit einem Ausflug in die Savanne? Entdecke die faszinierenden Farben und die Magie des fernen Kontinents. Die neue Limited Edition African Soul von alverde NATURKOSMETIK zaubert einen Hauch von Afrika in dein Schminktäschchen und nimmt dich mit auf eine Reise durch die Weiten des Landes. Lass dich von den warmen Erdtönen und leuchtenden Farben mitreißen und verleihe deinem Aussehen einen Look wie von der Sonne geküsst.”

Ich fasse zusammen:

 1. Weißes Model mit „Afro“-Perücke auf dem Kampagnenfoto

Denn es hätte so wehgetan, einfach ein Schwarzes Model zu nehmen.

Wir wissen hoffentlich alle, dass auf dem afrikanischen Kontinent auch Weiße heimisch sind und es hellhäutige Schwarze gibt – die Perücke gibt aber darüber Aufschluss, dass man hier zweifelsfrei versucht hat, eine Schwarze Person zu repräsentieren, ohne eine Schwarze Person zu repräsentieren.

Eines der Bronzingprodukte nennt sich African Powder. Ich weiß schon, womit sie das Model für die nächste Kampagne blackfacen.

 2. Geographische Verwirrung

Im Text bezieht man sich bei Afrika zunächst auf den „fernen Kontinent“ (sic), spricht dann aber von einer „Reise durch die Weiten des Landes“ (sic), was nahelegt, dass die Presseleute weder über geographischen Durchblick, noch das Minimum an Respekt zu verfügen, um sich selbigen kurz zu verschaffen, was dank Google die unzumutbare Zeitintensität von etwa zehn Sekunden beansprucht.

3. Geographische Wahrnehmungsstörung

Wer Afrika als Land sieht, kann die Exotisierung desselben natürlich auch nicht sein lassen…? Afrika ist Europas Nachbarkontinent. Nordamerika ist bedeutend weiter entfernt – wie oft wird von den Vereinigten Staaten (wohlgemerkt heute, lange nach 1892) als „fernes Land“ gesprochen?

4. Fragwürdige Zielgruppeneingrenzung

Als wäre es nicht schon peinlich genug, hat natürlich niemand daran gedacht, in dieser von einem Kontinent mit mehrheitlich Schwarzer Bevölkerung „inspirierten“ Linie Abdeckkosmetik (Concealer/Puder/Foundation) für Leute zu berücksichtigen, die nicht weiß sind. Die Zielgruppe Alverdes lässt sich also weiterhin in etwa zwei Hauttöne und eine Ethnizität einteilen.

Die Stellungnahme der Firma – in Form eines Kommentares unter/in der Diskussion bei Facebook – liest sich folgendermaßen:

„Hallo Ihr Lieben, danke für Euer zahlreiches Feedback zu unserer neuen LE African Soul. Wir können Euch versichern, dass es niemals unserer Absicht entspricht, Frauen jeglicher Hautfarbe zu diskriminieren. alverde geht es hier um die Darstellung und Vermittlung eines Beauty-Trends, den sowohl hell- wie auch dunkelhäutige Frauen umsetzen können. Aber wir nehmen Eure Anregung gerne auf beim nächsten Shooting mehr Alternativen zu zeigen, liebe Grüße aus dem alverde-Team, Helena“ (eigene Hervorhebungen)

Unter einem anderen Beitrag fand folgender Dialog statt:

 

Screenshot von Facebook
Screenshot von Facebook
Screenshot von Facebook
Screenshot von Facebook

Mit anderen Worten: Die Alverde-Repräsentantin ist der Meinung, dass die Marke ausreichend dekorative Kosmetika für Schwarze (mit dunklem Teint) anbietet, muss aber nach einigen gewohnt ausweichenden Antworten zugeben, dass sie keine Abdeckprodukte für eben jene führen.

(Eine Liste an Alternativen zu Alverde für People of Color findet ihr unten.)

Gemessen daran, dass wir das Jahr 2013 schreiben, ist respektvolle Repräsentation nichtweißer Kulturen in an eine weiße Käufer_innenschaft gerichtete Werbung relativ selten. Dieser Zwischenfall ist nicht der erste seiner Art und die begleitende Diskussion ist alles andere als neu.

Es ist nicht „nur“ ein Foto. Es ist die renitente, kontuinierliche, systematische Aufrechterhaltung der bestehenden Machtverhältnisse, die tausende solcher Fotos sowie eine Gesellschaft produziert, die mehrheitlich der Meinung ist, diese Fotos seien akzeptabel.

Wer bei Google „cultural appropriation“ in die Suchleiste tippt, bekommt einen Eindruck davon, wie gut People of Color es finden, dass die Devotionalien ihrer jeweiligen Kultur von weißen Leuten getragen werden, die es nicht interessiert, was sie damit tun und wen sie damit beleidigen.

Spoiler alert:

Japaner_innen sind NICHT hellauf begeistert davon, dass Polyesterkimono als Karnevals- oder Halloweenkostüme verkauft werden.

Inder_innen sind NICHT erfreut von Hipstern, die sich Bindis auf die Stirn kleben.

Cherokee, Sioux, Choctaw und andere Ureinwohner_innen Amerikas finden es NICHT großartig, dass die gleichen Hipsterkids sich Warbonnets über den Kopf ziehen.

Und Schwarze auf allen Kontinenten sind NICHT total glücklich darüber, dass man Schwarze Models prinzipiell nur mit geglätteten Haaren sieht, aber blonde/brünette Weiße bedenkenlos Dreadlocks (und anscheinend auch „Afro“-Perücken) spazieren tragen können, ohne um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bangen.

Ich habe selten eine Diskussion mitverfolgt, in der sich nicht früher oder später jemand mit dem Einwand zu Wort meldete, man kenne eine Person of Color, der das ganze nichts ausmache. Manchmal ist es auch eine PoC selbst, die kommentiert, sie fände den diskutierten Vorfall nicht rassistisch. Als eine Person of Color, der es nicht egal ist, habe ich schockierende Neuigkeiten für euch:

Liebe Weiße,

wenn ihr ein paar Uncle Toms [Ergänzung, März 2015: Auf Wunsch der Autorin nun gestrichen, da es sich um einen „African American Vernacular English“-spezifischen Begriff handelt] Leute kennt, die in etwa so ignorant sind wie ihr, gleichzeitig aber einer anderen Ethnizität angehören, könnt ihr daraus keine Legitimation für euer menschenverachtendes Verhalten ableiten.

Wenn euch eine weiße Person sagt, dass ihr sie „dummes Stück“ nennen dürft, weil ihr so gute Freunde seid, lautet eure Schlussfolgerung wahrscheinlich (/hoffentlich) auch nicht, dass jede andere weiße Person es gleichermaßen geschwisterlich auffassen wird.

Hört auf, euch am kulturellen Erbe nichtweißer Ethnizitäten zu bereichern. Ihr dürft unseren Kram nicht tragen.

Warum?

Weil wir ihn selber nicht tragen dürfen, ohne von euch stereotypisiert und exkludiert zu werden. Ihr habt eine Situation geschaffen, in der People of Color in ihren Nationaltrachten oder mit ihrer Naturhaarstruktur mehrheitlich mit rassistischen Klischees konnotiert werden. (Nicht, dass uns das ansonsten nicht passieren würde – wir sind konstant einem Rassismus ausgesetzt, dessen Allgegenwärtigkeit vehement geleugnet wird.)

Ihr habt die Privilegienolympiade gewonnen. Zeigt ein bisschen Anstand, indem ihr eure Medaillen/Warbonnets/Bindi/Kimono/Afroperücken nicht zur Schau stellt.

Freundliche (?) Grüße

Angepisste PoC

——-

Eine Liste von Naturkosmetikmarken, die auch Abdeckprodukte für Schwarze und andere People of Color anbieten und darüber hinaus nicht nur teilweise, sondern komplett vegan sind (wie gewohnt leider alle nicht direkt in Deutschland erhältlich):

http://www.theallnaturalface.com (alle Abdeckprodukte auch in dunklen Nuancen erhältlich)

http://www.allnaturalmineralmakeup.com (Dead Sea Mineral Foundation, Natural Mineral Foundation)

http://www.alythea.com.au (Liquid Mineral Foundation)

http://www.aunaturaleglow.com (Powder Foundation, Powder Concealer, Creme Concealer)

http://cheekycosmetics.ca (Foundation)

http://www.cosmictree.ca (Foundation)

http://www.gabrielcosmeticsinc.com (ZuZu Luxe Oil-Free Liquid Foundation + ZuZu Luxe Dual Powder Foundation)

http://gourmetbodytreats.com (Raw Mineral Foundation)

http://modernmineralsmakeup.com (Foundation)

Unverbindliche Empfehlungen, ich übernehme keine Haftung für diese Seiten.

Bitte um Hinweis, wenn eines der aufgeführten Unternehmen wider meiner Recherchen doch Dreck am Stecken haben sollte.

32 Kommentare zu „Cultural-Appropriation-Fall Nr. 89532791 (diesmal: Alverde)

  1. Danke für den Kommentar!

    Leider steht Alverde nicht allein da. Essence hatte gerade „trendy azteken-prints … für alle urban-squaws zu bieten“. Die Produkte haben dann so Namen wie „waka waka“. Auch bei Catrice geht es „exotisch“ zu: „Designer entdecken das neue AFROdisiakum.“ Immerhin hat Catrice es hinbekommen, (auch) PoC für die Kampagne zu finden – „African-Appeal“ bleibt aber dennoch „exotisch“.
    Nachzulesen auf den Websites:

    http://www.essence.eu/de/produkte/trend-editions/weiterleitung/tribal-summer.html

    http://www.catrice.eu/de/limited-edition/lafrique-cest-chic.html

  2. DM toppt das…da gibt es nun eine Bodylotion fuer normale bis dunkle Haut.
    Einfach mal der interessanten Diskussion auf der DM-Seite bei Facebook beiwohnen.
    Fremdschaemen 2.0

  3. Danke für diesen Beitrag! Wie „unglaublich“ schon geschrieben hat, begegnet einem so ein Mist leider immer wieder -.- Und leider auch bei solchen Unternehmen, denen mensch eigentlich mehr zugetraut hätte (bei Kampagnen von Fairtrade-Produkten z.B.).

    Allerdings muss ich sagen, dass ich es schwierig finde, von „Japaner_innen“ „Inder_innen“ etc. zu sprechen (z.B. „Inder_innen sind NICHT erfreut von Hipstern, die sich Bindis auf die Stirn kleben.“) und so riesige Menschengruppen als homogen in ihrer Meinung darzustellen.
    Dass die Allermeisten Mitglieder der oben genannten Gruppen cultural appropriation ablehnen ist sicher richtig. Aber eben nicht alle. Versteh mich nicht falsch, es geht nicht darum, dass man aus der Zustimmung einzelner PoC ableiten könnte, dass die genannten Formen der appropriation dann ok sind! Es geht darum ihnen nicht die Vielfalt im Bezug auf ihre Meinung abzusprechen. Und davon abgesehen, sehe ich es sehr kritisch, diejenigen PoC, die persönlich etwas nicht als rassitisch empfinden, ohne ihre Beweggründe zu kennen, pauschal als „ignorant“ zu verurteilen und ihnen somit den Wert ihrer persönlichen Einschätzung abzusprechen. Und warum sie dann plötzlich als „ein paar Uncle Toms“ bezeichnet werden, ist mir auch schleierhaft…

  4. @Tammy: Ist die Formulierung „normale bis dunkle Haut“ ein Zitat? Dann wäre es ganz gut, das kenntlich zu machen, weil es ja eine ziemlich bezeichnende problematische Wortwahl ist…

  5. @Anna-Sarah
    Ich denke „normale bis dunkle Haut“ ist ein Zitat. Wenn man bei Google „bodylotion normale bis dunkle Haut“ eingibt, findet man, leider, zahlreiche Produkte, bei denen genau das aufgedruckt ist. Auch bei einem Balea-Produkt, das wäre ja dann von DM.

  6. @ unglaublich:
    Danke für deine weiterführenden Verweise!
    Artdeco hat gerade auch eine Limited Edition mit „Tribal“-Ästhetik… haben die sich alle untereinander abgesprochen?!

    Ich möchte generell nocheinmal betonen, dass die oben behandelte Alverde-Kampagne alles andere als eine Ausnahme ist. Das ist keine Relativierung, sondern macht es eher noch schlimmer, da man sich angesichts des Diskussionsarchivs bereits zumindest über die Problematik einer solchen Darstellung bewusst sein sollte.

    —-

    @ Tammy:
    Hättest du vielleicht einen Link dazu? Ich konnte es gerade weder auf der DM-, noch auf der Balea-Facebookseite entdecken; würde mich aber schon im Detail interessieren…
    Wäre supernett von dir!

    —-

    @ Sonja:
    Es tut mir wirklich Leid, wenn ich dich oder jemand anderen damit getriggert habe. :(
    Danke für den Hinweis. Ich habe um die Streichung des betreffenden Satzes gebeten.

    —-

    @ katj:
    Ich denke, durch meine Aussage darüber, wie selten themenbezogene Diskussionen ohne Einwände von PoC ablaufen, die den jeweils geschilderten Sachverhalt nicht für rassistisch befinden, sollte klar sein, dass mir Meinungsverschiedenheiten auch unter PoC schmerzlich bewusst sind.

    Ich würde gerne wissen, woher du die Behauptung herleitest, ich wäre nicht mit deren Beweggründen vertraut. (Das ist ein rhetorischer Satz. Es interessiert mich nicht wirklich, no offense.)
    Ich bin nicht weiß und ich habe bis ich etwa siebzehn war die meisten Rassismen sowohl mir als auch anderen gegenüber als Ulkereien unter Jugendlichen abgetan und mitunter auch selber (eigen-)rassistische Kommentare von mir gegeben. Ich kenne die psychologischen, sozialen und psychosozialen Mechanismen, die dahinter stehen. Und das leite ich nicht nur aus persönlichen Erfahrungen ab, sondern aus mannigfaltigen Austauschen mit anderen People of Color.

    Rassismus (und darum geht es hauptsächlich bei Cultural Appropriation) ist aber keine Meinungsfrage, sondern ein repressives System.
    Wenn eine PoC verneint, sich innerhalb unserer Gesellschaft benachteiligt zu fühlen, ändert das noch lange nichts daran, dass er/sie durchschnittlich signifikant schlechtere Chancen z.B. auf dem Arbeitsmarkt und bei der Wohnungssuche hat. (Die Statistiken kann man sicher googeln.)
    Dass das betreffende Individuum das nicht wahrnimmt, ist entweder Unwissenheit oder Ignoranz zuzuschreiben.
    Zitat von unbekannt: „Ingorance is bliss, but that’s no excuse for ignorance.“

    Ethnische Zugehörigkeit ist kein Ausschlusskriterium für Ignoranz und ich sehe absolut kein Problem darin, ignorante Personen ignorant zu nennen.

  7. Danke für diesen Artikel, er hilft mit sehr bei meiner Selbstreflexion. Ich merke immer wieder wie ich – die doch so antirassistisch ist- unbewusst im Alltag selber Rassismus reproduziere und es erst im nachhinein schnalle.

  8. Orrr! Schon wieder sowas! -also nicht schon wieder so ein Artikel, der ist prima, aber eine derartige Kosmetikkampagne. Ich hab hab mich vor nicht all zu langer Zeit erst so darüber aufgeregt, als ich eine limited edition zum Thema „Geisha ~irgendwas“ gesehen hab, die auch nur weiße Models zeigte, die ganz „exotisch“ und „asiatisch“ geschminkt waren….

  9. Vom Prinzip her geb ich Dir recht.
    Allerdings: Ich bin weiß. Ich trage Bindis und Hennamehndis – und ich bin Hindu. Von „außen“ würdest Du mich aber wohl auch als „Hipster“ einschätzen.
    Ich weiß nicht, irgendwie ist mir Dein Artikel etwas zu sehr schwarz-weiß, gerade dieses (wohl absichtlich provokante) „Ihr dürft nicht“.
    Ich gebe Dir vollkommen recht, daß man gewisse Symbole etc. mit Respekt vor der jew. Kultur/Religion behandeln sollte. Sich darüber informieren, damit beschäftigen, in einen Bezug setzen, etc.
    Aber ob das für einen Menschen eine echt tiefe Bedeutung und (emotionale/spirituelle/…) Wichtigkeit und Wert hat, erkennt man nicht an Hautfarbe oder Stil oder kultureller Abstammung.
    Wenn es allerdings nur Scenester-Accessoire sein soll, finde ich das allerdings auch recht unsensibel. Muß nicht sein.

  10. @indra*devi: das problem ist, dass weiße menschen, die soetwas tragen, anders wahrgenommen werden als poc. wenn ich als weiße dreads trag (egal aus welchem grund!) wirkt das alternativ, weltoffen, politisch, links, aktiv, dynamisch, bla. wenn eine schwarze das tut, findet sie sich in rassistische schubladen gepackt, die alle mit rückständigkeit, verbohrter religiosität, „exotik“(=unechtheit) und mangelnder „integriertheit“ zu tun haben. das ist nicht fair. und deshalb ist es in den allermeisten fällen problematisch bis diskriminierend, als weiße person dieses privileg auszunutzen, kleidung/haarmoden zu tragen, die mit wegen ihrem aussehen unterdrückten menschen assoziiert werden.

  11. Hah, Karma baby:
    http://www.sueddeutsche.de/panorama/holi-festival-in-koeln-haare-bleiben-bunt-1.1755506

    Ansonsten würd ich da indra gern beispringen. in großen städten mag es ja so sein, das man dann als weltoffen etc. gilt, aber in den meisten fällen ist es wohl andersrum – inderinnen mit bindi, zu denen „passt das ja irgendwie“ heißt es. wenn weiße das machen, sind’s spinner. wenn ich (schwarz) mir ein buntes tuch um den kopf wickel, fällt das schon gar niemandem auf, wenn meine (weiße) freundin das macht, kriegt sie blöde sprüche zu hören.
    abgesehen davon finde ich das wichtiger, was eine person persönlich damit verbindet und wie sie sich damit auseinandergesetzt hat (GERADE in spirituellen belangen find ich es bescheuert, einem da rein reden zu wollen – solange das verhalten nicht respektlos ist, siehe dieses möchtegern-holi-fest von oben).
    so einen grundrespekt verlange ich schon (was die schminksachen angeht – KOTZ! über sowas müssen wir nicht diskutieren), aber was die rigide forderung der autorin angeht, das hat für mich fast schon was von apartheid – jede_r bleibt bei „seiner/ihrer“ kultur und den entsprechenden attributen? das empfände ich als großen verlust. für manche mag der modische aspekt auch ein anreiz sein, sich überhaupt mal intensiver mit anderen kulturen zu beschäftigen, sie verstehen lernen.
    ich hab den artikel ehlich gesagt gelesen und war ein bissel geschockt, hab das dann auch in meiner familie thematisiert und im freundeskreis (da gibt’s einige nicht-weiße). und eigentlich war das konsens, daß man auf jeden fall respekt zeigen sollte, sich auch mit den symbolen und der privilegierung auseinandersetzen sollte – aber auch, dass „ihr dürft unseren kram nicht tragen“ keine aussage ist, die auch nur eine_ von uns mittragen würde. also bitte: sprich für dich selbst und stell keine „allgemeingültigen regeln“ auf! denn gerade people of colour haben sich lange genug von anderen sagen lassen müssen, was sie zu tun/lassen haben, wie mit ihrer kultur/religion umgegangen wird – das brauchen wir jetzt nicht auch noch von unseren mit-nichtweißen!
    und noch was (u.a. ein grund, weshalb ich mich erst jetzt traue, zu antworten):
    „wenn ihr ein paar Uncle Toms kennt, die in etwa so ignorant sind wie ihr, gleichzeitig aber einer anderen Ethnizität angehören, könnt ihr daraus keine Legitimation für euer menschenverachtendes Verhalten ableiten.“
    Sorry, aber das war ein schlag in den magen! wenn ich also der meinung bin, daß es unter umständen also doch okay ist, wenn weiße „unseren kram“ nutzen, bin ich automatisch ignorant? und ein „uncle tom“??? geht’s noch? ich hätte nicht gedacht, daß die mädchenmannschaft solche sätze veröffentlicht! da ich genau weiß, wie das „uncle tom“ gemeint ist – SO will ich mich NICHT bezeichnen lassen!! auch nicht von einer farbigen mitfeministin! sorry, aber das ist total von oben herab! du hast keine ahnung, wie die menschen zu ihrer (evtl. von deiner abweichenden) meinung kommen, sprichst aber mal einfach ein generelles urteil. das geht für mich gar nicht klar!
    überhaupt finde ich den begriff „uncle tom“ als beleidigung super unpassend! hast du das buch je gelesen? tom hatte seine gründe. er hat vielleicht nicht immer so gehandelt, wie man sich das wünscht, aber dennoch aus sehr menschlichen motiven und er hatte seine prinzipien, für die er einstand.
    liebe mädchenmannschaft, ich hoffe, ich kling jetzt nicht zu aggro für die netikette, aber das geht mir doch sehr zu herzen!!

  12. @ indra*devi:

    „Aber ob das für einen Menschen eine echt tiefe Bedeutung und (emotionale/spirituelle/…) Wichtigkeit und Wert hat, erkennt man nicht an Hautfarbe oder Stil oder kultureller Abstammung.“

    Offensichtlich gibt es Verständnisschwierigkeiten…

    1. Es ist vollkommen unerheblich, was für eine Bedeutung es für _dich_ hat.
    Weiße sind das zwar nicht gewohnt, aber… deine Meinung zu diesem Thema (Cultural Appropriation / Rassismus) ist irrelevant.

    Ich bin weder Inderin, noch Hinduistin; daher kopiere ich dir mal etwas von einer Person rein, die es ist:

    „The central issue that I and other South Asian diaspora people I have spoken with have is that we can’t wear the bindi like non-South Asians can wear the bindi.

    When a non-South Asian person wears the bindi, it is generally seen as edgy and cute. […] But when someone like me or my mom wears the bindi out in public, we are either stared down with dirty looks, told to go back to where we came from, or exotified as having magical qualities.

    For my mom and me, it’s a mark of our otherness, a reminder that we don’t belong in this country and never will — unless, of course, we assimilate and leave our cultural symbols behind.“

    „Personally, whenever I see a non-South Asian person, most often a white person, wearing the bindi as a “fashion dot,” I think of the analogy of killing an animal and wearing its fur as a luxury fashion item. It’s a very visually violent thing to see, and it reminds us that the animal was only useful for its skin.“

    Kompletter Artikel im Original:
    http://www.shamelessmag.com/blog/2013/07/not-your-fashion-dots-the-continuous-appropriatio/

    Ich weiß, dass sich das auf Bindis als Modeaccessoire bezieht, aber überlege:
    Bist du in einer hinduistischen Kultur aufgewachsen (was übrigens für gar nicht so wenige Hindu immernoch der einzige Weg ist, überhaupt Hindu zu sein) oder hast du deine Bindis und Hennamehndi von deiner zehnmonatigen Backpacker-Asienrundreise mit nach Hause gebracht? (Es tut mir echt Leid, wenn ich dir mit meiner impliziten Vermutung Unrecht tue, aber damit habe ich eine 99%ige Trefferquote.)
    Das bringt mich zu

    2. Missing the Point 101:
    Sich einer Religion zugehörig zu fühlen ist NICHT damit gleichzusetzen, einer Kultur oder einer sozialpolitischen Gruppe anzugehören… Mit anderen Worten: Dass du dich dem Hinduismus zugewendet hast, macht dich nicht weniger weiß.
    Du weißt sicher selbst, dass du deine Zugehörigkeit zur Religion auch auf andere Arten äußern und zelebrieren kannst, ohne PoC zu verletzen.

    3. Mein Artikel ist dir „etwas zu sehr schwarz-weiß“.
    Ja, von der weißen Oligarchie zu fordern, dass sie auf ein paar Kleidungsstücke verzichten sollen, weil sie durch die kombinative Symbolik andere Leute verletzen, ist SO radikal. Jetzt habt ihr zwei paar Schuhe weniger zum Anziehen, was eure Lebensqualität zweifellos massiv einschränken wird. Cry me a river.

    —–

    Ein Leitfaden für alle Leute, die Habseligkeiten anderer Kulturen tragen und dabei respektvoll gegenüber eben jenen sein möchten:
    http://selchieproductions.tumblr.com/post/6161315646/but-what-if-i-want-to-wear-indigenous-jewellery
    Bezieht sich auf Schmuck von Native Americans, kann man aber auf alle anderen Beispiele übertragen.

  13. Bzgl des Links beachte man vorallem:

    „If a member of an indigenous community from whence your piece of jewellery comes is offended by your wearing of it, take it off. Simple as that, don’t argue about it, just respect their opinion.“

  14. Hallo Melody.
    Da steht halt nicht nur „Tom“, sondern „Uncle Tom“. Hat sich für mich halt als direkt auf das Buch bezogen dargestellt (Salomé, korrigier mich, wenn das nicht so ist, aber widersprochen hast Du ja nicht) – und diese literarische Figur zeigt in dem Buch mehr Courage als die meisten Menschen das von sich behaupten können.
    Im Endeffekt ist das aber egal; meiner Meinung nach ist beides nicht akzeptabel, da es sich auf schwarze Menschen bezieht, die sich angeblich so und so verhalten und sie in Schubladen steckt. Nur sind halt auch farbige Menschen Individuen und haben/hatten teils sehr gute Gründe, sich auf bestimmte Art und Weise zu verhalten; oft auch, um ihre Familien zu schützen. Und auch dann verhalten sie sich nicht nur stereotyp nach einem Muster. Muss man das dann unbedingt verurteilen und als Schimpfwort weitertradieren und Stereotype immer und immer wieder reproduzieren?
    Ich weiss, solche Begriffe sind nicht direkt ins Deutsche zu übersetzen, aber ich versuch mal, einen Vergleich zu ziehen – kein_e p.o.c. würde sich gerne als „Nickn*gerlein“ bezeichnen lassen. Das ist auch so eine Figur, die Schwarze als grinsend, unterwürfig und dankbar für jeden Müll, der ihr entgegengebracht wird, portraitiert, die nickt auch brav, wenn man einen alten Hosenknopf reinwirft.
    Trotzdem wäre es ja wohl absolut unakzeptabel, einen schwarzen Menschen, der sich aus welchen Gründen auch immer (vermeintlich) unterwürfig verhält, als „Nickn*gerlein“ zu bezeichnen, meinst Du nicht auch?
    Ich finde es einfach nicht okay, gerade in so unerbittlichem Ton eine Deutungshoheit auch gegenüber anderen p.o.c. einzufordern und dabei ein derartig verächtliches Schimpfwort in Fettschrift umzuwerfen – dann aber noch im gleichen Satz Leuten, die sichn Bindi aufkleben, menschenverachtendes (!) Verhalten vorwerfen.
    Gut, Salomé hat eine andere Meinung als ich, kommt vor, aber wenn wir uns nicht mal als Farbige untereinander auf respektvolle Art kritisieren können, find ich das, gerade in solchen Belangen, als (vorsichtig ausgedrückt) enorm kontraproduktiv.

  15. @Lady Lukura: ohne in die „Uncle Tom“-Debatte einsteigen zu wollen, möchte ich angesichts der Grundthematik von Begrifflichkeiten und Bezeichnungen für PoC kurz einwerfen, dass „Farbige“ ebenfalls eine (auf andere Weise) problematische Bezeichnung ist; gerade angesichts der Gechichte dieses Begriffs. Darüber hat z.B. der Braune Mob geschrieben. Dir steht natürlich vollkommen frei Dich zu nennen, wie Du magst und wie Du’s selbst findest, aber als Sammelbegriff finde ich das nicht so super. Danke!

  16. Danke für den Link, accalmie!
    Ich komm da aus nem anderen hintergrund… in Südafrika wurde (wohl auch aus denselben bescheuerten Gedanken) auch strikt nach Black/Coloured/Asian unterschieden, als feste Labels… naja, und gerade deshalb würfel ich das gern durcheinander, um unter people of colour nicht diese Unterschiede zu machen. Und irgendwie ist „people of colour“ ja aber dann eigentlich auch doof, oder? Trennt ja sozusagen genau wie „Farbige“ die „normalen“ Weißen von den „mit Farbe angemalten“…
    Mensch, alles nicht so einfach…
    Aber Danke für den Hinweis, ich werd wohl auf den Begriff verzichten. Ist in Deutschland eben auch vor dem Hintergrund, daß die Mehrheitsbevölkerung irgendwie weiß ist, sinnvoll. Das wort „schwarz“ ist mir sowieso am liebsten =)

  17. Ist es nicht etwas gewagt, als Nicht-Hindu einer Hindu – wenn auch einer weißen Konvertitin – zu sagen, ihre Meinung zu einem hinduistischen Symbol sei nicht relevant?

    (Ich kann natürlich nicht überprüfen, ob indra*devi tatsächlich eine Hindu ist. Genauso wenig wie ich überprüfen kann, ob Salomé tatsächlich eine PoC ist. Ich gehe davon aus, dass hier niemand mit Identitäten spielt. Wenn das doch der Fall sein sollte, ist mein Kommentar natürlich sinnlos.)

  18. @trippmadam:

    So wurde es allerdings auch nicht gesagt, sondern:

    Weiße sind das zwar nicht gewohnt, aber… deine Meinung zu diesem Thema (Cultural Appropriation / Rassismus) ist irrelevant.

  19. Ich finde es hier schon wichtig, was genau gesagt wurde, um über Abwehrimpulsen und Einzelfallbesprechungen nicht den Horizont dieses Textes zu verlieren. Wie weiter oben z.B. von @lalala schon gesagt wurde: Weiße Privilegien bleiben weiße Privilegien. Auch eine als weiß gelesene in Deutschland lebende „echte“ Hindu hat diese. Welche Schlussfolgerungen eine individuelle Person aus dieser Erkenntnis zieht, ist eine andere Frage, als diesen Fakt anzuerkennen. Zur Privilegienreflexion gehört meines Erachtens auch, dass ich mich der Kritik an meinem Umgang mit kulturellen Symbolen stellen muss, egal wie gut begründet ich (und ggf. andere) in meinem individuellen Fall mein Verhalten finde.

  20. Ich finde es schade, dass Salome nicht mehr mitdiskutiert… würde mich ehrlich interessieren. Ich tendiere da ja auch eher zu der Einstellung, solang man das ernst nimmt u. respektvoll und nicht gedankenlos als Mode, dann passt’s.
    Aber Salomé hat auch gute Argumente. U. gerade den Teil über Alverde fand ich gut geschrieben u. klar analysiert, ich fänd’s generell toll, mehr von ihr zu lesen.
    Gerad jetzt, wo eine echte Diskussion abgeht, fänd ich’s spannend, wenn betroffene Leute, die beide (also ich mein jetzt Lukara u. Salomé im Speziellen) offensichtlich viel Ahnung u. Erfahrung haben u. regelrecht auch Leidenschaft (klingt das jetzt zu kitschig? Ich mein, die sind halt nicht nur intellektuell, sondern auch mitm Herzen dabei) u. sich grundsätzlich ja einig vom Problem her sind, aber auf andre weise halt doch recht gegensätzliche Positionen haben (schon krass, weil eigentlich haben irgendwie ja trotzdem beide recht!), hier diskutieren. Das wär doch bestimmt spannend u. auch ziemlich produktiv, oder?
    Dass das Thema wichtig ist u. das da ein Problem ist, über das man reden muss, ist ja klar. In den Kommentaren in dem Thread bei reality rags hat wer gesagt, das wichtigste sei ja, dass man diplomatisch miteinander redet oder so u. da würd ich dem/der recht geben.
    Find ich auf jeden Fall gut, dass das jetzt (gerade in der feministischen) Blogsphäre aufgegriffen und diskutiert wird, da wird Bewusstsein geschaffen.
    Deshalb auch jedenfalls danke an die Mädchenmannschaft, dass ihr das thematisiert, und auch, dass Salomé das aufgegriffen und so schön deutlich analysiert hat.
    peace

  21. Hi. Ich finde die Alverde-Werbung auch eklig. Für mich geht sowas in der Werbung nicht, schon gar nicht, wenn sich Privilegierte mit sowas an weniger Privilegierten bereichern. Aber das Ausdehnen à la „Ihr dürft unsere Sachen nicht tragen“ wirft für mich noch einige Fragen auf: Wie sieht es aus mit zb Kunst? Ich meine nicht den Kunstbetrieb, sondern einfach das theoretische Beeinflusstwerden durch zb andere Kulturen. Das finde ich schon eine Art der wertschätzenden Aneignung (oder?) bzw stelle ich mir kulturelle Weiterentwicklung sehr schwierig vor, wenn die Grenzen so eng gesteckt sind. Wie ist eure Meinung dazu?

  22. „2. Missing the Point 101:
    Sich einer Religion zugehörig zu fühlen ist NICHT damit gleichzusetzen, einer Kultur oder einer sozialpolitischen Gruppe anzugehören… Mit anderen Worten: Dass du dich dem Hinduismus zugewendet hast, macht dich nicht weniger weiß.
    Du weißt sicher selbst, dass du deine Zugehörigkeit zur Religion auch auf andere Arten äußern und zelebrieren kannst, ohne PoC zu verletzen.“

    Ich finde diese Haltung in jedem ideellen Kontext schwierig, wenn es zu silencing führt von Leuten, die zufällig Privilegien besitzen. Für mich ist der entscheidende Punkt die wertschätzende Haltung, und das „wenn du das trägst, bist du nicht auf unserer Seite“ ist mir zu pauschal. Und wir landen so wieder ganz schnell bei der Frage, was wirklich „weiß“ ist. Ich kann mich in diesem Teil nicht so wiederfinden. Ich finde Werbung mit der Absicht Produkte zu verkaufen, die (offensichtlich) der weißen Bevölkerung vorbehalten sind, allerdings niemals wertschätzend.

  23. @Jane:
    Ich kann ja jetzt nur für mich sprechen, aber Kunst ist da schon ein interessantes Beispiel. Wenn ein_e Künstler_in fremde Einflüsse aufnimmt und verarbeitet, ist das ja auch was anderes (allein schon vom kreativen Prozeß her), wie wenn der/die sich das jetzt eigentlich bloß aneignet und z. B. afrikanische Kunst einfach nur kopiert/nachmalt und als seine eigene kreative Wertschöpfung darstellt.
    Ich „kenne“ eine künstlerin aus Freiburg (Name vergessen, die ist jetzt auch nicht so bekannt), die afrikanische und arabische Elemente in ihre Bilder/Installationen miteinbaut, um aber so „deutsche“ Sachen wie Kritik an zu hohen Mieten und so in ihrer Kunst darzustellen und da gibt’s schon eindrucksvolle Sachen. Ist für mich okay, da sie die Symbolik nicht dazu verwendet, um das ganze einfach „exotischer“ wirken zu lassen.
    Problematisch finde ich andere Dinge. In Südafrika werden gerne Zulu love letters (http://www.craftunbound.net/country/south-africa/zulu-bead-mail) als Schmuck verkauft an Touristen, und das ist ja soweit auch okay erstmal, aber da die „gut gehen“ werden inzwischen auch von geschäftstüchtigen Weißen solchen love letters geknüpft und verkauft, nur halt ohne die ursprüngliche Bedeutung mit einzubeziehen, sondern halt nur nach ästhetischen Gesichtspunkten – das geht für mich dann halt nicht okay (auch wenn ich keine Zulu bin).
    Ich mein, sicher sind die Grenzen bei Cultural Appropriation/Exploitation auch fließend, aber ich denke, mit ein bisschen Reflektion (siehe White Priviledge) und gutem Willen kann man eigentlich schon erkennen, wann man eine Grenze überschreitet und wann nicht.

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