Nachdem sich ein Haufen kritischer Kommentare angesammelt hat, schreibt Adrian Lang gerade in einer Replik über geschlechtergerechte Sprache.
Generisches Maskulinum ist aber doch prima und schließt alle mit ein
1. Jein. Eine Ärztin mag ein »Arzt« sein, aber ein »Arzt« ist ohne weitere Qualifizierung ein Arzt. Und jetzt erzähl nicht bei dir ist das anders und du bist so unsexistisch wie es nur geht, Menschen haben bei dir nie nen Geschlecht: Zwei Kommentare drunter schreibt einer was von »Frauen an den Herd«. Das ist die gesellschaftliche Realität, das ist der Kontext in dem du dich mit so Behauptungen bewegst. 2. Selbst wenn es so wäre, und ich glaube es kann in einer sexistischen Gesellschaft nicht so sein, wäre der Gender_gap immer noch ein gutes Mittel um zu irritieren und Sichtbarkeit zu erhöhen.
Außerdem geht es um die vermeintliche Ästhetik, Sichtbarmachung oder Aberwertung nicht-weißer, nicht-heterosexueller Menschen und die Frage, ob geschlechtergerechte Sprache Probleme nicht doch wieder maskiert.
Schön. Wie es in den Kommentaren heißt – kann man gut als link verschicken, wenn jemand nervt. Was mir noch dazu einfiel – und ich weiß leider nicht mehr, ob wir das nicht kürzlich schon hier hatten – ist dieses „experiment“ zum generischen maskulinum bei scienceblogs http://www.scienceblogs.de/hier-wohnen-drachen/2010/09/das-experiment-der-ganz-normale-sexismus-der-deutschen-sprache.php
Ich habe immernoch das Problem, dass mir diese Schreibweise (gerade mit dem Gender Gap) höchst künstlich und die Diskussion darüber vorwiegend akademisch vorkommt.
Selbst in meinem Freundes- und Bekanntenkreis (und da gibts viele Leute, die auf der Uni sind/waren) hat bisher kaum jemand von diesem Gender Gap gehört, und die meisten verstehen den Sinn dahinter auch nicht wirklich.
Was mein Punkt ist: In Kreisen, die sowieso schon für diese Themen sensibilisert sind, mag das alles einleuchtend sein, der allergrößte Teil dieser Gesellschaft möchte sich aber lieber mit wirklich drängenden und praktischen Problemen befassen und diese lösen – da kann man m.E. nach nicht auf Sympathien hoffen, wenn man sich mit solchen doch eher theoretischen Fragen aufhält. Für eine Frau, die in irgendeinem Bereich handfester Diskriminierung ausgesetzt ist, mag es müßig sein, sich zu überlegen, wie sie gerne angesprochen wird und ob es sie stört, wenn es „man“ heißt und nicht „mensch“.
Denn so ehrlich muss man sein: Die breite Öffentlichkeit, die vielleicht die Anliegen des Feminismus für richtig und sinnvoll halten würde (jedenfalls einige davon), bekommt eben doch meistens nur irgendwelche komplexen Debatten über geschlechtergerechte Sprache mit, erkennt den Sinn dahinter nicht und hat daher für den Feminismus an sich nicht sonderlich viel am Hut. Und das ist dann schade.
Während der Vorbereitung auf meine Uniabschlußprüfung in Linguistik bin ich auf zwei sehr schöne Experimente gestoßen.
Im ersten wurde untersucht, ob das Genus von Dingen Einfluß auf unsere Wahrnehmung dieser Gegenstände hat. (Sabine C. Koch, Friederike Zimmermann und Rocio Garcia-Retamero: El Sol – die Sonne. Hat das grammatische Geschlecht von Objekten Implikationen für deren Semantischen Gehalt?, in: Psychologische Rundschau 58 (3), 171-182.) Ich zitiere mal ein paar Aussagen aus der Studie:
„Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass Bedeutungsassoziationen des grammatischen Geschlechts infolge einer Generalisierung zwischen Personengeschlecht (sex) und grammatischem Geschlecht eines Objektes (gender) entstehen. (…) Das heißt, grammatisches Geschlecht erlangt eine gewisse diagnostische Funktionalität beim Kategorisieren der Umwelt.“
Es wurden dann deutsche und spanische MuttersprachlerInnen gebeten, bestimmten Objekten, die in den beiden Sprachen unterschiedliche Genera aufweisen, Eigenschaften zuzuweisen. Das Ergebnis: Der Begriff Schlüssel (span. la clave, f.) wurde von den Deutschen mit Attributen wie „hart, schwer, metallen, nützlich“ in Verbindung gebracht, die SpanierInnen beschrieben ihn als „golden, fein, klein, lieblich, glänzend“. Auch bei anderen Worten gab es ähnliche Ergebnisse. Fazit: „Die Ergebnisse legen nahe, dass die scheinbar willkürliche Zuweisung von grammatischem Geschlecht zu Objekten einen Einfluss darauf haben kann, wie Personen über diese Objekte denken.“ Interessant ist auch, daß die „semantische Repräsentation von Geschlecht, nachdem sie einmal etabliert war, sprachübergreifend galt“, d.h. dass die Konnotationen zu einem Begriff aus der zuerst erlernten Sprache auf andere Sprachen übertragen werden. Ich selbst habe mich z.B. an der Vorstellung, daß der Mond in den romanischen Sprachen weiblich ist, wohingegen die Sonne dort männlich ist, früher gestört; irgendwie „passte“ das nicht für mich.
Die zweite Studie beschäftigte sich mit „Personenmodelle(n) auf dem Prüfstand. Lösungsmöglichkeiten für das Genus-Sexus-Problem auf Textebene“ (Jutta Rothmund, Brigitte Scheele; Zeitschrift für Psychologie, 212 (1), 40-54). Hier wurden die Alternativen (im Text: „Heilungs“varianten) zum generischen Maskulinum auf ihre Tauglichkeit getestet. Grundlage war ein jeweils in den Personenbezeichnungen veränderter Text über Erlebnisbäder. Untersucht wurde damit die Wahrnehmung von 1. durchgehend verwendetem generischem Maskulinum (GM) im Plural (z.B. „die Touristen“), 2. durchgehend verwendetem GM im Plural mit Begriffsexplikation in einer Fußnote („Wenn hier von Touristen gesprochen wird, sind auch Touristinnen mitgemeint“), 3. wechselnde Verwendung von GM und Paarform (also „Touristinnen und Touristen“) im Plural und 4. wechselnde Verwendung von Paarform und Neutralisierung durch das Nomen „Person“ im Plural. Das Ergebnis in Kurzform: Frauen als „Mitgemeinte“ wurden am wenigsten erkannt beim zweiten Text mit der Fußnote, das beste Resultat wurde durch die wechselnde Verwendung von Paarform und Neutralisierung erreicht.
Zitat: „Das GM im Plural führte nicht etwa, wie von BefürworterInnen des ‚generischen‘ Maskulinums unterstellt, zu einem sexusabstrakten bzw. -übergreifenden, sondern zu einem asymmetrischen Referieren auf überwiegend Männer. Die Explikation der Begriffsverwendung in einer Fußnote, mit der ja eine mögliche ‚Benachteiligungs’wirkung des GM unterbunden werden soll, scheint die ‚Benachteiligungs’dynamik sogar noch zu verschärfen. Dies legt die Annahme nahe, dass die Fußnote durchaus rezipiert wurde, die Vpn jedoch keineswegs dazu veranlasst hat, Frauen mitzudenken, sondern sie im Gegenteil davon entlastet hat, gegen eine Frauen-‚benachteiligende‘ Wirkung des GM anzudenken. Allerdings zeigten die von der Feministischen Linguistik für einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch vorgeschlagenen Personenbezeichnungsmodelle (GM-Paarform sowie Paarform-Neutralisierung) erwartungwidrig kaum Wirkung in Richtung auf ein symmetrisches Referieren auf Männer und Frauen.“
Der Stimulustext wurde daraufhin kontextuell verändert (der Ausgangstext stellte Badekultur mit orientalischen Einflüssen dar) und in den westlichen Kulturraum verlagert. Außerdem wurde im zweiten Versuch das GM mit Fußnote durch die homogene Verwendung des großen Binnen-I ersetzt. Ergebnis: „Dabei führte das homogen verwendete GM zu männlich-dominierten, das homogen verwendete Versalien-I zu weiblich-dominierten Assoziationen. Die Kombinationsmodelle ‚GM und Paarform‘ sowie ‚Paarform und Neutralisierung‘ hatten sexussymmetrische Assoziationen zur Folge.“ Und weiter: „Da maskuline Personenbezeichnungen in den meisten Fällen spezifisch gebraucht werden, wird ihnen im semantischen Gedächtnis möglicherweise per Default das Merkmal MÄNNLICH zugewiesen (…) Eine Erklärung für das Zustandekommen dieser Default-Einstellung geht (…) davon aus, dass stereotype Vorstellungen heuristische Funktion haben. (…) Für die Struktur der Formulierung ist anzunehmen, dass der gedankliche Einbezug von Frauen umso stärker ist, je expliziter die sprachliche Mitbezeichnung erfolgt.“
Wenn wir dann noch Searle, Butler u.a. heranziehen und der These zustimmen, daß Sprache Handeln ist, wird ganz klar, daß ich mit der Entscheidung für eine bestimmte Personenbezeichnung meinen Standpunkt – ob bewußt oder unbewußt – zur Problematik klar mache. Ich habe so viele verrückte Reaktionen darauf bekommen, als ich angefangen hab, meine Mitstudenten als „Studentin“ zu bezeichnen – die meisten haben einfach nicht verstanden, daß sie doch mitgemeint sind! Daher halte ich das generische Femininum für ein gutes (auch ganz klar politisches) Mittel, um den BefürworterInnen des GM zu zeigen: Hey, das eine ist genauso befremdend wie das andre, nur daß wirs wegen jahrhundertealter Sprach-„Tradition“ beim GM nicht merken.
@ Jules: Auch auf die Gefahr hin, jetzt als Polemikerin zu gelten: „die breite Öffentlichkeit“ liest BILD, guckt RTL2 und bekommt sicherlich keine „komplexen Debatten“ über geschlechtergerechte Sprache mit. Und ob sich „der größte Teil dieser Gesellschaft“ tatsächlich für „drängende und praktische“ Probleme interessiert, möchte ich stark bezweifeln. Es gibt hier eine Mentalität des Sich-Aufregens, das sehe ich. Aber der Wunsch nach wahrer Problemlösung? Nein, das sehen wir in Frankreich gerade auf den Straßen (die Proteste gegen die Rente mit 62), aber wo gibt es in Deutschland dieses Problembewußtsein? Es waren und sind immer kleine Kreise, die sich mit solchen Themen beschäftigt haben und beschäftigen. Das gilt nicht nur für den Feminismus, sondern auch für politisch-kulturelle Strömungen wie Anarchismus und andere. Letztlich geht es bei der geschlechtergerechten Sprache vor allem um einen Gewöhnungseffekt – ich bin früher auch über das Binnen-I gestolpert und ästhetisch schön finde ich den Gender gab auch immer noch nicht, aber ich lese inzwischen jedeR u.ä. problemlos als jede und jeder. Und manchmal ist eben auch die Politik zu was zu gebrauchen – denken wir z.B. an die gesetzliche Vorgabe, dass in Stellenanzeigen inzwischen immer beide Geschlechter angesprochen werden müssen. Klar gibt’s darüber hinaus vieles, was noch im Argen ist, auch vieles, was man als wichtiger oder dringlicher erachten könnte als die Frage der korrekten Personenbezeichnung. Allerdings sind Wichtigkeit und Dringlichkeit subjektive Einschätzungen. Ich denke bei solchen Aussagen an die Frauenbewegung innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts, als man glaubte, die Frauenfrage würde sich automatisch mit der Lösung der Sozialen Frage aufheben. Die Frauenrechte kamen in dieser Bewegung ganz zum Schluß – weil sie ja „nicht so wichtig“ waren. Wir müssen uns doch fragen, wer bestimmt, was gerade brennt und nach einer Lösung schreit. Wer legt das fest? Mit welcher Berechtigung? Mit welcher Intention? Und wenn dann Zugeständnisse (wie das Stellenanzeigen-Beispiel) gemacht werden, warum ist das so? Wem bringt das was? Soll damit beschwichtigt werden? Soll von etwas anderem abgelenkt werden?
@ Lale: BINGO!
Siehe hier. Dort gibt es noch ein paar schöne andere Beiträge zum Thema.
Quelle für das Bullshit-Bingo „Geschlechtergerechte Sprache“: Klick!.
Und schließlich: Feministische Sprachpolitik und politische Korrektheit – der Diskurs der
Verzerrung (PDF).
Huch, da war’s schon weg… Die Diskussionen bei Diax’s Rake (erster Link) passen aber trotzdem sehr gut zum Thema.
@Strid
Bitte nicht auf offensichtliche Provokationen reagieren. Danke für die Links, sehr aufschlussreich und witzig :-)
Maike: danke, höchst interessant!
Ich bin sehr für geschlechtergerechte Sprache, aber manches finde ich übertrieben. Heute hatte ich etwas Wartezeit und habe die Informationszettel der Berliner Verkehrsbetriebe gelesen. Da gab es vor einigen Monaten eine Neuregelung bezüglich der Mitnahme von Hunden. Die Verkehrsbetriebe wiesen darauf hin, daß Hunde ohne Maulkorb mitgenommen werden dürfen, wenn sie die „Größe einer Hauskatze bzw. eines Hauskaters“ nicht überschreiten. Das war mir zu viel des Guten.
Wow, Maike, vielen Dank für deinen inhaltsvollen (und sicher aufwendigeren) Kommentar. Das sind alles auch ungefähr meine Gedanken, nur hätte ich sie bisher nicht so gut untermauern können, du lieferst mir aber wirklich gute Belege für meine oft gebrachten Thesen (die Diskussion kommt ja doch häufiger auf…).
ich halte das generische maskulinum für problematisch, allerdings auch das argument der sichtbarmachung. mal wieder schön queerness ignorieren und in altfeministischer mann-frau dualität loslegen. ich bin für neutrale bezeichnungen. alles andere verschiebt das problem nur und löst es nicht.
beispiel: nicht studenten, aber auch nicht studentInnen/ studenden und studentinnen, sondern studierende.
@p*: Über die Dualität hinauszugehen und Platz zu lassen für mehr, ist gerade beim Gender Gap ein Anliegen. Also „Student_innen“ und alles was dazwischen ist. Wie Adrian kritisiert, ist bei „Studierenden“ meist automatisch ein Bild von Studenten im Kopf.
Außerdem ist das nicht immer so einfach mit dem Passiv. Was sind denn Soldat_innen? Soldierende? Täter_innen? Tuende? Wobei ich diese Probleme auch manchmal beim Gender Gap habe, wenn männliche und weibliche Form zu unterschiedlich sind.
@ Patrick & Halfjill: vielen lieben dank :) – sehr lesenswert sind übrigens auch die Texte von Luise F. Pusch zum Thema. Sie war ja eine der ersten, die sich systematisch (und auf Grundlage ihres linguistischen Fachwissens) mit der Problematik auseinandergesetzt hat. Mein Einstieg in die Feministische Linguistik begann mit einem ihrer Werke: http://deutschesfachbuch.de/info/detail.php?isbn=3518112171&part=1&word=
@ Noga: Die Berliner Verkehrsbetriebe sind echt lustig – das passiert, wenn man’s unbedingt richtig machen will, aber von der Materie eigentlich nicht so recht Ahnung hat bzw. eine kleine Portion Fachwissen fehlt. Das Begriffspaar „Hauskatze und Hauskater“ ist so ja nicht richtig, denn „Katze“ ist die Gattungsbezeichnung (wir sprechen ja z.B. auch von Großkatzen und Raubkatzen), die weibliche Katze ist eine Kätzin, die männliche Katze ein Kater. Genauso ist „Hund“ ja auch erstmal der neutrale Oberbegriff – trotzdem denke ich dabei eher an ein männliches Tier (das wär ja korrekterweise ein Rüde). Ein weiterer Beleg für die Richtigkeit der oben angeführten Studie über Sex und Gender bei Objekten – und niemand von uns ist frei von diesen mitgelernten Assoziationen. Gerade deshalb finde ich es enorm wichtig, daß wir uns dessen bewußt sind und Sprache nicht als reines Werkzeug zur Verständigung ansehen, sondern sie auch auf einer Art Metaebene wahrnehmen.
Maike, was ich mich frage in Sachen „mitgelernte Assoziationen“: Wie steht es eigentlich mit dem deutschen Plural-Artikel „die“? Während man sich darauf konzentriert, bei z.B. „die Lehrer“ als Lehrerin womöglich nicht genügend mitgemeint zu sein, steht vorne ein Artikel, der im Plural immer gleich ist, egal für welches grammatische oder physische Geschlecht, und der doch irgendwie weiblich klingt.
dein denken sei dir unbenommen. allerdings wage ich zu bezweifeln, dass die mehrheite der menschen tatsächlich bei „hund“ an ein männliches tier denkt, denn bei hunden ist das geschlecht nicht auf den ersten blick erkennbar, es ist auch mit weniger zuschreibungen verbunden und spielt für das hundsein in der öffentlichen wahrnehmung keine rolle.
eine aussage wie „trotzdem denke ich dabei eher an ein männliches Tier“ halte ich für einen klassischen fall von übergeneralisierung.
@Maike: Wirklich sehr interessant, vielen Dank für diese asuführlichen und gut belegten Kommentare! Vor allem die Studie, wo spanische und deutsche MuttersprachlerInnen verglichen wurden, finde ich sehr interessant. Wie das dann aber bei bei Sprachen aussieht, die kein Genus kennen (z.B. Englisch), wurde nicht untersucht, oder? Das fände ich nämlich auch mal interessant.
@ Miriam: Fürs Englische gibt es ähnliche Untersuchungen. Dort konzentriert man sich dann auf das sogenannte „covered genus“ (ich meine zumindest, daß der Ausdruck so lautete). Also ein verstecktes Genus etwa bei der Wiederaufnahme und Bezugnahme – z.B. „who would lend me his pencil?“. Zugegeben, ein angreifbares Beispiel, denn es könnte ja auch „her pencil“ heißen und die Originalbeispiele waren auch eindeutiger, da müsste ich aber erstmal schauen, ob ich den Text wiederfinde. Aber im Englischen gibt es ja beispielsweise nur neutrale Berufsbezeichnungen (mal von nurse und einigen weiteren Sonderfällen abgesehen). Dennoch zeigen verschiedene Studien (auch da müsste ich erst mal nachrecherchieren, hab das Beispiel aber noch ganz gut im Kopf), die belegen, daß Testpersonen etwa bei doctor oder judge, also sozial positiv und mit Autorität behafteten Berufen, eher an einen Mann als an eine Frau denken. Es gab da so einen Beispielsatz, bei dem erst im zweiten Teil klar wurde, daß es sich um eine Frau handelte („The doctor…, she…“) und die Mehrheit der Vpn zunächst annahm, daß von einem männlichen doctor die Rede sei. Hier scheint dann ein genereller „people = male“-Bias wirksam zu sein, hinter dem die stillschweigende Annahme steckt, „daß der typische Vertreter der Kategorie MENSCH die Eigenschaft MÄNNLICH hat“ (noch mal Zitat aus El Sol – die Sonne).
Ob es fürs Englische auch Studien über geschlechtsabhängige Atrribute bei Objekten gibt, weiß ich leider nicht, aber so was lässt sich ja rausfinden ;)
@ bumsfallera: Du hast vollkommen recht – es ging mir dabei auch nur darum, aufzuzeigen, wie meine persönliche Wahrnehmung in diesem Fall ist. Und ich kann ja auch nur auf Grund meiner eigenen Wahrnehmung weitere Schlüsse ziehen, die für mich dann Sinn ergeben mögen. Daß das bei anderen auch so sein muß, will ich überhaupt nicht unterstellen oder behaupten. Ich beschäftige mich schon seit längerem mit Sprache und den Konnotationen verschiedener Begriffe und bin daher vielleicht tatsächlich ein bißchen übersensibilisiert.
@ Al: Hm, darüber hab ich mir bis jetzt noch keine Gedanken gemacht. Aber müßte man dann nicht auch den Artikel bei einer Formulierung wie „Der Frau geht es gut“ potenziell männlich lesen können? Mir geht es da nicht so. Ich vermute, da überlagert das internalisierte grammatische Wissen die Bedeutung des einzelnen Wortes. Und gerade Artikel haben ja keine eigentliche Bedeutung, sondern sind Funktionswörter (mir fehlt grad der Fachbegriff). Kommt Dir denn z.B. das Plural-sie eher weiblich vor? Das wäre ja auch so ein Fall von gleichem Wortlaut und unterschiedlicher grammatischer Funktion.
Maike,
„(…) müßte man dann nicht auch den Artikel bei einer Formulierung wie ‚Der Frau geht es gut‘ potenziell männlich lesen können?“
;) Schönes Beispiel. Aus meiner eher leidenschaftslosen Sicht auf den Konflikt zwischen körperlichem und sprachlichem Geschlecht würde ich sagen: ja, kann man, klar. Praktisch wäre mir kein Fall bekannt. Aber wenn es mindestens eine Frau gäbe, die sich durch Dein Beispiel als „zu männlich“ behandelt fühlt durch die Sprache, die also – im Ggs. zu Dir – sagen würde „Mir geht es da so“, könnte man Deinem Beispiel doch bereits das Etikett „Enthält Diskriminierungspotenzial“ anheften, oder?
Wenn jemand dagegen hält: Ach, ist doch Quatsch; weiß doch jeder, dass „der“ sich hier nicht auf das körperlich-männliche Geschlecht bezieht!, dann kann man, finde ich, mit derselben Berechtigung ein Beispiel wie den männlichen Plural als Bezeichnung für eine Gruppe aus Männern, Frauen etc. hernehmen und sagen: Wenn ich weiß, dass die Gruppe aus Männern, Frauen etc. besteht, ist mir doch egal, wie das sprachlich ausgedrückt wird. Für mich selber registriere ich keinen Unterschied in meiner subjektiven Empörungsbereitschaft, wenn ich eine männliche Pluralendung, die mich als Frau mitmeint, und Dein Beispiel vergleiche, denn in beiden Fällen empfinde ich es so, wie Du sagst: „Da überlagert das internalisierte grammatische Wissen die Bedeutung des einzelnen Wortes“.
„Und gerade Artikel haben ja keine eigentliche Bedeutung, sondern sind Funktionswörter (mir fehlt grad der Fachbegriff).“
Mir fehlt da noch viel mehr… ;) Trotzdem spekuliere ich mal weiter: Wäre Dein Satz nicht ein Argument *gegen* die Sache mit „der“ Mond / „la“ luna, „die“ Sonne / „el“ sol? An den Substantiven selber kann man ja kein Genus erkennen (ok, bei der Endung –a im Spanischen evtl.), sondern die „mitgelernte Assoziation“ in Bezug auf das grammatische Geschlecht kann doch eigentlich nur durch den Artikel ausgelöst werden.
„Kommt Dir denn z.B. das Plural-sie eher weiblich vor?“
Gleicher Fall wie „Der Frau…“ *Mir* kommt das nicht weiblich vor, aber was sagst Du einem Mann, der dieses Beispiel aufgreift und sagt: “ ‚Als sie (die Bergarbeiter) endlich alle gerettet waren…‘ klingt doch irgendwie weiblich, obwohl die letzten hundert Jahre keine Frau in diesen Schacht runtergefahren ist. Ich fühle mich diskriminiert!“ ? Dass das Quatsch ist, sich hier diskriminiert zu fühlen? (Was ein sachlich richtiger Einwand wäre, aber eine beleidigte Reaktion auslösen könnte.)