Vielleicht ist es zynisch, aber wer in den letzten Wochen den Prozess gegen Gina-Lisa Lohfink beobachtet hat, überrascht der Ausgang nur bedingt. Und trotzdem ist er natürlich ein Schlag in die Magengrube. Für Lohfink selbst. Und für alle anderen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Am Ende des heutigen Prozesstages wurde Gina-Lisa Lohfink, die zuvor zwei Männer aufgrund einer Vergewaltigung angezeigt hatte, wegen falscher Verdächtigung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 250€ verurteilt.
Das ist doppelt fatal, einmal für die Einzelperson (und allein das sollte schlimm genug sein), aber dann auch darüber hinaus als gesellschaftliches Zeichen: Sexualisierte Gewalt wird eh bereits nur sehr selten zur Anzeige gebracht. Neben den Gründen, die bisher dazu führten nicht anzuzeigen, kommt nun noch die offensichtliche Gefahr bei einer abgewehrten Anzeige zurück verklagt zu werden. Bei den katastrophalen Verurteilungsquoten für Vergewaltiger lassen sich die Konsequenzen leicht ausmalen.
Bereits vor zwei Monaten fragte Nadia Shehadeh in einem Artikel:
Was ist das „Nein“ einer Frau wert? Was sind – wenn eine Frau vergewaltigt, die Tat gefilmt, das Video im Internet hochgeladen wird – alle „Neins“ dieser Welt wert? Darf eine Frau leben und arbeiten und sich kleiden wie sie möchte, oder beeinflusst das den Wert einer Frau, den Wert ihres Körpers, ihr Recht auf Unversehrtheit und Schutz in jeder Hinsicht?
Die Antwort wurde heute wieder einmal glasklar gegeben: Es ist nichts wert. Daran ändert auch erst einmal nichts, dass in der Zwischenzeit im Hauruck-Verfahren ein Gesetz erlassen wurde, welches ein „Nein“ als solches gelten lassen möchte (und gleichzeitig die Lage für Asylsuchende verschärfte). Das Problem sind nicht ausschließlich die einzelnen Gesetze. Sondern vielleicht auch die Grundstruktur dieses Rechtssystems. Es ist eine Vergewaltigungskultur, wie sie sich in den Gerichtssälen zeigt, auf den Titelseiten vieler Zeitungen und im alltäglichen Gespräch.
Die Verteidigung von Gina-Lisa-Lohfink hat angekündigt in Berufung zu gehen. Die Proteste und Unterstützung für sie werden hoffentlich weiter stattfinden. Für heute Abend bleibt nur die Wut. Und das Lesen einiger Tweets:
Die Staatsanwaltschaft hat sich gewundert warum #GinaLisa Lohfink nicht angezeigt hat. Ich wundere mich, dass es überhaupt noch wer wagt.
— Tara (@Sternenrot) August 22, 2016
Dass #GinaLisa schuldig gesprochen wurde, wird für so viele Opfer ein klares Zeichen sein, von der Justiz nicht ernstgenommen zu werden.
— Nhi Le (@nhile_de) August 22, 2016
Exfreundin des einen Lohfink-Beschuldigten hat 14x Anzeige gegen ihn erstattet. Go figure. https://t.co/9v4uD6LqLg pic.twitter.com/nIgDZEMX6X
— Lucie (@Autofocus) August 22, 2016
Die Revolution beginnt an der Stelle, an der man akzeptiert, dass Gewalt existiert.
Auch in und durch die Justiz ausgeübt. //— Hannah Rosenblatt (@theRosenblatts) August 22, 2016
Ein Trauerspiel! Diese Männer haben gegen ihren Willen gefilmt und diesen Film dann verbreitet, und dafür gab es 1350€ Strafe…. LÄCHERLICH! Damit zerstört man ganze Existenzen, es ist eine Waffe, die vor allem gegen Frauen eingesetzt wird (siehe revenge porn), und das scheint dem Gericht völlig egal zu sein! Einer der beiden Angeklagten wurde von mehreren (!!!) Zeuginnen belastet, ebenfalls egal. Verweigert einen Drogentest, ebenfalls egal. Mein Gott, es ist zum kotzen. Die beiden Männer haben sic verhalten, als wäre das alles nur ein Spiel, und denen soll ich glauben, dass sie angeblich die Opfer seien? Nachdem sie selbst das Video ins Netz gestellt haben?
Ich weine jetzt schon um all die Opfer, die sich nun noch weniger trauen werden, solche Taten anzuzeigen! Ich hoffe das Beste für Frau Lohfink, aber ich befürchte, dass diese Sache ewig an ihr hängen bleiben wird (im Gegensatz zu den beiden Männern, die werden wahrscheinlich noch beglückwünscht). Traurig!