Vor kurzem gründeten Redakteurinnen des Online-Magazins Slate eine Ablegerwebseite mit der Zielgruppe „nicht nur Frauen“: DoubleX. In einem der ersten Artikel kritisierte Linda Hirshman, eine Feminstin der zweiten Welle, dann Jezebel. Jezebel ist ebenfalls ein „von Frauen, nicht nur für Frauen“- Ableger eines Online Magazins, Gawker. Dort gibt es ein breites Themenspektrum vom neuesten Klatsch über politische Kommentare bis hin zu Benefizaktionen für Opfer von Ehrenmorden. Oft verweisen die Autorinnen im Kontext der Artikel auf ihre eigenen Erfahrungen mit Männern, Alkohol, Geschlechtskrankheiten.
Diese Darstellung vermeintlich promiskutiver Lebensstile (zusammen mit einem sehr unglücklichen TV-Auftritt vor einem Jahr von zwei feministischen Redakteurinnen der dritten Welle, die inzwischen nicht mehr bei Jezebel arbeiten) war für Hirshman Anstoß genug, Jezebel vorzuwerfen, ein schlechtes Vorbild für Frauen zu sein. Weil Frauen gefährdet seien, Opfer sexueller Gewalt zu werden, müssten sie die Konsequenzen ihres Handelns genauer beachten. Mit anderen Worten: „wer trinkt muss sich nicht wundern, wenn sie vergewaltigt wird“.
Warum DoubleX nun unbedingt damit starten musste, wissen nur sie selber. Aufmerksamkeit? Aus diesem unglücklichen Vorfall ist nun natürlich wieder geworden, was auch in Deutschland schon oft propagiert wurde: Der Kampf der „konservativen, alten Feministinnen“ gegen die „neuen Feministinnen“. So titelte etwa der Guardian „Sex, drink and fashion. Is this the new face of American feminism?“ Der Artikel stellt viele verschiedene Meinungen und Feministinnen vor. Eigentlich hätte schon das folgende Zitat von Jess McCabe, Redakteurin bei The F-Word, gereicht:
„There is no such thing as a bad feminist. Feminism is a social justice movement, it is not about chiding other women, or establishing yet another set of standards for women to be judged against. We all mess up – we’ve all been raised in a sexist, racist, transphobic, heteronormative society, and guess what, that affects our behaviour. We all also differ in terms of what feminism means to us.“
Denn wie Jessica Valenti auf feministing.com ausführt, ist das, was unter den Tisch fällt, wieder einmal die unglaubliche Arbeit, die Feministinnen überall auf der Welt leisten.
Auch in Deutschland wurde der Konflikt „Alice Schwarzer gegen junge Feministinnen“ überall propagiert. Aber wer hat über die Initiative Rote Tasche oder die Nürnberger Resolution in seiner Zeitung gelesen?
Helga,
„it is not about chiding other women, or establishing yet another set of standards for women to be judged against.“
Hmm, also gestern hatte Susanne in Bezug auf die Frage, ob es OK ist, wenn Frauen freiwillig in Unterhosen Fußball spielen, zumindest ein gedankliches Dilemma. Anders formuliert: es gibt einen Grund dafür, daß man begrifflich zwischen“Feminismus“ und „sex-positivem Feminismus“ ist und nicht zwischen „Feminismus“ und „sex-negativem Feminismus“. Da ist immer noch ein Grundunbehagen im feministischen Mainstream, wenn es um die Frage von Sexualität geht, eben weil das die fundamentale (zum Teil nicht kulturell beeinflußte) Geschlechtervariable ist und zum anderen, weil Sexualität Frauen eine Dimension von „Macht“ verschafft, die als problematisch angesehen wird, weil primäre „personal“ und eher indirekt „political“. Deswegen war und wird Sexualität für nicht wenige Feministinnen immer das Hauptschlachtfeld im Geschlechterkrieg bleiben, und selbst für diejenigen, die das aus Prinzip ablehnen, bleibt ein komisches Gefühl, wenn die Freiheit anders genutzt wird, als man sich das erhofft hat, denn das macht natürlich im Hinblick auf das eigene Menschen- und Frauenbild ein wenig unsicher.
@Medienelite: Ich habe etwas in Deinem Blog herumgestöbert- und erneut etwas festegestellt, was mir schon lange (seit weit mehr als 10 Jahren) auffällt- die Frage ist allerdings etwas heikel: Woher kommt eigentlich diese bemerkenswerte Nähe zwischen Feminismus und Lesbianismus? Auf zahlreichen Blogs, in den Medien, auf Homepages von Feministinnen scheint das Lesbische eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu haben. Spricht man es an, geht es meist nicht allzu lange und schon ist man homophob- auch wenn man es nicht ist. Zumindest wird man schnell etikettiert und nicht selten mit dem Drohfinger konfrontiert. Die sexuelle Orientierung ist für mich völlig sekundär- aber für (wenige, viele oder die meisten?) Lesben scheint es enorm wichtig zu sein, darauf hinzuweisen, dass man homosexuell ist. Das finde ich merkwürdig.
Vielen Dank für die Antwort
Sehr schoener Satz von Jess McCabe. Niemand ist perfekt.
Susannes (und auch mein) Dilemma, ist – meiner Meinung nach – kein feministisches per se. Der beruehmte Satz ueber die Redefreiheit zeigt das doch auch:
„I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it.“ (wohl von Evelyn Beatrice Hall ueber Voltaires Einstellung zur Redefreiheit, laut wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Freedom_of_speech).
Kritik muss immer drin sein, finde ich. Zensur, Aufzwaengen der eigenen Vorstellung, Diskriminierung, Bashing usw. sind damit aber nicht gleichzusetzen.
Und was vermeintlich schlechtes Verhalten angeht – im Riot grrl Manifesto von Bikini Kill (Kathleen Hanna und Co) gab es auch einen interessanten Satz:
„… BECAUSE self defeating behaviors (like fucking boys without condoms, drinking excess, ignoring truesoul girlfriends, belittling ourselves and other girls, etc.) would not be so easy if we lived in communities where we felt loved and wanted and valued.“ aus David Brackett (ed.) „The Pop, Rock and Soul Reader“ Oxford University Press, 2005, p. 441)
Natuerlich werden und duerfen die Meinungen darueber, was ’self defeating behavior‘ ist auseinander gehen. Im Endeffekt wird jeder Mensch selbst merken, ob sie/er gerade etwas getan hat, dass sich fuer sie/ihn nach ’self defeat‘ anfuehlt. Aber was man vielleicht versuchen kann davon mitzunehmen: Unterstuetzung (die aber eben auch gerade in Form von Kritik stattfinden kann), Verstaendnis und Naechstenliebe anstatt des moralischen Prangers. Weil, da kann sich sowieso fast jeder wegen irgendetwas mit anketten lassen…
@JJ:
aber Sex ist doch auch in sich problematisch. Weil man sich immer in gewisser Hinsicht ausliefert dabei, weil meistens einer mehr will als der andere und weil dadurch automatisch ein gewisses Machtgefälle entsteht.
Das spricht natürlich nicht unbedingt gegen Sex – das Leben an sich ist in sich problematisch.
Ich find es nur etwas weit her geholt, den Feministinnen vorzuwerfen, dass sie die Sache unnötig verkomplizieren.
Lies doch mal Dan Savage und die Briefe, die der so bekommt. Für Homosexuelle ist das ganze auch nicht immer ein Spaziergang. Die haben genau die gleichen Probleme. Das hat alles nur sehr bedingt was mit
Gender zu tun.