Miriam Meckel, die das Podium „Inspiring women: Scaling Up Women’s Entrepreneurship“ beim Women 20 Summit moderiert, dreht sich zu Angela Merkel und stellt die Frage, die mittlerweile zum Standard-Repertoire der unsinnigen Fragen an bekannte Frauen gehört: Versteht sich Angela Merkel als Feministin?
Während ich gelangweilt gähne, mehren sich im Publikum laute „Ja!“/ „Yes!“-Rufe, angepeitscht durch Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds. Ich bin hochgradig irritiert, was Sinn und Zweck dieser Bekenntnis-Übung ist und Angela Merkel lässt sich gewohnt nicht aus der Ruhe bringen, bevor sie zu einer (ersten) Antwort kommt:
Die Geschichte des Feminismus ist eine, da gibt es Gemeinsamkeiten mit mir und es gibt auch solche, wo ich sagen würde, da gibt es Unterschiede. Und ich möchte mich auch nicht mit einem Titel schmücken, den ich gar nicht habe, denn ich möchte mal sagen Alice Schwarzer oder so haben ganz schwierige Kämpfe gekämpft. Und jetzt komme ich und setze mich auf die Erfolge und sage „Ich bin jetzt Feministin“, das ist doch absurd. Also, ich habe keine Angst, wenn Sie finden, dass ich eine bin, stimmen Sie ab, okay. Aber ich möchte mich nicht mit der Feder schmücken.
Dass Merkel für sich erkennt, dass sie wenig mit feministischen Kämpfen gemein hat, ist dann eine eigentlich sehr redliche Reaktion. Dass feministische Kämpfe für sie vor allem Alice Schwarzer bedeutet, ist auch keineswegs verwunderlich, ist sie der EMMA bereits seit ihren Zeiten als Ministerin durch ausführliche Interviews verbunden. Feminismus, der sich sinnvoll mit einer Vielzahl von Diskriminierungsformen und Gewaltsystemen auseinandersetzt, ist in jedem Fall kein Fokus. Die Frage aber bleibt, was genau ist überhaupt dadurch gewonnen Merkel zu fragen, ob sie Feministin ist, wenn eine Analyse ihre konkreten Politiken doch viel aufschlussreicher und wesentlicher wäre?
Kann Politik und Opernball und all die white people nicht mehr auseinander halten pic.twitter.com/n6LQqSzQdZ
— Imperator Nadia (@shehadistan) 25. April 2017
Ivanka Trump, die ebenfalls auf dem Panel saß, hatte weitaus weniger Scheu das Feminismus-Label für sich anzunehmen und argumentierte gar, dass ihr Vater feministisch sei und zu ihrer feministischen Erziehung beigetragen habe (sie wäre in einem Haushalt aufgewachsen, in dem sie immer gewusst hätte, dass sie alles erreichen kann – dass sehr viel Geld für diese Gefühlslage sicher auch nicht unwesentlich ist, blieb natürlich unerwähnt). Was bedeutet auf diesem Panel das Wort „Feminismus“ überhaupt noch? Es ist so ein leerer Container, das Gespräch wäre genau so schlüssig gewesen, ersetzte man „Feminismus“ mit jeder anderen beliebigen Buchstabenfolge. Ich möchte „Gfhrl“ vorschlagen. Angela Merkel, verstehen Sie sich als Gfhrl? Ivanka Trump, sind sie gfhrlig aufgewachsen?
Die niederländische Königin Máxima (ja auch sie war Teil dieses skurrilen Panels) bietet eine Definition von Feminismus an, mit der sie sich identifizieren kann: Feminismus bedeutet für sie, dass Frauen Wahlfreiheit und Möglichkeiten haben. Mit diesem Minimal-Verständnis kann sich auch Merkel anfreunden und – zur Freude des Publikums – stellt sie fest, dass sie dann auch Feministin sei.
Ich frage mich, was all jene, die laut „Ja!“ rufend vor der Bühne sitzen, sich davon erhoffen, wenn eine Person wie Angela Merkel von sich sagt, sie sei Feministin/ Gfhrl? Was ist jetzt gewonnen? Wird Angela Merkel nun wichtige feministische Forderungen in ihre Regierungsarbeit integrieren? Natürlich nicht. Wie so häufig, wenn berühmte Frauen dazu aufgefordert sind, sich zum Feminismus zu bekennen, ist die Feminismus-Identitäts-Frage eigentlich relativ ziellos. Die Frage (und Antwort) emotionalisiert vielleicht kurz, eine wirkliche Auseinandersetzung aber mit feministischen Praxen und Ideen findet nicht statt.