Wer in Frankreich auf eine Behörde geht oder eine Bewerbungs ausfüllt, muss als Frau zwischen „Madame“ und „Mademoiselle“ wählen. „Mademoiselle“ entspricht dem deutschen „Fräulein“ (das bereits vor Jahrzehnten von den Behörden abgeschafft wurde) oder dem spanischen „Señorita“ (welches auf offiziellen Formularen auch nicht mehr auftaucht) und beschreibt den Status einer unverheirateten Frau. Wenn ich also ein Bankkonto in Frankreich eröffne, muss ich die oder den Sachbearbeiter_in erst einmal davon in Kenntnis setzen, ob ich nun in einer (Hetero-)Ehe lebe oder nicht.
Julie Muret von der Organisation Osez le féminisme („Wagt den Feminismus“) ruft Frauen laut taz nun dazu auf,
die Anrede „Mademoiselle“ zu boykottieren – sie beispielsweise im Internet oder auf Formularen einfach durchzustreichen oder nicht mehr anzukreuzen. Die Anrede zwinge Frauen dazu, Auskunft über ihre persönliche und familiäre Situation zu geben.
Gewiss gäbe es in Frankreich „wichtigere Probleme zu bewältigen wie Lohnunterschiede und Gewalt“, sagt die Schriftstellerin Brigitte Grésy. Aber: „Die Sprache gibt die Realität wieder“.
Im Kontext der Proteste um Dominique Strauss-Kahn hatte die feministische Bewegung in Frankreich massenmediale Präsenz bekommen. Doch obwohl einige Soziolog_innen, Schriftsteller_innen und Philosoph_innen die Initiative unterstützen, scheint das Thema laut NPR kaum gesamtgesellschaftliche Beachtung zu finden.
Mich wundert es nicht, dass das Thema kaum gesellschaftliche Beachtung findet! Wer sich auch nur ein wenig im französischen Kulturkreis auskennt, weiß, das „Mademoiselle“ oftmals als Kompliment benutzt und auch aufgefasst wird. Sagt Jmd zu einer (jungen oder alten) Frau „Mademoiselle“, gibt man zu verstehen, dass die Fau noch soo jung (und implizit hübsch) aussieht, dass sie schlicht noch nicht verheiratet sein kann. Die Frauen fühlen sich durch dieses Wort in keinster Weise diskriminiert. Die Einstellung, ja sogar die gesellschaftliche Situation ist schlicht eine ganz andere als bei uns in Deutschland.
Ich glaube nicht, dass sich da irgendetwas ändern wird.
Ich finde die Aktion gut. Wenn man bedenkt, dass auch verwitwete und geschiedene Frauen wieder Mademoiselle genannt werden, dann ist das einfach nur noch lächerlich. Gerade in Frankreich haben die Leute noch einiges zu lernen, was das Ernstnehmen von Frauen betrifft. Selbst junge Männer sind daran beteiligt. Sich von einem Gleichaltrigen als „jeune fille“ bezeichnen lassen zu müssen, ist leider keine Ausnahme.
Auch wenn ich mit der Anrede Mademoiselle koquettiere, finde ich die Aktion gut. Gut fände ich es auch, wenn man sich in Deutschland um andere Anredeformen bemühen würde, oder diese gleich abschaffte. Ich verstehe nicht, warum es „Herr“ aber „Frau“ heißt.
Also würdest du Männer lieber mit „Mann“ anreden? Oder Frauen lieber mit „Herrin“ oder „Dame“?
Die Quäker sprechen glaube ich immer noch jeden mit „Freund“ bzw. „Freundin“ an. Das fände ich mal nett.
Was mich vor allem am Begriff „Mademoiselle“ stört, ist nicht mal, dass man über seine familiäre Situation Auskunft geben muss, sondern dass man offensichtlich erst durch die Heirat mit einem Mann zur richtigen Frau wird. Vorher existiert man ja erst in der verkleinerten Form.
@Bianca Giesler
Nur weil Sexismus gesamtgesellschaftlich anerkannt ist und auch von vielen (von Alltags-Sexismen betroffenen) Frauen nicht hinterfragt wird, heisst das noch immer nicht, dass dieser ok ist. Es ist (hetero-)sexistisch (und nebenbei auch lookistisch), Frauen nach Ehestand einzuteilen. Auch dann, wenn die Frauen es selbst als wunderbares Kompliment ansehen, mit „Mademoiselle“ angesprochen zu werden, weil dieses „Kompliment“ ja sonst nur für die „jungen, hübschen“ Frauen vorgesehen ist. Diese Art von Sexismus wird übrigens „benevolenter Sexismus“ genannt.
@Alix: Word!
Lesben zB werden umgangsprachlich ziemlich diskriminiert- sind für immer „junge Mädchen“.
@ Magda:
Das mag aus basistheoretischer Sicht ja alles stimmen, was du da sagst. Und trotzdem: Ich habe einige Jahre in Frankreich gelebt und den Umgang mit dem Wort „Mademoiselle“ als sehr angenehm und unkompliziert empfunden; ich glaube der Begriff wird auch deshalb so wenig hinterfragt, weil die männlich-weiblich-Grenze ansonsten bereits sehr verschwommen ist. Nehmen wir nur mal die Vornamen: Pascal(e), Paul(e)… manchmal reicht ein einziger Buchstabe (den man noch nicht mal hört!) um von Männlein zum Weiblein zu kommen. Als ich angefangen habe in Frankreich zu arbeiten und noch nicht wusste, dass meine Chefin Pascale eine Frau ist, habe ich sie in den E-Mails stets mit Monsieur tituliert! Die sehen das alles eben nichtso verkrampft.
@ Alix: aus etymologischer Sicht stimmt das ja auch. Erst mit der Heirat wird man zur EheFRAU. Es ist nichtsdestoweniger bescheuert, da gebe ich dir recht, aberder Begriff ist Kulturhistorisch gewaschen.
also ich finde diese „aktion“ total gut und mE längst „überfällig“.
(und mMn bitte auch/endlich weg mit „fräulein, „miss, „signorina …)
weil – u.a. für mich selbsterklärend – „macht der worte, „worte reflektieren das bewusstsein/die denke usw. usf.
auch sprachliche „re-/formen“ müssen mEn „von oben nach unten ./. top down“ (vgl. sog. gender-neutrale sprache) eingeführt werden.
// wenn frau dann zB eine „eheliche/verfügbarkeit“ per anrede signalisieren will, kann sie das dann ja immer noch privat machen *augenroll //
Bei uns in Deutschland wird Fräulein zwar nicht mehr verwendet, aber die Anrede „Herr“ und „Frau“ finde ich auch ziemlich diskriminierend.
Wenn ich mich in anderen Sprachen so umsehe, so wird meistens kein so dermaßen großer unterschied gemacht, wohingegen wir eine klare (diskriminierende) Rangfolge haben.
Beispiel: Im Spanischen heißt es Señor & Señora (lassen wir mal Señorita außen vor, da es mir Grad um was anderes geht).
@Caramel – ja dachte ich auch – bis „die wirklichkeit“ mich einholte“ zB im gymn. wurden alle ab 18j mit „herr/frau“ angeredet.
im studium fings dann auf einmal wieder mit „fräulein“ (!!!) an. als einzige machte ich darauf aufmerksam und forderte auf, frauen mit „frau“ anzureden (es sei denn, die ganze kurs einigte sich auf vornamen) – und wurde dann als „emanze“ tituliert/schubladisiert, sogar vom dekan (!) im audimax so angesprochen (sowas bleibt einfach negativ/unvergesslich für mich)
@Angelika
Ich glaub du hast mich da etwas falsch verstanden (oder ich verstehe dich falsch), mir ging es nicht um den Begriff „Fräulein“ (mag sein das dieser Begriff noch ab und zu mal verwendet wird, wenn auch meines Erachtens nach eher selten, da ich es schon seit Ewigkeiten nicht mehr gehört habe), sondern um die Begriffe „Herr“ und „Frau“ die ich als genauso diskriminierend empfinde.
@Caralem
Das ist ja auch absolut okay, dass du das als diskriminierend empfindest. Aber die meisten Menschen empfinden dem nicht so. Und dann zu sagen „Ja, es ist aber so – ihr seid nur zu doof zu merken, dass ihr da diskriminiert werden“ wäre vielleicht auch etwas vermessen, oder nicht? Das tolle an unserer Gesellschaft ist ja, dass jeder das machen kann was er mag. Und manch einen diskriminieren Dinge. Aber bis zu einem gewissen Grad muss man sowas einfach in Kauf nehmen!
@ mettskillz
Nur weil die meisten es nicht als diskriminierend empfinden,da sie damit aufgewachsen sind und es nicht hinterfragen, heißt es nicht das es nicht diskriminierend ist. Und nein, es ist nicht vermessen so etwas zu behaupten, da man sonst sagen kann, die gesamte Seite sieht angeblich Diskriminierung wo keine ist, denn die meisten Leute empfinden viele Dinge, die hier als diskriminierend dargestellt werden, nicht so.
Ob du nun „Herr“ und „Frau“ als ok ansiehst, ist ganz alleine deine Sache, ich habe jedoch das Recht meine Meinung zu äußern und darauf aufmerksam zu machen das die Männer, sprachlich gesehen, in unserer Gesellschaft als die Herrn bzw. als die Oberhäupter angesehen werden und so angesprochen werden und Frauen eben nicht, was sprachlich gesehen auch eine Art Diskriminierung ist, da eine klare Rangfolge besteht, bei denen die Frau ganz klar unter den Männern steht.
Natürlich ist mir bewusst, das im wahren leben, dies sicher (von den meisten) nicht so angesehen wird, man gebraucht die Begriffe eben so, weil es eben so üblich ist, aber mit dem gleichen Argument kann man auch bei vielen anderen Dingen, unter anderem auch bei „Mademoiselle“ kommen.
@caramel:
nur als keine randbemerkung: frau kommt von vrouwe, mittelhochdeutsch für herrin.
lg é
@mettskillz:
Was du behauptest, stimmt einfach nicht – in „unserer“ Gesellschaft gibt es Machtverhältnisse, strukturelle Ungleichheiten, Diskriminierung. Das muss und sollte „man“ absolut nicht in Kauf nehmen – und auch nicht, dass sich Leute einfach mal schlankweg anmaßen, zu entscheiden, wer wann diskriminiert werden darf und wer nicht. Wer das tut, ist HIER jedenfalls falsch – das sollte offensichtlich sein. Bitte vor weiteren Kommentaren bedenken bzw. zur Erinnerung nochmal in die Netiquette schauen.
Schöne Gesellschaft die da von euch angestrebt wird. Und wenn sich Menschen muslimischen Glaubens von Karikaturen ihres Religionsstifters gekränkt fühlen verbieten wir das auch? Und wenn die Katholische Kirche Kopfschmerzen vom Leben des Brian bekommt untersagen wir solche Filme? Wohl eher nicht.
@mettskillz
Wir betreiben hier ein feministisches Blog, welches sich mit gesellschaftlichen Verhältnissen kritisch auseinandersitzt. Sprache entsteht nicht im luftleeren Raum und ist von sexistischen Verhältnissen beeinflußt – eine Tatsache, die auf unserem Blog nicht geleugnet wird. Deine Kommentare (übrigens nicht nur in diesem Thread) zeigen, dass du wenig Lust auf (konstruktiv-kritische) Diskussion hast, sondern bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse einfach nicht siehst bzw. leugnest. Daher bitte ich dich, deine nächsten Beiträge dahingehend kritischer zu überprüfen. Ein Blick in die Netiquette hilft ebenfalls.
@Caramel – meine meinung zum thema hier „weg mit mademoiselle“ habe ich ja gesagt und mir lediglich die freiheit genommen, mit meiner persönlichen erfahrung dann weiter zu kommentieren.
was das thema anrede „herr/frau/ im deutschen betrifft : würde ich dazu weiter auf dich reagieren würde ich mE hier derailing/off-topic/OT betreiben und damit gegen die netiquette hier verstossen.
OT : zB Frau M. L. Pusch analysiert und publiziert zum thema von u.a. „das deutsche ist eine männliche sprache“ seit mehr als 20 jahren. ihre bücher, ihren blog und ihre essays finde ich immer wieder lesenswert und sog. bewusstseinserweiternd. sic.
Kleine info: Herr und Frau stehen etymologisch auf einer stufe. Frau kommt von Fouwe, und bedeutet Herrin. Im gegensatz dazu stehen „mann“ und „weib“. Die dame ist ein konstrukt aus dem barock, angelehnt an die lateinische donna, als man(n) eine noch schulzigere anrede suchte um komplimente zu machen. Für die dame gibt es kein männliches gegenstück.