Warum lieb sein nichts bringt

Ganze vier Jahre waren sie lieb und nett, geändert hat sich nichts. Nun haben die deutschen Erzieherinnen Nase gestrichen voll und gehen auf die Straße, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Tausende Erzieherinnen und einige Erzieher werden einem Aufruf von ver.di und GEW folgen und in den Warnstreik gehen. Bei gleichbleibender Bezahlung wird das Anforderungsprofil an ihren Beruf wird immer anspruchsvoller. Auf der einen Seite sollen die Kinder schon vor der Schule anfangen zu lernen, auf der anderen Seite erfordern Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten eine differenzierte Betreuung. Mehr arbeitende Mütter werden in Zukunft mehr Kitaplätze brauchen, nicht zuletzt dank der neuen Unterhaltsgesetzgebung.

Erzieherin ist dabei ein „typisch weiblicher“ Dienstleistungsberuf: viele Teilzeitkräfte, schlechte Bezahlung, die körperliche Anstrengung wird unterschätzt und die Beschäftigten machen bisher alles mit. Doch Angepassheit hat noch nie weitergeholfen.

Die Erzieherinnen, die jahrzehntelang sehr brav waren, sind inzwischen kämpferisch. Mehrere Tausend traten in den vergangenen zwei Jahren in die Gewerkschaften ein; als einzige DGB-Gewerkschaft verzeichnete die GEW deshalb sogar einen Mitgliederzuwachs.

Die Arbeitgeber beklagen nun, die Streiks kämen überraschend und man hätte sich nicht einmal abstimmen können. Deutlicher kann man kaum zugeben, dass man vier Jahre lang geschlafen hat.

8 Kommentare zu „Warum lieb sein nichts bringt

  1. Ich kann da nur sagen: Endlich!

    Endlich gehen die Frauen auch mal auf die Straße und fordern, was ihnen zusteht.

    Seit ich mich erinnern kann waren Streiks nur in eher männlichen Branchen üblich. Man denke an IG-Metall, Kohlekumpels und die Lokführer bei der Bahn…

    Es ist naiv zu glauben, dass einem die Arbeitgeber auch nur einen Cent mehr geben, wenn man sie nicht gehörig unter Druck setzt!

    Mehr davon!

  2. Finde ich sehr gut. Es gibt einfach Arbeit, die wichtig ist, nur von gut qualifiziertem Personal gemacht werden kann aber leider nicht richtig wertgeschätzt wird. Und diese Arbeit wird mehrheitlich von Frauen gemacht.

    Und jetzt gibt es auch in Deutschland mal einen Fall, dass diese Wertschätzung eingefordert wird. Sowas brauchen wir, wenn wir wollen, dass diese Arbeiten besser bezahlt werden.

    Ich ereinnere nochmal an das Beispiel der Krankenschwestern in Finnland.

  3. Vieleicht sollte man einmal unser Bewertungssystem bei der Bezahlung grundsätzlich in Frage stellen: Banker top, Altenpflegerin flop?

    Das hätte dann allerdings eine Wertediskussion zur Folge.

    Ich denke, die müssen wir ohnehin einmal führen- auch wenn sich unsere Wirtschaftsverbände, ihre gut bezahlten Interessensvertreter und die Politiker, die von ihnen gekauft worden sind, mit allen Mitteln (und unter Vorbringung allerwüstester Argumente) dagegen sträuben werden.

  4. @Marcel: Das mit dem Infragestellen und der Wertediskussion kannst du gerne machen. Wird ja auch alles schon gemacht. Bringt nur nichts, weil es zu lieb ist.

    Bringen tun nur „böse“ Aktionen etwas. Angebot und Nachfrage regeln den Preis. Wenn der zu niedrig ist, einfach mal das Angebot verknappen durch Streik und Kündigungen.

    Zweifel habe ich daran bei der Art von Dienstleistungen, die ich mal als „wichtigen Luxus“ bezeichnen würde, wie zum Beispiel Musikschullehrer. Wenn man für die höhere Bezahlung erstreitet, würden sich viele Familien den heute schon für viele sehr teuren Musikunterricht für ihre Kinder einfach sparen.

    Und damit komme ich wieder zu einer meiner durchaus „feminismuskompatiblen“ Forderungen nach Kürzung der finanziellen Zuwendungen an Familien, Streichung der steuerlichen Vergünstigungen für Allein- und Hauptverdienerehen. Mit dem gesparten Geld sollen im Rahmen von Ganztagsbetreuungsangeboten Dinge wie Musikunterricht gefördert werden. Gleichzeitig führt das zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile.

  5. @Johannes: „Streichung der steuerlichen Vergünstigungen für Allein- und Hauptverdienerehen.“

    Das wären also (mal über den Daumen gepeilt, habe die genauen Zahlen nicht hier) gut ein Drittel aller gemeinsamen Haushalte (mit Kindern), die in Zukunft um steuerliche Vergünstigungen kommen müssten. Ob das Anreiz genug ist, Frauen vermehrt in die Erwerbsarbeit zu bringen (bzw. die Männer vermehrt in den Haushalt), wage ich mal zu bezweifeln. Da müsste man ganz woanders ansetzen. Wobei ich zugeben muss, dass ich das deutsche System nicht kenne. In der Schweiz fallen die steuerlichen Anreize für Familien (unabhängig davon, ob Alleinernährerhaushalte oder nicht) sowieso dermassen bescheiden aus, dass sie auch für potentielle Eltern kaum ins Gewicht fallen. Lediglich die Vergünstigungen für die in der Schweiz durchgehend private Krankenversicherung macht da kaufkraftmässig was aus- doch die erhalten alle Personen unter einem bestimmten Einkommensstand. Wie ist denn das in der BRD?

  6. und dann, @Johannes Mueller, Ludwigsburg, nach streichung von… dürfen noch mehr frauen für immer noch wenig geld auch noch die musikalische frühförderung übernehmen? sehr „feminismus-kompatibel“! auch der „teure“ musiklehrer unter den ansonsten weiter unterbezahlten erzieherinnen kommt mir nicht sehr „feminismus-kompatibel“ vor….

    fakt ist: erzieherinnen (auch erzieher, die als erzieherin arbeiten) machen eine arbeit, von der es heute als chic gilt zu verlangen, dass sie einen hochschulabschluß voraussetze – die aber immer noch nichts kosten soll. nicht zuletzt deshalb, weil manche leute denken, die freisetzung von frauen für erwerbsarbeit – unter dem label: vereinbarkeit von familie und beruf – müsse doch, wenn schon, möglichst billig zu haben sein.
    … früher, als meine kinder noch klein waren, habe ich sie in solchen situationen in mein büro mitgenommen… heute würde ich sie papa in die arme drücken, damit er sie in seines mitnimmt. das beflügelt nämlich das nachdenken über den wert von arbeit ungemein!

  7. find ich richtig!
    nicht nur die arneit an sich wird unterbewertet.

    es wird in der öffentlichkeit auch gar nicht wahrgenommen, wie hart und fordernd die ausbildung zum erzieherIn ist!
    eine freundin von mir hat das gemacht. und wenn sie von ihrer ausbildung erzählt, ist mir als Unistudentin manchmal ganz schön der kiefer runtergeklappt.
    ob man da jetzt mit hochschule kommt – das ist nur imagepolitur, sonst nix.
    mehr bezahlung, stellen und prestige, das brauchen die viel eher!

  8. zum thema, hier zum personalschlüssel, fand ich heute in der taz dieses:
    http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/schummeln-bei-kitaqualitaet/
    dass der in den ländergesetzen vorgeschriebene personalschlüssel meistens nicht eingehalten wird, hat auch etwas mit der bewertung der arbeit zu tun.
    meine mutter (bis zur rente leiterin eines kindergartens) erzählt immer noch gern vom ‚bonmot‘ des für den kindergarten zuständigen pfarrers. welcher sprach: aber was arbeiten Sie denn? ich sehe Sie (er meinte nicht nur meine mutter) immer nur mit den kindern im/am sandkasten sitzen…

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