Nachdem ich den folgenden Artikel geschrieben hatte, fand ich gestern abend auf Jezebel einen Einblick in die Welt der erfolglosen Pick Up-Künstler. Im Forum PuaHate treffen sich „Betrugsopfer“. Ein Ziel ist, die verbrecherischen Maschen der Pick Up-Gurus aufzuzeigen, die „arme Kerle“ abziehen – daneben zeigt sich aber sehr ausgeprägt, dass viele nicht auf der Suche nach Frauen, sondern ihren Geschlechtsorganen sind. Wenig überraschend ebenfalls häufig: Homophobie.
Pick Up ist nicht nur der Name eines Schokoriegels, sondern bezeichnet auch die Community an Männern, die mithilfe verschiedener Strategien versuchen, Frauen für eine Nacht aufzureißen. Zu den Taktiken gehört etwa, einzelne Frauen von ihren Freundinnen zu isolieren oder Komplimente zu machen, die aber nur (vermeintliche) Makel verdeutlichen. Bei wiederholter Kritik, das dahinterstehende Menschenbild sei frauenfeindlich, erfreuen sich die Pick Up-Bücher und TV-Serien einiger Beliebtheit. Doch welche Männer wenden Pick Up-Strategien an – und welche Frauen machen mit?
Dieser Frage widmeten sich Jeffrey Hall und Melanie Canterberry in der Studie „Sexism and Assertive Courtship Strategies“ (erschienen in Sex Roles, doi: 10.1007/s11199-011-0045-y). Untersucht wurden zwei Punkte: Zum einen die Aufgeschlossenheit bzw. das Interesse an kurzfristigen sexuellen Begegnungen, zum Anderen das Maß an Sexismus. Hier unterschieden sie zwischen feindseligen Sexismus, der Frauen z.B. unterstellt, manipulative Biester zu sein, und „gutmeinendem“ Sexismus, der von Schutzwürdigkeit aber auch Schutzbedürftigkeit von Frauen ausgeht. Anschließend sollten die Teilnehmer_innen beurteilen, wie oft sie Pick Up-Strategien bereits angewendet hatten (Männer) oder welche Strategien ihnen gefallen würde (Frauen). Untersucht wurden ausschließlich heterosexuelle¹ Kontaktaufnahmen von Cisgender-Menschen.²
Dabei zeigte sich, dass die Verwendung von Pick Up-Taktiken durch Männer und der Erfolg von ihnen bei Frauen durch die gleichen Indikatoren anzeigt werden. Hier kommen Menschen zusammen, die besonders sexistische Ansichten haben und unverbindlichen Sex suchen. Kleine Unterschiede gab es etwa zwischen feindseligen und gutmeinenden Sexisten. Erstere nutzen die volle Bandbreite an Pick up-Strategien, „gutmeinende“ Sexisten verzichten dagegen auf falsche Komplimente. Dies passt zum Weltbild, in dem Frauen auf ein Podest gehoben und vor anderen verteidigt werden müssen.
Die Studie wurde in zwei Teilen durchgeführt, zunächst unter Studierenden und anschließend USA-weit. Im Gegensatz zur breiten Bevölkerung korrelierte der Gebrauch von Pick Up bei Studenten nicht mit dem Grad an Sexismus – was leider bedeuten könnte, dass an Universitäten eine insgesamt sexistische Kultur vorliegt, die dominantes Vorgehen von Männern begünstigt und sogar verlangt.
Was solls, könnte man meinen – dank Pick Up kommt einfach zusammen, was zusammenpasst. Nein, so einfach ist das nicht, meinen die Autor_innen. Denn feindselig-sexistische Ansichten sind problematisch. Sie korrelieren auch mit sexuellem Druck, den Männer auf Frauen ausüben. Gutmeinender Sexismus bedeutet immer noch höhere Akzeptanz von Vergewaltigungsentschuldigungen.
Natürlich hat die Studie auch einige Grenzen. Sie bleibt nur auf USA begrenzt und dort sind die Ansichten durchaus eigen im Vergleich zu anderen Ländern, wie die nicht-berücksichtigten Antworten zeigten. Außerdem wurde mit Selbsteinschätzungen gearbeitet, die nicht unbedingt die Wirklichkeit wiederspiegeln. Sehr spannend klingen die vorgeschlagenen weiteren Forschungsvorhaben: So würden die Forscher_innen gern die umgekehrte Situation anschauen, wenn Frauen Pick Up-Taktiken gegenüber Männern anwenden. Außerdem sei zu klären was passiert, wenn verschiedene Motivationen aufeinanderprallen – wenn etwa ein sexistischer Mann eine sexistische Frau anmacht, diese aber auf der Suche nach einer langfristigen Beziehung ist.
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¹ Die Begrenzung erscheint sinnvoll, da es sich hier um die äußerst gegenderte Kontaktaufnahme von gegengeschlechtlichen Menschen geht.
² Personen, deren soziales und biologisches Geschlecht seit der Geburt weitgehend übereinstimmen.
Sehr interessant. Danke für den Hinweis und die Zusammenfassung! Wieder etwas mehr Argumentationsstoff :)