DAS ist die Werbung des Spartensenders ZDFneo für Mad Men, eine der erfolgreichsten Serien in den USA derzeit. Hier noch mal zum Mitschreiben: „Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der ihr auf den Arsch glotzt.“
DAS ist die Werbung von US-Kabelsender AMC für Mad Men: „Story Matters Here.“ (Hier zählt die Geschichte.)
In den USA hat die Serie für heftige Diskussionen gesorgt hat, zeigt sie doch die 60er Jahre mit Liebe zum Detail. Nicht nur Alkohol- und Zigarettenkonsum sind allgegenwärtig, auch Sexismus und Rassismus sind Dauergäste. Matt Weiner, der Erfinder der Serie, sieht sie dabei explizit als feministisch an und Feminist_innen fanden in Mad Men, wenn auch nicht durchgängig feministisch, viele feministische Höhepunkte. Wie in den 60ern bereits geschehen, zerfällt die scheinbar heile Welt im Laufe der Staffeln immer weiter und statt sie weiter hinzunehmen, werden Ungerechtigkeiten zunehmend angeprangert.
Aus dieser durchdachten und geschickt erzählten Geschichte wird in der ZDFneo-Werbung einfach nur hohler Sexismus, garniert mit dem plattesten Verb das sich finden lies: Glotzen. Ja liebe ZDFneo-Leute, auch wenn ihr auf Twitter augenzwinkernd nachfragt, Retrosexismus ist immer noch sexistisch. Warum, das erklärt Anita Sarkeesian wieder einmal sehr gelungen in der neuen Folge von Feminist Frequency (mit englischem Transkript zum Nachlesen):
Also ich find die Werbung witzig.
Es ist natürlich ein Problem, wenn Sexismen und Rassismen historisiert werden, nach dem Motto: „Schaut mal, wie sexistisch die alle in den 60gern waren. Gut dass wir heute ganz anders sind!“
Aber abgesehen davon könnte das doch auch ein feministisches Plakat sein, oder nicht?
Ich finds auch interessant, dass der „Sexismus“ in den Videos sich eher gegen Männer als gegen Frauen richtet. Das seltsame ist halt, dass das Werbung für Männerprodukte ist, in denen Männer als dumm, sexsüchtig, mackerhaft etc. dargestellt werden. Es funktioniert wahrscheinlich so, dass mann es als Karrikatur seiner Selbst sehen soll, und sich vergewissern kann, dass man in Wirklichkeit ja nicht ganz so schlimm ist. So ähnlich wie Mario Barth-Witze.
Trotzdem finde ich es übertrieben, solche „ironischen“ Klischeedarstellungen unter so einen Begriff wie Retrosexismus einzuordnen. Bei Mario B, GNTopmodel oder solchen „Echte Kerle“-Werbespots stützt das schon irgendwo sexistische Strukturen, aber was ist mit Drag -Queens und -Kings? Wären die nicht auch Retrosexismus? Was ist mit so Subkulturen wie Rockabilly? Karaoke? 90ger-Parties?
Also wenn Werbefritzen und -fritzinnen Camp-Elemente benutzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen, dann nervt mich das. Wenn dann aber andere Leute Camp-Praxen unter einen generellen Sexismusverdacht stellen, dann stört mich das schon sehr ernsthaft.
Natürlich kann auch eine Drag-Queen oder ein Drag-King Sexismus vorantreiben, genauso wie Frauen sexistisch sein können, die meisten legen es aber darauf an mit Rollenbildern zu spielen, statt sie unhinterfragt zu reproduzieren. Auch Rockabilly *kann* zum Sexismus werden, muss aber nicht – wie alles andere auch.
Das Plakat klingt leider nicht einmal danach, als sei Sexismus ein Relikt der Vergangenheit oder heißt es „Hinter jeder erfolgreichen Frau stand ein Mann, der ihr auf den Arsch glotzt“? Zum Anfang der Serie gibt es auch nicht mal erfolgreiche Frauen, sondern es wird einfach jeder auf den Arsch geglotzt.
Ich habe jetzt leider die Befürchtung, dass der Serie die Botschaft abhanden kommt. Gerade weil sie Sexismus und Rassismus so oberflächlich normalisiert dargestellt hat, fiel das auf einmal negativ auf. Die Werbung klingt leider so, als ob das alles nur ein großer Scherz wäre.
PS: Camp-Elemente? Camp-Fritzen? Sagen mir leider gar nichts.
Hehe… Camp-Fritzen hab ich nicht gesagt… Nur Werbefritzen… Camp ist ein Wort aus dem amerikanischen, dass in etwa die oben genannten Beispiele umfasst… Ganz grob… Hab grad leider nicht viel Zeit… Es geht halt um so ein gelebtes Parodieren und zelebrieren von Stereotypen, die man eigentlich ablehnt… Bekannt geworden ist der Begriff vor allem durch den (tollen) Essay von Susan Sontag „Notes on Camp“, eine ganz klassischen Auseinandersetzung mit Travestie und Co in den damaligen Homo-Szenen.
Ähm. Ich habe den Slogan eher als genau passend für die beiden abgebildeten Personen verstanden:
Rachel Menke, die erfolgreiche Frau, Geschäftsführerin eines großen Kaufhauses und hinter ihr Don Draper, der Mann, der ihr auf den Arsch glotzt.
Dies widerlegt auch deine Behauptung, zu Beginn der Serie gäbe es keine erfolgreichen Frauen.
Ich muss auch sagen, dass ich die amerikanische Werbung viel sexistischer finde, da sie komplett auf Don Draper fokussiert, während die neo-Werbung (siehe auch das andere Plakatmotiv http://www.facebook.com/photo.php?pid=4936086&fbid=453400944840&id=39621474840) betont, dass es auch um Frauen und deren Rollen in der amerikanischen Gesellschaft der 60er Jahre geht. Genau aus diesem Grund mag ich die Serie nämlich auch so sehr. Nicht etwa, weil Don Draper son geiler Typ ist!
Und echt mal! Lasst uns unsere Energie lieber gegen andere viel schlimmere, verletzendere Werbung aufwenden (Stichwort AXE), also son bisschen pseudoprovokante Slogans von ZDFneo…
@anne
ich sehe in dem Plakat eine plumpe Reproduktion von Sexismus. Die vermeintliche Kritik daran, die soll sich bitte jede_r schön selbst denken oder was? Das ist alles ziemlich schwach und unreflektiert. Sieht mensch sich die Reaktionen von ZDFneo auf Twitter an, wird klar, dass sie eine Sexismus-Kritik sicherlich nicht gemeint haben.
Das zweite Plakat, was du wahrscheinlich meinst (der Link führt auf die Facebook-Startseite), habe ich heute auch in der Stadt gesehen. Slogan: „Hauptrolle: Die Rolle der Frau“. Schon besser, aber welche Frauenrolle? Die Rolle der Frau an der Seite des Mannes? Die Rolle der Frau als „Auf den Arsch-Glotz-Objekt“? Und warum eigentlich die Rolle der Frau und nicht Frau selbst? Mir erschließen sich diese Slogans im Zusammenhang mit Mad Men nur mäßig. Sexismuskritik kann ich daran jedenfalls nicht erkennen. Eindeutige Botschaften sehen anders aus.
..bemerkenswert, dass man nicht den Neokonservativismus von Werbung und Serie gleichermassen begreift, denn natuerlich ist einerseits die Projektion von Rassismus und Sexismus in eine ferne Spiesser-Welt der sechziger eine platte Trivialisierung der Realitaet der Gegenwart, in der das auf-den-Arsch-Glotzen sich nun wahrlich als kindisches Detail ausnimmt in einer Werbewelt, in der man Frauen auf riesigen Plakatwaenden auch mal Schrankwaende in den Arsch steckt.
Das spezifisch deutsche an dem Werbe-Spruch ist zudem die Fixation auf eben diese neurotisch-kindischen Begleitumstaende von Diskriminierung, denn Sexismus und Diskriminierung beginnen eben nicht dort, wo der sexuelle Aspekt des Lebens nicht auf das eheliche Schlafzimmer beschraenkt bleibt, sondern dort wo sie sich verschraenken. Will sagen: auch erfolgreiche Frauen haben einen gewissen Eros des Erfolgs, der auf Maenner in vielerlei Hinsicht anziehend wirken kann, ohne dass dieser Aspekt allein diskriminierend waere. Objekt zu sein ist weder notwendig noch hinreichend fuer diskriminiert-sein.
Ich finde ehrlich gesagt momentan interessant, dass es in den USA einige Serien gibt, die kritisch gelobt werden und es wagen, Rassismus und Feminismus aufzunehmen – netterweise sind das Serien, die nicht in der Gegenwart spielen. Mad Men, Boardwalk Empire – da kann man Sexismus und Rassismus plakativ schlecht darstellen und kann trotzdem den Großteil der Darsteller mit weißen Kerlen besetzen, und vielleicht mal ein schwarzes Hausmädchen zeigen oder natürlich höchst distanziert nackte Frauen. Da kann man sich zurücklehnen, den Kopf darüber schütteln, wie schlimm das damals doch war, und sich trotzdem an den regressiven Frauenbildern erfreuen und wird auch nicht mit der Idee konfrontiert, heute könnte es vielleicht noch Probleme geben.
Und die Serienmacher (wie auch Filmemacher) verstecken sich hinter falschen historischen Vorstellungen (meistens sah die Realität viel ethnisch diverser und auch mit mehr wichtigen Frauen gespickt aus). Und heimsen auch noch Lob ein, weil die vierte Nebenfigur eine hochinteressante Storyline zum Sexismus kriegt.
@Anne: Menken ist aber keine der Hauptdarstellerinnen, nicht mal ein Nebencharakter, sondern eine wiederkehrende Figur, die weder repräsentativ für die Serie, noch die Zeit ist. So sehr ich dafür bin, besonderen Frauen Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, gerade weil die Verdienste von Frauen oft übersehen werden – an dieser Stelle verdreht das die Kernpunkte der Serie.
@Andreas: Mir ist leider nicht klar, was Du damit sagen willst.
..ich will damit sagen, dass zumindest das Plakat nicht nur, wie die Serie, Diskriminierung im Rückgriff auf wie man glaubt ueberwundenes trivialisiert, sondern auch im Hinblick darauf, die diskriminierenden Strukturen durch neurotische Ausstellung von (allenfalls) Nebenaspekten zu infantilisieren, vielleicht waere es beser gewesen zu schreiben: ‚Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der sie konsensual in den akadem. Mittelbau abschiebt‘ oder so etwas.
Ich denke, dass der Slogan feministisch ist und sagt: Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau. Die den Haushalt usw. macht. D.h. Männer schaffen es nicht alleine. Und es heißt: Frauen sollten mal in die Hufe kommen und Männern nicht den Weg ebnen, indem sie den Haushalt und die Kinderfürsorge übernehmen. Und dann: Hinter jeder erfolgreichen Frau steht ein Mann, der ihr auf den Arsch glotz. Heißt: Frauen schaffen es ohne Männer, denn es steht ja nicht ein Mann hinter ihr, der den Haushalt schmeißt und die Kinder erzieht. Das ist ja bekanntermaßen selten. Nein, zu allem Überfluss hat sie auch noch ständig mit allgegenwärtigem Sexismus zu tun, also Arschglotzen, das ist ja eine Realität, aber sie schafft es trotzdem.
Das ist doch keine sexistische Werbung.
Das ist doch ein Anprangern realer Verhältnisse und ein Lob an die Frauen, die es in diesen Verhältnissen trotzdem schaffen.
Ich find das super.
@elfderfische
das ist jetzt aber ziemlich viel interpretation für einen satz auf einem plakat :) und genau darum geht es ja in erster linie: dass sich mensch selbst dazu die message denken kann, weil es aus dem slogan nicht hervorgeht. und der lässt sich von feministisch bis „geil. ärsche“ interpretieren.
zudem vielleicht noch kurz die ausführung, dass sich sexismus nicht immer auf sexuelles und körperliches (was du meinst, fällt wohl eher in die kategorie sexuelle belästigung – eine spielart von sexismus) beziehen muss, sondern ganz einfach geschlechter homogenisiert, kategorisiert und wertet. und das passiert hier ganz klar: männer sind geile chauvis, die nur erfolgreichen frauen hinterherschauen (karriere macht sexy?), frauen in der objektrolle (der mann tut etwas, die frau bleibt passiv) und überhaupt: „der mann – die frau“. beide geschlechter werden hier gleichermaßen dämlich projiziert.
naja und ein anprangern von realen verhältnissen (also in dem fall frau als sexobjekt) kann ich nur als solches verstehen, wenn damit auch eine botschaft verbunden ist und es nicht nur bei der reinen abbildung bleibt. kann mensch schließlich auch supi finden, dass männer frauen auf den arsch glotzen.
..bitte ein wenig mehr Objektivitaet, Sex und Karriere ist geradezu ein phantasmagorisches Kapitel feministischer Befreiung, wenn auch sicherlich ein ambivalentes (siehe Madonna etc.). Im uebrigen (@ e.) ist es ziemlich deutsch, zu glauben, ’starke‘ Frauen sollten/muessten alles allein schaffen, das tun sie eben etwa in Frankreich nicht, dort gibt es genau deshalb soviele Frauen, die neben dem notwendigen, also Kinder&Karriere, intellektuelle Visionen erschaffen, und genau diesen Raum verschaffen ihnen, wenn nicht individuelle Maenner, so doch der Staat. Die Frau, die alles allein schaft, ist das deutsche Gegenbild zur allseits dominierenden Über-Mutter, unrealistisch, differenzfeministisch (‚Frauen sind die besseren Menschen‘).
(uebrigens, habe ich eine hinreichend enge Hose an, schauen mir reihenweise Frauen auf den Schwanz etc. und ich denke, das ist relativ ok, auch wenn dies das verlogene D. ist)
(oh mein gott, was fuer eine machomeldung dieser letzte satz, aber indem man relativ alberne sexuelle Aspekte zwischen Maennern und Frauen, und wohlgemerkt, natuerlich GIBT es auch ein sexistisch-belaestigendes auf-den-arsch-starren, in fuer Deutschland typischer weise neurotisch-prollig emphasiert, blendet man den riesigen Kern des deutschen Patriarchats, vom geringen Mathematikerinnen-Anteil in der Forschung bis zu den wöchentlichen ‚Familiendramen‘ simplerweise aus, das ist das daemliche an solchen verklemmten Darstellungen)
..vielleicht noch einmal diese Frage: was genau ist mit Frauen, die auf Maenneraersche schauen. Existieren diese nach Lesart gewisser deutscher Feministinnen nicht? Was ist, wenn diese (Frauen) es doch tun? Erfuellen sie nicht die Norm deutschen Frau-seins? Sind Frauen das ‚moralischere‘ Geschlecht? Haben sie vor allem vernuenftige muetterliche und/oder vernuenftige Karriere-Ideen? Welches Frauen/Maenner-Bild wird hier von einigen implizit suggeriert?
Hm, ist das nicht eher gegen Männer gerichteter Sexismus, wenn Männer so dargestellt würden als würden sie erfolgreiche Frauen nicht als solche sehen, sondern ihnen nur auf den Arsch glotzen? Wobei ich die Werbung dennoch so schlimm nicht finde, aber ist Geschmackssache, so.
@JeriC: Sexismus ist meistens gegen Männer und Frauen gerichtet – meistens kommen dabei alle schlecht weg.
Auf der re:publica 11 lagen übrigens einige Werbepostkarten zu Mad Men aus, allerdings nur die beiden anderen Motive, dieses war nicht dabei.