Sind Politiker_innen der CDU homosexuell? Ich weiß es nicht und es ist mir ehrlich gesagt egal. Was mir nicht egal ist, ist die derzeitige Hetzjagd auf Menschen, die sich „nicht outen“ oder, genauer gesagt, einfach keine Angaben über ihre sexuelle Identität machen.
Dass der Antrag auf Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare Ende Juni im Bundestag scheiterte, war keine Überraschung. Dass dabei die FDP gegen einen Parteitagsbeschluss stimmte, war auch keine Überraschung. Dass vermutlich auch homosexuelle Abgeordnete gegen das Gesetz stimmten, sollte niemanden überraschen – derzeit arbeitet auch das Familien- und Frauenministerium nicht daran, die Lage von Familen und Frauen zu verbessern.
Das alles ist aber kein Freifahrtschein, jetzt Menschen zwangsweise zu outen, bzw. Gerüchte über ihre sexuelle Orientierung zu verbreiten. Das ist kein „neuer Umgang“ mit Homosexualität, der diese nicht länger tabuisiert, wie Niggemeier schwafelt. Es ist Sensationsgeilheit und Respektlosigkeit. Und in dem Moment wo ein vermeintlich schwuler Mann als „Klemmschwester“(!) bezeichnet wird, ist es auch Beleidigung. Ein „befreiter Umgang mit Schwulen und Lesben“ bedeutet zu respektieren, wenn Menschen sich nicht als solche bezeichnen wollen.
Warum sie das nicht tun, ist ihre Entscheidung. Vielleicht ist es ihnen unangenehm. Vielleicht sind die Label falsch und sie sind asexuell oder bisexuell oder… Vielleicht haben sie noch nicht das passende gefunden. Vielleicht verweigern sie einfach nur die Einordnung ihrer sexuellen Identität. Ja, das private ist politisch. In einer Welt, in der der Standard Heterosexualität ist, die jederzeit und allerorten inszeniert wird, fällt die Abweichung auf. Trotzdem und gerade deshalb ist dies zu respektieren. Die Alternative wäre, wieder Schubladen aufzumachen und jeden Mensch in eine zu quetschen, ob sie passt oder nicht. Dabei ist es für diskriminierte Gruppen und Personen die Grundlage ihrer Emanzipation, mit Selbstbeschreibungen statt Fremdzuweisungen zu arbeiten.
Und am Ende ist es völlig egal, ob und mit wem Abgeordnete ins Bett gehen. Gegen die gleichen Rechte von homosexuellen Paaren zu stimmen ist diskriminierend, von allen Abgeordneten. 309 haben es getan, 12 sich „enthalten“ und 39 (aus allen Parteien) waren gar nicht erst gekommen. Schlimm genug.
(via Karnele)
Ich bin sehr erleichtert, diesen Text hier zu lesen.
Ich finde die ganze Debatte so widerlich. „Da muss man doch mal sagen dürfen, dass die lesbisch ist.“ Argh. Alle rein in die Schubladen!!einself!
Widerlich trifft es genau.
Ich habe den Text von Niggemeier kopfschüttelnd gelesen und stimme Dir absolut zu. Es steht niemandem zu, öffentlich zu spekulieren, warum eine Person mit einem Mann, einer Frau oder eben ohne lebt und dann unter dem Deckmantel eines vermeintlichen öffentlichen Interesses irgendwelche Gerüchte zu streuen. Ich will das nicht wissen und auch in keiner Zeitung lesen.
Wie Du schreibst, es ist pure „Sensationsgeilheit und Respektlosigkeit“.
Ich habe die ganze Debatte nicht verfolgt, aber wenn ich die Beschreibung hier so lese, dann kommt mir das ganze Gedöns um die Sexualität der Politiker so amerikanisiert vor. Denen ist das ja anscheinend immens wichtig. Und die grossen Abstürze durch irgendwelche Aufdeckereien auch.
Also, finde ich, das amerikanische Politikverständnis brauchen wir hier nicht. Rita Mae Brown lässt eine ihrer Figuren in einem dieser Kleinstadtromane um diese beiden Schwestern Julia und Louise (in diesem Roman ist aber Nicole, Tochte von Julia, die Hauptfigur), sagen, sie sähe Politiker wie Schauspieler, daran müssten sie sich messen lassen. (Das war eine Diskussionssituation in der Zeitung dieser Kleinstadt.)
Na ja, was soll ich mit Glamour und Käs rund um Politiker? Ihr Sachverstand interessiert mich viel mehr.
Wunderbar, dass dass ich mit meiner Meinung nicht allein da stehe. Ich selbst hatte leider bisher keine Zeit, mich mehr dazu als in einem kurzen Tweet zu äußern, aber dem was du geschrieben hast habe ich auch nichts mehr hinzuzufügen außer volle Zustimmung!
Daumen hoch!
Auch Alice Schwarzer schreibt in ihrem aktuellen Blog zum Thema Outing. Vielleicht interessiert’s euch? Liebe Grüße, Angelika
Outing: Argumentieren statt Denunzieren!
Es beginnt mit dem Wegsehen, dem Ausblenden von Realität. Der gesellschaftlichen Realität wie der persönlichen eines Menschen. Für viele Menschen war Homosexualität lange etwas Schmutziges, Perverses, Auszumerzendes – und für so manche ist es das noch immer. Die relative Toleranz in Deutschland gegenüber Homosexuellen wurde in den vergangenen 40 Jahren von der Frauenbewegung und Homosexuellenbewegung erkämpft, sie ist also neu. Das gipfelte 2001 in der Einführung einer eheähnlichen „Partnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Beziehungen. Und die persönliche Realität eines Menschen? Er oder sie lebt in Berlin-Mitte, wo es echt total cool ist, schwul oder lesbisch zu sein – oder auch in Passau oder in der Provinz, wo das schon ganz anders kommt. Jemand, der aufruft zum Zwangsouten, ignoriert nicht nur diese Realitäten, sondern pfeift auch auf die Menschlichkeit. Dem hat sich die taz-Chefredakteurin Ines Pohl jetzt entgegengestellt. Sie hat sich für das Outing eines CDU-Politikers in der taz entschuldigt. […] http://www.aliceschwarzer.de
Danke, ich dachte schon ich stünde mit meiner Meinung dazu allein auf weiter Flur.
Ich habe nur den taz-Text gelesen und fand es mal wieder unglaublich, dass Menschen einfach nicht abgenommen wird, keine Partnerschaft zu haben und damit auch noch zufrieden zu sein. Als sei so etwas widernatürlich. Und weil das nicht sein kann und darf, müssen dann Unterstellungen her. Wie bescheuert!
100% Zustimmung.
Die sexuelle Orientierung der Leute sollte niemanden etwas angehen ausser den Betroffenen und evtl seine(n) Lebenspartner(in).
Das gilt imho genau so bei der Frage ob jmd Kinder hat, wer sich um diese in welchem Ausmass kümmert oder ob sie in eine Krippe gebracht werden oder nicht.
Wenn Leute diese Fragen in der Öffentlichkeit diskutieren wollen: prima – go for it.
Aber ich denke man sollte wirklich niemandem eine Debatte über sein Privatleben *aufzwingen*
Das Private ist nicht zwangsläufig immer auch das Politische.
Die Argumentation der Outing-Gegner_innen ergibt überhaupt keinen Sinn.
Der Beitrag hier von Helga auch nicht. Backlash war halt echt erfolgreich.
@hnk: Na, das ist ja mal ein überzeugendes Argument!
Sehe ich auch so. Es geht niemanden etwas an, welche sexuelle Orientierung eine Person hat, ausser ihr/ihm selbst und vielleicht noch seine Partnerin bzw. Partner.
@politparser
Wenn sich nur die ganzen Heten dran halten würden, ihre Sexualität nicht permanent in die Öffentlichkeit zu zerren und anderen ungefragt aufzuzwingen… Hach… schöne Welt wäre das.
Alles ist politisch. Auch dein reaktionäres Gequatsche, möglichst das, womit du dich nicht beschäftigen willst, in die Unsichtbarkeit zu drängen.
Ich stimme Helga vollkommen zu.
Eine Gegenmeinung – mit der ich mich nicht identifiziere – habe ich gerade hier gelesen:
http://www.queer.de/detail.php?article_id=16951
(Kurzfassung, wie ich sie verstehe: Über die Partnerschaften heterosexueller Politiker_innen wird auch geredet, eine Ungleichbehandlung ist kontraproduktiv.)
@politparser:
Seh ich anders. Ist es wohl – die Frage ist doch eher, wer es sich (vermeintlich) leisten kann, bei der Betrachtung seines_ihren Privaten und dem von anderen den politischen Kontext, in dem es sich abspielt, auszublenden. Dein Kinderbetreuungsbeispiel – auch wenn es hier etwas sehr derailend wirkt – zeigt das sehr deutlich. Die „Debatte über mein Privatleben“ wird mir nicht von Leuten aufgezwungen, die (auch) ein Politikum darin sehen, wer wann wie wo meine Kinder betreut, sondern gerade von denen, die das als meine „Privatangelegenheit“ deklarieren und sich damit schön aus der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung stehlen.
P. S. Das war jetzt sehr missverständlich, wie mir auffiel: Natürlich bin ich nicht der Meinung, dass Ungleichbehandlung richtig ist! Ich wollte nur meine Zustimmung zu Helga ausdrücken, dass die Selbsteinordnung jedes Menschen unbedingt respektiert werden sollte.
Altmaiers mögliche Homosexualität (soweit ich das verstanden habe ist das ja eine reine Vermutung) ist die eine Sache; was mich an der Geschichte besonders ärgert ist die unzweifelhafte Sanktionierung seines Beziehungsstatus als Single, nach dem Motto ‚Wie, der lebt allein? Mit dem muss doch irgendwas nicht stimmen!‘ Nun ist sicherlich bezeichnend, dass der Gedankte „mit dem Mann stimmt was nicht“ augenscheinlich automatisch zu dem Verdacht „der muss wohl schwul sein“ führt, aber da bewegen wir uns schon im Reich des Konjunktivs und haben ein wichtiges Problem längst hinter uns gelassen, denn auch diese Interpretation und die daraus gezogenen Schlüsse machen sich eine diskriminierende Grundannahme zu Eigen: Wer mit über 40 allein lebt und eigenen Angaben zufolge offenbar noch nie eine Beziehung hatte, bei dem läuft irgendwas falsch – in diesem Fall ist er entweder zu schwul (so die eine Seite), oder er ist nicht schwul genug (so die andere Seite). Auf jeden Fall weicht er von einer Norm und einer Erwartung ab, und das wird allenthalben fleissig sanktioniert. Altmaier wird behandelt wie ein Wesen aus dem Panoptikum (die Kommentare bei Niggemeier sind diesbezüglich sehr aufschlussreich). Das alleine ist bereits ekelhaft genug.
Ich interpretiere Altmaiers Aussagen übrigens so, dass er ungewollt Single ist (egal welcher sexuellen Präferenz) und sich mit dieser Situation resigniert abgefunden hat. Und ich befürchte, dass wenn er dies so öffentlich sagen würde, er noch viel schlimmer behandelt würde.
Da stimme ich euch ausnahmsweise mal völlig zu, besonders Eule.
Niggemeier schreibt wirr uns hat wirre Ideen.
>>>Peter Altmaier ist entweder jemand, der glaubt, dass seine Homosexualität etwas ist, das er verschweigen muss. Oder er wird für schwul gehalten, obwohl er es gar nicht ist. Wenn er selbst nicht bereit ist, für Aufklärung zu sorgen, muss man wenigstens darüber diskutieren dürfen.
welch ein Quatsch, wenn Peter Altmaier nichts zu seinem „status“ sagen möchte, ist es seine alleinige Privatsache. Egal, ob er Hetero, Schwul, Verheiratet, Verliebt, asexuell ist, ob er Probleme mit Bindungen, mit Nähe hat oder einfach nie die richtige / den richtigen gefunden hat.
Als Drag Queen halten mich vermutlich 99,5 % der Menschen, die mich irgendwo sehen für schwul. Who cares. das ist deren meinung und die ist mir leidlich egal. Muss ich jetzt deswegen die welt aufklären, dass ich auf Frauen stehe? Ich könnte das machen, aber es ermüdet und ist vor allem unsinnig, da es doch viele einfach nicht glauben.
Es ist für die Arbeit von Peter Altmaier vollkommen irrelevant – und somit auch für Stefan Niggemeier und alle anderen. Und selbst wenn Altmaier oder Niggemeier auf harten SM stehen würden wäre das ihre Privatsache und hat niemanden (ausser den der sie gerade schlägt oder von dem sie sich gerade schlagen lassen) nicht zu interessieren
Wenn jetzt Niggemeier umdreht und hierauf verweist:
>> Der BLSJ fordert JournalistInnen und Medien auf, die sexuelle Orientierung von lesbischen, schwulen und bisexuellen Personen des öffentlichen Lebens nicht länger zu tabuisieren
Dann will er es offensichtlich nicht verstehen. Selbstverständlich bedeutet das nicht, „gegen den Willen ein zwangsouting oder Zwangsdementi“ zu fordern, sondern die offene sexuelle nicht zu orientieren.
Soll heissen: Wenn Wowereit offen mit deinem Lebensgefährten auf einem Bild posiert, dann sind das „Wowereit und sein Lebensgefährte“ und nicht wowereit und irgendwer“
Wenn anders früher Ole v. Beust entschied, dass seine Privatsache nichts in den Medien zu suchen hat und er ihn eben auch nicht in die öffentlichkeit gestellt hat, dann war der Entschluss der Hamburger Medien, dieses zu respektieren, keine Tabuisierung sondern Respekt vor der Entscheidung von Ole v. Beust. Es war jedem in Hamburg klar, aber es gab nichts zu diskutieren. Warum auch?
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Natürlich ist es politisch relevant, ob Peter Altmaier schwul ist, wenn Peter Altmaier im Parlament gegen die Gleichstellung von Schwulen stimmt. Und natürlich muss es erlaubt sein, die merkwürdigen Formulierungen des Umweltministers zu hinterfragen,
Quatsch! Und wenn Peter Altmeier schwul sein sollte – und wenn er gegen die Gleichstellung stimmt, so sind das zwei Dinge, die selbst wenn es so schön passt, ersteinmal nichts miteinander zu tun haben.
Die Frage ist dann nicht:
Herr vermutlich schwuler Altmeier, warum haben sie gegen die Gleichstellung gestimmt, die sie doch vielleicht auch betrifft… Sie können natürlich jetzt auch sofort leugnen, dass sie schwul sind.
Die Frage ist folgende:
Herr Altmeier, sind sie allen ernstes der Meinung, dass gleichgeschlechtliche Paare, die eine Lebenspartnerschaft ähnlich der Ehe eingehen nicht gleichgestellt werden dürfen und wenn ja warum – oder ist ihre Entscheidung nur so ausgefallen, weil sie der Parteilinie nicht wiedersprechen wollen…
letztere Frage sollte übrigens allen Abgeordneten gestellt werden, die dagegen gestimmt haben, nicht nur Herrn Altmeier, vollkommen unabhängig ob hetero, homosexueller, Bi oder asexueller oder harter SMer :)
meine drei cent zum Thema
Zoe
Ich sehe das genau so. Ob ein Politiker oder eine Politikerin schwul, lesbisch, hetero, bi oder sonstwas ist, ist völlig irrelevant. Entscheidend ist, welche Politik jemand macht. Und jemand ist nicht deswegen ein noch schlechterer Mensch, wenn er selber (heimlich oder offen) schwul ist und gegen dir Oeffnung der Ehe ist, als wenn er als Hetero dagegen ist.
Ich halte es aber für falsch, jeden der gegen den Gesetzentwurf gestimmt hat als Diskriminierend zu bezeichnen. Es ist auch möglich, prinzipiell dafür zu sein und trotzdem den konkreten Entwurf für nicht akzeptabel zu halten. Das leidige Thema Fraktions- und Koalitionsdisziplin mal ganz aussen vorgelassen, war der Gesetzesentwurf der Grünen einfach auch handwerklich schlecht und naturlich nicht mehr als ein selbstverständlich legitimer Versuch, die Koalitionsfraktionen schlecht darstehen zu lassen.
@hnk: Schön, dass du in einer Welt lebst, in dem sich jeder sanktionsfrei outen kann. Es gibt aber einige von uns, die mit mehr Verfolgung rechnen müssen, als sich so mancher in einer privilegierten demokratischen Gesellschaft vorstellen kann. Ich würde es begrüßen, wenn die Leute, die überhaupt nichts von mir wissen, sich auch nicht in mein Privatleben einmischen, das kennen wir ja von anderen Debatten, in denen wir das auch nciht wollen. Nur ist da das Feindbild anscheinend klarer abgegrenzt.