„Stonewall was a riot“ – 50 Jahre queerer Protest gegen Polizeigewalt

„Stonewall was a riot“ („Stonewall war ein Aufstand!“) – ein geschichtsträchtiger Satz. Viele schmücken ihre sozialen Netzwerken im Pride Monat damit. Doch was bedeutet er eigentlich? Und warum ist er heute noch so relevant?

Stonewall Inn in der Christopher Street in Greenwich Village in New York City, USA
Stonewall Inn in der Christopher Street in Greenwich Village in New York City, USA

Vor genau 50 Jahren, in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969, fand zum wiederholten Male eine Polizei-Razzia im Stonewall Inn in der heute berühmten Christopher Street in New York City statt. Die Bar war Anlaufpunkt für LGBT/Queers mit unterschiedlichsten Lebenserfahrungen – weiße, Latinx oder Schwarze Menschen, darunter viele Sexarbeiter*innen, ärmere oder wohlhabende Leute. Die Polizei führte regelmäßig Razzien in queeren Kneipen durch und verhaftete oft jene, die nicht den rigiden, heterosexuellen Kleidungs- und Geschlechternormen entsprachen, veröffentlichte deren Namen in Zeitungen und zeigte sie wegen „anstößigem Verhalten“ an.

Die Polizei wütete legalisiert und ohne Konsequenzen in diesen Räumen – nicht als Beschützer, sondern als Täter.

Protagonist*innen des Stonewall Aufstands, unter anderem Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera.
Die „Christopher Street Tours“ in Greenwich Village (NYC) bietet eine History Walking Tour an, die auch am legendären Stonewall Inn vorbeikommt – die Bar existiert noch heute. Hier werden Protagonist*innen des Stonewall Aufstands vorgestellt, unter anderem Marsha P. Johnson und Sylvia Rivera.

Vor genau 50 Jahren wehrten sich die Stonewall Inn-Besucher*innen in solch einem Ausmaß, dass die Aufstände heute als Geburtsstunde des modernen, westlichen „Gay Rights Movement“ gelten: Sie widersetzten sich den brutalen Verhaftungen, drängten die Polizei zurück, warfen Steine und Flaschen. Ganz vorne dabei: Schwarze und Latinx Drag Queens, Lesben und Sexarbeiter*innen, die stets die volle Wucht der von der Polizei verübten (sexualisierten) Gewalt abbekamen.

Die Proteste dauerten tagelang, immer mehr Protestierende strömten auf die Straßen und riefen Slogans wie „Gay Power“.

Zeitungsartikel von der New York Post vom 29. Juni 1969, gerahmt im Stonewall Inn zu sehen.
Zeitungsartikel von der New York Post vom 29. Juni 1969, gerahmt im Stonewall Inn zu sehen.

Die Proteste um das Stonewall Inn waren weder die ersten noch die letzten ihrer Art. Aber sie sind in die Geschichtsbücher eingegangen und der Grund, warum wir jedes Jahr im Juni die Christopher Street Days und Pride Paraden feiern. Ich finde: Lasst uns feiern, was Aktivist*innen erkämpft haben. Lasst uns froh sein, dass die Zeiten sich ändern. Und lasst uns klar in unserer Analyse sein, dass wir weit davon entfernt sind, in einer Gesellschaft zu leben, die körperliche, sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung aller Menschen ehrt.

Der Ausspruch „Stonewall was a riot!“ ist eine Erinnerung daran, dass staatlich legitimierte Institutionen homo- und transfeindliche sowie rassistische Gewalt nicht nur geduldet, sondern aktiv ausgeübt haben. Und dass Queers sich wehren mussten, weil der Staat keinen Schutz gewährte. Das ist nicht nur US-amerikanische Realität. Auch und gerade in Deutschland gibt es diese problematischen Kontinuitäten innerhalb staatlicher Institutionen. Das zeigt sich in rechten Strukturen innerhalb der Polizei, in rassistischen Polizeikontrollen und Polizeigewalt, im mangelnden Wissen und fehlender Sensibilität im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt sowie im Umgang mit allen Menschen jenseits der Heteronorm.

Keine Vergangenheit, alles noch Gegenwart.

Der 50. Jahrestag von Stonewall ist eine Erinnerung daran, dass queere Selbstbestimmungskämpfe stark verbunden sind mit einer Kritik an rassistischen und gewaltvollen staatlichen Institutionen – 1969 bis heute.

 

Zum Weiterlesen:

  • Fünf queere Menschen in New York erzählen, was der Stonewall-Aufstand für ihr Leben bedeutet – bento.
  • Urknall der queeren Emanzipationsbewegung – Tagesspiegel.

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