Weder King noch Queen und trotzdem beides: Sookee ist QUING und stellt HipHop-Klischees ein subversives Bein. Das zweite Solo-Album der Berliner Rapperin bietet mit 15 Rap-Tracks und 3 spoken word pieces ein innovatives Gesamtwerk des Sprechgesangs ohne jegliches Mackergepose, doch mit viel Wut und positiver Energie. Fünf Jahre nach ihrem Debüt „Kopf, Herz, Arsch“ liefert Sookee eine mutige Rundumschau ihrer persönlichen, musikalischen und politischen (Weiter-)Entwicklung und fordert ihre Hörer_innenschaft heraus, was Eigenes daraus zu machen.
Im Interview mit uns spricht Sookee über ihr gerade erschienenes Album „Quing“, Geschlechterbilder im HipHop und von der Notwendigkeit, sich ständig kritisch zu prüfen.
Wie bist du zum Rappen gekommen?
Die Legende besagt, dass ich vor vielen vielen Jahren auf der Federtasche meiner Schwester ein kleines Graffiti-Piece entdeckte. Das muss wohl initial für meine Begeisterung für HipHop gewesen sein. Einige Jahre später hab ich dann festgestellt, dass Graffiti nicht wirklich was für mich ist: Ich bin extrem lauffaul, nicht gut in Visualisierungsdingen und ich empfand die Szene auch immer als ziemlich rough und sehr konkurrenzbetont. Aber das hing sicherlich auch konkret mit den Leuten zusammen, mit denen ich mich damals umgab. Irgendwann vor etwa acht Jahren wurde mir klar, dass ich mich mit meiner Schreiberei auch im HipHop einrichten kann und ich brachte mir das Rappen bei. Ich hab dann zum Glück relativ flink den Weg zu Springstoff gefunden, das Label, bei dem ich bis heute bin. Das war alles nicht ganz einfach und mir hat damals an vielen Stellen das Bewusstsein für die Sexismus- und Homophobiethematik gefehlt, aber ich habe über die Jahre gewissermaßen trainiert, sodass ich heute meine inhaltlichen Anliegen auf Beats unterbringen kann, meinen Ansprüchen selber gerecht werde und gleichzeitig solidarisch mit Menschen sein kann, die sich in anderen Feldern mit ähnlichen Dingen befassen.
Auf deinem gerade erschienenen Album „Quing“ rappst du, dass du “Quing” für dich als Perspektive entdeckt hast. Was ist das eigentlich und wieso kann jede_r ein wenig “Quing” in seinem oder ihrem Leben brauchen?
Ob andere Menschen Quing brauchen oder nicht, kann ich nicht entscheiden, aber Quing ist als emanzipatorische Denkrichtung und subkulturell-politische Position ein Angebot an alle, die sich darin wiederfinden. HipHop beispielsweise ist durchzogen von merkwürdigen und wirkmächtigen Geschlechterbildern, die eng mit der Glorifizierung von neoliberalen Selbstinszenierungen verbunden sind. Mir erschien das immer unangemessen und verkürzt und ich hatte dringend das Bedürfnis mir im HipHop einen Raum zu schaffen, in dem ich über mich selbst verfügen kann, ohne bestehenden Vorgaben etwa über Weiblichkeitskonstruktionen nachzuhängen. Quing ist also sowas wie ein Attribut, eine Perspektive oder ein Artikulationsmodus, der es ermöglicht, sich in kulturellen und sozialen Räumen zu bewegen, ohne dabei die eigene Kritik aufzugeben oder sich aufgrund von Fremdzuschreibungen einengen zu lassen.
Du schreibst auf deiner Myspace-Seite, dass du auf Grund deines Studiums der Germanistischen Linguistik und Geschlechterforschung in der “glücklichen Lage [bist], HipHop aus soziologischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive zu betrachten und zu reflektieren”. Kam daher die Idee für den Track „Pro Homo“?
In der Tat. Ich hab während des Studiums in einem Seminar zu Gender und Sexualität in Subkulturen eine Hausarbeit zum Thema Homophobie in der deutschsprachigen Rap-Szene verfasst. Ich hab mir damals eine handvoll Songs angesagter Rapper und die großen HipHop-Onlineforen angeschaut und versucht herauszuarbeiten, welche Männlichkeitsentwürfe offenbar für die homophoben Haltungen im HipHop grundlegend sind. Die Arbeit wurde dann veröffentlicht und daraus hat sich mittlerweile ein Vortrag entwickelt, der recht gefragt ist.
Da mir aber die Behandlung dieser Thematik nur für die Ohren von Menschen die Akademisch sprechen oder sozialarbeiterisch tätig sind, zu wenig ist, war schnell klar, dass die Szene, aus der ich komme und auf die ich mich – mit meiner Kritik – beziehe, auch ein Statement zu dem Thema vertragen kann. Es wird mir wegen dieses Songs zuweilen Nestbeschmutzung vorgeworfen, aber ich will ja damit nicht HipHop damit dissen, sondern erstens aussprechen, was auch andere aus der Szene, und zweitens weisen sowohl der Vortrag als auch der Song darauf hin, dass HipHop nur so homophob und sexistisch sein kann, wie die Gesellschaft, in der er stattfindet.
Welcher ist dein Lieblingstrack auf deinem Album und warum?
Es liegt mir nicht, ein Ding als das Ultimative hervorzuheben und superlativisch über alles andere zu stellen. Da sind mehrere Tracks, die ich besonders hörenswert finde und die alle an unterschiedlichen Punkten Stärken haben.
„Lernprozess“ finde ich großartig, weil es mir gut damit geht, wenn ich ehrlich zu mir selber sein kann. „Klinge“ rockt mich sehr, weil ich so kryptischen, introspektiven Kram, der sich jeder Vereindeutigung widersetzt, einfach sehr mag. „ProHomo“ ist politisch gesehen derjenige Track, der sehr viel trägt und skandalisiert auf der Platte. „Siebenmeilensneakers“ hat diesen Crescendo-Punch und macht meine Ohren glücklich. Und so weiter und so fort.
Von welchen Künstler_innen lässt du dich gerne inspirieren?
Ich lass mich eher von Menschen inspirieren, die mir auf die ein oder andere Weise nahe sind, egal ob es Freund_innen sind, andere Musiker_innen oder Personen, deren Texte ich lese. Das lässt sich gar nicht so spezifizieren. Wichtig sind mir grundlegend diejenigen Inspirationen, die mich vorankommen lassen, die es mir ermöglichen, mich kritisch zu prüfen, ob das alles so wie es im Moment ist, seine Gültigkeit hat.
Mehr QUING gibt es auf ihrer Homepage, auf Facebook oder MySpace.
props.
kann man die homophobie HA irgendwobekommen?
Musste mal Sookee anschreiben – Kontakt findest du bestimmt über eine der oben verlinkten Seiten. Sie gibt auch öfter mal Veranstaltungen zum Thema Homophobie im Hip Hop.
Wow! Hammermucke mit korrekten Texten!
Vielen Dank für das Interview und die Erweiterung meines (musikalischen) Horizontes.
Noch ein Grund mehr auf den Transgenialen CSD am 26.6. zu gehen. :)
Coooool! Pro Homo ist ja voll der Hammer! Super Rapperin.
Ich finde es sehr gut, dass mal über etwas geistreiches getappt wird!
So toll ich sie auch finde- hab auch ne CD von ihr- ich find bei „Pro Homo“ etwas ärgerlich, dass außer der Zeile mit Eva und Ulla alles wieder männlich ist. ABER Homo ist NICHT gleich schwul.