Sex, Politik, schlechte Raps und eine persönliche Anmerkung

Die Woche geht zu Ende und der Wahlkampf endlich auch. Ein paar Themen haben wir nicht angesprochen, manche nur verkürzt.

Es ist schon interessant: Die Tatsache, dass die beiden wichtigsten Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers eine Frau und ein Mann sind, spielt in den offiziellen Medien dieses Jahr null Rolle. Das ist eigentlich schon fast erstaunlich, wenn man bedenkt, wie vor vier Jahren noch mit Merkel umgegangen wurde. Wenn man mal von der ungünstigen Frau Lengsfeld absieht, hat diese Tatsache auch im Wahlkampf der Parteien keine Rolle gespielt, dafür gab es dann Dienstwagenaffären und Banker-Geburtstage.Trotzdem ist Sexismus etwas, das genau so wenig aus dem Feld der Politik verschwunden ist, wie aus jedem anderen Feld, was man in einer Wahlplakategalerie auf Spiegel Online gut nachvollziehen kann. Und wir müssen uns ja nur an die Plakate der Grünen von Kaarst erinnern, die mit einer Kampagne, die es schaffte, zugleich sexistisch und rassistisch zu sein, immerhin den Ort Kaarst in der Landkarte des kollektiven Bewusstseins markierten.

Aber auch in diesem Wahlkampf scheint es, als wäre trotz allem die geschlechtliche Dichotomie der Kanzlerkandidaten eine unwiderstehliche Steilvorlage für jede und jeden, der seinen sexistischen Denkstrukturen mal ein bisschen laufen lassen will. Das war vor allem in humoristisch gemeinten Beiträgen der Internetgemeinschaft zu sehen, die von den Parteien mal mehr, mal weniger goutiert wurden.

Vor ein paar Tagen habe ich ein Video gepostet, das vergangene Woche von einer oder einem Unbekannten auf youtube gestellt wurde und bei vielen Mitgliedern der SPD ziemlich gut ankam. Es ist eine Art Rapvideo, das sich explizit gegen die Union richtet und vor frauenfeindlichen Formulierungen nur so strotzt:

Weil einige Hinweise kamen, dass ich aus lauter Kurzschlusswut ungerechtfertigterweise die SPD für den Inhalt des Videos verantwortlich und also meinen Recherchepflichten nicht nachgekommen war, fiel die Entscheidung, den Beitrag wieder offline zu nehmen. Für alle, die gerne darüber diskutieren möchten, ist es jetzt wieder hier.

Persönlich habe ich mich nicht so sehr über das Video an sich geärgert, hallo, ich mag Atzenrap manchmal sogar gern. Was mir in dieser Sache miese Laune macht, ist, dass das Lied offenbar bei vielen SPDlern so gut ankam, weil ich die erste Strophe selbst für einen Stimmungsmacher unangemessen agressiv und misogyn finde. ich finde, dass dies einer Partei, die sich laut Programm für die Gleichberechtigung aller Menschen einsetzt, weder geschmacklich, noch intellektuell oder politisch besonders gut steht. Andere haben dazu andere Meinungen.

Das „Steini Girl“ wiederum hat nichts gegen so genannte Titten einzuwenden, wie man in diesem Video eindrucksvoll beobachten kann.

Wieder ist nicht klar, ob das ironisch gemeint ist oder wirklich zur Unterstützung Steinmeiers dienen soll. Was nicht gerade für Qualität spricht, auch und gerade wenn man bedenkt, dass das Filmchen von einer „professionellen Produktionsfirma“ gemacht wurde. Alles in allem ist es eine billige und mit Abstand nicht so charmante Kopie des „Obama-Girls“, welches im letzten Jahr bekannt wurde. In einem Interview, das die Bild Zeitung mit der jungen Dame geführt hat, zeigt sich dann auch, wie differenziert ihre Geschlechterkonzeption ist: Angela Merkel ist ihr zum Beispiel „einfach zu männlich.“ Ahhh.

So, und jetzt Schluss mit Politik, am Wochenende haben wir ja noch etwas anderes zu tun, als Wählen. Manche Menschen gehen z.B. auch saufen und haben dann Geschlechtsverkehr. Sex unter Alkoholeinfluss kann unbestritten extra-super sein. Trotzdem ist es sehr traurig und verstörend, dass laut einer Umfrage 6 Prozent aller Britinnen noch NIE nüchtern Sex hatten. Gründe: Wenn sie nichts getrunken haben, mögen sie ihren Körper nicht und trauen sich auch gar nicht, auf Männer zuzugehen. Das ist jetzt in Anbetracht der britischen Alkoholkultur nicht total überraschend, aber wenn man sich überlegt, welche schlimmen Folgen besoffener Sex eben auch haben kann, für Gesundheit und Geist, und wie übel es ist, wenn man aus lauter Alko-Lust mit einer unpassenden oder sogar falschen Person aufwacht, dann kann man davon ausgehen, dass hier sehr, sehr viele Frauen eine durchweg negative Sexualerfahrung machen. Wie hier ein nationales Alkoholproblem mit einer verkorksten Selbstwahrnehmung zusammen kommen, ist erschreckend.

Sexualität und ein gutes Körpergefühl ist für Frauen in vielen afrikanischen Regionen, dort wo sie als kleine Mädchen Zwangsbeschneidungen erleiden,  gar keine Wahl. Der Hessische Rundfunk hat letzte Woche eine sehr gute und informative Sondersendung zum Thema Genitalbeschneidung bei Frauen gemacht. Anlass ist ein bisschen die neue Verfilmung der Biografie von Waris Dirie, die zwar ziemlich schlecht besprochen wurde, aber zumindest das Thema offenbar wieder mehr in die Öffentlichkeit bringt.


4 Kommentare zu „Sex, Politik, schlechte Raps und eine persönliche Anmerkung

  1. Obwohl sich die SPD von dem Video distanziert hat, bleibt es natürlich immer noch mehr als fragwürdig.

    Und welche „professionelle Produktionsfirma“ mit welchen Interessen hinter Steini-Girl steht wäre auch einmal interessant zu hinterfragen.

    Mir ist zwar Frau Merkel nicht, aber eindeutig Politik als Machtfeld zu männlich.

    Ich empfehle dem Stein-Girl dazu:

    Scholz, Sylka: „Kann die das?“ Angela Merkels Kampf um die Macht: Geschlechterbilder und Geschlechterpolitiken im Wahlkampf 2005

    http://www.amazon.de/Angela-Merkels-Kampf-Macht-Geschlechterpolitiken/dp/3320021036/ref=sr_1_2?ie=UTF8&s=books&qid=1253977727&sr=8-2

  2. so genannte Titten

    Hihi.

    Ansonsten guter Beitrag, da ja immer mehr Menschen zu glauben scheinen, wir seien jetzt endlich alle gleichberechtigt – schließlich haben wir eine Bundeskanzlerin.

  3. also ich kann nichts sexistisches an dem rapsong finden. also zumindest nichts was vom texter kommt: „das ist tittenwahlkampf“, „atombusen für die masse“, „stoibers muschi“ sind, angesichts vera lengsfelds dämlicher aktion doch nur kommentare. das ist halt tittenwahlkampf wenn man plakate hat auf denen die hauptaussage aus brüsten besteht. genauso wie das linke plakat arschwahlkampf war. außerdem nennt stoiber seine frau wirklich so. dass das ganze im „atzen-stil“ vorgetragen wird, hebt die sexistisch-dümmlichen kampagnen noch besser heraus (denn das Frauenarzt-original ist mal wieder ein typisches genrebeispiel. wieso kommt das eigentlich im radio? der beat kanns ja nicht sein…)

    dass in der SPD dieses lied beliebt ist, zeugt vom miserablen satireverständnis der genossen, denn wirklich positiv wir auch nicht von ihnen gesprochen.

  4. @ Meredith,

    wie meinst du es, dass du „Atzenrap ganz gern magst“ ???
    Atzenmusik steht für „Frauenarzt“, der einge der grässlichsten und frauenverachtensten Stücke zum deuschsprachigen Rap beigetragen hat.
    Bin ich hier auf der richtigen Homepage?
    Oder wolltest du nur bloß nicht spießig wirken?
    Die ganze Geschichte zeigt nur einmal mehr, dass diese Gesellschaft Mysogenie nicht genug ächtet.

Kommentare sind geschlossen.

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