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Ich habe den Spiegelartikel „Die Natur der Macht“ und das anschließende Interview mit Susan Pinker „Männer sind extremer“ gelesen. Sehr interessant. Ich denke, in den letzten Jahren sind die spezifischen Interessen der beiden Geschlechter zu wenig berücksichtigt worden. Das geht zurück bis auf „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir, worin diese nicht einmal einen biologischen Sinn in der sexuellen Fortpflanzung erkennen will. Den scheint es aber doch zu geben. „Beide Geschlechter machen das Gleiche und wenn es Kinder gibt, dann teilen sie sich die Arbeit“ funktioniert möglicherweise im Einzelfall, aber nicht als gesamtgesellschaftlich anzustrebendes Ziel. In Zukunft sollte mehr an den unterschiedlichen Interessen der beiden Geschlechter gearbeitet werden.
Dagegen. Man kann keine zwei Gruppen bilden und alle in Topf A oder B werfen. Ich glaube, Susan Pinker gibt das auch nicht her.
Das hat Susan Pinker nicht behauptet. Sie argumentiert sehr feinsinnig statistisch. Was sie sagt, ist eigentlich überall so. Steffi Graf spielte bestimmt viel besser Tennis, als 99% aller Männer. Und dennoch hätte sie gegen die besten Männer keine Chance gehabt. Aus diesem Grund spielen Frauen und Männer beim Tennis nicht direkt gegeneinander, weil wir Frauen sonst nie gewinnen könnten. Beim Schach besteht die gleiche Situation. Pinker behauptet nun, dass es solche feinen Unterschiede sind, die zu ganz anderem Verhalten führen. Für die Natur sind nun einmal Männer Topf A und Frauen Topf B (oder umgekehrt). Und wir Menschen dürfen deshalb nicht so tun, also habe die Einteilung der Natur von Menschen in Topf A und Topf B überhaupt keinerlei Auswirkungen, als könne man daraus einen gemeinsamen Topf machen. Das Interview „Männer sind extremer“ macht sehr deutlich, dass das nicht geht. Auch, dass wir Frauen vielfach ganz andere Interessen haben, die aber bislang nicht ausreichend berücksichtigt werden. Bislang werden in erster Linie die Interessen von Frauen berücksichtigt, die den männlichen Weg einschlagen wollen, die mit den Männern konkurrieren wollen, jemand wie Marion Knaths also. So wollen viele Frauen aber nicht werden. So wollen sie nicht einmal aussehen.
nachdem ich in der letzten Woche 2 mal in einer Klausur als einzige Frau saß, habe ich beim Mittagessen bei der Arbeit mal wieder das Thema auf Frauen in Technischen Berufen gebracht.
Interessant war die Ansicht meiner Chinesischen Kollegin
Sie meinte, dass sie das in Deutschland auch sehr überrascht hat, dass so wenige Frauen zu finden sind, ich China wäre das anders, sehr ausgeglichen.
Auch in den „angesehenen“ Kreisen in China würden sich viele Fragen, die hier in Deutschland immer Thema sind, wie Vereinbarkeit von Kind und Karriere für Frauen gar nicht in der Form stellen.
Viele dieser Dinge würden sie noch immer wundern, da Deutschland ja eigentlich ein viel freieres und demokratischeres Land sei als China.
ich würde China nun nie mals ein Land das Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung ist und an dem sich alle ein Vorbild nehmen sollen, bezeichnen
Interessant ist meiner Meinung nach nur, dass viele der „ach so typischen unterschiede“ zwischen Mann und Frau in anderen Kulturen gar nicht auftreten…. vielleicht sind sie doch gar nicht so typisch?
@Irene: Davon, daß man aus Topf A und Topf B einen großen Topf AB machen und eine Einheitssoße kochen sollte, habe ich ja nicht geredet.
Ich denke schon, daß es biologische Presets gibt – Aber wir Menschen sind a) sehr flexibel, und b) sehr verschieden. Was spricht dafür, daß Frauen grundsätzlich nicht in technische Berufe gehen? Die Praxis zeigt doch, daß es manche drauf haben.
Wenn man „über alles“ Statistiken betrachtet, dann lasse ich deine Einwände gelten: Es wird immer mehr Männer als Frauen geben, die sich für Technik interessieren.
Marion Knaths ist der Meinung, daß Frauen totaal hierarchielos und egalitär sind – Man müsse nur Frauen in die Führungsebene hieven, und schon wäre das destruktive Element aus der Kultur verschwunden. Sorry, ich denke sie glaubt selber nicht, was sie da schwätzt – Sie will nur ihre Kurse verkaufen, indem sie ihren potentiellen Kundinnen Honig um den Bart schmiert: Frauen seien etwas gaanz gaanz besonderes.
Irene, deine Argumentation verstehe ich jetzt nicht ganz. Weil Steffi Graf nur 99% aller Männer schlagen könnte, aber den Besten nicht, soll sie nicht gegen Männer antreten dürfen, wenn sie das will? Was ist denn mit den 99% aller Männer, die die 1% aller Männer, die Steffi Graf schlagen würden, auch nicht schlagen können? Gegen wen sollen die antreten? Gegen Kaninchen?
Sie kann doch gegen Männer antreten. Nur wird der Titel „Weltmeister“ nach Geschlechtern getrennt vergeben – Körperkraft und so.
Thema Schach:
@OD: In Ländern, in denen Frauen nur über Karriere die Chance haben zu gesellschaftlichem Ansehen zu kommen, ist der Anteil der Frauen in „Kohleträchtigen“ Berufen – und in Führungspostionen – generell sehr viel höher. Auch wenn es dort eine sehr stark ausgeprägte „Machokultur“ gibt.
Ich will damit nicht behaupten es gäbe hier keine Vorurteile, aber so ganz scheint sich die These von der Omnipräsenz des gegen den Willen der Frauen rollenzuschreibenden Patriarchats nicht verifizieren zu lassen.
Ja: Frauen können einiges, wenn sie müssen oder den eisernen Willen dazu haben.
P.S.: Auch in der Türkei würdest du nicht als einzige Frau in der Klausur sitzen.
@Emanze vom Dienst
„Irene, deine Argumentation verstehe ich jetzt nicht ganz. Weil Steffi Graf nur 99% aller Männer schlagen könnte, aber den Besten nicht, soll sie nicht gegen Männer antreten dürfen, wenn sie das will?“
Sie könnte doch gegen Männer antreten, nur wollen die Frauen das doch nicht, damit auch sie gewinnen können. Die besten Frauen haben nun mal gegen Federer und Nadal keine Chance. Und gegen die nächsten 100 Männer auch nicht. Also treten sie in einer eigenen Frauendisziplin an und können ähnlich viel Geld wie die Männer verdienen.
Es sind nicht die Männer, die die Teilnahme von Frauen in ihrer Disziplin verhindern. Es sind die Frauen, die keine Männer dabei haben wollen!
Das sieht man übrigens auch beim Schach. Judith Polgar ist eine Ausnahmespielerin. Unter den Frauen hatte sie keine Konkurrenz. Also hat sie bei den Männern mitgemacht. Die Männer haben das zugelassen.
Ein Mann darf aber nicht bei den Schachfrauen antreten.
Das meiste Geld in Deutschland unter allen SchachspielerInnen verdient Elisabeth Pähtz. Sie ist aber (gemäß ELO) nicht gut genug, um in der deutschen Männermannschaft mitspielen zu können (obwohl die viel weniger Geld mit Schach verdienen als sie). Bei den deutschen Frauen ist sie zurzeit die beste.
Susan Pinker wies auf ein besonderes Phänomen hin, auf das bislang zu wenig geachtet wurde: Männer sind extremer.
Männer sind im Durchschnitt körperlich stärker als Frauen. In einer Gesellschaft, in der Körperkraft eine Rolle spielt, werden Männer sicherlich immer dominieren. Wenn es darum geht, den wilden Westen zu erobern, anschließend ein paar Holzhäuser und eine Kirche zu bauen, dann sind Frauen immer die Schwächeren. Männer werden in einer solchen Gesellschaft zwangsläufig das Sagen haben, weil es ja vor allem sie sind, die ran müssen, wenn es kritisch wird.
Heute kommt es aber hauptsächlich auf geistige Fähigkeiten an. Und da ist bekannt, dass etwa der durchschnittliche IQ von Frauen und Männern gleich ist. Es gibt bei einer vorwiegend geistigen Tätigkeit keinen Grund mehr, warum das „schwache“ Geschlecht zurückstehen sollte.
Aber: All dies gilt nur im mittleren Bereich. Bewegt man sich auf die Extreme zu, dominieren die Männer. Es gibt viel mehr Männer mit sehr hoher Intelligenz als Frauen, und es gibt viel mehr Männer mit sehr niedriger Intelligenz als Frauen. Den vermutlichen Grund nannte Susan Pinker auch: Die unterschiedliche Chromosomenausstattung. Durch XX sind wir Frauen besser geschützt. Es kommt dann weniger zu Extremen. Diese Extreme sind aber biologisch erwünscht, weil sich genetische Erfolgsmerkmale über die Männer ausbreiten. Frauen sind biologisch gesehen mehr für Fortpflanzung da, Männer für Evolution.
Ganz deutlich sieht man das übrigens bei Sonderbegabungen (Inselbegabungen). Da sind dann 6 von 7 Personen Männer.
Man kann deshalb nicht fordern, dass die Hälfte aller Professoren Frauen sein müssten (außer man verlangte das bei den Müllmännern auch). Man würde Männer schwer benachteiligen.
@O D
Dass sich in Deutschland so wenige Frauen für technische Berufe interessieren, liegt nicht an den Männern, sondern an uns Frauen. Heute kann jede Frau Maschinenbau studieren, wenn sie denn will. Nur wenige Frauen wollen das. Auch darauf wurde im Spiegelartikel eingegangen. Ich finde, man sollte endlich einmal ernst nehmen, was eine Mehrheit der Frauen will, und nicht auf irgendwelche fernen Länder oder feministischen Ziele verweisen. Bei uns wollen viele Frauen lieber etwas mit Menschen als mit Maschinen machen. Also lasst uns doch Verhältnisse schaffen, dass das Arbeiten mit Menschen (und seien es die eigenen Kinder) genauso anerkannt werden kann wie das Arbeiten mit Maschinen. Ich denke, eine solche Welt könnte humaner als die heutige sein.
@Nils
„Ich will damit nicht behaupten es gäbe hier keine Vorurteile, aber so ganz scheint sich die These von der Omnipräsenz des gegen den Willen der Frauen rollenzuschreibenden Patriarchats nicht verifizieren zu lassen.“
Darauf wies Susan Pinker hin. Frauen sind erfolgreicher in der Schule und an der Uni. Und sie machen in Unternehmen schneller Karriere. Offenbar hindern die Männer sie nicht daran. Erst wenn es auf die Spitzenpositionen zugeht, wo man oft auch sein ganzes Leben einer Aufgabe widmen muss, setzen sich immer stärker die Männer durch. Und Susan Pinker meint, dies läge nicht an einer künstlichen, durch die Männer aufgebauten Barriere.
Denn genau das zeigt sich ja auch außerhalb der normalen Berufswelt. Der Anteil der Frauen unter den Nobelpreisträgern hat sich beispielsweise seit der Gleichberechtigung nicht erhöht.
@Irene : genau darum ging es mir. Die Frage ist doch, warum grade in Deutschland (und das wie in fast keinem anderem Land!) Frauen solche Studiengänge nicht studieren wollen.
Warum wurde ich in Deutschland, als ich beschloss, Elektrotechnik zu studieren, von vielen komisch angesehen und muss ständig erklären, waru ich das „als Frau“ mache?
Natürlich wurde es mir nie verboten, aber komisch angeschaut werde ich immer und für Erstaunen sorgt es immer!
Wenn es in anderen Ländern allerdings – durch andere Kulturelle Einflüsse und anderen Druck von oben- völlig normal ist, das Frauen solche Fächer studieren und daran Spaß haben, kann es imho nicht an der „Natur der Frau“ liegen, dass die Frauenquote bei mir im Studiengang immer noch unter 10% liegt (bei den nicht Europäischen allerdings bei knapp 40%) . Vielleicht gibt es auch nur ein Gen speziell für Deutsche Frauen, dass sie es deswegen nicht wollen? Schon in norwgen sieht das z.B. ganz anders aus!
Aber… und da ist auch etwas dran… solange nicht mehr Frauen in Deutschland sich für solche Studiengänge Entscheiden, werden sie es schwerer haben DIE Führungspositionen zu ergattern!
@O D
Ich glaube, da existieren einfach nur viele Gerüchte. Susan Pinker ist Kanadierin und überblickt ganz Nordamerika. Da soll das nicht viel anders als bei uns sein.
Als internationale Referenz, wie sehr die Gleichberechtigung der Geschlechter schon umgesetzt wurde, gilt der Global Gender Gap Report. Die haben auch den Punkt: Professional and technical workers. Und in dem liegt Deutschland auf dem ersten Platz weltweit.
Insgesamt (über alle Kriterien) ist Deutschland Platz 7, was sehr gut ist. Vor uns liegen (außer Philippinien) nur kleinere Länder.
Ich finde, es geht auch gar nicht um das Thema. Techniker haben es in den meisten Unternehmen eher schwer, Karriere zu machen. Leichter tun sich Verwaltungsfachleute, Wirtschaftler, Juristen. Techniker sind oft zu sehr auf die Technik und nicht die Karriere konzentriert. In vielen Unternehmen wurden Sonderkarrieren für herausragende Techniker ermöglicht, damit die auch aufsteigen können, ohne Personalverantwortung zu tragen.
Trotzdem kommen Frauen kaum ganz oben an. Und dafür nennt Frau Pinker Gründe, die etwas mit den Eigenschaften des männlichen Geschlechts zu tun haben.
Ich habe den Eindruck, du schreibst ein wenig an dem vorbei, was ich die ganz Zeit sagen möchte. Die Aussage von Frau Pinker war: Es liegt nicht daran, dass so wenige Frauen technische Berufe ergreifen. Und es liegt auch nicht daran, dass Frauen von Männern an der Karriere gehindert werden.
@OD: Vielleicht ist die Rolle der deutschen Mutter ja gar nicht so sehr mit Nachteilen verbunden. Oder sind deine Geschlechtsgenossinen alle total unmündig?
Wer sich von „Schiefen Blicken“ beeindrucken läßt hat eine Führungsposition nicht gerade verdient – Da muß man schon den Mut haben zu seinen Ideen zu stehen. Geht Männern auch so.
P.S.: Was aber nicht auf dich gemünzt ist. Hast dich ja nicht beeindrucken lassen.
P.P.S.: Führungspostionen kriegen doch meistens Außenseiter – Es sei denn, sie haben gute Beziehungen.
OD: Kamen solche Kommentare von anderen Elektrotechnikern oder fachfremden?
Grund der Frage: Ich kenne die Gleichstellungsbeauftragte für meine Fakultät, deren Aufgabe es auch ist, den Studiengang anttraktiver für Frauen zu machen (grob vereinfacht). Wenn die Argumente gegen das Studium „als Frau“ allerdings nicht aus der Fakultät kommen, können sie an der Baustelle auch nicht viel ändern.
Also… gute Frage, die Kommentare kommen vor allem von Frauen, die etwas anderes machen und sich das rein gar nicht vorstellen knnen,.. Innerhalb des Studiums habe ich eigentlich auch keine Probleme und die Leute reagieren recht positiv -( dem Überzeugten E-Techniker ist es eh nicht verständlich, warum man überhaupt was anders Studieren sollte- ) und die Geschichten von pfeifenden Hörsälen wenn eine Frau vorbei kommt, sind auch eher Legenden als noch aktuelles Geschehen.
Wie man den Studiengang auch für Frauen interessant machen kann, ist wirklich nicht so leicht zu beantworten… das „Problem“ fängt hier ja schon viel früher an… und der „Ingenieur“ oder die Ingenieurin hat eh ein kleines Imageproblem…
Und die Frauen haben oft Angst, dass sie zu wenig Vorkenntnisse haben. Ich z.B. habe bis heute nicht gelötet oder auch nur eine Platine geätzt, konnte vor Beginn meines Studiums nicht programmieren und hatte auch sonst hatte ich zwar schon immer Technisches Verständnis aber keine Ahnung.
Auf Schnuppertagen an der Uni versuche ich aber immer wieder klar zu machen, dass es darauf auch nicht ankommt.
Man muss nicht (auch wenn grade Männer das gerne behaubten) immer schon gerne gebastelt haben und ein absoluter Computerfreak sein, um Spaß an dem Thema zu haben. Da vielen Frauen dieser Spielerische Umgang mit Technischen Dingen fehlt, trauen sie sich das Studium nicht zu, auch wenn sie das nötige Verständnis und auch das nötige Interesse mitbringen würden! (Wenn ich – auf recht simpler weise jemandem Erkläre, was ich grade für ein Thema lerne, sind auch sehr viele Fachfremde immer sehr begeistert und finden es äußerst spannend)
@Irene mein Erster Beitrag war auch gar nicht auf die Bezogen, sondern sollte ein ganz unabhängiger Bericht von meine Erlebnissen in der letzten Woche sein und ein Punkt, der mich ein wenig zum nachdenken gebracht hat… vielleicht haben wir deswegen wirklich aneinander vorbei gesprochen.
Danke für die Antwort :)
@OD
„@Irene mein Erster Beitrag war auch gar nicht auf die Bezogen, sondern sollte ein ganz unabhängiger Bericht von meine Erlebnissen in der letzten Woche sein und ein Punkt, der mich ein wenig zum nachdenken gebracht hat… vielleicht haben wir deswegen wirklich aneinander vorbei gesprochen.“
Ok, danke, jetzt wird mir das klarer. Ich hatte mich schon gewundert, weil der Punkt zwar von Susan Pinker lange diskutiert wird, bei mir aber nicht vorkam. Ich hatte vermutet, du hättest den Artikel gelesen und dich darauf bezogen. Da haben wir dann tatsächlich aneinander vorbeigeredet.
@Irene: Ich wollte ja nur darauf hinaus, daß Statistken nicht geeinet sind den konkreten Mensch zu beurteilen. Die „Exemparstreuung“ ist verdammt groß. Aber das sagt Frau Pinker ja auch, glaube ich.
Edit: „Exemplarsteuung“
@Nils
„Ich wollte ja nur darauf hinaus, daß Statistken nicht geeinet sind den konkreten Mensch zu beurteilen. Die “Exemplarstreuung” ist verdammt groß. Aber das sagt Frau Pinker ja auch, glaube ich.“
Eines der ganz entscheidenden Argumente von Frau Pinker war: Die Exemplarstreuung ist bei Männern größer als bei Frauen. Diese größere Exemplarstreuung speist gemäß ihr viele gesellschaftliche Unterschiede und angebliche Ungerechtigkeiten, z. B. dass Top-Positionen mehrheitlich von Männern besetzt sind. Also noch einmal: Ihre Aussage war, dass die Exemplarstreung bei Frauen verdammt groß und bei Männern verdammt verdammt groß ist. Und dies habe biologische Gründe.
Sie führte ferner aus, dass dies zu Problemen führe, weil sich der Mensch immer nach oben orientiere. So empfänden wir die Tatsache, dass die Mehrheit der Professoren Männer sind, als etwas, was ungerecht ist, übersehen dabei aber, dass die Mehrheit der Müllmänner, Obdachlosen, Selbstmörder (um ein paar Beispiele zu nennen) auch Männer sind.
Leute, wie wäre es mal, wenn ihr aufhören würdet, so unglaublich naiv die Kategorie ‚Frau‘ zu reproduzieren und mit Soziologengewäsch zu unterfüttern, als hätte es die dritte Welle nicht gegeben?
Das Wort ‚Natur‘ hat in diesem Zusammenhang schlichtweg nichts zu suchen…
@Irene: Ja, das ist bekannt.
Wenn du zwei Säcke voller Münzen mit unterschiedlicher Exemplarstreuung in der Größe hast, und je eine Münze herausgreifst – dann kannst du trotz des Wissens aus welchem Sack sie jeweils sind, keine Aussage über die Größe der einzelnen Münze treffen.
Aber wahrscheinlich reden wir aneinander vorbei.
Na Sven, hier, im Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung, wird das ja erklärt. Plötzlich findet man genau dort aber sowas superschlaues:
P.S.: Da erzähle mir noch einer, Niemand hätte Valeria Solanas ernst genommen..
P.P.S.: Und unsere neobraunen Freunde nehmen auch nicht mehr die Biologie zur Hilfe, um andere abzustempeln. Sie haben längst entdeckt, daß „Sozialisation“ und „Kultur“ dafür noch besser geeignet sind.
(Womit ich niemand in die Ecke stellen will. Aber: Das vermeiden von biologischen Erklärungen schützt vor gar nichts)
(Untergegangen: Die Quelle für das biologistische Geschmonz der Psychologin Quaiser-Pohl – Wohlgemerkt unter der Überschrift „Alles Kopfsache“)
Ach ja, und wer nicht suchen möchte, das Analogum von Valeria Solanas:
Und die Frau Professorin Quasier-Pohl ist auch nicht irgendwer.
Also, bitte: Beschwert euch doch erstmal bei den feministischen Kapazitäten, die die Biologie bemühen und offenbar noch nicht einmal wissen, daß das vermeintliche Mehr an Genen auch von Pappi kommt..
@Nils
„Wenn du zwei Säcke voller Münzen mit unterschiedlicher Exemplarstreuung in der Größe hast, und je eine Münze herausgreifst – dann kannst du trotz des Wissens aus welchem Sack sie jeweils sind, keine Aussage über die Größe der einzelnen Münze treffen.
Aber wahrscheinlich reden wir aneinander vorbei.“
Das ist richtig. Aber wenn in beiden Säcken Münzen von 1 Cent bis 1 Euro sind, in dem zweiten Sack aber anteilsmäßig mehr 1 Cent und 1 Euro als im ersten Sack, dann ist die Wahrscheinlichkeit, ein 1 Cent oder 1 Euro Stück zu ziehen für den zweiten Sack größer.
Das meinte Susan Pinker. Man weiß nicht im Voraus, ob ein bestimmter Mann oder eine bestimmte Frau später NobelpreisträgerIn oder ObdachloserIn wird. Es spricht aber vieles dafür, dass das deutlich mehr Männer als Frauen werden.
@Nils
„Ach ja, und wer nicht suchen möchte, das Analogum von Valeria Solanas …“
Das ist mir zu negativ ausgedrückt. Tatsache ist, dass die Natur bei den Männern stärker experimentiert (sie stärker Mutationen ausgesetzt sind). Das liegt an den XY-Chromosomen. Auch vermuten Biologen, dass deshalb normalerweise mehr Jungs als Mädchen geboren werden, weil bei den Jungs häufiger was schief läuft (der Kleine ist nicht mehr lebensfähig).
Auf der anderen Seite können die aber auch sehr viel Glück haben. Problematisch wird es, wenn wir Quote für die Fälle fordern, wo Männer mal Glück haben, aber nicht, wenn sie Pech haben. Also gleiche Anteile bei den Top-Managern und Wissenschaftlern: ja, bei den Obdachlosen: nein.
@Irene: Schon klar – Beim XX-Chromosom ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich Genmutationen kompensieren größer.
Daß bei Frauen eine höhere Genaktivität stattfindet ist aber meines Wissens widerlegt.
@Nils
„Daß bei Frauen eine höhere Genaktivität stattfindet ist aber meines Wissens widerlegt.“
Hat ja auch niemand behauptet. Ich schrieb, dass Männer stärker Mutationen ausgesetzt sind. Ist wie bei vielen Insekten, bei denen die Weibchen diploid und die Männchen haploid sind. Die Mutationshäufigkeit bei den Männchen ist nicht größer, aber Mutationen wirken sich bei ihnen stärker und schneller aus, da sie nur einen Chromosomensatz haben. Die Männchen sind dann Mutationen stärker ausgesetzt. Mehr hatte ich nicht gesagt, wollte ich nicht sagen und werde ich auch in Zukunft nicht sagen.
Der Zusammenhang zwischen Genen und Top-Manager / Obdachloser ist nicht ohne weiteres herzustellen. Da gibt es schon ganz erhebliche soziale / kulturelle Einflüße, und es ist nicht bestimmbar wann was wirkt.
Weiterhin hat man herausgefunden, daß Evolution z.t. erheblich kürzer als gedacht – innerhalb weniger Generationen – Stattfindet. In einem abgeschottetem See hat man nach wenigen Jahren komplett neue Arten entdeckt. Man hat auch nachgewiesen, daß z.B. nach einem traumatischem Erlebnis sich Gene verändern.
Ist nicht so einfach mit der Biologie – Und wir sollten wissen, daß wir nichts wissen.
Von der Mann/Frau Verteilung in den Spitzenpositionen – unter Ausblendung der Obdachlosen – auf eine allgegenwärtige Unterdrückung der Frau zu schließen ist allerdings hahnebüchen.
Doch, Frau Prof. Quaiser-Pohl – Und Valeria Solanas.
Bitte vorsichtig mit dem Durcheinanderwerfen von Mutationen und Epigenetik. Mutationen sind dauerhaft. Die Rate der (genauen) Reversion von Mutationen ist ziemlich niedrig. Epigenetische Veränderungen sind das gezielte An- und Ausschalten von Genen. Die Veränderungen werden auch vererbt, eine Reversion ist aber jederzeit möglich. Traumatische Erlebnisse führen zu letzterem.
Interessant, danke SoE.
@Nils
„Von der Mann/Frau Verteilung in den Spitzenpositionen – unter Ausblendung der Obdachlosen – auf eine allgegenwärtige Unterdrückung der Frau zu schließen ist allerdings hahnebüchen.“
Ok Nils, ich hab verstanden, dass die Inhalte meiner Texte bei dir nicht ankommen. Wenn du nun darüber schreiben willst, dann tu das bitte, aber ohne mich. Ich schrieb jedenfalls über was ganz anderes, was dich aber nicht zu erreichen und auch nicht zu interessieren scheint.
Die gesamte Argumentation von Susan Pinker war statistisch. An keiner Stelle hat sie behauptet, dass jemand mit diesen oder jenen Genen zwangsläufig diesen oder jenen Job bekommen wird bzw. umgekehrt, wenn jemand einen bestimmten Job hat, dass er dann diese oder jene Gene hat. Dann wären wir auch wieder sehr leicht bei dem Punkt, dass Frauen sowieso nichts von Technik verstehen oder keine Unternehmen leiten können. Ihre Aussage war, dass bestimmte, statistisch nachweisbare biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern auch zu statisch nachweisbaren sozialen Unterschieden führen können. Mehr hat sie nicht behauptet. Danke.
Nils:
Mein Vorgehen gegen Essentialismen ist nicht davon abhängig, ob jemand sich als „FeministIn“ bezeichnet oder einE schlichteR ReaktionärIn ist… Deswegen kann ich mich aber wohl kaum überall gleichzeitig beschweren, nur, weil irgendso einE SchwachmatIn wieder Gene oder Chromosomen bemüht, um die nächste Schublade in seinem Kapof zu rechtfertigen…
Den Artikel von der bpb schau ich mir trotzdem später mal an… ^^
@ Nils, Irene: Öhm, ich sehe keinen großen Unterschied zwischen euren Aussagen. Irene sagt, dass die Ausprägung gewisser Eigenschaften bei Männern stärker gestreut ist als bei Frauen, was auch dazu führt, dass bei Männern auch im sozialen Bereich eine stärkere Streuung vorliegt. (Sehe ich das richtig?)
Nils sagt, ja, das ist richtig, darum gibt es sowohl mehr männliche Topmanager als auch Obdachlose als weibliche. Darum, und nicht wegen einer (immer noch) vorhandenen Unterdrückung der Frauen.
Wo genau driftet eure Meinung auseinander?
@Sven
„Leute, wie wäre es mal, wenn ihr aufhören würdet, so unglaublich naiv die Kategorie ‘Frau’ zu reproduzieren und mit Soziologengewäsch zu unterfüttern, als hätte es die dritte Welle nicht gegeben?
Das Wort ‘Natur’ hat in diesem Zusammenhang schlichtweg nichts zu suchen…“
Für den Anfang würde es schon reichen, wenn Leute damit aufhören würden, sich selbst als besonders schlau hinzustellen, ohne auch nur irgendetwas inhaltliches zu sagen. Alle deine Sätze und Teilsätze sind negativ formuliert. Du grenzt dich also gegen irgendwas und andere ab, ohne dabei auch nur für eine Sekunde selbst Position zu beziehen.
Deine Botschaft lautet: „Mensch Leute, ihr habt dies und das nicht kapiert, ich aber schon, und deshalb bin ich schlau und ihr nicht.“
Gähn.
@Matze
„Nils sagt, ja, das ist richtig, darum gibt es sowohl mehr männliche Topmanager als auch Obdachlose als weibliche. Darum, und nicht wegen einer (immer noch) vorhandenen Unterdrückung der Frauen.“
Genau das habe ich bei Nils nicht lesen können.
Susan Pinker sagt im Wesentlichen:
Auch darum gibt es sowohl mehr männliche Topmanager als auch Obdachlose als weibliche. Auch darum, und nicht nur wegen einer (immer noch) vorhandenen Unterdrückung der Frauen.
Irene:
Ich habe weder die Schlauheit für mich gepachtet, noch habe nichts inhaltliches beizutragen. Ich bin offen für jeden Versuch, Geschlechterrollen zu dekonstruieren, was IMO auch die primäre Aufgabe von Feminismus ist.
Nach deinem Gerede von Geschlechterinteressen muss ich aber echt fragen, ob ich nicht zeitlich zurück in die differenzfeministischen jahre gewandert bin. Zumal du außer Statistiken (Positivismus!) nicht vermagst zu zeigen, wo diese Geschlechterineteressen liegen sollten. Du lässt vollkommen unreflektiert die jahrelangen Diskussion über die Konstruiertheit von geschlechtern hinter dir. Wenn so etwas in der FAZ getan wird, ist das eine Sache… auf einem feministischen Blog ist so was aber… sehr merkwürdig…
@Sven
„Nach deinem Gerede von Geschlechterinteressen muss ich aber echt fragen, ob ich nicht zeitlich zurück in die differenzfeministischen jahre gewandert bin.“
Die jetzt erst beginnen, da der Standpunkt vorher unterdrückt wurde.
„Zumal du außer Statistiken (Positivismus!)“
= überhaupt kein Argument, zumal ja auch die Genetik aufgeführt wurde. Statistiken sind jedenfalls die besseren Argumente als ein subjektiver Dekonstruktivismus.
„…nicht vermagst zu zeigen, wo diese Geschlechterineteressen liegen sollten.“
Worin sie liegen „sollten“, sagt auch Pinker nicht. Der Weg des „Sollens“ war der des Schwarzer-Feminismus. Der ist zu Ende. Sie führt nur aus, dass es offenbar auch unterschiedliche Geschlechterinteressen gibt, die ein biologisches Fundament besitzen.
„Du lässt vollkommen unreflektiert die jahrelangen Diskussion über die Konstruiertheit von geschlechtern hinter dir.“
Unreflektiert nicht. Aber die Vorstellung der Konstruiertheit von Geschlechtern war eben falsch, wie sich immer mehr herausstellt. Der Gedanke geht schon auf Simone de Beauvoir zurück und erlebte seine Kulmination bei Butler. Schon im Kindergarten zeigt sich: Das lässt sich so nicht halten.
„Wenn so etwas in der FAZ getan wird, ist das eine Sache… auf einem feministischen Blog ist so was aber… sehr merkwürdig…“
Wir sind eben eine freie Welt, der gedankliche Tabuisierungen fremd sind. Das sollte selbst für feministische Blogs gelten, sonst sind Weiterentwicklungen nicht möglich.
@Irene: Es hat keinen Sinn, wir reden massiv aneinander vorbei.
Ist zwar schon Dienstag, aber wo sonst soll man das unterbringen:
Ein Artikel, der die ganze Problematik auf den Punkt bringt.
http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/die_gunst_der_stunde_und_das_ticken_der_uhr_1.947400.html
@jj
Na ja, ganz lustig. Ich kenne eine ganze Reihe Männer, die bei solchen Artikeln die Nase rümpfen und was von „viele Worte, keine Theorie“ faseln. Susan Pinker wählte einen ganz anderen Weg. Sie argumentiert im Grunde im „männlichen“ Stil:
http://www.tagesspiegel.de/magazin/wissen/Maenner;art304,2506313
@Sven:
Eine Aussage, die man lustigerweise auch gut und gerne auch von Frau Prof. Quaisier-Pohl vernehmen könnte.
Schubladen? Eine Frage: Stehst du gerade vor einem Spiegel?
Wie gesagt, das empörte Meiden der Biologie schützt vor gar nichts.
..das empörte Meiden führt nur dazu, daß dumpfe Haßideologeme hervorgekramt werden – Wenn dann doch Biologie erklärt werden muß. Man hat sich ja mit nix beschäftigt, und muß dann in Urgroßmutters Mottenkiste kramen.
Irene,
ich habe kein Problem mit Susan Pinker oder Helena Cronin oder auch Simon Baron-Cohen – ich finde, gender-Theorie könnte eines der für die Menschheit interessantesten und aufschlußreichsten Gebiete sein, wenn sie sich nicht noch immer auf rein normativ motivierte Axiome aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts stützen würde. Ich finde die Ablehnung von biologischer Forschung mitunter absurd, gerade weil es ja gerade ein Anliegen des Feminismus war, die Gleichwertigkeit in Unterschiedlichkeit gesellschaftliche zu etablieren.
Mein Link war nicht auf die Diskussion hier bezogen.
@jj
„Ich finde die Ablehnung von biologischer Forschung mitunter absurd, gerade weil es ja gerade ein Anliegen des Feminismus war, die Gleichwertigkeit in Unterschiedlichkeit gesellschaftliche zu etablieren.“
Aber nur eines unbedeutenden Seitenarms des Feminismus, bei dem von Anfang an die Antibiologistinnen dominierten, wie Alice Schwarzer immer wieder deutlich gemacht hat. Beispielsweise schreibt Sie in „Man wird nicht als Frau geboren“, S. 13:
**
Seit es Frauenrechtlerinnen bzw. Feministinnen gibt, zerfallen sie in zwei Hauptströmungen.
Die eine Strömung, das sind die Antibiologistinnen, genannt die Radikalen bzw. Universalistinnen bzw. Gleichheitsfeministinnen. Sie gehen von einer grundsätzlichen Gleichheit der Menschen und damit auch der Geschlechter aus. Nicht der biologische Unterschied, sondern die sozialen, ökonomischen und politischen Unterschiede sind für sie die Ursache der heutigen Differenz zwischen den Geschlechtern. In dieser Tradition stehen (…) alle AutorInnen dieses Buches.
Die andere Strömung beruft sich auf den Unterschied der Geschlechter, auf die Differenz. Die Differenzialistinnen halten den Unterschied zwischen Frauen und Männern für unabänderlich; sei es, dass er naturgegeben oder aber, dass er irreversibel geprägt, also quasi genetisch verankert sei. Sie sind für „Gleichberechtigung“, aber gegen „Gleichheit“ und wollen den bestehenden Unterschied nicht aufheben, sondern umwerten.
**
Also ich kann mit dem Standpunkt der Differenzialistinnen gut leben, während ich den antibiologistischen Standpunkt für unwissenschaftlich (politisch motiviert) halte.
@Nils
„..das empörte Meiden führt nur dazu, daß dumpfe Haßideologeme hervorgekramt werden – Wenn dann doch Biologie erklärt werden muß. Man hat sich ja mit nix beschäftigt, und muß dann in Urgroßmutters Mottenkiste kramen.“
Volle Zustimmung.
Irene,
„Also ich kann mit dem Standpunkt der Differenzialistinnen gut leben, während ich den antibiologistischen Standpunkt für unwissenschaftlich (politisch motiviert) halte.“
Da stimme ich teilweise zu, aber ich glaube auch, daß das teilweise ein „honest mistake“ war, der sich aus soziologischen Dominanz im 20. Jahrhundert ergeben hat – es gab ja eine Reihe von Ismen, die glaubten, nature sei unbeutend im Verhältnis zu nurture. Ich meine, de Beauvoirs Diktum ist sicher korrekt – im Rahmen der darauf zugeschnittenen (allerdings analytisch durchaus sinnvollen Unterscheidung von sex und gender) – eine weiblicher Mensch wird kulturell zur Frau. Selbst die radikalen können ja nicht leugnen daß es weibliche und männliche Menschen gibt, die in biologischer Ungleichheit (wie begrenzt auch immer gefaßt) als gleichwertig anzusehen sind. Insofern, denke ich, stimmt meine Aussage durchaus für den gesamten Feminismus – auch wenn man das vielleicht bei Alice Schwarzer nicht auf den ersten Blick sehen kann – die logische Struktur für die irgendwann notwendige Anerkennung der Realität ist angelegt, auch wenn der Widerstand gegen die Erkenntnis noch heftig ist.
Irene:
„Die [die differenzfeministischen Jahre; Sven] jetzt erst beginnen, da der Standpunkt vorher unterdrückt wurde.“
Ihc muss zugeben, dass ich zu der Zeit vielleicht gelebt habe, aber keineswegs fähig gewesen wäre, am politischen oder feministischen Diskurs teilzunehmen, aber nach dem, was man heute in der Uni mitnimmt, hat der Differenzfeminismus seine Zeit gehabt. Vielleicht nicht in Deutschland, aber wir haben’s hier halt eben (auch heute nicht) nicht so mit der Vielfalt…
„= überhaupt kein Argument, zumal ja auch die Genetik aufgeführt wurde. Statistiken sind jedenfalls die besseren Argumente als ein subjektiver Dekonstruktivismus.“
Das zeugt von erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer Blindheit. Wer Genetik (=Biologie) und/oder Statistik ins Feld führt, tut das genau dann unreflektiert, wenn er/sie vergisst, welche theoretischen Annahmen hinter diesen Erkenntnissen stehen, die dazu führen, dass die die Mehrheit der Menschen sie für richtig hält. Die wissenschaftstheoretischen Grundlagen sind bei beiden Feldern empiristische. Und selbst, wenn man nicht diesen Vulgärempirismus herbeizitiert, der überall grassiert, und sich auf wissenschaftstheoretische Überlegungen versucht zu berufen, wird man feststellen, dass der Großteil der plausiblen Theorien aus diesem Gebiet aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts stammen und vielfach in Zweifel gezogen wurden. Ihre Kraft gewinnen diese Daten nur aus einer in der Gesellschaft verankterten Wissenschaftspraxis, die schnelle Ergebnisse und möglichst wenig kritisches Bewusstsein haben möchte.
Die Dekonstruktion ist übrigens keinesfalls ’subjektiv‘. Was sollte das denn auch heißen? Dass sie nur subjektiv nachvollziehbar ist? Das wird allein schon durch ihre weite Rezeption widerlegt. ‚Intersubjektiv nachvollziehbar‘? Ja klar, aber darüber kommt keine Theorie hinaus – und auch keine Ergebnis irgendeiner Theorie.
„Unreflektiert nicht. Aber die Vorstellung der Konstruiertheit von Geschlechtern war eben falsch, wie sich immer mehr herausstellt. Der Gedanke geht schon auf Simone de Beauvoir zurück und erlebte seine Kulmination bei Butler. Schon im Kindergarten zeigt sich: Das lässt sich so nicht halten.“
Wenn du Butler und co. gelesen hättest, würdest du feststellen, dass Ergebnisse einer Kindergarten-Untersuchung á la „Jungs raufen sich immer und die Mädels wollen immer mit Puppen spielen“ nicht in der Lage sind, ein solches theoretisches Gebäude zu entkräften. Genau das meine ich mit unreflektiert: Butler hat selbst geschrieben, dass die Diskurse das Selbstbewusststein bedingen und dieses jene nur über eine subversive, parodistische Zitation verändern können. Ich weiß ja nicht, wie weit die pädagogischen Studien sind, aber ich bin mir recht sicher, dass sie uns belegen, dass es den meisten Kindern schwerfallen wird, subversiv auf Diskurse Einfluss zu nehmen.
„Also ich kann mit dem Standpunkt der Differenzialistinnen gut leben, während ich den antibiologistischen Standpunkt für unwissenschaftlich (politisch motiviert) halte.“
Der Differenzfeminismus ist genauso wie jede Reproduktion der Geschlechterdifferenz ebenfalls politisch motiviert… Überhaupt sollte politische Motivation ja nun kein Drama darstellen, schließlich geht es um Geschlechterpolitik…
Nils:
Was willst du mir mit deinen halb-mich-psychologisierenden Halbsätzen eigentlich sagen? Dass ich EssentialistInnen hasse, weil ich eine schlechte Kindheit hatte? Oder dass ich mal eben schnell eine Schublade im meinem Kopf begründe; Aufschrift ‚EssentialistInnen‘? Find ich ja nett, dass du dir um meinen inneren Zustand Gedanken machst, allerdings frage ich mich, warum das Gegenstand der Diskussion sein sollte…
Aber um dich zu beruhigen: So eine Schublade existiert nicht, wenn überhaupt ist das ein Klapphefter, in dem ich ähnliche Argumentationen archiviere…
@Sven: Statistik und Empirie (und Wissenschaft allgemein) mögen nicht geeignet sein, zu einer absoluten Wahrheit zu führen, das stimmt. Aber auf welche Art soll man sonst zumindest eine Approximation der Realität bekommen?
Sehe ich es richtig, dass du sagst: Es gibt keine biologische Differenz zwischen Frauen und Männern. Etwaige Studien und Statistiken, die etwas anderes suggerieren, sind kein Gegenargument, da die Grundlage der Wissenschaft nicht zwangsläufig richtig sein muss.
Wenn das so ist: Wieso sollte ich dir mehr Glauben schenken als der Wissenschaft?
Oder anders gefragt: Wenn pädagogische Studien das Theoriegebäude nicht zerstören können, was könnte es zerstören? Nichts? In diesem Fall verweise ich auf Popper und stelle fest, dass nicht falsifizierbare Theorien Quark sind.
@Sven
Ihc muss zugeben, dass ich zu der Zeit vielleicht gelebt habe, aber keineswegs fähig gewesen wäre, am politischen oder feministischen Diskurs teilzunehmen, aber nach dem, was man heute in der Uni mitnimmt, hat der Differenzfeminismus seine Zeit gehabt.
Vielleicht in der Soziologie. Das ist aber sowieso keine Wissenschaft sondern Ideologie pur.
Das zeugt von erkenntnis- und wissenschaftstheoretischer Blindheit. Wer Genetik (=Biologie) und/oder Statistik ins Feld führt, tut das genau dann unreflektiert, wenn er/sie vergisst, welche theoretischen Annahmen hinter diesen Erkenntnissen stehen, die dazu führen, dass die die Mehrheit der Menschen sie für richtig hält.
Die Annahme nämlich, dass wissenschaftliche Aussagen an der Realität zu überprüfen sind.
wird man feststellen, dass der Großteil der plausiblen Theorien aus diesem Gebiet aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts stammen und vielfach in Zweifel gezogen wurden.
Nein, alle Naturwissenschaften basieren darauf, auch heute. Nur die Gesellschaftswissenschaften haben ihre Zweifel, weil sie Empirie nur dann gelten lassen, wenn die Daten eine vorher aufgestellte Theorie stützen.
Die Dekonstruktion ist übrigens keinesfalls ’subjektiv’. Was sollte das denn auch heißen? Dass sie nur subjektiv nachvollziehbar ist? Das wird allein schon durch ihre weite Rezeption widerlegt.
Wo denn? In der Soziologie sicherlich. Naturwissenschaftler halten eine solche Vorgehensweise für unwissenschaftliches Bla.
Wenn du Butler und co. gelesen hättest, würdest du feststellen, dass Ergebnisse einer Kindergarten-Untersuchung á la “Jungs raufen sich immer und die Mädels wollen immer mit Puppen spielen” nicht in der Lage sind, ein solches theoretisches Gebäude zu entkräften.
Das meine ich ja mit unwissenschaftlich. Niemand redet von „Jungs raufen sich immer. Dieser Fehler wird in der Soziologie pausenlos gemacht. Dort scheint man nur binär und kausal denken zu können. In den Naturwissenschaften ist man längst bei komplexen Systemen, Rückkopplungen, Emergenzen, Chaostheorie etc. angelangt.
Der Differenzfeminismus ist genauso wie jede Reproduktion der Geschlechterdifferenz ebenfalls politisch motiviert… Überhaupt sollte politische Motivation ja nun kein Drama darstellen, schließlich geht es um Geschlechterpolitik…
Meinetwegen. Es geht unter anderem darum, als Frau nicht schon deshalb benachteiligt zu sein, wenn ich mich für das Aufziehen von 4 Kindern entscheide und dann meinem Beruf nicht nachgehen kann, wobei dann meine Kinder die Rente der anderen finanzieren.
Es gibt viele Frauen, die lieber Kinder aufziehen möchten, als in einem Büro arbeiten zu gehen, und diese Wahlfreiheit besteht heute nicht. Wer etwas anders behauptet lügt: Der Bürojob wird nämlich bezahlt, das Kinderaufziehen nicht.
Matze:
„Statistik und Empirie (und Wissenschaft allgemein) mögen nicht geeignet sein, zu einer absoluten Wahrheit zu führen, das stimmt. Aber auf welche Art soll man sonst zumindest eine Approximation der Realität bekommen?“
Die Frage ist IMO falsch gestellt, weil sie davon ausgeht, dass es EINE Realität gibt, der man sich annähern könnte. Das halte ich für falsch, ich würde eher mit dem geflügelten Vorstellung von Wahrheit als einem Meer von beweglichen Metaphern (glaub ich von Nietzsche, auf jeden Fall bringt Feyerabend diese Vorstellung ins Spiel) antworten. Ich gebe zu, dass die Frage nach iner objektiven Realität eher im Bereich metaphysicher Glaubensfragen liegt, aber selbst, wenn man davon ausgeht, dass sie existiert, bleibt das erkenntnistheoretische Problem der Verstellung von ihr durch eine menschengemachte Sprache, aus der wir wohl kaum herauskommen können, weil wir schon versprachlicht denken…
„Sehe ich es richtig, dass du sagst: Es gibt keine biologische Differenz zwischen Frauen und Männern. Etwaige Studien und Statistiken, die etwas anderes suggerieren, sind kein Gegenargument, da die Grundlage der Wissenschaft nicht zwangsläufig richtig sein muss.“
Es gibt Differenzen zwischen unterschiedlichen Körpern. Wenn die Biologie daraus ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ macht, folgt sie vorwissenschaftlichen Ideen der Geschlechterdifferenz, stärkt und reproduziert diese. Meine Ausführungen über die theoretische Blindheit derjenigen, die ‚biologische‘ Argumente in eine Diskussion einbringen, sagen nichts über die Richtigkeit irgendeiner Wissenschaft aus. Alle Wissenschaften ‚produzieren‘ Ergebnisse. Ich weiß, dass schmeckt den wenigsten (WissenschaftlerInnen), aber diese Ergebnisse sind alle gleich ‚richtig‘ oder ‚falsch‘. Sie funktionierne innerhalb eines bestimmten Diskurses mit bestimmten Spielregeln. Das heißt: BiologInnen können sich gern noch Ewigkeiten über die Geschlechterdifferenz unterhalten, falsch ist das nicht. Nur solange man die Spielregeln des Diskurses nicht mitberücksichtigt, taugt das kaum für die Aussage: „Die Geschlechterdifferenz ist da. Punkt.“
„Wenn das so ist: Wieso sollte ich dir mehr Glauben schenken als der Wissenschaft?“
Das ist hier ja keine Glaubensfrage, sondern eine der theoretischen Plausibilität. Das hat etwas mit den Möglichkeiten von Erkenntnis zu tun… sicher, da gab es mal empiristische Theorien, diese wurden lang und breit widerlegt. Natürlich steht es NaturwissenschaftlInnen frei, weiterhin Ergebnise mithilfe dieser Theorien zu produzieren und sich in ihren Diskurses auf Grundlage dieser Theorien zu streiten. Nur außerhalb eines entsprechenden Diskurses muss man damit leben, dass die Grundannahmen des Empirismus nicht geteilt werden, und zwar weil sie heftigst kritisiert und widerlegt worden sind, unter anderem von feministischer Seite.
Übrigens gibt es nicht ‚die Wissenschaft‘, sondern ‚Wissenschaften‘ bzw. ‚unterschiedliche wissenschaftliche Diskurse‘. In der Geschlechterforschung gibt es glaub ich wenige, die eine ontologische Geschlechterdiffernez für plausibel halten.
„Oder anders gefragt: Wenn pädagogische Studien das Theoriegebäude nicht zerstören können, was könnte es zerstören? Nichts? In diesem Fall verweise ich auf Popper und stelle fest, dass nicht falsifizierbare Theorien Quark sind.“
Ich kann zurückpolemisieren: Popper ist Quark! Für alle weitere Polemik und Argumente gegen Popper und Konsorten verweise ich auf Paul Feyerabends ‚Wider den Methodenzwang‘. (Das soll nicht heißen, dass ich Feyerabends Position komplett trage…)
Theorien widerlegt man durch Argumentation, nicht durch Ergebnisse, die anderen Theorien folgen. Ansonsten liegt nämlich ein Kategorienfehler vor. Soll heißen, dass man den dekonstruktiven Feminismus mit einer neuen Theorie der Geschlechterbinärität kontern könnte. Das hat aber meines Wissens nach noch keiner getan, stattdessen wird immer nur gerufen: „Aber es ist doch so und so!“, in völliger Unkenntnis, dass die Theorie, die man stützen möchte, die Prämisse für die eigene Aussage darstellt.
@Matze
So sehe ich das auch.
@Sven
Das ist spätestens seit der evolutionären Erkenntnistheorie eine veraltete Vorstellung.
Irene: Dieser Artikel fiel mir gerade zu deinen Worten ein. Ich finde das sehr passend.
@Sven
Ich finde es lustig, wie du mit dem Begriff „widerlegt“ hantierst. In diesen Wissenschaften wird meist lediglich irgendetwas argumentiert, und dann heißt es, man habe etwas widerlegt. Meist hat man aber nur Worte aneinander gereiht.
Den Anfang der Diskussion machte Simone de Beauvoir in „Das andere Geschlecht“. Sie beginnt ihr Buch mit einer eingehenden biologischen Analyse (die heute verpönt ist) und kommt zu dem Schluss, dass die Biologie trotz aller Anstrengungen nicht wisse, warum es überhaupt eine sexuelle Fortpflanzung gebe. Andere Reproduktionsarten wären demgegenüber nicht nachteilig. Sie versteigt sich in der Behauptung, dass sich viele Frauen eine Fortpflanzung ohne Beteiligung der Männer (Jungfernzeugung) wünschen würden (was bei Säugetieren nicht möglich ist).
Längst hat die Biologie herausgefunden, warum es die sexuelle Fortpflanzung gibt. Ein Ergebnis ist besonders markant: Ohne Sexualität gäbe es in der Natur nur Fressen und Gefressen werden. Altruismus, gegenseitiges gefallen, Zuneigung etc. wäre alles komplett unbekannt. Erst die getrenntgeschlechtliche Sexualität mit einer unterschiedlichen Aufteilung der Elterninvestments auf die beiden Geschlechter hat die moderne Welt möglich gemacht.
Das Problem dabei: Solche modernen biologischen Erkenntnisse sind nicht in Soziologie und Feminismus zurückgeflossen. Dort hat man einseitig auf die Karte gesetzt: Geschlechterrollen sind sozial konstruiert und haben kein biologisches Fundament: siehe Simone de Beauvoir.
Irgendwann kam dann die Soziobiologie auf. Die hat man in der Soziologie brutal bekämpft (sogar mit Anwendung körperlicher Gewalt). Die Soziobiologie hatte zwar die besseren Argumente, aber aus ideologischen Gründen wurde sie aus der Soziologie rausgehalten. Wer heute darauf Bezug nimmt, kann sich sicher sein, dass seine Veröffentlichung abgelehnt wird.
Stattdessen glauben noch immer viele Humanwissenschaftler an die Leere-Blatt-Hypothese, die in allen anderen Wissenschaften aber als unwissenschaftlich belächelt wird. Es gibt keinen Anlass, an so etwas zu glauben.
Kurz: Man sollte langsam mal damit beginnen, wichtige feministische Grundpositionen zu dekonstruieren. Die sind nämlich ein Produkt ihrer Zeit und heute nicht mehr haltbar.
@ Sven: Danke für die ausführliche Antwort. Du hast deine Position klar dargestellt, Respekt dafür, und diese Position ist eine, die ich völlig ablehne.
Ich wäre wirklich an Gründen interessiert, warum ich einer nicht auf Empirie beruhenden Theorie mehr Glauben schenken soll (warum sie mehr theoretische Plausibilität haben soll). Diese Frage wurde von dir leider nicht beantwortet, vielleicht, weil du die Frage für eine rhetorische Frage hieltst. Möchtest du Gründe nachliefern?
@Sven:
Schubladen: Die Anführungszeichen bei Feministin, und „[..] einE schlichteR ReaktionärIn ist“
Weder kann wohl in Abrede gestellt werden, daß Frau Prof. Quasier-Pohl Feministin ist, noch hat sich hier jemand die Auszeichnung „Reaktionär“ verdient.
Irene:
„Vielleicht in der Soziologie. Das ist aber sowieso keine Wissenschaft sondern Ideologie pur.“
Hey, da geb ich dir recht. Das allgemein etablierte Verstrauen der Soziologie in ihr Allzweckmittel Statistik ist ideologisch…
„Die Annahme nämlich, dass wissenschaftliche Aussagen an der Realität zu überprüfen sind.“
„an der Realität“ – schon die Annahme einer Realität halte ich für falsch. Und wenn es sie gibt, kann sie kein Gegenstand der Erkenntnis sein. Siehe dazu die Antwort an Matze.
„Nein, alle Naturwissenschaften basieren darauf, auch heute. Nur die Gesellschaftswissenschaften haben ihre Zweifel, weil sie Empirie nur dann gelten lassen, wenn die Daten eine vorher aufgestellte Theorie stützen.“
Weil die Naturwissenschaften auch größtenteils einem positivistischen Wahnsinn erlegen sind und ihre Theoriesätze nicht mal mehr hinterfragen. Genau deswegen sind ihre Ergebnisse ja auch teils für Argumente unbrauchbar. Es gibt keine nennenswerte Neubegründung des Empirismus, die irgendwie die Kritik aufgenommen hätte. Stattdessen macht man einfach weiter: Das Geld ist da, der Einfluss ist da und die Wirtschaft freut sich über neue Produkte zum Verkaufen. Wer braucht da noch eine Theorie, die begründet, warum man empirisch vorgeht, obwohl dieses Verfahren massive Kritik auf sich gezogen hat?
„Wo denn? In der Soziologie sicherlich. Naturwissenschaftler halten eine solche Vorgehensweise für unwissenschaftliches Bla.“
Auf die Gefahr mich zu wiederholen: Ich hab wenig Ahnung, was SoziologInnen machen. Aber die Rede vom ’social return‘ (gegen den linguistic turn) lässt mich eher erwarten, dass dort mit Statistiken um sich geworfen wird, ohne sich je den Gedanken zu machen, was diesen Plausibilität verleiht (oder auch nicht).
Die Dekonstruktion wird natürlich nicht in allen Wissenschaften gleich rezipiert, in den Kultur- und Geisteswissenschaften spielt sie aber eine gewichtige Rolle (und nicht nur ihre feministische Variante). Das heißt wohl oder übel, dass sie intersubjektiv nachvollziehbar ist. Und genau das wollte ich belegen.
„Unwissenschaftliches Bla“ ist es im Übrigen eher, sich im Jahr 2008 auf Wissenschaftstheorie zu beziehen, die unplausibel ist. Noch unwissenschaftlicher ist es, eine Theorie mit Tatsachen verteidigen zu wollen, die durch deise selbst hervorgebracht wurden…
„Das meine ich ja mit unwissenschaftlich. Niemand redet von “Jungs raufen sich immer. Dieser Fehler wird in der Soziologie pausenlos gemacht. Dort scheint man nur binär und kausal denken zu können. In den Naturwissenschaften ist man längst bei komplexen Systemen, Rückkopplungen, Emergenzen, Chaostheorie etc. angelangt.“
Das ‚immer‘ sollte ein Zitat aus solchen pro-Biologismus-Diskurses im Internet sein, die Soziologie hat damit nichts zu tun. Es tut mir leid, aber gerade du klangst so, als würdest du ein binäres und kausales Denken hochhalten. Da ich kein Naturwissenschaftler bin, kann ich über die Durchdringung von deren Diskurses mit den von dir zitierten Begriffen wenig sagen. Und grob was anfangen kann ich auch nur mit Hälfte etwas, aber das ist ja nicht schlimm. Wenn du mir sagen willst, dass auch Naturwissenschaften sich weiterentwickeln, so will ich dir das gerne glauben. Nur in ihrem öffentlichen Bild sieht das sehr anders aus (und genau auf dieses Bild muss ich zurückgreifen, da ich ja wohl schlecht nebenbei noch Physik studieren kann). Und ich glaube, dass große Teile der Naturwissenschaft durchaus daran interessiert sind, das derzeitige Bild zu erhalten, weil es ihnen die Illusion gibt, für ‚den Fortschritt‘ (was auch immer das genau heißen soll) verantwortlich zu sein.
„Meinetwegen. Es geht unter anderem darum, als Frau nicht schon deshalb benachteiligt zu sein, wenn ich mich für das Aufziehen von 4 Kindern entscheide und dann meinem Beruf nicht nachgehen kann, wobei dann meine Kinder die Rente der anderen finanzieren.
Es gibt viele Frauen, die lieber Kinder aufziehen möchten, als in einem Büro arbeiten zu gehen, und diese Wahlfreiheit besteht heute nicht. Wer etwas anders behauptet lügt: Der Bürojob wird nämlich bezahlt, das Kinderaufziehen nicht.“
D’accord. Kein Widerspruch von meiner Seite. Nur, dass ich es gerne ausweiten würde: jedem Individuum soll unabhängig von seiner Geschlechtereinteilung das Recht zustehen so viele Kinder wie sie/er mag großzuziehen und dafür entsprechend Geld zu bekommen. Wenn das dein Hauptanliegen ist, warum zitierst du mir dann die Naturwissenschaften herbei?
Was das angeht, würde ich stumpf mit dem BGE antworten…
@Katrin
Ich schätze Ulrich Kutschera sehr. In der Biologie ist er eine anerkannte Kapazität. Auch wenn vielleicht manches überspitzt ausgedrückt ist: Viele Biologen stehen der Tatsache fassungslos gegenüber, wie sich die Humanwissenschaften hermetisch gegenüber den Erkenntnissen der Naturwissenschaften abriegeln. Manche Theoretiker haben nicht einmal die Spur einer Ahnung davon, zu welchen Ergebnissen die Biologie mittlerweile gekommen ist. Aus Sicht der Biologie hat man in den Humanwissenschaften längst die Rolle der römischen Inquisition übernommen.
Es kann einfach nicht sein, dass beim Geschlecht (fast die biologischste Sache überhaupt, da das Geschlecht ja objektiv feststellbar ist und sich selbst in den Chromonsomen klar erkennbar widerspiegelt) die Biologie angeblich so gut wie keine Rolle spielen soll. Solange man in den Humanwissenschaften so argumentiert, wird sie von Biologen verspottet. Dass das den humanwissenschaftlich ausgebildeten RedakteurInnen der Süddeutschen nicht passt, ist klar.
@Sven
Müssen sie ja auch nicht. Die schicken eine Sonde zum Mars und die kommt tatsächlich dort an.
In den Sozialwissenschaften ist es dagegen so: Da stellt man die These auf, dass Frauen deshalb so wenige Kinder in die Welt setzen, weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch nicht gegeben sei. Erst müssten mehr Krippenplätze her.
Die These wird dann 1.000-fach in diversen Papieren wiederholt.
Dass gutverdienende Paare, die soviel Geld haben, dass sie sich einen Haufen Kindermädchen leisten könnten, trotzdem sehr wenige Kinder haben, wird ignoriert. Dass eine gut ausgebaute Krippeninfrastruktur in Deutschland keinen Einfluss auf die Nachwuchszahlen hat, stört auch nicht. In der Zwischenzeit wird die Familiensituation immer brenzeliger. Das Land überaltert. Immer mehr Kinder wachsen in Armut auf.
Der Unterschied zwischen Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften ist ganz einfach der: Bei den Naturwissenschaften kommt die Sonde am Ziel an, bei den Sozialwissenschaften glaubt man, sie käme irgendwann an, obwohl sie längst in genau die entgegengesetzte Richtung fliegt.
ja, ich dachte mir, dass du den gut findest. Also den Kutschera, nicht den Artikel.
Ich bleibe dabei, dass sich beide Disziplinen gut ergänzen. Punkt. Denn ohne die hervorragende Denk- und Theorie-Arbeit von Aristoteles, Galilei und auch Einstein wäre keine Naturwissenschaft dort, wo sie jetzt ist. Ohne kreatives Denken und all diese Hirnwichserei gäbe es auch keine Quantenphysik etc… das eine ergänzt das andere, wenn jemand kommt und das eine als unterlegen und minderwertig darstellt so hat das doch – sorry – leicht faschistoide Züge. Und damit bin ich raus aus dieser Diskussion, die mir ein bisschen zu sehr abgedriftet ist.
Matze:
„Ich wäre wirklich an Gründen interessiert, warum ich einer nicht auf Empirie beruhenden Theorie mehr Glauben schenken soll (warum sie mehr theoretische Plausibilität haben soll). Diese Frage wurde von dir leider nicht beantwortet, vielleicht, weil du die Frage für eine rhetorische Frage hieltst. Möchtest du Gründe nachliefern?“
Der Empirismus ist doch selbst eine Theorie. Angenommen, es werden Argumente vorgebracht, die diese Theorie entkräften, vielleicht sogar so weit, dass sie als ‚widerlegt‘ gelten kann. Wenn es dem Empiristen nicht gelingt, diese Argumente in einem theoretischen Bereich zu widerlegen oder neue Argumente für den Empirismus in den Diskurs einzuführen, ist die Theorie unter logischen Gesichtspunkten falsch.
Das einzige, wo mit die Empiristen ihre Theorie am Laufen halten können, ist ein theoriefreier Pragmatismus. Das ist zwar für ihre Arbeitsplätze und ihr Gehalt schön, macht ihre Ansichten aber noch lange nicht plausibel…
Sven: Ein letzter Versuch: Ich weiß, meine Theorie ist Schrott. Warum ist deine besser?
Irene:
„Das ist spätestens seit der evolutionären Erkenntnistheorie eine veraltete Vorstellung.“
Gut, dass Wikipedia einem Nicht-Popperianer, der sich noch nicht so viel mit Wissenschaftstheorie auseinandergesetzt hat helfen kann… Als ich das gelesen habe, viel mir sofort der Selbstwiderspruch auf, mit der Evolutionstheorie eine konstruktivistische Erkenntnistheorie widerlegen zu wollen, den der Wikiepdia-Artikel auch ein paar Zeilen darunter aufführt:
„Die realistische Deutung der evolutionären Erkenntnistheorie setzt hypothetisch das materielle Sein in Zeit und Raum als real voraus. Daraus und daran haben sich dann diesem Verständnis nach in der Evolution die subjektiven Erkenntnisstrukturen entwickelt, vor allem auch die von Kant genannten (subjektiven) Anschauungsformen von Raum und Zeit. Doch aus idealistischer Sicht wird hierbei das, was abgeleitet werden soll, schon vorausgesetzt, was darin wieder die Zirkularität bzw. das a priori von Kant ergibt. In der idealistischen Deutung wird die Erkenntnistheorie von Kant nicht durch die Evolutionstheorie widerlegt.“
„Kurz: Man sollte langsam mal damit beginnen, wichtige feministische Grundpositionen zu dekonstruieren. Die sind nämlich ein Produkt ihrer Zeit und heute nicht mehr haltbar.“
Dafür müsste man sich erst einmal auf Grundpositionen verständigen. Allerdings amüsiert es mich, dass der Feminismus seine Grundpositionen dekonstruieren (offenbar nicht im Derridaschen Sinne von ‚Dekonstruktion‘) soll, wenn du a) die dekonstruktive Praxis ohnehin ablehnst und b) das Dekonstruieren (was auch immer du darunter verstehst) bitet nicht auf die heiligen Naturwissenschaften und deren Grundpositionen angewandt werden darf.
„Der Unterschied zwischen Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften ist ganz einfach der: Bei den Naturwissenschaften kommt die Sonde am Ziel an, bei den Sozialwissenschaften glaubt man, sie käme irgendwann an, obwohl sie längst in genau die entgegengesetzte Richtung fliegt.“
Genau da heben wir ihn wieder diesen blinden Pragmatismus, diesmal auch noch in einer schlicht kausalen Variante. Dazu ist eigentlich alles gesagt, aber ich hab die Stelle mal zitiert, weil ich mich ernsthaft frage, warum du hier die ganze Zeit Schattenboxen gegen imaginäre Soziologen betreibst. Hat sich irgendeinE SoziologIn aufgeschwungen, dir die Welt zu erklären? Ich mit absoluter Sicherheit nicht…
@Sven
Nun bin ich aber überrascht. Die Relativitätstheorie ist sicherlich eine komplexe Theorie. Gemäß Popper ist ihr empirischer Gehalt höher als die der Newtonschen Mechanik.
Anders gesagt: Die Relativitätstheorie macht empirische Vorhersagen, die entweder viel genauer sind als die der Newtonschen Theorie, oder die mit der Newtonschen Theorie überhaupt nicht gemacht werden können.
Sie ist also im Prinzip leichter zu falsifizieren. Wenn ich zwei Theorien habe, und die erstere macht viel genauere Vorhersagen als die andere (z. B. in Millimeter ausgedrückt), dann ist die erstere leichter zu widerlegen. Trifft die genaue Vorhersage nämlich nicht ein, ist sie widerlegt, während man bei er anderen noch sagen könnte: Das Ergebnis war im Vorhersagebereich der Theorie.
Genau so arbeitet Empirie in den Naturwissenschaften. Mit theoriefreiem Pragmatismus hat das überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil. Man entwickelt Theorien, um empirische Vorhersagen machen zu können.
Das sollte für die Sozialwissenschaften aber genauso gelten. Wenn ich eine Theorie habe, die besagt, dass Frauen deshalb so wenige Kinder in die Welt setzen, weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch nicht gegeben sei, bestimmte Beobachtungen aber klar dagegen sprechen, dann ist es eine unsaubere Vorgehensweise, wenn gesagt wird, das bestätige mal wieder, dass die Vereinbarkeit noch nicht gegeben sei. So etwas wird in den Sozialwissenschaften pausenlos gemacht. Hier ist das Ignorieren von Empirie das Problem.
Karl Popper ist einmal gefragt worden, ob seine Falsifizierungstheorie genauso falsifizierbar sein müsste. Seine Antwort war sinngemäß: Dies ist eine ausgesprochen dumme Frage.
Es handelt sich dabei um eine akademische Diskussion ohne jeglichen Erkenntniswert. Im Grunde könnte ich jetzt annehmen, dass Sie gar nicht existieren. Vielleicht ein beruhigender Gedanke. Over and out.
Ob man so herum auch eine Sonde zum Mars kriegt? Oder auch nur einen Einzigen Buchstaben in ein Webblog?
Irene schrieb:
„Das sollte für die Sozialwissenschaften aber genauso gelten. Wenn ich eine Theorie habe, die besagt, dass Frauen deshalb so wenige Kinder in die Welt setzen, weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch nicht gegeben sei, bestimmte Beobachtungen aber klar dagegen sprechen, dann ist es eine unsaubere Vorgehensweise, wenn gesagt wird, das bestätige mal wieder, dass die Vereinbarkeit noch nicht gegeben sei. So etwas wird in den Sozialwissenschaften pausenlos gemacht. Hier ist das Ignorieren von Empirie das Problem.“
Hast du bitte mal einen Literaturhinweis? Also nicht einen Beweis für deine – leicht falsifizierbare – These, dass „sowas pausenlos“ gemacht wird, sondern dafür, dass es überhaupt gemacht wird?
Danke im Voraus!
pinker ist leider für eine „empirikerin“ eher schlampig und argumentiert oft etwas unsauber.und das ist der grund warum sie in popularmedien mehr aufsehen erregt als im kollegenkreis. das mal so zur person susan pinker (ist nicht gleich bruder(?) steven pinker).
abgesehen davon ist es ja überhaupt nicht zwingend so, dass „naturwissenschaftlich-empirisches“ wissenschaftliches vorgehen notwendigerweise immer zum aufzeigen von geschlechterdifferenzen geführt hat bzw. führt. im gegenteil: viele angenommenen tradierten geschlechterdifferenzen konnten mit hilfe empirisch-naturwissenschaftlicher methoden in frage gestellt werden. umgekehrt haben schon häufig „geistes“wissenschaftler geschlechterdifferenzen angenommen ohne je irgendwelche empirischen quellen zu bemühnen.
warum erinnern mich ein paar beiträge in diesem thread nur so schrecklich unangenehm an die
„ich bin philosoph/biologe/physiker/chemiker/soziologe/linguist/ingenieur/psychologe usw.“ und erklär dir jetzt mal warum du als philosoph/biologe/physiker/chemiker/soziologe/ingenieur/psychologe usf. von nix ne ahnung hast“ – monologe von besoffenen langweilern in erstsemesterpartywgküchen?
@Emanze vom Dienst
Z. B. Berger/Kahlert: Der demographische Wandel – Chancen für die Neuordnung der Geschlechterverhältnisse, Campus, 2006
Sehr lustig.
@Judith
pinker ist leider für eine “empirikerin” eher schlampig und argumentiert oft etwas unsauber.und das ist der grund warum sie in popularmedien mehr aufsehen erregt als im kollegenkreis. das mal so zur person susan pinker (ist nicht gleich bruder(?) steven pinker).
Ist kein gutes Argument.
abgesehen davon ist es ja überhaupt nicht zwingend so, dass “naturwissenschaftlich-empirisches” wissenschaftliches vorgehen notwendigerweise immer zum aufzeigen von geschlechterdifferenzen geführt hat bzw. führt. im gegenteil: viele angenommenen tradierten geschlechterdifferenzen konnten mit hilfe empirisch-naturwissenschaftlicher methoden in frage gestellt werden. umgekehrt haben schon häufig “geistes”wissenschaftler geschlechterdifferenzen angenommen ohne je irgendwelche empirischen quellen zu bemühnen.
Darum geht es nicht. In den Humanwissenschaften gilt fast jedes biologische Argument als Biologismus. Dies führt dazu, dass man Resultate der Naturwissenschaften ausblendet. Man merkt dann nicht mal mehr, dass sich dort längst etwas bewegt hat. Es reicht, dass Simone de Beauvoir schreibt, dass die Biologie keinen Grund für die Vorteilhaftigkeit der Getrenntgeschlechtlichkeit kennt, und dann wird das einfach beliebig oft wiederholt. Ein Bezug zu neueren biologischen Erkenntnissen wird meist diskreditiert. Man merkt dann nicht, dass die Biologie längst die Vorteilhaftigkeit herausgefunden hat.
Ähnliches gilt in diesem Zusammenhang. Die Argumente von Susan Pinker sind sehr vielschichtig. Sie argumentiert alles andere als biologistisch. Trotzdem werden ihre Argumente fast reflexartig zurückgewiesen. Im Spiegelinterview kann man das wunderbar erkennen. Hier auch.