Aus Amerika kommt das nächste Beispiel, wie Föderalismus und fehlende gemeinsame Regelungen und Vereinbarungen Menschen das Leben auch im 21. Jahrhundert unnötig schwer machen können. Dort hatte letztes Jahr ein Lesbenpaar in Massachusetts geheiratet, wie queernews.at berichtet. Da die Ehe nach kurzer Zeit zerrüttet war, reichten sie die Scheidung ein – allerdings in der Heimatstadt einer der Frauen in Pennsylvania. Denn in Massachusetts können nur Paare geschieden werden, die bereits ein Jahr dort wohnen. In Pennsylvania aber ist durch den „DOMA” („Defense of Marriage Act“) die Ehe auf heterosexuelle Paare beschränkt. Der zuständige Richter lehnte nun den Scheidungsantrag ab:
Die Nichtigkeitsklausel in der DOMA bezeichnete er als „angemessenen Schutz und legitime Ausübung der staatlichen Polizeigewalt, die dazu dient, die öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Wohlfahrt und Moral der Bürger_innen zu erhalten.“ Das Argument, dass die Verfassung auch das Recht gleichgeschlechtlich empfindender Menschen, eine Ehe zu schließen, schützt, bezeichnete er als „unhaltbar“.
Statt einer Scheidung könne die Ehe aber annulliert werden – freilich mit anderen Konsequenzen als eine Scheidung. Ob es wirklich einer einzigen (heterosexuellen) Familie hilft, wenn homosexuelle Paare und Familien in ein Wirrwarr aus Ehen und Partnerschaften, lokalen und internationalen Anerkennungsproblemen und unsicherer Rechtslagen verstrickt werden?
Dem ersten Satz kann ich nicht zustimmen: Nicht Föderalismus und fehlende gemeinsame Regelungen sind hier das Problem, sondern gerade die unzulässige Aushebelung des Föderalismus durch den Defense of Marriage Act, ein Bundesgesetz. Traditionell ist das Eherecht in den USA eine Sache der Bundesstaaten: Die Eheschließung wird durch bundesstaatliche Gesetze geregelt, die so geschlossenen Ehen dann von den anderen Staaten automatisch anerkannt (auch wenn die Eheschließung in anderen Staaten nicht möglich wäre) – und damit ist auch eine Scheidung überall möglich.
Der DOMA sorgt dafür, daß Staaten gültig geschlossene gleichgeschlechtliche Ehen anderer Staaten nicht anerkennen müssen – mit den von Dir genannten Konsequenzen.
Für den Föderalismus bei Ehen argumentiert Martha Nussbaum in ihrem aktuellen Buch »From Disgust to Humanity. Sexual Orientation & Constitutional Law« (sowieso ein wunderbares und auch darüber hinaus empfehlenswertes Buch). Sie führt dort an, daß gerade der Föderalismus es ermöglicht, daß einzelne Staaten schneller vorangehen und so dort Präzedenzfälle geschaffen werden, an denen auch rückständigere Staaten sehen, daß Ehe für alle nicht in Chaos, Anarchie und atomisierender Moral enden.
Auf S. 138 (1. Aufl. 2010) wird das schön zusammengefaßt: »Throughout the nineteenth and twentieth centuries, distinctive feature of American marriage has been the strategic use of federalism. Marriage laws have always been state laws […]. But states in the United States have typically used that power to compete with one another, and marriage quickly became a scene of competition. […] In short, marriage laws ›became public packages of goods and services that competed against the public goos of other jurisdictions for the loyalty and the tax dollars of a mobile citizenry.‹«
Allein, dass die Eheschließung nicht überall möglich wäre, ist doch wieder Mist. Ich bin auch nicht sicher, ob die „Konkurrenz” von Bundesstaaten zu irgendwas führt. Statt sich zu öffnen, passiert in viel zu vielen Fällen das Gegenteil. Wo jetzt schon klar ist, dass z.B. die Scheidungsraten in Staaten mit Lebenspartnerschaften/Homo-Ehe niedriger sind als den anderen.
Und am allerschlimmsten ist, dass in der „Übergangszeit” Menschen in den Systemen hängenbleiben, unwürdig behandelt werden, Geld verlieren, eventuell sogar noch für Klagen etc. draufzahlen. Es trifft dabei auch diejenigen, die etwa darauf angewiesen sind, über die Krankenversicherung des Partners/der Partnerin mitversichert zu sein, weil sie sich keine extra Versicherung leisten können.