von Leah und Charlott
Heute jährt sich zum ersten Mal die skandalöse Verurteilung der Aktivistinnen von Pussy Riot wegen „Rowdytums“. Im Oktober 2012 kam Yekaterina Samutsevich auf Bewährung frei. Nadezhda Tolokonnikova und Marina Alyokhina befinden sich immer noch in Gefangenschaft. Genaues könnt ihr im Mädchenmannschafts-Dossier nachlesen.
Das Internet ausdrucken, den Prozess dokumentieren: Unser Zine
Während die Interventionen von Pussy Riot in feministischen Kontexten seit langem verbreitet und diskutiert werden, stürzten sich während des Prozesses auch die Mainstreammedien oder große Organisationen wie Amnesty International auf das Geschehen. Dabei wurden leider oftmals wesentliche Positionen der Aktivistinnen ent_erwähnt und durch eine bildliche Fixierung auf Nadezhda Tolokonnikova begleitet. Der Pussy Riot-Prozess wurde zudem innerhalb kurzer Zeit dafür genutzt, das Bild eines „freien Deutschland“ zu zeichnen, welches sich von einem „bösen Russland“ abgrenzen kann.
Auf der anderen Seite bot das Internet einen fast unmittelbaren Zugang zum Prozessgeschehen. Mehrere Journalist_innen und andere Prozessbeobachter_innen twitterten live aus dem Gerichtssaal, andere, wie zum Beispiel @uebersetzer und @Eng_Pussy_Riot, übersetzen die Tweets, so dass auch Außenstehende – selbst in anderen Ländern bzw. mit anderen Sprachkenntnissen – detailreich den Prozess miterleben konnten.
In unseren Zines haben wir versucht Teile des Prozesses zu dokumentieren. Unser Ziel war es das unmittelbare, aber eben flüchtige von Twitter in eine Form zu bringen, die auch noch länger nachvollziehbar ist. Was an einem Tag auf Twitter geschrieben wird, rutscht durch immer neue Tweets schnell nach unten und ist nach kurzer Zeit nicht mehr zugänglich. Nicht nur wegen der Geschwindigkeit, sondern auch weil Twitter nicht zum nachlesen gedacht ist. Das aktuellste erscheint oben, das älteste ganz unten, was ein im Nachhinein lesen deutlich erschwert. Davon abgesehen gibt es natürlich auch viele Menschen, die gar nicht Twitter verfolgen.
Die Idee zum Zine hatte Leah, als sie zum Prozessbeginn anfing einigen Twitter-User_innen zu folgen, die das Verfahren begleiteten. Obwohl zu diesem Zeitpunkt viel über Pussy Riot und den Prozess berichtet wurde, enthielt diese Berichterstattung wenig von der Aussagekraft der Zitate direkt aus dem Gerichtssaal. Die Absurdität der Fragen und Äußerungen der Anklage und die beeindruckenden Statements der drei Aktivistinnen und ihrer Anwält_innen ließen sie nicht mehr los. Als der Prozesstag beendet und die weitere Verhandlung auf den nächsten Tag verschoben wurde, kam ihr zunächst der Gedanke dass es toll wäre, all diese Tweets speichern und aufheben zu können.
Schnell überzeugte Leah auch Charlott von der Idee und das Basteln begann: Zunächst druckten wir also den jeweils gesamten Tag eines deutsch- und eines englischsprachigen Accountes aus, schnitten alle gesendeten Tweets einzeln aus und klebten sie in chronologischer Reihenfolge wieder auf. Hatten wir zu Beginn noch das hehre Ziel Zines zu jedem einzelnen Prozesstag zu machen, sind es letzten Endes exemplarische Zines für die Prozesstage 2 und 7 geworden.
Gerade jetzt, bereits ein Jahr nach der Verurteilung, wird die Kraft dieser Dokumentation deutlich, wenn eine_r nochmals durch die beiden aufgezeichneten Prozesstage blättert und sichtbar bleibt, welche Politiken dort Einfluss hatten und immer noch haben. Das Wort Feminismus, welches im Prozess immer wieder im Mittelpunkt stand, wurde konsequent im Mainstream ausgeblendet. In den Tweets bleibt dieser Aspekt aber nicht verborgen!
Die Zines könnt ihr nun endlich hier runterladen: Zines.
Heute noch protestieren gehen
Der heutige Tag wurde ausgerufen als “Tag der Solidarität gegen die Verurteilung von Pussy Riot”. Die Seite freepussyriot kündigt Aktionen in Berlin, Derry, Köln, Manchester, New York, Oslo, Paris, Skagaströnd, Stockholm, Tel Aviv und Washington DC an.
In Berlin könnt ihr ab 14 Uhr gegenüber der russischen Botschaft demonstrieren. Auch in Köln wird sich um 14 Uhr getroffen, dort beim Bahnhofsvorplatz vom Haupteingang des Kölner Hauptbahnhofs. (Beide Links zu den Facebook-Veranstaltungshinweisen.) Hoffentlich wird diesmal bei den Protesten deutlich, worum es geht: Die Verurteilung dreier Aktivistinnen, die patriarchale Strukturen im russischen Staat und der Kirche kritisieren.