(Der Text erschien heute im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung.)
Auf den ersten Blick tut die Bundesregierung viel für Frauen. (…) Was nicht alles auf den Weg gebracht wurde: Förderprogramme, Krippen- und Kindergartenplätze für alle, mehr Kindergeld, Aktionen zum Wiedereinstieg in den Beruf und und und. Das alles wirkt wie moderne Gleichstellungspolitik. Doch wenn man all die Gesetze und Maßnahmen aus dem Frauen- und den anderen Ministerien näher betrachtet, macht sich schnell Ernüchterung breit. Denn alles was die Bundesregierung an handfester, struktureller Politik durchsetzt und den Wählerinnen und Wählern als Frauenpolitik verkaufen will, ist eigentlich: Familienpolitik. Um nicht falsch verstanden zu werden: Gute Familienpolitik ist wichtig. Nur eben auch: zu wenig.
Die Regierung hat erkannt, dass neuerdings Wahlkampf mit Gleichstellungsfragen zu machen ist, und gibt sich prompt feministisch. Vor allem der Ausbau der Kinderbetreuung wird von Merkel und von der Leyen als große Entlastung der Frauen verkauft. Das mag so sein, aber es ist auch: Familienpolitik. Eine Verwechslung mit Folgen: Werden Frauen- und Familienpolitik synonym verwendet, wird der gesamte Familienbereich wieder zur alleinigen Sache der Frauen erklärt.
Natürlich findet Emanzipation auch in den Familien statt. Ursula von der Leyens „konservativer Feminismus“ privatisiert jedoch jegliche Geschlechterfrage. Gleichstellung soll anscheinend unter Frau und Mann am Küchentisch ausgemacht werden. Und nicht zum Beispiel im Ministerium ihres Kollegen Peer Steinbrück, der, gestützt durch die Koalitionsvereinbarung, noch immer an einem so ungerechten Steuerinstrument wie dem Ehegattensplitting festhält, obwohl die EU-Kommission die Bundesregierung für diese Steuerregelung bereits mehrfach ermahnte, die es europaweit sonst nur noch in Luxemburg gibt. Vom Ehegattensplitting profitieren verheiratete Paare mit unterschiedlichen Einkommen, vor allem wird jedoch die kinderlose Hausfrauenehe gefördert – etwas, das so gar nicht zur Kinderanimationspolitik der Bundesregierung passen will. Satte 20 Milliarden Euro ist der Regierung die Unterstützung dieses alten Rollenmodells jedes Jahr wert.
Und auch im Grundgesetz hält die Politik noch im 21. Jahrhundert am deutschen Hausfrauen- und Muttermythos fest: Eine Mutter gehört zu ihrem Kind, nach Hause. Gut, es gibt von der Leyens Erziehungsmonate, in denen auch Väter eine Beziehung zu ihren Kindern aufbauen sollen. Aber in Artikel 6 des Grundgesetzes, genauer: In Absatz 4, findet sich trotz aller Väterpolitik noch immer der Satz „Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“ Warum ist hier nicht längst von „Eltern“ die Rede? Haben die Väter keinen Anspruch auf Schutz und Fürsorge? Auch wenn ein Grundgesetzartikel die Realität wenig beeinflusst: Eine solche Änderung wäre ein wichtiger Fingerzeig.
Zu Recht lautet das Fazit des Ende 2008 erschienenen UN-Berichts zur Diskriminierung von Frauen in Deutschland: „In bedeutsamen Lebensbereichen hat sich die Situation von Frauen verschlechtert. Deutliche Mängel gibt es bei der Anti-Diskriminierungspolitik. Und trotz aller positiven Maßnahmen kämpfen Frauen auf dem Arbeitsmarkt mit erheblichen Benachteiligungen.“
Ein gleiches Urteil fällte der Rat für Nachhaltige Entwicklung: Im so genannten Ampelbericht steht die Ampel für Deutschland im Bereich Gleichstellung auf Rot. Indikator für das vernichtende Ergebnis sind die großen Lohnunterschiede zwischen deutschen Frauen und Männern. Doch der Gründe gibt es noch viel mehr: Die weiterhin geringere Anzahl an Wochenarbeitsstunden der Frauen, die vergleichsweise höhere Beschäftigung von Frauen in schlechter entlohnten Branchen und der Serviceindustrie, die Karriereknicks durch die Geburt eines Kindes, die schlechten Aufstiegschancen und die durchschnittlich immer noch zu bescheidenen Lohnforderungen, die diesen Zustand zementieren.
Das selbstgesteckte Ziel der Bundesregierung aus dem Jahr 2002 war es, die Löhne der Frauen bis 2010 auf 85 Prozent der männlichen Gehälter anzuheben. Jetzt haben wir 2009, und es sieht schlecht aus: 2008 verdienten Frauen im Schnitt 78 Prozent der durchschnittlichen Männer-Gehälter. Es müsste also innerhalb eines Jahres ein Sprung von sieben Prozentpunkten stattfinden. Das ist illusorisch: Für die letzten sieben Prozentpunkte hat die deutsche Gesellschaft zwölf Jahre gebraucht.
Dabei macht die Politik der Bundesregierung durchaus einen ehrgeizigen Eindruck: die Initiative „Frauen Macht Kommune“ für mehr Frauen in der Kommunalpolitik; das Programm „Perspektive Wiedereinstieg“ – für Mütter, die wegen der Kinder viele Jahre lang zu Hause geblieben sind; oder frauenmachenkarriere.de – ein Informationsportal für Frauen mit Ambitionen. Doch immer bleibt es bei Appellen an die Wirtschaft oder an die Frauen: Traut euch, macht was. Alles freiwillige Vereinbarungen, Aufrufe, Ermunterungen. Das bleibt alles ohne spürbare Veränderungen.
Das Problem: Jede weitere Initiative und jedes gut gemeinte, aber nicht gut gemachte Frauenförderprogramm verstärkt das kollektive Gefühl, für Frauen werde bereits genug oder sogar schon zu viel getan. Viele Männer denken, dass es Frauen heute leichter haben als sie. Und viele Frauen wiederum schieben es nur noch auf ihr eigenes Unvermögen, wenn sie trotz aller Fördermaßnahmen scheitern. Je mehr Programme es also gibt, die nicht wirklich etwas an den Verhältnissen ändern, desto mehr schadet die Politik der Beziehung der Geschlechter und dem Selbstbewusstsein vieler Frauen.
Notwendig wären strukturelle Maßnahmen, zum Beispiel: Quoten. Angela Merkel sagte gerade erst wieder, sie wäre ohne Quote nicht Kanzlerin. Merkwürdigerweise ist sie trotzdem gegen Quoten in der Privatwirtschaft. Dabei zeigen viele Studien: Quoten sind ein wirksames Instrument für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Doch Quoten sind in Deutschland verpönt und der Begriff „Quotenfrau“ ist gar ein Schimpfwort. Dieses impliziert, die Frau sei nur aufgrund ihres Geschlechts in ihre Position gekommen. Dieser Unsinn wird von den Regierungsparteien auch noch so stehengelassen. Vor allem wird dabei verschwiegen, dass auch bei Quoten die Qualifikation zählt; dass Frauen nur bis zum Erreichen eines gesteckten Ziels bevorzugt werden; dass eine Stelle nicht frei bleibt, wenn sich keine qualifizierte Frau bewirbt; dass die Stelle dann sehr wohl ein Mann bekommt. All diese Mythen geistern noch immer durch Politikerreden in Festzelten und an Stammtischen, durch Leserbriefspalten und Blogs.
In Norwegen war die Frauenquote nicht viel beliebter, als über quotierte Verwaltungsräte börsennotierter Unternehmen diskutiert wurde. Auch dort das Lamento, man könne es keinem Unternehmen antun, 40 Prozent dieser Stellen mit Frauen besetzen zu müssen. Trotzdem kam 2003 das entsprechende Gesetz. Und es zeigte Wirkung: In Norwegen sind heute 36,2 Prozent der Verwaltungsratsposten mit Frauen besetzt. Den Vorteil haben die Unternehmen, denn Konzerne mit gemischt besetztem Management haben die besseren Renditen. Das belegen jedenfalls Untersuchungen zum Thema „Diversity Management“.
In Deutschland dagegen sind von 200 Dax-Vorständen gerade mal zwei Frauen. Allein schon eine bescheidene 30-Prozent-Quote für die Aufsichtsräte würde einen enormen Fortschritt für die Gleichstellung in deutschen Unternehmen bedeuten. Aber die Politik zögert, sie schreckt davor zurück, Frauen und Männern den gleichen Einfluss in Politik und Wirtschaft zuzugestehen. Vielleicht auch, weil sie dafür eine ernsthafte Debatte um Geschlechtergerechtigkeit führen müsste – und nicht nur feministisches Make-up auf ihre Familienpolitik pinseln.
Ich tu mir immer schwer mit der Quote, denn so fair wie die Autorin finde ich sie gar nicht.
Wenn nur weniger als 10% bei den technischen Studiengängen Frauen sind, ist es doch nur logisch wenn sich das dann in den Chefetagen bemerkbar macht. Gerade bei den Dax dotierten Firmen ist ja der überwiegende Teil im Bereich Technik zuhause.
Ein andere Punkt ist ja der Katastrophale Einbruch der Frauen bei der Promotion+ und ohne kann man ja vermutlich nur vom Chefposten bei Siemens und Co träumen. Ich lese gerade das Buch Deutschland eine gespaltene Gesellschaft laut diesen machen Abi 53%, Studium 48%, Promotion 38%, Habil 23% und Prof 9% Frauen. An Unis gibt es aber Quoten, dass weiss ich aus eigener Erfahrung und Förderprogramme für Frauen usw.
Naja dann brauch man doch nur die Rechnung machen 200 Frauen fangen an 10% Technischen Beruf noch 20; davon 10% Prof noch 2. Tja und wo nicht mehr sind kann man auch nicht mehr einstellen. Das verschwiegen solche Artikel immer, sie tun immer so als wären genausoviele Männer wie Frauen für jeden Beruf vorhanden.
Die Frage ist doch immer wieder warum entscheiden sich so viele Frauen für Ausbildungen, die sie nicht weiterführen können. Und auf der anderen Seite warum entscheiden sich so viele Männer gegen ihren Wunschberuf und für einen Beruf der besseres Geld verspricht.