Dieser Text ist zuerst (22.10.) auf Bühnenwatch.com erschienen und wurde mit freundlicher Genehmigung hier zweitveröffentlicht.
Die Petition „Against Black-Face Roles in German Theatre“ von Gyavira Lasana, die mit Unterstützung von Lara-Sophie Milagro und Bruce Norris zustande kam, ist seit Mitte Oktober auf Avaaz.org zu finden. Der Pulitzer-Preisträger Bruce Norris hat daraufhin einen offenen Brief an die Mitglieder der „Dramatists Guild of America“ geschrieben, in dem er zu einem Boykott deutscher Theater aufruft, die mit Blackfacing arbeiten. Bereits vergangenes Jahr hatte Norris dem Deutschen Theater in Berlin die Aufführungsrechte für sein Stück „Clybourne Park“ entzogen, weil dort die Doppelrolle der „Francine/Lena“ mit einer schwarz geschminkten weißen Schauspielerin besetzt werden sollte. In seinem Brief schreibt Norris, dass er sich normaler Weise nicht in die Kulturpolitik anderer Länder einmischt, es sei denn, seine oder die Arbeit seiner Kolleg_innen werde falsch repräsentiert. Weiter sagt er, nur eine Null-Toleranz-Position könne die deutschen Theater zum Umdenken bewegen und ruft zur Unterzeichnung der Petiton auf.
In der englischen und amerikanischen Presse ist ausführlich über Norris Engagement berichtet worden (The Telegraph, BBC News, The Independent, The Guardian, The New York Times, Los Angeles Times u.s.w.), ein paar einzelne Artikel haben es auch in die deutsche Presse geschafft (z. B. Publikative.org und Die Welt). Die Berliner Morgenpost hat es sich nicht nehmen lassen, Norris Aufruf als „Rassismusvorwurf“ zu bezeichnen. Hierzu empfehlen wir den BBC-Beitrag zur aktuellen Debatte (ab Min. 35). Darin erklärt Alexa Dvorson, warum der Rassismusdiskurs in Deutschland dem im anglo-amerikanischen Sprachraum um Jahrzehnte hinterher hinkt.
Wir freuen uns, dass durch die Petition und die Unterstützung von Bruce Norris wieder Bewegung in unser Anliegen gekommen ist und möchten alle unsere Unterstützenden bitten, die Petition zu unterschreiben und zu verbreiten.
Anmerkung: Die meisten hier verlinkten journalistischen Texte gehen von einer Gleichzeitigkeit des Aufführungsverbots für “ Clybourne Park “ und Norris Brief an die „Dramatists Guild of America“ aus. Das ist nicht der Fall. Auslöser für den Boykott-Aufruf war die Petition gegen Blackfacing an deutschen Theaterbühnen, die Aufführungerechte für sein Stück entzog Norris dem Deutschen Theater bereits voriges Jahr.
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Über Bühnenwatch:
Bühnenwatch ist eine Plattform, die sich zum Ziel gesetzt hat, rassistische Praktiken an deutschen Bühnen zu beenden. Die Gruppe ist aus den Auseinandersetzungen um die rassistische Blackface-Inszenierung und anschließende Debatte am Berliner Schlossparktheater hervorgegangen. Es ist ihr Anliegen, sowohl rassistische Darstellungen wie Blackface als auch rassistische Diskriminierung von Schauspieler_innen of Color in Zukunft zu verhindern. Mehr findet ihr auf der Homepage.
Krass ist vor allem der im Guardian-Artikel zitierte Satz der Theatersprecherin dass der schwarze Schauspieler, den sie gefunden hatten (die Frau sollte Blackface tragen und für den Mann hatten sie einen Schwarzen) über die Absetzung des Stückes enttäuscht war, weil es für schwarze Schauspieler schwierig sei, Rollen zu bekommen. Dass sie das einfach so fallenläßt ist bizarr unreflektiert.
Ich habe vor längerer Zeit aus anderem Anlass eine Übersicht geschrieben, in der auch einige Links zu finden sind (Triggerwarnung: Eine Abbildung von Blackface): Warum „Blackface“ nicht lustig ist.
Helga hatte hier auch schonmal berichtet.