„Nee, sie arbeitet nicht. Sie passt nur auf’s Kind auf.“

Wenn ich das Wort „Arbeit“ höre, denke ich zuerst an meinen Bürojob. Da sitze ich eine bestimmte Anzahl an Stunden in der Woche und hoffe dann, dass mein Lohn rechtzeitig überwiesen wird, damit die Miete vom Konto abgehen kann. Als Feministin fängt mensch schnell an, Begrifflichkeiten wie „Arbeit“ zu hinterfragen, weil die meisten Menschen darunter Lohnarbeit verstehen und andere Formen von Arbeit komplett unsichtbar gemacht werden – Politarbeit, zum Beispiel. Oder – und das mit besonders gravierenden Auswirkungen – die Sorgearbeit, wie auch dieser Comic illustriert. Wer Zeit ihres Lebens überwiegend Sorgearbeit geleistet hat, merkt spätestens bei der Rente, wie wenig wert dieser Arbeit beigemessen wird (im wahrsten Sinne des Wortes).

Während ich also von meinem Brotjob komme, diesen Text hier in aller Ruhe tippe und nachher die Beine hochlege mit einem Roman meiner Wahl, wird woanders geputzt, gefüttert, sauber gemacht, vorgelesen… Davon berichten auch zwei Bloggerinnen in ihren Texten: „Das ist doch keine Arbeit” von glücklich scheitern und „Ich nenne es Arbeit. Ein 24 Stunden Protokoll“ von feministmum.

Eine gute Lektüre für alle, die gerne sagen: „Nee, sie arbeitet nicht. Sie passt nur auf die Kinder auf.“

8 Kommentare zu „„Nee, sie arbeitet nicht. Sie passt nur auf’s Kind auf.“

  1. Ich setzte auch Arbeit mit Lohnarbeit gleich.
    Es gibt eine Menge Tätigkeiten, die wertvoll und wichtig sind, Anerkennung verdienen und eben keine „Arbeit“ im Sinne von Lohnarbeit sind. Fürs Studium lernen, meiner älteren Nachbarin bei ihren Einkäufen helfen, einen Freund oder Freundin bei Liebeskummer trösten, den Eltern den Internetanschluss einrichten, dem Kumpel beim Umzug helfen, mit dem Hund der Mitbewohnerin Gassi zu gehen, das Bad putzen, etc..
    Mir gefällt bei diesem „Sich um’s Kind kümmern ist auch Arbeit“ nicht, dass Arbeit da häufig mit Anstrengung (indirekt) gleich gesetzt wird. Und einmal kann jede Tätigkeit potentiell anstrengend, erfüllend, spaßig oder sonst was sein. Das ist ja nicht der Punkt. Außerdem, wenn ein Kind als „Arbeit“ gesehen wird, entsteht häufig diese Erwartungshaltung, vielleicht nur meine Assoziation, dass bei diesem Projekt irgendwie „was dabei raus/zurück kommen“ soll, weil man da ja irgendwie auch Ehrgeiz in sein Projekt steckt. Im Umkehrschluss, um so mehr dabei raus kommt (ganz konkret: dass das Kind durchschläft, „sauber“ ist, auf einer guten Schule gute Noten schreibt, selbstbewusst, fleißig, sportlich und drogenfrei ist) um so besser hat man wohl „gearbeitet“. (Zitat: „Also „wir“(!) konnten ja schon mit 10 Montaten laufen.“) Aber zumindest sollte das Kind/das Projekt aus Dankbarkeit für die „harte Arbeit“, doch zumindest „viel mehr an einem hängen“, als an dem Elternteil, das nicht so viel zu Hause ist. Puh. Ganz schöner Stress für alle beteiligten (inklusive dem Kind), oder?

    Ich lese gerade „Why have kids?“, das neue Buch von Jessica Valenti, der Gründerin von http://www.feministing.com Sehr zu empfehlen. Ihr ist es unter anderem ein großes Anliegen, Muttersein mehr als Beziehung, als als Arbeit anzusehen. Ich könnte nicht mehr zustimmen.

  2. Liebe Judith,

    ich glaube, ich verstehe nicht so ganz, was du meinst. Es geht ja nicht darum, festzuklopfen, dass Sorgearbeit immer anstrengend ist (obwohl sie das häufig ist) oder dass der Aspekt der Beziehung (mit den zu Pflegenden) in den Hintergrund geraten sollte (ich glaube, dass das kaum möglich ist, denn Sorgearbeit ist häufig Beziehungsarbeit) oder dass es hier um Effizienz geht (das habe ich doch nirgends geschrieben – Sorgearbeit ist ja häufig kapitalistisch wenig verwertbar, weil eben kein Stück Brot daraus entsteht). Genau das ist das Problem: Weil in der Sorgearbeit wenig produziert wird, ist sie ja gesellschaftlich niedrig angesehen.

    Hier geht es eher darum, anzuerkennen, dass das, was häufig noch nicht mal als Arbeit wahrgenommen wird gesellschaftlich völlig unterbewertet ist, somit wenig Honorierung erlebt und dadurch reale (finanzielle) Konsequenzen hat (siehe Comic).

  3. Ich kann deinen Einwand auch nicht ganz nachvollziehen, Judith.

    Arbeit wird wie Magda bereits erwähnt hat, ja nicht über „Anstrengung“ definiert. Und erst Recht nicht wird sie im Grad ihres „anstrengend seins“ bezahlt. Sonst würden die bezahlten Sorgearbeiten wie Pflege und Pädagogik in ihrer derzeitigen Strukturierung weitaus besser bezahlt.
    Arbeitsentlohnung wird v.a. in der Privatwirtschaft nach ihrem produktiven Mehrwert entlohnt. Da dieser für Sorgetätigkeiten (bezahlt oder unbezahlt) nicht absehbar ist, ist die Entlohnung auf einen reinen Zeitfaktor gekürzt. Eine Stunde Sozialarbeit oder Pflege ist soundso viel „wert“. Unabhängig davon, wie viel in dieser Stunde jetzt zu tun ist, ob ich mit Jugendlichen am Kickertisch stehe oder eine Krisenintervention mit Drogenabhängigen mache oder einen älteren Menschen beim Sterben begleite. Ziel ist weder hier noch in meiner unbezahlten Sorgetätigkeit, dass viel dabei raus kommt, sondern wie hoch die Lebensqualität für die Menschen ist, denen ich zur Seite stehe.

    Dafür erwarte ich keine Dankbarkeit. Sondern gesellschaftliche Anerkennung UND v.a. Geld von dem ich leben kann. Und soziale Absicherung, denn jede dieser Tätigkeiten ist gesellschaftlich unabdingbar. Auch wenn sie sich auf dem privaten Markt nicht mit Mehrwert verkaufen kann.

  4. Ich habe ebenfalls Schwierigkeiten, bei Kindererziehung den Begriff „Arbeit“ zu verwenden, weil ich ihn auch mit Lohnarbeit verbinde, oder genauer gesagt weil er in meinem Hirn untrennbar mit den Konzepten Leistung+Gegenleistung und Profit verknüpft ist. Ich arbeite zur Existenzsicherung, aus Interesse, zur Selbstverwirklichung und um einen materiellen Vorteil zu erlangen; letztendlich ist Arbeit Mittel zum Zweck. Alles das passt gar nicht oder nur sehr abstrakt auf die Kindererziehung, denn bei der geht es ja gerade nicht um mich, sondern um mein Kind und die Verantwortung, die das bedeutet. Mein Kind ist nicht auf die Welt gekommen damit ich eine sichere Rente habe, weil ich Kindererziehung immer schon faszinierend fand und ausprobieren wollte, weil ich mich immer schon als Elternteil sehen wollte oder weil ich mir irgendeinen zählbaren Gewinn verspreche. Kurz: Meine Arbeit ist für mich da, mein Kind nicht. Ich bin für mein Kind da, nicht für meine Arbeit.

    Natürlich ist Kindererziehung mit einem Riesenhaufen Anstrengung verbunden, und natürlich ist es extrem überfällig, dass diese Anstrengung gesellschaftlich gewürdigt wird (auch wenn es um Rentenbemessung geht). Aber es als „Arbeit“ zu bezeichnen objektiviert Kinder hin zu einem Arbeitsprodukt und nimmt der Elternschaft den emotionalen Aspekt, zumindest in meinen Augen. Womit ich aber denen nicht zu nahe treten will, die für ihre Anstrengung ein Nicht-Eltern leicht vermittelbares Wort suchen und dabei auf das umgangssprachliche „Arbeit“ gekommen sind; ich halte es nur für wenig geeignet, leider ohne einen besseren Vorschlag zu haben.

    (Vielleicht meinte Judith das auch so ähnlich?)

  5. Ich glaube, dass es mir weniger darum geht, das unbedingt „Arbeit“ nennen zu wollen (wie mensch das für sich fasst, ist ja deren Sache – ich sage Sorge- oder Reproarbeit), sondern eher darum, anzuerkennen, dass es Arbeit ist und sein kann und häufig so nicht angesehen wird – siehe auch der letzte Satz: „Nee, sie arbeitet nicht. Sie passt nur auf die Kinder auf“, wo ja eine Abwertung drinsteckt, dass das, was sie macht, eher Freizeitvertrieb ist oder „nicht so wichtig“ – insbesondere auch, weil Leute oft „nur“ verwenden.

  6. Jo, Eule, meine Gedanken gehen in die gleiche Richtung wie Deine.
    Ich denke, es kommt wohl sehr stark drauf an, was man mit „Arbeit“ assoziert. Ob „Arbeit“ alles ist, was in irgendeiner Form anerkennenswert und wertvoll ist, oder ob man bei dem Wort Arbeit auch oder vor allem diese Leistungs-, Profit-, etc…-Aspekte assoziert.
    Vielleicht ist es auch so schwierig, weil sich Arbeit- und Freizeit beim Leben mit Kind sowieso so schwer von einander differenzieren lassen. Für mich wird es auch schwierig, wenn ein Nachmittag mit Freunden im Park ohne Kinder als Freizeit und ein Nachmittag mit Freunden im Park inklusive der Kinder als Arbeit deklariert wird. Fühlt sich für mich einfach sehr ähnlich an.
    Und die Beziehungspflege mit Kind ist mir im übrigen ähnlich wichtig wie die Beziehungspflege mit Partner. Das nenne ich auch nicht Arbeit. Vielleicht sollte ich. Das ich das eine als anstrengender empfinde als das andere, da waren wir uns ja auch einig, spielt dabei für mich keine Rolle.
    Wenn das Leben mit Kind unter „Reproarbeit“ subsumiert wird, also in einer Reihe mit Kloputzen und Pfandflaschen wegbringen, bagatellisiert das für mich auch den emotionalen, existentellen Anteil, der wiederum so viel bedeutsamer ist als alle tausenden gewechselten Windeln zusammen.
    „Nee, sie arbeitet nicht. Sie passt nur auf’s Kind auf.“ Den Satz finde ich auch daneben. Allerdings sehe ich das Problem an dem Satz in dem „nur“ und weniger in dem Teil mit der „Arbeit“.

  7. Das Cartoon erinnert mich auch an eine Unterhaltung, die ich vor längerer Zeit am Nebentisch in der Pause einer Konferenz mitbekam. Darin ging es um Teilzeitmodelle von Müttern und welche Stundenzahl wohl die beste sei. Dabei fiel die Frage: “…wie viele Stunden arbeitest du denn nun insgesamt pro Woche?” und die Befragte antwortete mit der Gegenfrage: “Meinst du nur meine berufliche Arbeit oder wirklich meine Arbeit insgesamt pro Woche?”

    »Ist nur berufliche Arbeit “richtige” Arbeit?«
    http://www.networkingmom.de/ist-nur-berufliche-arbeit-richtige-arbeit/

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