Mittel zum Zweck

Michelle Obama hat es getan. Hillary Clinton auch. Beide Frauen haben sich im Wahlkampf ihrer Männer an die Wäscheleine legen lassen, weil das Bild einer toughen First Lady, die auch etwas zu sagen hat, dem Image ihres Gatten hätte schaden können.
Richard Nixon wäre begeistert gewesen. Selber von 1969 bis 1974 US-Präsident, vertrat er die Ansicht, „wenn eine Frau als zu stark und zu intelligent rüberkommt, lässt das den Ehemann als Weichei erscheinen.“

Bevor die wilden Mädchen aber jetzt direkt mit Tomaten werfen, weil sie finden, nichts und niemand sollte ihnen den Mund verbieten, sollten sie noch mal kurz inne halten und überlegen: Kann Pragmatismus ein möglicher Umweg zum Ziel sein?

(C) Eva Hillreiner, www.evahillreiner.de

Zwar will kaum eine von uns First Lady werden – angesichts der offensichtlichen Attraktivität deutscher Politiker auch kein allzu verlockender Gedanke – aber wie verhält sich unser beruflicher Alltag, wenn wir im Spiel bleiben wollen, obwohl uns die Regeln nicht passen?
Eine Kollegin, die mehrere Jahre als Journalistin in Osteuropa gearbeitet hat, erzählte mir, ihre erste Tat vor Ort sei der Erwerb eines kurzen Rocks und hochhackiger Pumps gewesen – nur so hätte sie überhaupt eine Chance gehabt, wahrgenommen zu werden. In ein von der Allgemeinheit gewünschtes Äußeres gezwängt, hat meine Kollegin einen äußerst erfolgreichen Job machen können, der ihr letztlich auch inhaltlich begründeten Respekt einbrachte.

Als Bill Clinton 1992 für das höchste Amt der Vereinigten Staaten kandidierte, machten die kühnen Reden seiner Gattin negative Schlagzeilen. Eine Umfrage der Zeitschrift Vanity Fair brachte im Frühjahr 1992 schlechte Werte für die souverän auftretende Anwältin: 44 Prozent der US-Amerikaner empfanden Hillary Clinton als zu machthungrig, 36 Prozent als zu stark und immerhin noch 28 Prozent als zu dominierend. Prompt läuteten die Wahlkampfstrategen einen Imagewandel ein: Aus selbstbewusst wurde pflegeleicht, aus Unabhängigkeit wurde Fürsorge. Geschadet hat es ihr nicht. Seit Montag steht sie als Außenministerin im Kabinett Barack Obamas fest.

Auch bei Barack Obamas Ehefrau und ebenfalls erfolgreichen Anwältin Michelle lag der Vergleich zu ihrer Vor-Vorgängerin nahe. Bereits im Juni 2007 schrieb „Die Welt“: „Die mokante Coolness der Karrierefrau erinnert an Hillary Clinton, die vor 15 Jahren versicherte, sie sei nicht der Typ Frau, die ihr Glück im Haus beim Plätzchenbacken finde.“ Ergo wurde auch Michelle Obama zurückgepfiffen, um ihre forschen Kommentare hinter das Bild der liebenden Ehefrau und Mutter zu klemmen.

Wenn wir uns auf dem Weg nach oben den Kopf an gesellschaftlichen Konventionen stoßen, kann Pragmatismus uns dann vor allzu großen Beulen schützen? Denn wenn wir diese Konventionen aufbrechen wollen, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als sie fürs Erste und in Maßen zu akzeptieren, um überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, mitgestalten zu dürfen. Ich kann nur ins Ziel laufen, wenn ich als Teilnehmer aufgestellt wurde.

Wie viel Pragmatismus wir einsetzen wollen, ist nicht leicht zu beantworten, denn die Übergänge sind fließend und die Grenzen hauchdünn gesteckt. Vielleicht müssen wir das dem Ziel überlassen, zu dessen Zweck wir pragmatisch handeln. Über Hillary Clintons Anspruch schrieb der Journalist Mario R. Dederichs Anfang der 90er: „Aber auch Macht ist für Hillary Rodham Clinton kein Selbstzweck, eher Mittel zum Zweck, und obwohl sie pragmatisch genug ist, unheilige Mittel anzuwenden, wenn es sein muss – ein bisschen Show hier, ein bisschen Zensur dort, ein bisschen Manipulation überall –, den Zweck hält sie heilig.“

Michelle Obama mag im Weißen Haus zurzeit noch die Vorhänge aussuchen, aber ihr Engagement wird darüber hinausgehen. Und wer bitte denkt bei Hillary Clinton noch ans Plätzchenbacken? Intelligenz, Beharrlichkeit aber eben auch Pragmatismus haben diese Frau weit nach oben gebracht: Willkommen im Amt Mrs. Secretary of State!

8 Kommentare zu „Mittel zum Zweck

  1. Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt. Ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass Pragmatismus dieser Art nicht zu verurteilen ist – ich verstehe jede, die solche Kompromisse eingeht. Auf der anderen Seite ist es schlecht, dass solcher Pragmatismus überhaupt nötig ist und die Stereotypen, die der Grund dafür sind, müssten sich eigentlich ändern. Zudem macht es mich persönlich wütend, mich an die Normen für weibliches Verhalten zu halten. Deshalb ziehe ich es vor, überall anzuecken.

  2. Frag mich einfach, warum nicht konsequenterweise gleich offiziell Ehepaare gewählt werden? Und ob sich die Gatten weiblicher Staatsoberhäupter vor dem Damenprogramm drücken dürfen.

    Naja, alles akademische Fragen, solange (christliche?!) Parteigelder im Puff verfeiert werden… mindestens zwei aktuelle Ministerpräsidenten ihre Ehefrauen gegen Jüngere ausgewechselt haben… und überhaupt: Pragmatismus wird an Zielen gemessen. Toll, die neue amerikanische Präsidentengattin arbeitet jetzt nicht mehr als Anwältin. Frühere haben sowieso nur Kekse gebacken.

  3. Schwierige Frage. Ich würde sagen, solche Kompromisse sind in Ordnung, solange die Betroffenen deswegen keine ernsten Nachteile in Kauf nehmen bzw. etwas tun, womit sie wirklich ein Problem haben.
    Die Grenzen muss da jede für sich festlegen. Für mich wäre es ziemlich hart, jeden Tag im Kostüm und geschminkt auftreten zu müssen. Dafür könnte ich ohne Probleme regelmäßig auch für andere kochen.

  4. (((Ich! Ich denk bei Hillary Clinton nach wie vor auch ans Plätzchenbacken. Weil ich den Spruch damals sehr cool fand (und das als begeisterte Plätzchenbäckerin;-)) Die Folge war ja unter anderem auch, dass sie im Rahmen ihrer Zurückruderaktion ihr eigenes Lieblingsplätzchenrezept veröffentlicht hat:
    http://clinton2.nara.gov/WH/EOP/First_Lady/html/cookies.html

    Abgesehen davon, dass es wirklich traurig ist, sich als Yale-Absolventin gezwungen zu sehen sich über Plätzchenback-Künste profilieren zu müssen, will ich das Rezept dieses Jahr echt entdich mal ausprobieren. Klingt lecker!)

    „Pragmatisch“ hin oder her, Michelle Obama hat in ihrer exponierten Stellung auch Verantwortung. Ich finde es schade, dass sie in jedem Interview in letzer Zeit betonen musste, dass sie ja in erster Linie Ehefrau und Mutter ist.
    Sie ist in einer Situation zu zeigen, dass man auch als Frau eines erfolgreichen Mannes erfolgreich sein darf. Dass man als Mutter berufstätig sein darf und überhaupt, dass man mehr sein darf als „die Frau von“.
    Wenn sich eine „first“ Lady nicht traut einen moderneren Weg zu gehen, wenn eine (demokratische!) Frau an der Spitze sich den Vorstellungen von irgendwelche familiy-value-Konservativen beugt, warum sollte sich dann irgendeine Autohändlergattin aus dem mittleren Westen traun ihr Ding zu machen. In sofern schadet sie sehr wohl nicht nur sich selbst, wenn sie den Frauen ihres Landes vormacht, dass frau bitte sich den Zielen ihres Mannes unterordnet und überhaupt bitte es so vielen Leuten wie möglich gleichzeitig recht macht.
    Unterordnung und Anpassung war schon immer sehr „pragmatisch“.
    Klar, wenn sie das von tiefstem Herzen echt toll findet zu Hause mit den Kindern zu bleiben, dann gönn ich ihr das von Herzen.
    Wenn sie aber den Eindruck macht (so wie Clinton damals) dass sie eigentlich andere Lebensziele hat, finde ich diese Art von „Pragmatismus“ in ihrer Position eher traurig oder sogar feig.

  5. @ Judith
    Was Michelle Obama angeht, da muss sich erst noch zeigen, ob sie aus ihrer angepassten Rolle wieder raus kommt, denn der hier angesprochene Pragmatismus bezieht sich auf Anfänge oder Etappenziele. Jetzt, wo sie quasi im Spiel ist, sollte natürlich mehr Einsatz kommen, denn das die still-lächelnde First Lady ihre Herzenswunsch ist, das kann ich mir nicht vorstellen. Und dann kann sie hoffentlich auch die Autohändlergattin aus dem mittleren Westen inspirieren :)

    „Unterordnung und Anpassung war schon immer sehr “pragmatisch”.“ – auf jeden Fall, wenn sie über den Startschuß hinaus praktiziert werden und die Anpassung nicht als Chance ergriffen wird, Dinge zu verändern. Und wie gesagt, der „Pragmatismus“ hat auch Grenzen und muss vor allem individuell gestaltet werden.

    P.S. Viel Spaß beim backen :)

  6. Deswegen mag und mochte ich Cherie Blair:
    Soweit ich das mitbekommen habe, war die nie nur First Lady (oder irre ich da gerade gewaltig?).

    Und verdammt, ich wollte doch Ausstecher kaufen heute *andiestirnschlag*

  7. @ Anna: Ja, sie hat stets als Rechtsanwältin gearbeitet. Aber soweit ich weiß, gilt Cherie Blair in Großbritannien allgemein als extrem „geldgierig“. Einerseits hatte sie krumme Immobiliengeschäfte am Laufen, zwei Häuser illegal erworben. Aber andererseits wäre es interessant zu erfahren, ob ein Mann mit solchen Machenschaften einen ebenso krassen Ruf wegbekommen hätte wie sie. Oder ob man eben sagte: Die kann nicht genug kriegen, muss während der Amtszeit ihres Mannes auch noch selbst arbeiten. Es wird immer wieder erwähnt, dass sie Vorträge für viel Geld hält etc. – was ich so bei Männern nur selten mitkriege.

  8. Es hat glaubich auch keiner ernsthaft erwartet, dass Joachim Sauer (falls der Name bekannt ist), also Herr Merkel seinen Job aufgibt, weil seine Frau Kanzlerin wurde? Die muss wieder alles alleine machen.
    Allereinerziehendes Staatsoberhaupt sozusagen. Männer können das wohl nicht ohne Hilfe.

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