Mitgemeint an der Uni Leipzig

Wenn Grundordnungen von Hochschulen geändert werden, schafft dieser Fakt selten Medieninteresse. Anders die aktuelle Änderung, die die Universtität Leipzig vornimmt. So berichtet Benjamin Haerdele bei der duz:

Rektorin, Dozentinnen, Wissenschaftlerinnen – da, wo früher in der Grundordnung der Universität Leipzig die sogenannte Schrägstrich-Variante genutzt wurde, also etwa Professor/Professorin, steht künftig ausschließlich die weibliche Personenbezeichnung. Eine Fußnote ergänzt, dass diese feminine Bezeichnung sowohl für Personen männlichen als auch weiblichen Geschlechts gilt.

Durch die verschiedenen Unigremien ist diese Änderung bereits gewandert. Die Grundordnung wird mit größter Wahrscheinlichkeit so in Kraft treten (nur das Wissenschaftsministerium könnte noch eine Änderung fordern). Ausschlag für die Änderung waren übrigens (die oft gehörten) Beschwerden gewesen, dass die Schrägstrich-Form so schwer lesbar sei.

Auch Spiegel Online übernahm den Artikel, versah ihn aber mit  irreführender Überschrift („Guten Tag, Herr Professorin“) und Teaser, so als sollte den antifeministischen Kommentatoren gleich genug Futter gegeben werden, ohne dass sie den ganzen Text lesen müssten. Das Nutzen einer rein maskulinen Form, das ist „Normalität“, die gern verteidigt wird. Doch wie Nadine schon zur letztjährigen #InWoche, einer Aktion zum „generischen Femininum“, schrieb:

Mit dem generischen Maskulinum kennen sich die meisten bestens aus. […] Tatsächlich belegen Rezeptionsstudien, dass das generische Maskulinum kein neutrales und universales “menschen-bezeichnendes” Ding unserer Grammatik ist, sondern die vermeintlich harmlose Sprache mit kulturellen wie machtvollen Bedeutungen belegt ist. Wenn wir etwas lesen, haben wir also Bilder im Kopf. Wenn Personen in Texten angesprochen werden, dann haben wir diese vor Augen.

Die Realität von Sprache zeigt, dass mit dem generischen Maskulinum nicht alle Menschen angesprochen werden, auch wenn dies vorgegeben wird, sondern in erster Linie Männer. In einer sexistischen und androzentrischen Gesellschaft ist dies nicht verwunderlich, im Gegenteil: Normalität.

In einer solchen Gesellschaft kann das Umschreiben einer gesamten Hochschul-Grundordnung in die feminine Form für Irritation und somit Auseinandersetzung mit sexististischen Realitäten sorgen. Denn auch Formen wie „Studierende“, die mittlerweile an vielen Hochschulen gebräuchlich sind, werden vorwiegend als männlich gelesen – wie das so oft mit vermeintlich „neutralen“ Formulierungen ist. Ein Allheilmittel gegen sexistische Strukturen an einer Universität ist diese Intervention aber natürlich ebenfalls nicht.

Auch das Umschreiben in eine allein weibliche Form produziert wieder Ausschlüsse, genauso wie das verdeutlichen von mitgemeinter Zweigenderung in der Fußnote (gemeint seien Männer und Frauen). Da wären Sprachinterventionen, die dies mitbedenken besonders wünschenswert. Für die Humboldt-Universität in Berlin hat Lann Hornscheidt einen Leitfaden „Geschlechtergerechte Sprache“ geschrieben, der unterschiedliche Sprachformen aufzeigt und diskutiert. Und schon gleich zu Beginn heißt es da: „Der Leitfaden regt zu einem kreativen Umgang mit Sprache an!“

11 Kommentare zu „Mitgemeint an der Uni Leipzig

  1. Auch interessant: wenn eine „Uni“ sowas umschreibt dann is großes Trara (als wäre das Rad neu erfunden) – wenn eine Fachhochschule das schon längst umgesetzt hat (inklusive der Viertelparität in Entscheidungsgremien) interessiert das kaum…

  2. @Unterwegs: Ja, ich habe auch bewusst das „erste Hochschule“ rausgelassen, weil ich es irritierend fand. Bei Grundordnungen wusste ich aber tatsächlich nicht den Stand, ich kenne aber zu mindestens Prüfungsordnungen von „Fachhochschulen“ (die jetzt ja auch nur noch Hochschulen heißen), in denen allein die feminine Form gewählt wird – jedenfalls wird dies angekündigt, für Student_innen wird dann doch meistens Studierende geschrieben, was ja eben auch problematisch ist…

  3. Ich finde die Idee ehrlich gesagt richtig gut.
    Tatsächlich werden hier wieder Ausschlüsse produziert, das stimmt schon.
    Nichtsdestotrotz kann ich irgendwie nicht umhin, bei dieser Nachricht zu lächeln und mich zu freuen – auch ein bisschen Schadenfreude für die, die immer darauf bestanden haben, das generische Maskulinum spräche alle an und sei „normal“.
    In der Schule wurden mir früher immer wieder Texte angestrichen, in denen ich beide Formen verwendete – z.B. mit der Randnotiz „unnötig“ – und ein Aufsatz, in dem ich nur die weibliche Form verwendete, wurde als „unverständlich“ abgestempelt (was eine Frechheit war).

  4. Also ich habe mich mehr als gefreut, als ich die Nachricht gelesen habe.
    Ja, es ist irgendwo eine ziemlich fiese Taktik.
    Ja, es ist nicht die beste, sinnvolle Lösung.
    Ich sehe es gewissermaßen als Parodie. Und damit will ich in keinster Weise das Thema runterspielen. Aber dadurch, dass die Realität „umgekehrt“ wird, wird sie erst klargemacht. Sie wird z.B. durch die Kommentare von vielen Männern klar, die sich darüber aufregen, wie „unwichtig“ das Thema ist, während sie gleichzeitig durch Zahl und Ton ihre Wut demonstrieren. Das ist gut so. So wütend fühle ich mich auch, wenn ich dauernd nur die maskuline Form „aufgrund der besseren Lesbarkeit“ vor mir sehe.
    Es ist eben nicht unwichtig – wäre es so unwichtig, würden sich nicht Horden von wütenden Männern darüber aufregen. Ob es jetzt die feminine oder maskuline Form ist, die in den Fußnoten auftaucht, sollte ja wohl eigentlich egal sein. Ist doch eigentlich auch unwichtig.
    Aber dadurch wird klar, dass es eben keine unwichtige Sache ist. Ich finde es nur schade, dass die meisten über ihre Wut (und viele Frauen über internalisierte Misogynie) nicht hinausschauen können.

  5. Wer richtig kotzen möchte: Lest euch mal die 63 (!) Seiten Kommentare zu dem Spiegel-Online-Artikel gestern durch. Fast ausschließlich von Männern, die auf teilweise widerliche Art und Weise über „Feministinnen“ (bzw. das, was sie dafür halten) herziehen. Ich hab nur die ersten 10 Seiten geschafft, dann war mir schlecht.

  6. Ob nicht die erste Euphorie in eine Katerstimmung umschlägt?

    Ich habe schon bei verschiedentlichen positive Kommentare darauf hingewiesen, daß die Univ. Leipzig damit im Grunde all jenen zustimmt, die die feministische Linguistik kritisieren und die Argumente der Kritik umsetzt.

    Denn sowohl werden alle Bemühungen, sexuelle Identitäten sprachlich in Wort und Schrift sichtbar und hörbar zu machen, ausdrücklich als untauglich im Sprachalltag verworfen (Beidnennung, Binnen-I, Gender-Gap und -Asterisk usw.) , als auch mit der Einführung eines einzigen Genus, das alle sexuellen Identitäten „mitmeint“, die Grundthese der feministischen Linguistik von der Kongruenz von natürlichem und grammatikalischem Geschlecht verworfen.

    Im Protokoll der 8. Sitzung im SoSe 2011 des Studentinnenrates der Universität Leipzig vom 28. Juni 2011 (der Sitzung stehen 3 Männer und 1 Frau vor) finden wir den Antrag auf “ Einführung des generischen Femininums innerhalb der studentischen Selbstverwaltung“. *)

    Die angeführten Vorteile und Gründe – bspw. „Das generische Femininum ist die höchste Form gendersinsiblen Sprachgebrauchs“ und bspw. „Das generische Maskulinum ist aufgrund seines wahrgenommenen Sexismus nicht geeignet eine
    Sensibilisierung im Genderbereich herbeizuführen und muss deswegen strikt abgelehnt werden“ halte ich ganz allgemein für intersubjektiv kaum haltbar und nur – sehr – kurzfristig wird diese Einschätzung zutreffen, das generische Femininum ist ein Instrument, „welches am ehesten dazu geeignet ist auf gendersensible Problematiken aufmerksam zu machen“.

    Denn wenn alle Menschen für alle Personen- und Funktionsbezeichnungen im Singular und Plural ein und dasselbe Genus verwenden, wird die besondere Signifikanz der ausdrücklich weiblichen Form abgeschliffen sein und aufgrund der einheitlichen Benennung aller sexuellen Identitäten die ursprünglich intendierte Sichtbarkeit der Vielfalt verschwinden.

    Ad hoc und jetzt am Anfang des 21. Jh. mag das vielleicht einen positiven für die einen und negativen Reiz für die anderen darstellen, unterm Strich müssen wir jedoch sagen, sich feministische Linguistik mit ihrerer These von der Identität von Genus und Sexus gescheitert ist. Und ein wenig später werden wir feststellen können, ob die „weibliche Sprache“ auch zu einer Diversität unserer Gesellschaft geführt hat. Ich hab‘ da meine Zweifel.

    *)

  7. @Joachim: Beim Lesen deines Kommentares fragte ich mich, ob du meinen Text auch über die Überschrift hinaus gelesen hast, oder ob du deinen Text in die Kommentarspalten aller vermeintlich „positive Kommentare“ rein copy-pastest?

    (Aber ein kleiner inhaltlicher Hinweis: Es ist halt – trotz berechtigter Kritik – schon noch ein Unterschied, ob in unserer heutigen Gesellschaft das „generische Maskulinum“ oder ein „generisches Femininum“ benutzt wird. Aber auch das erkläre ich ja eigentlich im Text.)

  8. @Anne: Never read the comments! Wirklich, NEVER. Sonst wird man ganz schnell zur Misanthropin!

    Leider hab ich aber auch in meinem näheren Freundeskreis Menschen, die sich von sowas ans Bein gepinkelt fühlen. Da wird dann von „first world problems“ und „das macht meine Sprachästhetik kaputt“ fabuliert; das generische Maskulinum war ja „schon immer so“ (aha.) und in anderen Kulturen, die keinen Genus haben (Japan) sähe es mit der Gleichberechtigung ja viel schlimmer aus als bei uns. Und überhaupt und sowieso, WIR HABEN DOCH VIEL WICHTIGERE PROBLEME!!!11
    Ein Mann ließ sich dann tatsächlich davon überzeugen, dass das generische Femininum an einer (!) Uni nicht den Untergang des Abendlandes darstellt; natürlich aber von einem anderen Mann, mit den gleichen Argumenten, die ich vorher bereits dargelegt hatte. Mich hat er hingegen als „das Problem“ bezeichnet, ich würde es ja nur „nicht verstehen“…

  9. mir gefällt die neue einführung. ich begreife sie inhaltlich als gegenpol zum bisher gewohnten, also ein rütteln an sprachtraditionen mit denen ein männerdominiertes gesellschaftsbild gedanklich verbunden ist bzw symbolisch ausgedrückt wird. und wie kann mensch besser auf die selbstverständlichkeit der gesellschaftlich weit verbreiteten benutzung der männlichen form hinweisen, als sie in ihr gegenteil umzukehren? ich denke genau so wirkt das! und das zeigen ja auch die reaktionen -> es wird diskutiert (und auch geschrien;).
    ich finde aber schade, dass grundlegende argumente in den reaktionen wenig anklang finden. eine inhaltliche auseinandersetzung mit dem thema scheint durch die änderung nur wenig angeregt worden zu sein. zudem fände ich die einführung einer geschlechtsneutralen bezeichnung passender. wahrscheinlich wäre diese sprachungebräuchlicher, würde aber inhaltlich mehr verdeutlichen, dass geschlechtertrennung verbunden mit den dahingehenden rollenverständnis gesellschaftliche dogmatik ist, die so nicht sein muss!

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