Im Bundesjustizministerium wird heute eine längst überfällige Studie zur rechtlichen Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern vorgestellt und diskutiert. 240 Seiten lang ist die Studie geworden, schreibt die Süddeutsche Zeitung, gefüllt mit unzähligen Defiziten der deutschen Gesetzgebung. Die damit der Realität im Schneckentempo hinterherschleicht, denn immer mehr homosexuelle, vor allem lesbische Paare entscheiden sich, – per künstlicher Befruchtung und Samenspende – eigenen Nachwuchs zu bekommen.
Doch der Partner, der nicht mit einer Eizelle oder seinen Samen beteiligt ist, wird nach der Geburt nicht automatisch ein Elternteil – wie es z.B. in Schweden, Spanien, Südafrika oder einigen US-Staaten üblich ist. Hierzulande stehen Paare wie Ursula und Stephanie, deren Beispiel in der SZ beschrieben ist, vor einem Haufen Probleme:
Zwar hat die 40-jährige Ursula, nachdem sie im vergangenen Jahr mit der 31 Jahre alten Stephanie eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingegangen ist, das sogenannte kleine Sorgerecht für Emil und Hannah, doch das reicht für vieles nicht aus: In welche Schule Emil bald gehen soll, darf Ursula ebenso wenig entscheiden, wie sie seine Geburt beim Standesamt anmelden konnte. Ist Stephanie krank, hat Ursula nicht die Möglichkeit, einen freien Tag zu nehmen, um auf Emil und Hannah aufpassen zu können – anders als jeder rechtliche Vater. Den Anspruch, Elternzeit zu beantragen, hat Ursula ebenfalls nicht. Und wenn Stephanie etwas zustoßen würde, dürften die Kinder von Rechts wegen nicht bei ihr bleiben.
Die einzige rechtliche Möglichkeit, die Ursula hat, ist eine sogenannte Stiefkind-Adoption, Dafür muss sie ihre „Fähigkeit zur Elternschaft“ beweisen. Das bedeutet: Gehaltsnachweis, Führungs- und Gesundheitszeugnis, und das Jugendamt überprüft, ob es tatsächlich eine Mutter-Kind-Beziehung gibt. Letzteres ist ein übliches Verfahren, wenn Eltern nach einer Trennung mit neuen Partner_innen zusammenleben, die das Kind adoptieren wollen.
„Die Stiefkind-Adoption entspricht nicht der Situation der lesbischen Paare. Hier wird das Kind schließlich in die Beziehung hineingeboren“, sagt auch der LSVD-Sprecher Manfred Bruns, der als ehemaliger Bundesanwalt am Bundesgerichtshof schon vielen lesbischen Müttern geholfen hat, wenn sie Schwierigkeiten mit der Stiefkind-Adoption hatten. Die Liste seiner Beratungsfälle ist lang: Mal soll für das Kleinkind ein Pfleger bestellt werden, bis es alt genug ist, selbst über die Stiefkind-Adoption zu entscheiden, mal sieht man keinen Sinn in der Adoption, da doch der biologische Vater bekannt ist. Trotzdem hat bis jetzt – auf kurz oder lang – jede Stiefkind-Adoption geklappt. Auch wenn dabei sichtbar wird, wie vermeintlich tolerante Menschen das Thema überfordert: „Es besteht eine große Offenheit für verschiedene Lebensentwürfe“, so Bruns, „aber bezüglich Kindern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt es immer noch große Vorbehalte.“
Justizministerin Brigitte Zypries fordert deshalb, unterstützt von SPD-, FDP- und Grünen Politikerinnen, eine Reform des Adoptionsrechts – in der nächsten Legislaturperiode.
Also Wahlkampfthema, und danach mal sehen.
Oh, was ist das noch immer überfällig…
Wäre Schade, wenn sowas zum Wahlkampfthema werden würde – vielleicht war die Präsentation aber der Auftakt dazu. Ich habe mal eine Zahl von 1.600 Fällen gehört, in denen Homosexuelle Paare adoptieren wollen. Das ist doch eigentlich etwas, was man macht, ohne großes politisches Aufsehen zu erregen, wenn man das Thema nicht für den Wahlkampf mißbrauchen will. Denn wenn’s erstmal ein Wahlkampfthema ist, und die Union sich auf die Herausforderung einläßt, was ja nicht sicher ist, dann wird es ob des sicheren Wahlsieges der Union in der nächsten Legislaturperiode eher auch nichts. Also tief hängen, machen, nicht darüber reden.
wow, ich gebe zu, mir war nicht klar wie defizitär die rechtslage hier immernoch ist – von tiefhaengen im wahlkampf halte ich dennoch nichts. denn ich bin sicher, dass ich nicht die einzige bin, der das nicht klar war, das Thema braucht dringend Aufmerksamkeit, denn die aktuelle Situation ist ja wohl mehr als prekär. was die Union draus machen wuerde ist das eine, aber es gibt definitiv auch leute, die es besser können. der Koalitionspartner? noch ist die wahl jedenfalls sowieso nicht entschieden. Fakt ist jedenfalls, dass es hoechstw zeit ist, das Problem in die oeffentliche Debatte zu bringen.
Stadtpiratin,
„öffentliche Debatte“ und „Wahlkampf“ sind im Regelfall zwei sehr unterschiedliche Dinge.
ja, jj, aber bevorstehende Wahlen sind stets ein guter Zeitraum für politische Debatte in der Öffentlichkeit.
klar besteht ein unterschied zwischen der öffentlichen diskussion und dem wahlkampf, prinzipiell. nur kann man beides auch nicht trennen, denn bis september werden es definitiv die wahlkampfthemen sein, welche die öffentliche debatte maßgeblich prägen. politische randthemen, die für nicht wahlkampfrelevant erklärt (oder eben nicht erklärt) wurden, werden im breiten medienspektrum wohl zunächst wenig beachtet werden. und eben das wäre äußerst schade bei einem solchen gesellschaftlichen missstand. (übrigens sorry für schreibfehler oben)