Oft werde ich auf Veranstaltungen gefragt, wo denn „die Feminist_innen von heute“ sind. Ich antworte dann für gewöhnlich, dass wir z.B. Ladyfeste organisieren, Diskussionsveranstaltungen und Demos planen, Workshops und Konzerte geben, uns in der Uni mit Gender und Feminismus befassen – und darüber hinaus sehr stark im Netz vertreten sind.
Wir bloggen, twittern, facebooken, hängen in Foren rum – kurz: wir schreiben uns die Finger wund. Neben kritischen, klugen, erhellenden und manchmal auch nervigen Anmerkungen und Kommentaren zu unseren feministischen Ergüssen gibt es eine nicht zu unterschätzende Wucht an Sexismen, Beleidigungen und manchmal sogar Drohungen in diesem virtuellen Wohnzimmer, in dem wir es uns so halbwegs gemütlich gemacht haben. Oftmals ist es aber nicht so gemütlich, denn diese Sexismen können ganz schön ätzend und zermürbend sein. Feminist_innen, die viel online unterwegs sind, haben allerdings ihre Mittel und Wege gefunden, mal mehr und mal weniger erfolgreich mit Sexismen im Netz umzugehen.
Besonders aus der US-amerikanischen Blogosphäre kommen öfter tolle Ideen und Projekte, die auch die hiesigen feministischen Netzbegeisterten inspirieren. Da wäre zum Beispiel das nach US-Vorbild inspirierte hatr.org, welches eine Plattform ist, auf der diskriminierende und hasserfüllte Kommentare gesammelt werden, die tagtäglich auf gesellschaftskritischen Blogs einlaufen. Mit den auf hatr.org veröffentlichten Kommentaren wird mittels geschalteter Werbung Geld für coole, emanzipatorische Projekte verdient. Hass wird somit zu Geld, hooray!
Weitere Projekte und Aktionen aus der US-amerikanischen Netzgemeinschaft stelle ich euch heute mal vor:
#mencallmethings
In der US-Blogosphäre und auf Twitter schlägt gerade der von der Bloggerin Sady Doyle initiierte Hashtag #mencallmethings große Wellen. Frei übersetzt heißt das Schlagwort: „Männer betiteln mich mit Wörtern, Dingen“. Nachdem Sady (wieder einmal) genug von ätzenden Kommentaren auf ihrem Blog hatte, startete sie eine Twitter-Kampagne und machte die Kommentare, die sie oft zu hören bekam, öffentlich. Tausende folgten ihr und veröffentlichten Tweets, die die hässliche Fratze des Anti-Feminsmus und Sexismus aufzeigte. Trotz der vereinzelten Kritik, dass nicht nur Männer* diskriminieren und sexistisch sein können und der Hashtag daher unglücklich gewählt sei, verdeutlichen die tausenden Mini-Geschichten, die überwiegend von als weiblich gelesenen Personen veröffentlicht wurden und nun auf Twitter rumschwirren, dass Geschlechterverhältnisse, Sexismen und Diskriminierung im Netz leider fest verankert sind.
„Ich bin kein Rassist (oder Sexist), aber…“
Andere kreative Möglichkeiten, um mit Sexismus und Rassismus im Netz umzugehen, sind die beiden tumblr „I’m not racist but…“ (gibt es auch auf deutsch: ichbinkeinrassistaber) und „I’m not sexist but…„, auf denen öffentliche Facebook-Kommentare gesammelt werden, in denen zwar betont wird, dass der oder die Verfasser_in nicht sexistisch oder rassistisch sei, aber im selben Kommentar beweist, dass dem leider doch so ist. Illustriert wird hier sehr anschaulich, dass „sexistisch“ und „rassistisch sein“ offensichtlich böse Dinge sind, mit denen mensch nicht assoziiert werden möchte, deshalb die Abgrenzungsversuche mit „Ich bin ja nicht…!“. Gedacht und gesprochen wird aber weiterhin so – willkommen in der post-gender und post-race Welt! Leider wurden beide tumblrs schon eine Weile nicht mehr aktualisiert, aber Lacher generieren die älteren Einträge immer noch.
„Yo, is this racist or sexist?“
Eine recht aktuelle Idee sind die Frage & Antwort Seiten „Yo is this racist?“ und „Yo is this sexist?„, auf denen Menschen (teilweise absurde) Fragen einsenden können, um herauszufinden, ob etwas rassistisch oder sexistisch sei. Witzig und kurz sind die Antworten, die teilweise aber einen echten Lerneffekt haben.