Erst letzte Woche haben wir den Bericht der New York Times aufgegriffen, wonach Frauen nach wie vor seltener zum Orgasmus kommen als Männer. Alan Fogel von Pychology Today hat da ein paar interessante Informationen für uns. Rein technisch betrachtet, zeigen Studien aus den vergangenen 50 Jahren exakt die gleichen Abläufe im menschlichen Körper beim Orgasmus: Muskelkontraktionen des Beckens und schließlich das Gefühl des Höhepunktes.
Die Notwendigkeit ähnlicher Orgasmusabläufe bestehe aus Gründen der Reproduktion, die Geschlechter aneinander zu binden. Gemeinsame emotionale Erlebnisse täten genau das, schreibt der Psychologieprofessor aus Salt Lake City.
Hm, interessant. Besonders die Geschichte des weiblichen Orgasmus‘ kennt Zeiten, in denen ihm genau dieses Recht auf biologische Notwendigkeit abgesprochen wurde. Nun gut. Aber warum Frauen dann trotzdem nach wie vor schwieriger oder weniger gut kommen als Männer, erkennt Fogel in der Disharmonie des eigenen Körpergefühls. Mehr Körpersensibilität gegenüber den eigenen, auch emotionalen, Bedürfnissen sowie denen des Partners erlaubt uneingeschränkte Intimität und erleichtert den Weg zum Orgasmus.
Ob das als Antwort auf die Frage reicht, warum viele Frauen, wenn sie doch körperlich durch dasselbe Ziel laufen, den Weg so uneben und steinig vorfinden, während Männer wie von selbst aufs Ziel zuschießen? Ich glaube nicht. Ich glaube nicht, dass es reicht, ein gutes Körpergefühl zu haben und den Schlüssel zu emotionaler Intimität. Das ist mir viel zu lasch als Erklärung in einer Welt, in der besonders Frauen nach wie vor suggeriert wird, Sex ohne Liebe funktioniere für sie nun mal nicht.
Normalerweise lese ich Euch ja gerne, aber hier muss ich doch mal widersprechen.
Zum einen fände ich es mal gut zu wissen wie solche Aussagen belegt sind:
„Aber warum Frauen dann trotzdem nach wie vor schwieriger oder weniger gut kommen als Männer, erkennt Fogel in der Disharmonie des eigenen Körpergefühls.“
und:
„warum viele Frauen, wenn sie doch körperlich durch dasselbe Ziel laufen, den Weg so uneben und steinig vorfinden, während Männer wie von selbst aufs Ziel zuschießen?“
Ist das wirklich so? Weiß man das aus Umfragen oder wie jetzt? Falls das die Quelle sein sollte finde ich das fragwürdig, denn es ist ja nichts Neues dass bei Befragungen dieser Art gerne mal geflunkert wird (und es daher für mich keine Überaschung wäre wenn Männer ungerne zugeben dass es bei ihnen auch mal nicht klappt).
Natürlich kann ich nur aus meiner statistisch höchst unzureichenden persönlichen Erfahrung sprechen, aber ich habe bei meinen Partnern durchaus auch unebene und steinige Wege erlegt (wobei ich selber das Glück habe eigentlich immer leicht wie von selbst aufs Ziel zuzuschießen).
In dem Artikel selber heißt es ja: „A common sexual dysfunction in women is inability to achieve orgasm, while the corresponding dysfunction in males is premature orgasm.“ (wobei ich da auch jetzt wieder die Quelle vermisse). Was ist denn mit Erektionsproblemen? Ich glaube kaum dass das für Männer weniger frustrierend ist als für Frauen, die schwer zum Orgasmus kommen (und mir wurde von meinen Partnern öfters vermittelt, dass ihnen ein verfrühter Orgasmus meist auch nicht viel bringt).
und auch mit dieser Aussage habe ich ein Problem:
„Das ist mir viel zu lasch als Erklärung in einer Welt, in der besonders Frauen nach wie vor suggeriert wird, Sex ohne Liebe funktioniere für sie nun mal nicht.“
also von diesem Bild sind wir mittlerweile auch in der westlichen Popkultur inzwischen weit abgekommen – so nehme ich das zumindest wahr.
Stereotpyen sind denke ich für beide Geschlechter wenig hilfreich.
Körpergefühl halte ich schon für wichtig, aber den allerwichtigsten Ratschlag vermisse ist immer noch: Redet miteinander! Sex ist doch in erster Linie immer eine Sache zwischen zwei konkreten Menschen mit ganz konkreten Bedürfnissen. Ich denke wenn man sich innerlich freimacht, aufeinander eingeht und sich gegenseitig zeigt was gefällt klappts auch mit dem Orgasmus. Dabei zu denken „Och Mensch, er als Mann schießt so leicht aufs Ziel zu und für mich ist der Weg steinig“ könnte da eher kontraproduktiv sein ;-)
„also von diesem Bild sind wir mittlerweile auch in der westlichen Popkultur inzwischen weit abgekommen – so nehme ich das zumindest wahr.“
Komisch, meine Wahrnehmung sagt mir genau das Gegenteil – ob in Filmen, Fernsehserien, Büchern oder eben auch Studien und wissenschaftlichen Ansätzen, Frauen werden immer so dargestellt, als würden sie permanent Sex und Liebe verwechseln und als müsse man ihnen nur was Nettes ins Ohr hauchen, um sie „ins Bett zu kriegen“.
Selbst wenn dem mal nicht so ist – das blödeste, aber repräsentativste Beispiel, das mir dazu einfällt, ist Samantha aus Sex and the City – wird das wiederum ins Gegenteil verkehrt und die Frau als übertrieben emotionslos (in Bezug auf Sex), triebhaft und promiskuitiv dargestellt.
Insofern finde ich den Artikel oben ausbaufähig, seine kritischen Ansätze jedoch richtig.
Auch wenn ich dem Professor, obwohl ich seinen Schlussfolgerungen (von wegen mehr Emotionalität) nicht folgen würde, insofern rechtgebe, dass es vielen Frauen einfach an Gefühl für ihren eigenen Körper mangelt, was aber schon im jugendlichen Alter anfängt (mir zum Beispiel ging es so, dass mich trotz Nutzung des eigenen Kopfes die mediale Darstellung von jungen Frauen als verklemmt und tugendhaft schwer irritiert hat).
Viele Frauen (wo ist der verdammte Artikel, den ich dazu mal gelesen habe???) können nur schwer oder gar nicht einschätzen, wann sie körperlich erregt sind!
Und das finde ich ehrlich gesagt schon sehr befremdlich, denn wer kann schon Leidenschaften und Bedürfnisse ausleben, von denen man kaum konkret sagen kann, wann sie vorhanden sind und wann nicht.
P.S. Der Artikel, den ich gesucht habe, befindet sich im EMMA-Sex-Dossier (http://www.emma.de/hefte/ausgaben-2010/fruehling-2010/dossier-sex-inhalt/), nämich „Im Sexlabor“, ist aber online leider nicht lesbar.
@ Jane – ich nehme das auch mehr wie Morjanne wahr, wobei sich das durchaus nicht mit meinen privaten Erfahrungen deckt. Und genau das impliziert auch, dass es durchaus auch für Männer ein steiniger Weg ins Ziel ist. Das Problem mit diesen Stereotypen gilt ja für alle Geschlechter…
Und ja, „redet miteinander!“ :)
Ich stimme ebenfalls Jane zu. Ich weiß nicht, ob diese vorherrschende Meinung, der weibliche Orgasmus sei eine so wahnsinnig komplizierte und schwer zu erreichende Angelegenheit, der Sache so förderlich ist. Ich hab mich früher manchmal gefragt, ob bei mir eh alles okay ist, weil bei mir alles schnell, schön und problemlos war :)
Das würde ich nie bezweifeln – ein Orgasmus ist nicht kompliziert, auch der weibliche nicht (und wie seltsamerweise seeeehr viele Feministinnen kann ich sagen: meiner auch nicht); ich bin lediglich der Meinung, dass Frauen ihrem Körper und sich selbst zu wenig Aufmerksamkeit schenken, und sich damit selbst im Weg stehen.
Und dieses Fragen, ob mit dir auch alles stimmt, ist das, was ich oben meinte: dass uns und unseren Partnern medial eben eingetrichtert wird, dass Frauen länger brauchen, seltener wollen etc pp.
Falls Ihr erlaubt kann ich, als Mann, dazu nur sagen, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass fast alle Frauen so tun, als wäre es genau so wie es medial und gesellschaftlich kolportiert wird. Die meisten glauben es freilich selbst nicht, spielen aber diese Rolle mit. Keine Ahnung warum. Vielleicht kann es mir hier jemand erklären?
Das wirkt sich manchmal so aus, dass so getan wird, als würden die Frauen generell weniger Interesse an Sex als Männer haben, immer länger für einen Orgasmus brauchen, generell weniger oft Sex haben wollen als Männer usw. Im typischen Hollywood-Romantic-Movie wird das auch noch alles bestätigt. Ich kann nur das Gegenteil bestätigen. Wie auch immer ist alles vielfältiger.
Dass Frauen in einer durchschnittlichen Beziehung dennoch weniger oft einen Orgasmus haben, glaube ich allerdings. Auch da kann ich natürlich nur aus meiner Erfahrung sprechen. Die meisten Frauen haben den Focus am Orgasmus des Mannes. Vor allem am Anfang einer neuen Beziehung. Der Orgasmus des Mannes ist für manche (?) Frauen der Dreh- und Angelpunkt beim Sex. Erst nachdem man geredet hat und ein gewisses Vertrauen vorhanden ist, ist das idealerweise anders. Ich wünsche mir einer Frau zu begegnen, der in erster Linie ihr Orgasmus, ihr Spass und ihre Befriedigung wichtig ist, die sich fallen lässt, ohne auf irgendwelche männlich generierten „Konventionen“ zu achten.