Dies ist keine Rezension, sondern eine Liebeserklärung. Kann Spuren von grenzenloser Bewunderung enthalten.
Beth Ditto hat gemeinsam mit Michelle Tea ihr Leben aufgeschrieben. Als Gossip und Beth Ditto Fan-Grrrl habe ich selbstverständlich jede Zeile dieses Buches in mein Herz tätowiert und plädiere stark dafür, dieses Werk zur Pflichtlektüre für alle Achtklässler_innen zu machen.
Leichte locker-flockige Lektüre ist es allerdings nicht. Beth Ditto nimmt uns mit auf ihre teils schmerzhafte Reise in die Vergangenheit. Wir befinden uns in den Südstaaten, dem so genannten „Bibelgürtel“ der USA: irgendein christlich-konservatives Kaff im Bundesstaat Arkansas, mitten im gefühlten und realexistierenden Nirgendwo. 1970? 1980? Egal. Die Unterschiede merkt mensch nicht, laut Ditto.
Auf ziemlich bedrückende Weise schildert Ditto ihr Leben als junges Mädchen und Teenager in einer Gesellschaft, in der Gewalt weggeschwiegen und jede Abweichung von der Norm aufs Brutalste geahndet wird. 1981 wurde Ditto in diese Welt hineingeboren. Armut, körperliche und sexualisierte Gewalt, Sexismen und Homofeindlichkeit gehören zu Dittos Alltag. Die klaren Worte, mit denen diese Grausamkeiten beschrieben werden, sind eingebettet in knallharte Analysen: Ditto individualisiert nicht, sondern benennt klar Diskriminierung und gesellschaftliche Strukturen.
Als sie sich mit dem späteren Gossip-Gitarristen Nathan und der ersten Gossip-Schlagzeugerin Kathy in der High School anfreundet, entdeckt sie die Liebe zu Riot Grrrl, Musik, Fat Acceptance Zines, Haare färben und Feminismus. Als es nach der High School nach Olympia (Washington) geht, ist das wie eine andere Welt. Dort kämpfen sich die Musiker_innen von einem zum nächsten schlecht bezahlten Job, machen Musik, klauen sich ihr Essen zusammen, spielen oder gehen auf Konzerte. Ditto kämpft mit einer seltenen Krankheit, entdeckt die femme in sich, erste längere Beziehungen. Irgendwann wird die erste Platte aufgenommen, die alte Schlagzeugerin geht, Hannah Blilie steigt ein. Es geht auf Tour mit Sleater Kinney, später Le Tigre. Beim Lesen komme ich öfter durcheinander, weil das Buch nicht chronologisch erzählt. Für mich, die alles wissen will und jede Info aufsaugt, wird das zur echten Konzentrationsarbeit.
Ab 2006 wird es dann weird, also komisch, wie Ditto sagt. Standing in the Way of Control wird zum Hit in Großbritannien, Gossip startet durch und steigt in diverse Charts in Europa ein. Hier endet das Buch dann langsam, nicht ohne noch mal Bezug auf feministischen Aktivismus zu nehmen: Ditto erzählt von den Girls Rock Camps und wie sehr ihr Empowerment von Mädchen und jungen Frauen am Herzen liegt.
Die ersten Entzugserscheinungen zeigen sich: es soll schon zu Ende sein? Ich hätte mir sehr gewünscht, mehr zu erfahren. Wie geht die Band mit ihrem Erfolg um? Wieso arbeitet Ditto mit einem wie Karl Lagerfeld zusammen? Wie schreibt die Band Songs? Erfahren tun wir’s nicht, aber ich bin trotzdem selig. Auf einer Skala von eins bis zehn vergebe ich elf Punkte.
Das Buch ist auf Deutsch, Englisch und Französisch erschienen. Ich las die englische Originalfassung. Die deutschsprachige Version hat mehrere Seiten Bilder, die die englischsprachige nicht hat. Ich empfehle allerdings allen, die gut Englisch lesen können, das Original zu lesen. Wer linke Projekte unterstützen möchte, bestellt das Buch einfach über links-lesen.de.
Sofort bestellt! <3
Sehr cool!
Ich durfte sie vor ein paar Jahren bei Rock am Ring live erleben und ich war einfach überwältigt was diese Frau für eine Ausstrahlung hat.
Da kommt dieser kleine Mensch auf die Bühne und du verfällst ihr einfach sofort :)
Lieben Gruß
Sarah